Protocol of the Session on June 21, 2012

Zum anderen haben die Fraktionen der CDU und SPD einen gemeinsamen Antrag zur Änderung des bestehenden Vergaberechts eingebracht, mit dem das geltende Recht im Wesentlichen um einen vergabespezifischen Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro pro Stunde ergänzt werden soll. Daneben ist eine Regelung für eine Auftragssperre vorgesehen, falls die Vergabebedingungen durch den Auftragnehmer nicht eingehalten werden.

Ich verrate hier auch kein Geheimnis, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn ich Ihnen sage, der Gesetzentwurf der Koalition ist von der Landesregierung vorbereitet worden. Die Koalitionsfraktionen haben diesen Gesetzentwurf noch vor der Verbandsanhörung übernommen, um die erklärte Zielstellung zu realisieren, noch vor der diesjährigen parlamentarischen Sommerpause eine Zweite Lesung zum Vergaberecht und damit die Einführung eines vergabespezifischen Mindestlohnes zu ermöglichen.

Sehr geehrte Damen und Herren, wie wir heute feststellen können, ist dieses Ziel erreicht worden. Einen wesentlichen Anteil daran haben die zügigen Beratungen sowohl im federführenden Wirtschaftsausschuss als auch in den anderen mitberatenden Ausschüssen des Landtages.

An dieser Stelle möchte ich die Gelegenheit nutzen, um mich bei allen Beteiligten zu bedanken, die ganz unbürokratisch und kurzfristig an das Thema herangegangen sind. Dies gilt ganz ausdrücklich auch für die demokratischen Oppositionsfraktionen. Nur so war es möglich, im Ausschuss für Wirtschaft, Bau und Tourismus noch vor der Ersten Lesung im Landtag bereits über eine Anhörung zu beschließen und die abschließende Ausschussberatung bereits vor Eingang der letzten Stellungnahme des mitberatenden Innenausschusses durchzuführen. Ich denke, das war auch im Interesse der betroffenen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Vielen Dank für Ihre konstruktive Mitarbeit.

Sehr geehrte Damen und Herren, natürlich hat diese konstruktive Zusammenarbeit viel damit zu tun, dass wir uns in einem Grundsatz einig sind: Alle demokratischen Landtagsfraktionen wollen einen vergabespezifischen Mindestlohn, um den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern bei öffentlichen Aufträgen, die das Land Mecklenburg-Vorpommern vergibt, einen angemessenen Lohn garantieren zu können. Wir haben sicher auch gemeinsam die Auffassung, dass sich dem die Kommunen in unserem Land anschließen können. Es gibt aber wie so oft verschiedene Wege zum Ziel.

(Udo Pastörs, NPD: Alle Wege führen zum Ziel.)

Der Koalitionsentwurf ermöglicht den Kommunen die Anwendung der für die Landesvergabe geltenden Regelungen. Der Entwurf der Fraktion DIE LINKE hingegen schreibt die Anwendung verbindlich vor.

Zwischen Koalition und Opposition ist bis zuletzt im Wesentlichen eine Frage strittig geblieben. Wir konnten keinen Konsens darüber finden, ob das Vergaberecht über die bestehenden zusätzlichen Eignungskriterien hinaus noch detaillierte Regelungen zu ökologischen und sozialen Kriterien enthalten soll, etwa auch zur Frauenförderung. Das ist ein ganz wesentlicher Unterschied zwischen den beiden konkurrierenden Gesetzentwürfen. Im federführenden Wirtschaftsausschuss lagen dazu auch Änderungsanträge der Opposition vor.

Bei der anderen zentralen Frage über die Höhe des vergabespezifischen Mindestlohnes gibt es sogar innerhalb der demokratischen Opposition unterschiedliche Auffassungen: Die Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hält in Übereinstimmung mit dem Gesetzentwurf der Koalition einen Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde für ausreichend und hat deshalb auch zugestimmt, diesen Gesetzentwurf als Beratungsgrundlage im Ausschuss vorzusehen. Dagegen fordert die Fraktion DIE LINKE einen Mindestlohn von 10 Euro pro Stunde.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Einzelheiten zu den Gesetzentwürfen, den Beratungen im Ausschuss und vor allem zu den Stellungnahmen in der Anhörung finden Sie im schriftlichen Bericht, der Ihnen als Landtagsdrucksache vorliegt.

Ich möchte Sie abschließend aber noch darauf hinweisen, dass der Wirtschaftsausschuss auf Antrag der Fraktionen von SPD und CDU ergänzend zur Beschlussfassung über die Gesetzentwürfe die Annahme einer Entschließung empfiehlt. Darin ist eine Evaluierung der gesetzlichen Regelungen bis zum 31. März 2015 vorgesehen, um auch die tatsächlichen Auswirkungen der neuen Regelungen überprüfen zu können.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir haben jetzt als Landtag die Chance, mit unserer Beschlussfassung zum Vergaberecht noch vor der Sommerpause den vergabespezifischen Mindestlohn in Höhe von 8,50 Euro für Aufträge, die das Land Mecklenburg-Vorpommern vergibt, in unserem Bundesland einzuführen, somit schon kurzfristig auf unserem Arbeitsmarkt eine wichtige Maßnahme gegen Niedriglöhne zu ergreifen. Dadurch können wir beispielgebend dafür Sorge tragen, dass sich Arbeit lohnt und Arbeit auch eine ausreichende Grundlage für die finanzielle Existenz leisten kann.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bitte Sie entsprechend der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft, Bau und Tourismus, den Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen von SPD und CDU anzunehmen, der Entschließung zuzustimmen und den Gesetzentwurf der Fraktion DIE LINKE abzulehnen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Vielen Dank, Herr Eifler.

Im Ältestenrat wurde vereinbart, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich höre und sehe dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Und ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst der Abgeordnete Herr Schulte für die Fraktion der SPD.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich bin jetzt etwas überrascht, dass ich gleich hier als erster Redner ans Pult komme, aber das ist dann auch nicht das Problem. Aber sehr geehrte Kollegen, ich habe eine Bitte: Nehmen Sie es mir nicht übel, wenn ich mich vielleicht heute etwas kürzerfasse als das letzte Mal zu diesem Thema! Ich glaube, Sie hören, woran das liegt.

(Unruhe und Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD – Zurufe von Heinz Müller, SPD, Dr. Norbert Nieszery, SPD, und Helmut Holter, DIE LINKE)

Ich tanze aber trotzdem nicht hier vorne.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich möchte nicht alles das wiederholen, was im Rahmen der Ersten Lesung auch zu den unterschiedlichen Vorstellungen aus den Koalitionsfraktionen und der Fraktion DIE LINKE und von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hier vorgetragen worden ist. Diese Positionen sind bekannt und man muss sie nicht wiederholen. Die sind auch in der Öffentlichkeit bekannt.

Ich möchte mir deswegen erlauben, heute schwerpunktmäßig in meinem Redebeitrag auf die von den Koalitionsfraktionen im Rahmen der Beschlussempfehlung eingebrachte oder vorgeschlagene Entschließung einzugehen, dass die Landesregierung aufgefordert wird, das Gesetz bis zum 31. März 2015 zu evaluieren. Ich möchte das deswegen machen, weil ich weiß – und das sehen wir ja auch in den Änderungsanträgen –, dass sowohl bei der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN als auch bei der Fraktion DIE LINKE der Grundsatz, dass das Gesetz evaluiert werden soll, unstrittig ist. Und deswegen erlauben Sie mir an dieser Stelle darzulegen, warum wir als Koalitionsfraktionen diesen Weg gewählt haben und es nicht – so, wie das von den Oppositionsfraktionen vorgeschlagen worden ist – ins Gesetz reinzuschreiben.

Wenn Sie sich den Gesetzestext angucken, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, den bestehenden Gesetzestext, dann wird Ihnen eines auffallen: Das Gesetz läuft 2016 erst mal aus.

Wir haben uns in der vorigen Wahlperiode darauf verständigt, dass vom Grundsatz her alle Gesetze zeitlich befristet werden sollen. Das ist ein breiter Konsens in diesem Haus gewesen, weil wir uns auf den Standpunkt gestellt haben, es kann nicht angehen, dass wir Gesetze schaffen, ohne irgendwann die Gelegenheit zu nutzen oder auch die Verpflichtung zu haben, tatsächlich zu schauen, welche Auswirkungen dieses Gesetz hat.

Und vor diesem Hintergrund muss man natürlich dann auch sehen, wir reden jetzt bei den unterschiedlichen Vorschlägen, ob man den der Koalitionsfraktionen nimmt, im Rahmen der Entschließung bis spätestens 31. März 2015 das Gesetz zu evaluieren, oder ob das von den Oppositionsfraktionen kommt – ich glaube, einmal alle zwei Jahre, der andere Vorschlag ist, glaube ich, einmal alle drei Jahre –, wir reden vom Grundsatz über denselben Zeitraum. Wir reden darüber, dass ungefähr im Jahr 2015, unabhängig jetzt vom Quartal, dieses Gesetz evaluiert werden soll. Und wir stellen das auch nicht ins Belieben der Landesregierung, denn es ist völlig egal, ob dieser Landtag dies im Rahmen einer Beschlussempfehlung trifft,

diese Empfehlung, oder ob wir es ins Gesetz reinschreiben. Ich glaube nicht, dass die Landesregierung – auch vor dem Hintergrund, dass diese Wahlperiode über den 31. März 2015 hinausgehen wird – dann tatsächlich dieses nicht tun wird.

Der gravierende Unterschied ist natürlich, wenn wir es ins Gesetz reinschreiben – und, sehr geehrte Kollegen, da hätten Sie dann vielleicht auch mal konsequent sein müssen –, wenn Sie es ins Gesetz reinschreiben, dann hätten Sie auch überlegen müssen, ob Sie nicht die Befristung des Gesetzes aufheben wollen. Weil was soll denn das für eine Konsequenz sein, wenn ich ins Gesetz reinschreibe, wir evaluieren alle zwei Jahre? Alle zwei Jahre heißt ja, nicht nur einmal. Das wäre also 2015, 2017 oder 2018 – je nachdem, welche Befristung man nimmt –, ohne zu sagen, das Gesetz endet nicht 2016. Das ist …

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das kann man doch im Rahmen der Evaluierung machen.)

Wie bitte?

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das kann man doch im Rahmen der Evaluierung machen.)

Gut, natürlich. Aber das ist ja auch der Weg, Herr Kollege Holter, den wir wählen. Wir wählen den Weg so, wie er im bestehenden Gesetzeskontext ist. Wir machen die Evaluation 2015. Da wird der Landtag unterrichtet und dann werden wir hier im Landtag darüber entscheiden, ob wir das Gesetz entfristen, ob wir es verändern und wie wir es ausgestalten.

Und, sehr geehrter Kollege Holter, ich bin im Grunde für den Zwischenruf dankbar, weil die Frage ist ja im Endeffekt nicht das formale Prozedere, sondern wie wir mit dem Gesetz dann umgehen.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Richtig.)

Und auch da, denke ich mal, müssen wir uns am heutigen Tag nicht drüber streiten, dass dieses Gesetz dann im Jahre 2015 geändert werden wird, entweder alleine vor der Frage, die Entfristung aufzuheben oder aber die Ergebnisse der Evaluation zu berücksichtigen. Und dass das so ist, sehr geehrter Kollege Holter, das ist jetzt nicht mal ins Ermessen dieser Landesregierung oder dieses Landtages gestellt, sondern das – das wird dem einen oder anderen, der sich mit dem Thema beschäftigt, dann auch näher bekannt sein –, das hängt alleine schon damit zusammen, dass momentan ganz gravierende Veränderungen auf der europäischen Ebene zum Vergaberecht stattfinden.

Sie wissen, dass Ende letzten Jahres die Europäische Kommission einen neuen Entwurf vorgestellt hat für die Veränderung der Vergaberichtlinien. Das sind grundlegende Veränderungen im Vergleich zum derzeitigen Bestand. Und die Europäische Kommission hat die Zielrichtung, dass in den Nationalstaaten – das ist ja eine Richtlinie –, in den Nationalstaaten im Jahr 2015 tatsächlich dieser dann gegebenenfalls bestehende Entwurf umgesetzt werden soll. Das heißt also, wir wissen heute schon, dass sich auch innerhalb der Bundesrepublik Deutschland und innerhalb der Europäischen Union gerade im Jahr 2015 gravierende Veränderungen ergeben werden.

Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dann lassen Sie mich in diesem Zusammenhang, wenn die Technik funktioniert, vielleicht mal gerade noch darauf hinweisen. Ich will es nur an einer Stelle machen und erlaube mir, nicht aus dem Entwurf der Kommission, sondern schon aus dem entsprechenden Bericht des zuständigen Ausschusses des Europäischen Parlamentes zu zitieren. Das ist nur ein Änderungsvorschlag von vielen, und zwar zur Erwägung 32 des Vorschlages für eine Richtlinie der Kommission, und da heißt es dann in den Beschlussfassungen des Ausschusses für Wettbewerb und Verbraucherschutz, wenn ich das jetzt richtig im Kopf habe:

„Nach Auffassung vieler Wirtschaftsteilnehmer – und nicht zuletzt der KMU – ist eines der Haupthindernisse für ihre Beteiligung an öffentlichen Vergabeverfahren der Verwaltungsaufwand im Zusammenhang mit der Beibringung einer Vielzahl von Bescheinigungen oder anderen Dokumenten, die die Ausschluss- und Auswahlkriterien betreffen. Eine Beschränkung der entsprechenden Anforderungen, z. B. durch Eigenerklärungen, einschließlich der Erklärungen, mit denen die Einhaltung der Vorschriften und Normen im Bereich der Gesundheit und der öffentlichen Sicherheit sowie zum Sozialschutz und der Arbeitsnorm nachgewiesen wird, kann eine erhebliche Vereinfachung sowohl zum Nutzen der öffentlichen Auftraggeber als auch der Wirtschaftsteilnehmer mit sich bringen.“

Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich habe bewusst diese Stelle rausgesucht, weil wir haben in den letzten fünf Jahren – und das ist auch richtig so gewesen – dieses Thema schwerpunktmäßig immer wieder unter der Überlegung „gesetzlicher Mindestlohn“ diskutiert. Da gibt es unterschiedliche Auffassungen zur Höhe und es ist natürlich auch für den einen oder anderen schwierig gewesen, sich mit dem Grundsätzlichen aus diesem Instrument anzufreunden. Aber die Entwicklung in der Bundesrepublik Deutschland ist auch in den letzten fünf Jahren nicht stehengeblieben. Ich will Ihnen hier keine Wetten heute anbieten, aber ich halte es für durchaus nicht ausgeschlossen – um es vorsichtig zu formulieren –, dass sogar noch in dieser Wahlperiode ein gesetzlicher Mindestlohn von der derzeitigen Bundesregierung eingeführt wird, und ich …

(Heinz Müller, SPD: Kurz vor der Bundestagswahl.)

Kurz vor der Bundestagswahl.

(Vincent Kokert, CDU: Und schon ist das letzte Thema für die SPD auch noch weg. Was machen Sie da denn?)

Ja, das, ich vermute mal, Herr Kokert, das wird auch genau der Grund sein.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Heinz Müller, SPD: Ja. – Helmut Holter, DIE LINKE: Wenn er recht hat, hat er recht.)

Wir müssen ja nicht blauäugig sein.

(Zuruf von Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Und sollte die sehr geehrte Bundeskanzlerin nicht so verfahren, weil sie sich wider Erwarten nicht gegen ihren starken Wirtschaftsminister durchsetzen kann, dann wird …

(Helmut Holter, DIE LINKE: Dann muss er zu Fuß laufen. Da braucht er ein bisschen länger.)

Vielleicht muss er dann zu Fuß laufen.

(Zuruf von Vincent Kokert, CDU)

Aber dann wird es sicherlich nach der Bundestagswahl kommen und die ist Ende 2013.

Wir müssen uns also darüber im Klaren sein, wir diskutieren letztendlich dieses Thema heute vor einem anderen Hintergrund, als wir das vor fünf oder sechs Jahren getan haben. Und der Hintergrund, vor dem wir es auch in Zukunft diskutieren werden, ist nicht die Frage: Wie gehen wir mit dem Thema „gesetzlicher Mindestlohn“ um? Weil wenn wir einen bundeseinheitlichen Mindestlohn haben werden, und das scheint ja Konsens in diesem Haus zu sein, dass so was kommt, dann ist doch eher die Frage: Wie funktionieren die Kontrollmechanismen tatsächlich?