Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 15: Beratung des Antrages der Fraktionen der CDU und SPD – Sinnvollen Interessenausgleich zwischen Wirtschaft, Vereinen sowie ehrenamtlich Tätigen und Kulturschaffenden ermöglichen, auf Drucksache 6/725. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/765 vor.
Antrag der Fraktionen der CDU und SPD Sinnvollen Interessenausgleich zwischen Wirtschaft, Vereinen sowie ehrenamtlich Tätigen und Kulturschaffenden ermöglichen – Drucksache 6/725 –
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! „Diskothekenbetreiber laufen Sturm gegen Tarifreform“, vom MDR 19. Mai 2012. „Kollateralschaden Clubkultur“, „Der Freitag“ am 16. Mai. Heute: „GEMA-Wuchertarife: 40 Diskotheken im Land machen dicht“, „Schweriner Volkszeitung“.
Meine Damen und Herren, ich denke, wir alle haben in den vergangenen Wochen die Schlagzeilen gelesen. Das Thema Folgen der Gebühren, GEMA-Gebührenerhöhung wird gerade viel diskutiert. Die Politik, so denke ich, hat sich bei dem Thema sehr lange vornehm zurückgehalten. Und ich halte es für dringend geboten, dass die Politik ihre Zurückhaltung aufgibt und die Auswirkungen der neuen GEMA-Tarifstruktur thematisiert, denn gerade ein Land wie Mecklenburg-Vorpommern, ein Land, das auf den Tourismus angewiesen ist und in dem es zahlreiche Volksfeste, Musikveranstaltungen gibt, kann es sich nicht leisten, dass Musikveranstalter sehenden Auges in die Pleite getrieben werden. Das ist weder im Sinne der Gewerbetreibenden noch im Sinne unserer Gäste.
Und bevor ich auf den vorliegenden Antrag selbst zu sprechen komme, halte ich es für notwendig, kurz diese komplexe Gemengelage zu erläutern, mit der wir es hier zu tun haben. DIE GEMA ist ein Verein, der die Rechte von Kunst- und Kulturschaffenden, in der Regel Musikern, wahrnimmt und dafür Sorge tragen soll, dass, wer Musik hört, auch dafür zahlt. Das Geld wird dann an die
Künstler ausgeschüttet. Die GEMA wird dabei auf Basis des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes tätig. Sie ist in der Ausgestaltung der Tarifsysteme frei. Zwar gibt es eine Schiedsstelle beim Bundesjustizministerium, die in Streitfällen angerufen werden kann. Diese Schiedsstelle unterbreitet aber nur Vorschläge. Zwischen Rechteverwertern und Konsument besteht also, wenn Sie so wollen, nicht unbedingt Waffengleichheit.
Meine Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle keine Diskussion über das Thema Herausforderungen an das Urheberrecht in der digitalisierten Welt beginnen. Eine solche Diskussion wäre zweifelsohne spannend, würde aber an dieser Stelle zu weit führen und ich möchte auch nicht hinterfragen, ob die internen Ausschüttungsmechanismen der GEMA transparent und fair sind. Auch diese Diskussion wäre spannend, hätte aber nichts mit dem Antrag zu tun. Vor allen Dingen – und das betone ich an dieser Stelle besonders – stelle ich die Rechte der Kulturschaffenden nicht infrage. Der Schutz des geistigen Eigentums ist von großer Wichtigkeit. Ich plädiere eindeutig nicht für eine Gratiskultur, wenn es um Musik geht.
Mir geht es heute darum, die Auswirkungen der neuen GEMA-Tarifstruktur darzustellen und an die Beteiligten zu appellieren. Der Antrag ist ein Appell an die Schiedsstelle beim Deutschen Patentmarkenamt, dass sie im Rahmen des Schiedsverfahrens hinsichtlich der neuen GEMA-Tarifstruktur die berechtigten Interessen der Wirtschaft ausreichend gewichten möge. Der Antrag ist ein Appell an die GEMA, bei der Ausgestaltung ihres Tarifsystems die wirtschaftliche Betätigung von Musikveranstaltungen nicht in der Weise zu beeinträchtigen, dass eine wirtschaftliche Betätigung nicht oder kaum noch möglich ist. Und der Antrag ist ebenso ein Appell an die GEMA, die finanziellen Rahmenbedingungen für ehrenamtlich Tätige und Vereine zu verbessern, indem unter anderem Rabattsysteme sowie eventuelle Freistellungsregelungen bei Veranstaltungen für gemeinnützige Zwecke etabliert werden.
Ein Appell, das ist mir sehr wohl bewusst, ist ein sehr mildes Mittel. Ich bin aber zutiefst davon überzeugt, dass es an dieser Stelle das zunächst einzig richtige Mittel ist. Noch ist es nicht zu spät dafür, dass der Rechteverwerter GEMA einlenkt und erkennt, dass die Tarifstruktur so, wie sie geplant ist, für viele Musikveranstalter das wirtschaftliche Aus bedeuten kann und wird. Auch der GEMA muss klar sein, dass man eine Kuh, die man melken will, nicht schlachten sollte. Und dass es an dieser Stelle offensichtlich an Augenmaß fehlt, zeigen einige einfache Rechenbeispiele. So hat der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband folgende Berechnungen angestellt: Für eine Abendveranstaltung von 20.00 bis 2.00 Uhr, ohne Eintritt, mit Tonträgermusik mittels Laptop, auf einer Fläche bis 200 Quadratmeter erhöhen sich die GEMAGebühren netto um etwa 60 Prozent.
Für eine Abendveranstaltung von 20.00 bis 2.00 Uhr mit Livemusik und 15 Euro Eintritt, auch in dem Flächenbereich, erhöhen sich die Gebühren um 118 Prozent. Und bei durchschnittlich zehn Veranstaltungen pro Monat in einer mittelgroßen Diskothek mit zwei Dancefloors, mit zum Beispiel 410 oder 310 Quadratmetern beim Eintrittsgeld von 8 Euro erhöhen sich die GEMA-Gebühren inklusive aller Zuschläge von 21.553 jetzt auf 147.916 Euro dann.
Das sind 686 Prozent Steigerung und Sie kennen vielleicht überall die weiteren Berechnungen, wo wir Rechnungen bis über 1.000 Prozent haben.
Ich möchte nicht über die Motive der GEMA spekulieren, die dazu geführt haben mögen, ein Tarifsystem mit solch extravaganten Steigerungen ins Werk zu setzen. Da ich ein Mensch bin, der zunächst noch an die Einsicht und Vernunft glaubt, gehe ich im Moment schlicht davon aus, dass der GEMA einfach nicht bewusst ist, welche Auswirkungen ihre Tarifvorstellungen haben, wobei ich das sehr bewusst sage, das ist auch rhetorisch gemeint, das ist klar.
Zugleich möchte ich klipp und klar betonen, dass die GEMA sich nicht in einem rechtsfreien Raum bewegt. Ich habe es eingangs gesagt, sie wird auf Basis des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes tätig. Daher an dieser Stelle eine an die GEMA gerichtete Bemerkung: Wenn eine Einigung zwischen Rechteverwertern und den Nutzerinnen und Nutzern nicht möglich ist, könnte sich die Politik aufgefordert fühlen, über das Urheberrechtswahrnehmungsgesetz neu nachzudenken. Die GEMA nimmt quasi eine Monopolstellung ein. Wer ein Monopol hat, der trägt große Verantwortung, und ich wünsche mir, dass die GEMA dieser Verantwortung gerecht wird.
Meine Damen und Herren, wir haben einen Änderungsantrag der LINKEN vorliegen, dem wir so selbstverständlich zustimmen können. Dieser Begriff ist ja schon in der Überschrift enthalten und es ist als Ergänzung in Punkt 1. Dem können wir selbstverständlich zustimmen. – Vielen Dank.
(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU und DIE LINKE – Vincent Kokert, CDU: So konstruktiv arbeiten wir zusammen.)
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Koalitionäre CDU und SPD haben ein wichtiges Thema auf die Tagesordnung des Landtages gebracht und ich will vorwegschicken, dass wir die Intention des Antrages und das Anliegen unterstützen. Wir sind für einen Interessenausgleich von Wirtschafts- und Kulturschaffenden. Die Inhaber einer Diskothek sollen durch die GEMA-Gebühren nicht unterdrückt werden, also wir teilen die Auffassung. Herr Waldmüller hat gerade davon gesprochen, heute auch der Aufmacher in der „Schweriner Volkszeitung“.
Wir haben ein Interesse, dass die Diskotheken, dass die Veranstalter am Netz bleiben. Zugleich, möchte ich betonen, haben wir ein Interesse, dass die Künstlerinnen und
Künstler, für die die GEMA Gebühren aus Urheberrechten einzieht, nicht um den Lohn ihrer Arbeit geprellt werden. Gestern haben wir ja das Thema gehabt in der Aktuellen Stunde „Arbeit muss sich lohnen“. Das gilt für Veranstalter, das gilt für DJs,
das gilt für, Herr Renz, Metallarbeiter, Krankenschwestern, aber auch für Künstlerinnen und Künstler, die selbstverständlich souveräner Marktteilnehmer sind.
Gestern habe ich, wie es der Zufall so will, in Facebook – Kollegin Borchardt, mit Ihrem Einverständnis darf ich das mal preisgeben – einen interessanten Beitrag von Uwe Hassbecker, dem Gitarristen, gefunden. Es gibt ja Facebookfreundschaften und Uwe Hassbecker von der Gruppe Silly hat einen kleinen Text eingestellt, den ich sehr interessant fand. Auslöser war eben die Debatte um Urheberrechte und wie sie vergütet werden. Und er beschreibt, welche Mühe Künstlerinnen und Künstler, ob nun Songschreiber, Musiker jeder Art haben, einen guten Song zu produzieren und den zu vermarkten. Und überall können wir diese guten Songs dann hören.
Nun ist es so, dass er darüber geschrieben hat, wie so ein Song entsteht. Und wenn er dann aufsteht von seinem Schreibtisch, nachdem er einen Song geschrieben hat beziehungsweise aus dem Studio geht und um die Ecke zum Bäcker, dann ist es selbstverständlich, dass er für seine Frühstücksbrötchen das Geld auf den Ladentisch legt. So selbstverständlich und anstandslos ist es aber nicht, dass er vergütet wird oder Künstlerinnen und Künstler vergütet werden für die Produkte ihrer Arbeit. Und sein Fazit ist, und das ist der große Zusammenhang, aus unserer Sicht will Deutschland auch im 21. Jahrhundert das Land der Dichter und Denker sein, dann müssen wir dafür Sorge tragen, dass die Dichter und Denker eben davon auch existieren können, was sie produzieren, was sie machen.
Die soziale Situation von Künstlerinnen und Künstlern ist in diesem Land, das möchte ich betonen, teilweise dramatisch. Die Barmer hat vor einiger Zeit mal auf einem Parlamentarischen Abend deutlich gemacht, welche Spannbreite es unter den Selbstständigen gibt. Künstlerinnen und Künstler haben teilweise ein Jahreseinkommen von 6.000 bis 8.000 Euro. Unterschied dazu am anderen Ende der Skala: Radiologen nach Steuern 150.000 Euro. Das ist keine Neiddebatte, das ist einfach eine Feststellung und es ist eine Frage, wie kann dafür Sorge getragen werden, dass alle – ich nehme das noch mal auf, was gestern eine Rolle spielte – von ihrer Arbeit leben können. Und Arbeit muss sich lohnen, war der Slogan.
Sehr geehrte Damen und Herren, der Hintergrund des Antrages der Koalition ist von Herrn Kollegen Waldmüller ja bereits dargelegt worden. Die GEMA hat also Anfang des Jahres einen Vorschlag für eine neue Tarifstruktur gemacht. Aus einem Komplex von elf Tarifen sollen nun zwei Tarifgruppen werden. Die GEMA selbst hat, nachdem sie sich mit der Bundesvereinigung der Musikveranstalter und dem Bundesverband der Diskotheken nicht
hat einigen können, einen Antrag gestellt auf dieses Schiedsverfahren, weil eben der Streitpunkt ist, dass es eine deutliche Erhöhung der Gebühren für Großveranstalter gibt. Nunmehr soll es zwei Tarife geben, einmal für diejenigen, die also Tonträger vermarkten, bemessen an den Chartnotierungen, und eine andere Tarifgruppe für Liveveranstaltungen. Hier ist eben entscheidend – ich habe mich bei der GEMA da noch mal erkundigt – die Häufigkeit der Titellisten. Zwei Kriterien spielen eine Rolle, die Veranstaltungsfläche und das Eintrittsgeld. Für Kleinveranstalter wird es lukrativer, für Veranstalter, wie hier schon beispielhaft dargelegt, ab 7 Euro Eintritt beziehungsweise 300 Quadratmeter Fläche wird es erheblich teurer.
Ein Rechenbeispiel, ich finde das ganz interessant, macht deutlich, wie differenziert die Situation ist und wie differenziert man da auch herangehen muss. Rechenbeispiel: Der Veranstalter eines Sommerfestes mit 300 Quadratmetern Fläche und 3 Euro Eintritt bezahlt zukünftig 90 Euro statt heute 192,80 Euro. Selbst bei 700 Quadratmetern und 7 Euro Eintritt werden zukünftig 490 Euro statt 668 Euro anfallen. Eine Galaveranstaltung mit Livemusik in einem Ballsaal dagegen kostet bei 1.500 Quadratmetern und 60 Euro Eintritt bisher 1.470 Euro, ab Januar 2013, so ist es geplant, dann 9.000 Euro bei einem Umsatz aus Eintrittsgeld von 90.000 Euro. Nun, das muss auch erwähnt werden, gibt es bereits einige Sonderregelungen auch in diesem Tarifvertragswerk, Sonderregelungen für Gesamtvertragspartner. Die DEHOGA ist so ein Gesamtvertragspartner, die kriegt per se 20 Prozent Nachlass. Günstige Tarife gibt es auch für verschiedene Gruppen des sozialen und kulturellen Bereichs, nämlich Kinder- und Jugendarbeit und Nachwuchsspielstätten.
Für Sonderfälle ist auch Vorsorge getroffen. Es gibt eine Angemessenheitsprüfung und einen Härtefallnachlass. Also hier gibt es eine gewisse Differenzierung. Gleichwohl das Problem, was Herr Waldmüller hier illustriert hat, ist akut. Und ich betone noch mal, dass wir kein Interesse daran haben, dass die Veranstalter ihre Tätigkeit einstellen müssen, weil mit Blick eben auf Tourismus ist gesagt worden, aber wenn das Beispiel zieht mit dem Tourismus, dann möchte ich darauf hinweisen, dass selbstverständlich natürlich wir in unserem Tourismusland auch einen Landesheimatverband brauchen und Kreative brauchen. All diejenigen sollen existieren können.
Sehr geehrte Damen und Herren, hinter all dem steht die Frage – Herr Waldmüller hat es angeschnitten, ich will das schon noch mal vertiefen, weil es natürlich um eine grundsätzliche Frage geht – nach der Zukunft des Urheberrechts und nach Möglichkeiten und Grenzen der wirtschaftlichen Nutzung der Arbeit von Künstlerinnen und Künstlern. DIE LINKE will eine gleichberechtigte Berücksichtigung der Interessen von Veranstaltern, also auch der Künstlerinnen und Künstler, sowohl als auch.
Künstler müssen in die Lage versetzt werden, als selbstständige Marktteilnehmer aus eigener Kraft eine angemessene Vergütung zu erzielen. Benötigt wird die Verwirklichung der Zielsetzung des seit 2002 geltenden Gesetzes zur Stärkung der vertraglichen Stellung von Urhebern und ausübenden Künstlern. Das ist deshalb wichtig, Herr Waldmüller hat darauf angespielt und ich möchte das noch mal vertiefen: Die Schiedsstelle ist angerufen und Herr Waldmüller hat zu Recht gesagt, diese Schiedsstelle hat keine bindende Wirkung mit ihrem Schiedsspruch. Warum ist das so? Weil in der Re
gierungszeit von Rot-Grün im Jahre 2002 zwar diese Schiedsstelle damals eingerichtet wurde, aber eben auch im Gesetz vermerkt ist, dass diese Schiedsstelle nur empfehlenden Charakter hat.
Wir sind dafür, dass der Schiedsspruch verbindlicher wird. Das kann dazu führen, dass solche Streitfälle jetzt dann eben auch einer Lösung zugeführt werden und es nicht allein beim Empfehlungscharakter bleibt.
Also hier ist die Politik gefordert, hier ist insbesondere die Bundespolitik gefordert. DIE LINKE hat im Bundestag einen entsprechenden Gesetzentwurf vorbereitet und gestern, wie es der Zufall so will, in ein Anhörungsverfahren gegeben bis zum 30. Juni, mit der Absicht, hier die Zielsetzung des besagten Gesetzes aus dem Jahre 2002 durch ein Folgegesetz zu bekräftigen und dafür zu sorgen, dass das, was auf diesem Gebiet notwendig ist, nämlich dass sowohl die Veranstalter existieren können als auch die Künstlerinnen und Künstler, dann Realität wird.
Danke schön für die Aufmerksamkeit und danke auch an die Koalitionäre, dass sie unseren Änderungsantrag, der zunächst wie ein redaktioneller Antrag daherkommt, aber schon die Qualität hat, annehmen. Wir übernehmen die Intention aus der Überschrift des Antrages dann auch ausdrücklich in den Beschlusstext. Das ist keine Selbstverständlichkeit, dass Sie sich dazu hinreißen lassen. Ich finde das gut so, das ist eine Frage der Kollegialität und des Anerkennens der Sachlage. – Schönen Dank also für die Aufmerksamkeit.