Protocol of the Session on April 26, 2012

Gestern ist darauf verwiesen worden, dass es sich hierbei um eine Lex Schwerin handeln würde.

(Zurufe aus dem Plenum: Genau.)

Das sehen wir ganz und gar nicht. Es gibt strukturelle Gründe, warum wir uns dafür aussprechen, das Mecklenburgische Staatstheater Schwerin in Landesträgerschaft zu übernehmen. Zum einen handelt es sich um den größten Standort hier in Mecklenburg-Vorpommern, mit einer repräsentativen Funktion in der Hauptstadt dieses Landes. Zum Zweiten handelt es sich um ein Unter…

(Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

Klar, ich komm da noch zu.

Zum Zweiten handelt es sich um ein Theater, das exzellente Kennziffern aufzuweisen hat.

(Jochen Schulte, SPD: Und kurz vor der Pleite steht.)

Der Durchschnitt des Einspielergebnisses bundesweit liegt bei etwa 15 Prozent, dieses Haus hat 22 Prozent. Es ist geradezu eine Sünde und ein Frevel, Hand und Axt anzulegen an die Substanz dieses Theaters. Und, Herr Butzki, insofern haben alle anderen Standorte und die Trägerkommunen die ökonomischen Ressourcen und Potenzen, ihre Theater und Orchester zu schultern.

(Marc Reinhardt, CDU: Ich nehme an, dass das Paul Krüger anders sieht.)

Schwerin kann dies nicht aus eigener Kraft. Das gilt es zu berücksichtigen.

(allgemeine Unruhe – Zuruf von Andreas Butzki, SPD)

Warum das so ist, das will ich Ihnen gerne sagen. Aufgrund der Rahmengesetzgebung auf Bundesebene sind mit den Jahren 2004/2005 die Kommunalfinanzen, insbesondere der kreisfreien Städte, erheblich in den Keller gegangen, weil die Kommunen Aufgaben übertragen bekommen haben vom Bund, die nicht gegenfinanziert wurden. Das ist die Malaise. Nicht, weil in den kreisfreien Städten, weder in Greifswald noch in Neubrandenburg noch in Schwerin, über den Durst getrunken wurde,

(Marc Reinhardt, CDU: Das sehen wir ja jetzt.)

sondern hier gilt es ganz einfach zu berücksichtigen,

(allgemeine Unruhe – Glocke der Vizepräsidentin)

dass es eine Situation gibt, der wir hier entsprechend begegnen müssen.

Wir schlagen vor, und deswegen handelt es sich nicht um eine Ungleichbehandlung, dass mit allen anderen Theaterstandorten ein Theatervertrag abgeschlossen werden soll. In Anlehnung an den Erlass, mit entsprechenden Rechten und Pflichten der jeweils vertragsschließenden Seiten, soll es uns darum gehen, eine Dynamisierung abzusichern für die Theater und Orchester und die einzelnen Sparten. Diese Dynamisierung ist schon lange fällig. Wir haben das in einem entsprechenden Zahlentableau dargestellt, zum Beispiel, was die Orchesterfinanzierung betrifft, mit einem Plus von 2,3 Millionen Euro über die Jahre hinweg und einer Dynamisierung in den Bereichen Schauspiel, Musik, Theater und Tanz.

Wir haben den Bereich Schauspiel mit einer besonderen Dynamisierung hervorgehoben, weil immer wieder die Frage stand, und die ist aus unserer Sicht abwegig, die Frage stand: Warum bekommen Orchestermusikerinnen und Orchestermusiker so viel Geld? Die Frage muss doch lauten: Warum bekommen Schauspielerinnen und Schauspieler so wenig Geld?

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Helmut Holter, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Und um dem zu begegnen und im Rahmen des Möglichen etwas zu bewirken,

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

sprechen wir uns dafür aus, die Dynamisierung an dieser Stelle mit 2,5 Prozent zu versehen.

Für Verwaltung, Ausstattung und auch die Aushilfen – weil die Frage zwischenzeitlich kam: Wie ist denn das eigentlich mit den Aushilfen? – sehen wir es für geboten an, einen Pauschalbetrag zu leisten. Alles andere kommt über die Einnahmen der Theater und Orchester selbst beziehungsweise über die Theater tragenden Kommunen.

Als zweite Säule schlagen wir vor die Gründung einer Stiftung, einer Stiftung Kultur und Tourismus. Kultur und Tourismus haben ein enges Wechselverhältnis, sie sind in gewissem Maße aufeinander angewiesen. Über 22 Prozent der Touristinnen und Touristen in unserem Land sind hierhergekommen oder kommen hierher, weil sie Interesse haben an Kultur und Kunst in Mecklenburg-Vorpommern. Aus diesem Grund hat der Tourismusverband auch Kultur als einen der Schwerpunkte gesetzt für die zukünftige Arbeit, und wir halten es für geboten, dass aus einer solchen Stiftung sowohl die kulturelle Infrastruktur als auch die touristische Infrastruktur Nutzen ziehen kann. Dazu ist es notwendig, Geld in die Hand zu nehmen. Wir schlagen vor, einmal 20 Millionen Euro aus der Rücklage – und de facto handelt es sich um eine Umsetzung dieses Betrages, dieses Geld ist vorhanden –, 20 Millionen Euro aus der

Rücklage des Landes in eine andere Form der Rücklage zu nehmen, nämlich in einen Kapitalstock.

Wenn man dann hinzunimmt, dass beginnend mit den Theater tragenden Kommunen die Touristinnen und Touristen mit einem Durchschnittssatz pro Übernachtung von 2 Euro in eine Kulturförderabgabe sowohl die touristische als auch die kulturelle Infrastruktur unterstützen, würde dieser Kapitalstock aufwachsen können und ab 2021 Mittel ausschütten können für eben die genannten Zwecke.

Als dritte Säule schlagen wir vor: Eigenanstrengungen der Theater und Orchester. Angesichts der Situation klingt das natürlich etwas seltsam, aber wir beziehen uns auf die Veberas-Studie des Landesrechnungshofes und verweisen darauf, dass zumindest an dieser Stelle plausibel berechnet wurde, dass die Potenziale der Theater und Orchester bei circa 1 Million Euro liegen können. Wir haben – ich komme gleich zum Schluss – eben auch darauf verwiesen, woher sie kommen können.

Es ist jetzt, damit möchte ich schließen, für Sie die Stunde des Schwurs, zu sagen, wie aufrichtig haben Sie Interesse an Lösungen, haben Sie Interesse an der Wahrnahme der Verantwortung für Theater und Orchester und, Herr Ministerpräsident, von Schachspieler zu Schachspieler – Sie sind am Zug! Ich werbe dafür, dass dieses Konzept einfließt in die weitere Debatte. Stimmen Sie unserem Antrag zu!

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gegeben hat zunächst der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Mit Genehmigung des Präsidiums darf ich zitieren: „Nicht immer ist, wo ‚Konzept‘ drauf steht, auch ein solches drin. Im Fall dessen, was Die Linke nun zur Zukunftssicherung der Theater und Orchester vorlegt, handelt es sich schlicht um einen Forderungskatalog, beruhend auf drei papierenen ‚Säulen‘. Erstens soll das Land das Schweriner Theater übernehmen und die Landeshauptstadt damit finanziell entlasten. Das mag man als Schweriner patriotisch sehen und deshalb ganz toll finden, aber sind die anderen Theater im Land für ihre jeweiligen Regionen nicht gleichermaßen wichtig?“

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Helmut Holter, DIE LINKE: Wir haben das alle in der Zeitung gelesen, Herr Brodkorb.)

„Säule zwei dürfte schon zusammenkrachen, noch bevor sie gedanklich fertiggestellt: eine Kulturstiftung, in die über eine Kulturabgabe in acht Jahren 140 Millionen Euro eingezahlt werden sollen. Da hätte man auch gleich 140 Milliarden einsetzen können, das wäre nicht weniger unrealistisch. Und schließlich Säule drei: Mehreinnahmen in den Theatern. Hier wurden vorsichtshalber gar keine Zahlen genannt. Ein Papier, aus dem es letztlich nur so vor Populismus trieft, das in der Sache aber nicht weiterhilft“, so im

„Schweriner Kurier“ vor wenigen Tagen zum Konzept der LINKEN, das uns heute vorliegt.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das ist eine Meinung. Einer Journalistin! – Peter Ritter, DIE LINKE: Und wo ist Ihr Konzept, Herr Minister?)

Ich möchte ganz ausdrücklich sagen, dass ich diesen Kommentar deutlich für überzogen halte, sehr geehrter Herr Holter. Insofern würde ich mich auch heute dem Grundsatz anschließen, die Emotionen etwas zurückzulassen und die Argumente,

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Es sind halt nicht alle so emotionslos wie Sie.)

und die Argumente einfach zu bewerten.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig. Ja, der sprüht vor Elan und Einfällen.)

Ich teile diese Einschätzung deshalb nicht, weil ich es sogar umgekehrt – oder was heißt sogar –, ich finde es sehr konstruktiv und begrüße es, das DIE LINKE nunmehr mit einem eigenen Vorschlag in die Debatte eintritt. Das ist ein Fortschritt. Denn bisher haben wir uns auf der moralischen Ebene miteinander auseinandergesetzt, oder moralistischen, würde ich eher sagen,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Weil wir auf Ihr Konzept gewartet haben, Herr Minister!)

jetzt beginnt die Ebene der Debatte.

Ich würde, Herr Koplin, Ihnen allerdings an einer Stelle widersprechen, und zwar sehr massiv. Sie haben sich hier hingestellt und gesagt, bisher sei es immer um Finanzen gegangen, im Ansatz um Finanzen, jetzt würde es im Ansatz um Kultur gehen. Mit Verlaub, dem muss ich widersprechen. In dem Papier hab ich von Kultur nichts gelesen inhaltlich, es geht nur ums Geld, es geht nur um Finanzen und Strukturen.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Ja, die ersten zehn Seiten.)

Der einzige Unterschied ist nur zwischen uns, Herr Koplin, jetzt folgender: Sie beschreiben die Zukunft der Theater mit der Antwort „mehr Geld“ und wir sagen, das werden wir wahrscheinlich nicht in dem Umfang zur Verfügung haben, um die bestehenden Strukturen zu erhalten. Das ist der einzige Unterschied. Aber wir beide diskutieren oder die beiden verschiedenen Meinungen haben zunächst natürlich mit der Lage zu tun, in der wir uns insgesamt befinden. Also ich teile die Kritik nicht in dieser Schärfe, aber durchaus in der Tendenz.

Am Ende geht es in Ihrem Konzept um die Frage: Wie viel Geld wird zusätzlich in das System gegeben? Und die Frage, die man dann beantworten muss, wenn das eigentlich der Lösungsvorschlag ist: Warum dann eigentlich ein so großer organisatorischer Aufwand? Warum sagen Sie dann nicht einfach, die Summe, die Sie in das System geben wollen, die geben wir ins FAG, verändern den Verteilmechanismus und sind fertig? Das Geld kommt bei den Theatern an. Also wenn am Ende das Konzept im Wesentlichen daraus besteht, zu sagen, es

muss mehr Geld ins System, ließe sich das einfacher organisieren. Es erschließt sich mir nicht, warum dies so gemacht wird von Ihnen.

Zwei Dinge würde ich allerdings deutlich hervorheben, die aus meiner Sicht ein wesentlicher Gegenstand der zukünftigen Debatte sein werden, die Sie hier bekräftigen. Der erste Punkt: Es ist ein in der Tat zu berücksichtigender Umstand, dass die Altersstruktur der Personalkörper natürlich Auswirkungen hat auf die tariflichen Strukturen und damit auf die Kostenentwicklung und dass es ein zu grober Ansatz ist, einfach nur pauschale Personalkosten zu nehmen je Stelle und daraus Zukunftsprojektionen zu machen. Das heißt, dieser korrigierende Faktor, dass wir also auch in den Orchestern oder im Schauspiel ältere Kolleginnen und Kollegen haben, die ausscheiden und heute eine höhere Entgeltgruppe haben, und es mit dem Ersatz durch junge Leute dann gegebenenfalls sogar gewisse Kompensationen gibt, also dieser Aspekt wird in der Reform sicher eine große Rolle spielen.

Das Zweite, wo ich persönlich, das sage ich ganz ausdrücklich, bereit bin, an einem Strang zu ziehen und vielleicht sogar auch in dieselbe Richtung, dass ist das, was Sie in dem Bereich der Kulturstiftung bei der Beteiligung der Wirtschaft an der Finanzierung von Kulturaufgaben ansprechen. Sie werden ja die Fragebögen, die wir verschickt haben, gelesen haben. Da ist eine Frage, die ich selber gestellt habe, ja genau dieser Punkt: Was halten Sie von einem solchen Kulturtaler? Wir haben das hier im Parlament schon öfter mal diskutiert und diese Frage halte ich in der Tat für berechtigt.

Die Tourismusbranche Mecklenburg-Vorpommern argumentiert, die Theater sind für sie wichtig, und überhaupt Kulturangebote, damit Gäste hierherkommen und hier übernachten. Und wenn das so ist, finde ich die Frage, zurückadressiert an die Wirtschaft, ob sie denn bereit ist, den Kultursektor Mecklenburg-Vorpommern zu unterstützen, nicht verkehrt. Wir haben 27,6 Millionen Übernachtungen. Wenn wir pro Übernachtung einen Euro – ich mache es jetzt mal preiswerter –, einen Euro draufschlagen auf die Übernachtung, hat das keine Auswirkung auf das Verhalten, hier im Lande Urlaub zu machen, aber es würde eine enorme Summe ergeben. Ich lasse jetzt mal die rechtlichen Rahmenbedingungen ganz beiseite. Sie haben ja selber in Ihrem Papier darauf hingewiesen, das kann man durchaus verschieden sehen, ob das rechtlich durchsetzbar ist oder nicht.