Protocol of the Session on April 26, 2012

In einer auf Werbung ausgerichteten und von ihr dominierten Gesellschaft ist das sicher nicht völlig zu vermeiden,

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

aber man darf auch nicht so tun, als fände das nicht statt. Und dagegen wenden wir uns, Herr Ringguth, nicht gegen die Soldatinnen, Soldaten und Zivilangestellten, wie Sie in Ihrer Pressemitteilung veröffentlichten.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Oh, oh!)

Das verbietet sich schon deshalb, weil die Soldatinnen und Soldaten Aufträge ausführen, die ihnen vom Bundestag und der Bundesregierung erteilt werden. Die Soldatinnen und Soldaten haben darauf keinen Einfluss. Alle diejenigen, die im Bundestag ihre Zustimmung für die Auslandseinsätze der Parlamentsarmee geben, tragen dafür die Verantwortung, niemand anderes.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Sehr geehrte Damen und Herren, Minister Brodkorb hat vollkommen recht, wenn er in seiner Pressemitteilung bekräftigt,

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

dass die Bundeswehr nicht irgendwer ist, sondern eine staatliche Institution. Aber das Land unterhält doch nicht mit allen wichtigen staatlichen Institutionen Kooperationsvereinbarungen. Existieren diese etwa mit der Polizei, dem Zoll, der Rentenversicherung oder dem Finanzamt?

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

Wäre es nicht viel, viel sinnvoller, eine Kooperationsvereinbarung mit einer anderen staatlichen Institution, nämlich der Agentur für Arbeit, zu schließen,

(allgemeine Unruhe)

um die Schülerinnen und Schüler besser auf das Berufsleben vorbereiten zu können,

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Herzlichen Glückwunsch! Machen Sie weiter so!)

als es den Schulen momentan möglich ist?

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das würde eine Kooperationsvereinbarung rechtfertigen, alles andere nicht.

(Zurufe von Minister Harry Glawe und Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Acht Bundesländer machen es uns vor. Sie verzichten auf eine derartige Bevorzugung der Bundeswehr. Weitere Bundesländer erwägen ebenfalls die Beendigung der Kooperation, weil es eben auch nach ihrer Ansicht nicht um politische Bildung im engeren Sinne geht. Dies hat im Jahr 2009 der damalige Verteidigungsminister FranzJosef Jung deutlich artikuliert. Er hatte die Bundesländer aufgefordert, Kooperationsvereinbarungen mit der Bundeswehr zu schließen, und als eines der Ziele nannte er ausdrücklich, ich zitiere, „den Sinn bewaffneter Auslandseinsätze zu vermitteln“. Ende des Zitats.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Hört! Hört! – Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Sehr geehrte Damen und Herren, dass die Regierung dieser Kooperationsvereinbarung keine besondere Bedeutung beimisst, belegt die Tatsache, dass diese Kooperationsvereinbarung den Schulen erst nach unserer Kleinen Anfrage mit knapp zwei Jahren Verspätung überhaupt mitgeteilt worden ist, und das, obwohl die Schulen über jeden Schritt des damaligen Bildungsministers mit Rundschreiben informiert worden sind. Aber die Kooperationsvereinbarung gab es nur – auch nach Angaben der Regierung – als Pressemitteilung.

Der Link auf der Homepage des Ministeriums war zu diesem Zeitpunkt nicht vorhanden. Es wurde auch nicht bedacht, dass bei einem derartigen Eingriff in die schulischen Abläufe eine Beratung mit den Schulleiterinnen und Schulleitern notwendig wäre, um das Neutralitätsgebot zu gewährleisten, denn bis heute gibt es keine Meldepflicht der Schulen an die Staatlichen Schulämter, wann die Bundeswehr den Unterricht übernimmt. Es erfolgt keine Unterrichtung an die Eltern, dass sie ihr Kind von einer derartigen Veranstaltung abmelden können, wenn die Angebote der Bundeswehr keinen direkten Bezug zum Lehrplan haben. Es gibt keine Parallelangebote für jene Jugendliche, die nicht an der Veranstaltung teilnehmen möchten. Das alles gibt es nicht, aber es gibt sehr wohl eine Verwaltungsvorschrift des Ministeriums, die die Schulleitungen verpflichtet, Schulträger und Staatliche Schulämter über jeden Besuch eines Abgeordneten des Landtages zu informieren. Offensichtlich ist die politische Brisanz des Besuchs von Abgeordneten höher zu bewerten als ein Besuch der Bundeswehr.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

Aufgrund dieser zahlreichen Umsetzungsmängel bezweifle ich, dass das Kontroversitätsprinzip und das Überwältigungsgebot im Sinne des Beutelsbacher Konsens hier gewährleistet sind.

(Vizepräsidentin Beate Schlupp übernimmt den Vorsitz.)

Sehr geehrte Damen und Herren, erst aufgrund einer Petition sowie unserer Anfrage erfolgte eine Abfrage der Staatlichen Schulämter an den Schulen, bei der folgende Sachverhalte erfragt worden sind, ich zitiere: „Wie viele Veranstaltungen von Jugendoffizieren fanden im Schuljahr 2010/2011 statt? Welche Themen wurden angeboten? Welche positiven und negativen Erfahrungen haben die Schulen mit der Durchführung der Veranstaltung gemacht? Wird die Einhaltung der Kooperationsvereinbarung schulintern kontrolliert? Gibt es Festlegungen von Schulkonferenzen zum Thema ,Informationsveranstaltung der Bundeswehr‘?“ Ende des Zitats.

Es wurden Daten abgefragt, die niemand an den Schulen erhoben hat, weil man gar nicht wusste, dass es diese Kooperationsvereinbarung gab. Aber selbst wenn die an den Schulen darüber informiert gewesen wären, sind die zu beantwortenden Fragen nicht Gegenstand der Vereinbarung mit der Bundeswehr. Auch fehlt gänzlich die Einbeziehung der Schulkonferenzen als höchste Gremien der Schulen. So werden die Eltern sowie Schülerinnen und Schüler in ihren Entscheidungsbefugnissen übergangen.

Meine Damen und Herren, die Schulen in MecklenburgVorpommern dürfen keine Kaderschmiede für die Bundeswehr werden,

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Oh, wunderbar!)

das schon deshalb nicht, weil sich mit dem Aussetzen der Wehrpflicht die Bundeswehr schrittweise zu einer Berufsarmee entwickeln wird.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Sie beziehen richtig schön Kampfposition. Das hört sich gut an. – Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Sie rückt damit auch bei der Nachwuchsgewinnung in die Nähe einer Arbeitgeberfunktion und ist deshalb bei der Agentur für Arbeit besser aufgehoben als an den Schulen.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Soziale Not, Arbeits- und Perspektivlosigkeit zu bekämpfen und eine chancengleiche Bildung zu sichern ist nicht Aufgabe der Bundeswehr, sondern vornehmlich die der Landesregierung. Für die politische Bildung an den Schulen sind die Lehrkräfte sowie die Landeszentrale für politische Bildung mit ihren Partnern zuständig. Deshalb ist die Kooperationsvereinbarung zum nächstmöglichen Zeitpunkt zu kündigen.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Jawohl.)

Meine Fraktion stimmt dem Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zu,

(Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

denn die Bundeswehr gehört auf die Berufsmessen, in die Schulen gehört die Bildung und Erziehung durch die Lehrerinnen und Lehrer.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Marc Reinhardt, CDU: An Peinlichkeit nicht zu überbieten.)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Butzki.

(Egbert Liskow, CDU: Erinnert euch mal an die Vergangenheit!)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Landtagsabgeordnete! Bevor ich mit meinem Redebeitrag in die emotional geführte Diskussionsdebatte eintreten möchte, bitte ich Sie, innezuhalten, denn ich möchte an den schlimmen Amoklauf am Erfurter Gutenberg-Gymnasium, der sich heute

vor genau zehn Jahren ereignete, erinnern. 16 Menschen wurden kaltblütig ermordet, für mich als Lehrer, Schulleiter und Vater von zwei Töchtern war es das schlimmste Ereignis an einer deutschen Schule. Ich fühle mit den Angehörigen mit. Vieles ist seitdem anders geworden. Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher, aber auch die Eltern gehen mit dem Thema Sicherheit viel sensibler um. Solche Tat darf sich nicht wiederholen. Wir sind aufgefordert, die Schule so zu gestalten, dass kein Kind ausgegrenzt wird und die Lehrerinnen und Lehrer, Erzieherinnen und Erzieher, Schulsozialarbeiterinnen und -arbeiter ausreichend Zeit haben, um sich um die Problemlagen der Schülerinnen und Schüler zu kümmern und Angebote zu organisieren. Deswegen brauchen wir eine starke Schule.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Ich möchte jetzt zu dem Antrag kommen: Mit großem Erstaunen habe ich diesen Antrag von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN zur Kenntnis genommen. Mit noch mehr Erstaunen habe ich dann die Presseartikel in der SVZ vom 5. April und im „Nordkurier“ vom 21. April gelesen. Wir sprechen hier über eine wichtige staatliche Institution der Bundesrepublik Deutschland der Bundeswehr.

In der Begründung dieses Antrages steht, dass sich gesellschaftliche Organisationen über die Bundeswehrbesuche an den Schulen beschweren. Das mag ja sein, aber darunter war keine einzige Schule. Also muss man davon ausgehen, dass unsere Lehrerinnen und Lehrer, die mit den Jugendoffizieren zusammenarbeiten, mit dem Agieren der Jugendoffiziere zufrieden sind. Wenn Sie in Ihrer Begründung behaupten, dass Jugendoffiziere ihre Besuche in den Schulen missbrauchen, um Rekruten anzuwerben,

(Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

sollten Sie sie auch beim Namen nennen. Wohlgemerkt, Sie sprechen in Ihrem Antrag von Jugendoffizieren und nicht von Wehrdienstberatern. Dieser hat eine andere Funktion, wohl wahr.

Mir persönlich ist kein Beispiel aus Mecklenburg-Vorpommern bekannt, dass Jugendoffiziere ihre Position bei Unterrichtsbesuchen bisher missbrauchten und gegen den Beutelsbacher Konsens verstießen.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Wie oft haben Sie teilgenommen? Wie oft haben Sie teilgenommen?)

Sie können davon ausgehen, dass ich sehr viele Kontakte zu den verschiedensten Schulen hier in unserem Bundesland habe. Der Minister betonte auch in seinem Redebeitrag, dass keine einzige Beschwerde zu diesem Thema im Bildungsministerium vorliegt.