Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Das habe ich sehr wohl vernommen, dass Frau Gajek sagt, sie stimmen dem Antrag zu, und gleichzeitig ihn als Schaufensterantrag qualifiziert.
Das kann man machen. Insofern ist das nicht so schlimm, wenn wir hier mal im Schaufenster sitzen gemeinschaftlich
Genau, wir haben, Herr Müller, eine Reihe von Anträgen gestellt, weil es darum geht, diese Facetten einmal aufzublättern und Vorschläge zu unterbreiten, Forderungen aufzumachen, wie man Armut wirksam bekämpfen kann, wie man sie zurückdrängen kann. Und an dieser Stelle …
(Egbert Liskow, CDU: Habt Ihr denn mal durchgerechnet, was das alles kostet? – Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)
An dieser Stelle ging es uns um das Postulieren dieser Forderung, um darauf auch hinzuweisen, dass es einen Zusammenhang von Armut und Gesundheit gibt und geschaut werden muss, wo sind Barrieren, die dazu
führen, dass Menschen, die zum Arzt gehen müssten, aus ihrer sozialen Situation heraus dies nicht tun oder es später tun, als es notwendig wäre. Das ist der Ansatz gewesen.
Und, Herr Barlen, da ging es uns nicht darum – weil Sie zu Recht sagen, das ist Bundespolitik –, hier ging es uns um die Signalwirkung,
deswegen hier nicht sozusagen einen schlüssigen kompletten Antrag mit der Gegenfinanzierung. Das ist hier nicht unser Anliegen gewesen. Hingegen sind wir jetzt mit einem Vorwurf konfrontiert, der also schon herb ist. Es ist ja die Rede davon gewesen, dieser Antrag wäre unredlich und es wäre unredlich, dieses Thema zu setzen, weil wir ja mit Blick auf Pflege da andere Themen am Ufer haben. Weil wir aber Fragen der Armutsbekämpfung und Armutsvermeidung in den Mittelpunkt gestellt haben und sie jenseits von Mainstream und Medienkampagnen behandeln wollen und nicht auf das nächste Medienthema aufspringen, weil das jetzt gerade en vogue ist, haben wir gesagt, dieses Thema gehört hier auch hin. Und es ist also so, der Vorwurf richtet sich – habe ich mir mal überlegt, Frau Schwesig – dann ja sogar gegen die eigenen Leute, wenn Sie sagen, das ist unredlich, dieses Thema zu setzen, weil wir in diesem Land doch gerade das Thema Pflege oben auf der Agenda haben, was unstrittig ist. Festzustellen ist aber, dass die SPD-Bundestagsfraktion – das finde ich auch gut – dieses Thema morgen auch auf der Bühne des Bundestages behandeln wird,
und dann gilt dieser Vorwurf, den Sie uns machen, ja Ihren eigenen Leuten auf Bundesebene auch. Das ist schon, finde ich, recht bemerkenswert.
Und Herr Schubert hat uns vorgeworfen, dass wir das also bis jetzt, faktisch Stunden vor der Behandlung im Bundestag, hier thematisieren. Es ist ja so, dass vor 14 Tagen zum Abgabeschluss die Tagesordnung des Bundestages für den morgigen Tag noch nicht vorlag.
Und auch wenn sie vorgelegen hätte, hätten wir gesagt, erstens aus inhaltlichen Gründen – Thema Armut hatte ich gesagt – und zweitens aus dem Grund heraus,
dass das Signal wichtig ist. Es ist nicht nur eine Frage, dass das auf bundespolitischer Ebene thematisiert wird, sondern dass ein ganz breiter gesellschaftlicher Konsens reflektiert wird.
Ja, das ist in Ordnung, wenn Sie sagen, dass ich hier mit meiner Argumentation Ihr Herz und Ihren Verstand erreicht habe.
(Heiterkeit und Unruhe vonseiten der Fraktionen der CDU und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Jetzt haben Sie ein bisschen übertrieben.)
Aber es hätte mich auch verwundert, wenn SPD und GRÜNE hier anders argumentiert hätten, weil ja gerade …
Es gibt ja dieses Plakat, wo GRÜNE und SPD in Nordrhein-Westfalen gemeinsam für die Abschaffung der Praxisgebühr streiten. Auch das ist gut so. Es muss an vielen Stellen dafür gestritten werden, denn – und da sind wir ganz beieinander – alle diejenigen sagen, es gibt gute Gründe, die Praxisgebühr abzuschaffen, allen voran der Grund, dass sie eben vor allen Dingen Kranke und Einkommensschwache trifft, zweitens eben die Steuerungsfunktion, die man sich von ihr mal versprochen hat, verfehlt wurde, und das Dritte, das will ich ganz kurz noch mit Zahlen, Herr Liskow, ausargumentieren, die erheblichen Verwaltungskosten.
Das war ganz interessant, was Herr Terpe und, ich glaube, Herr Franke im Bundestag dazu auch gesagt haben vor einigen Wochen, das mal aneinander gelegt, was an Zahlen und Fakten da gekommen ist. Und es ist schon erstaunlich: Bei 1,9 Milliarden Euro Einnahmen über die Praxisgebühr 300 Millionen Euro Verwaltungsaufwand. Das schafft ein Verhältnis – ich habe das mal ausgerechnet – das schafft ein Verhältnis, dass auf 10 Euro Praxisgebühr 1,58 Euro Verwaltungsgebühren kommen, die also völlig keine Wirkung entfalten, sondern Aufwand darstellen. Das allein, auch das ist ein Grund.
Und was die Nachhaltigkeit – das ist eine ernste und gute Frage, die Herr Barlen hier angesprochen hat – betrifft, wir sehen die Finanzierungsgrundlage keineswegs allein in dem derzeitigen Überschuss der Krankenkassen. Das wäre wirklich fahrlässig zu sagen, also dieses momentane Plus, sicherlich auch konjunkturell beeinflusst, nehmen wir her und verfrühstücken das. Dass es also temporär herhalten müsste, wäre schon wichtig. Ansonsten setze ich sehr darauf, dass spätestens mit der nächsten Bundestagswahl diejenigen obsiegen und die Mehrheit haben, die für eine solidarische Bürgerversicherung streiten. Dann haben wir auch die Parität wieder im System und die würde mit dazu beitragen, die Gegenfinanzierung aufzumachen für die Abschaffung der Praxisgebühr.
Ich werbe trotzdem für ein positives Votum für unseren Antrag und bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Ums Wort gebeten hat jetzt noch einmal die Sozialministerin des Landes Mecklenburg-Vorpommern Frau Schwesig.
Herr Abgeordneter, Herr Koplin, bei aller Wertschätzung, dass Sie hier Schaufensteranträge einbringen, dass am Ende die GRÜNEN sogar sagen, es sind Schaufensteranträge, aber wir stimmen trotzdem zu, das kann man alles machen. Dass Sie, wenn Sie spüren, dass Sie eigentlich mit dem Rücken an der Wand stehen und wir ein Thema aufgegriffen haben, wo Sie sich beim letzten Mal falsch verhalten haben, dass Sie dann anfangen, mir die Worte im Mund umzudrehen, das finde ich unredlich. Und deswegen will ich noch mal erklären:
Ich habe, glaube ich, hier ganz deutlich gesagt, dass ich für die Abschaffung der Praxisgebühr bin, und die drei Gründe dargelegt. Die Gründe einen die SPD, die GRÜNEN, die Linkspartei und die FDP – welch ungewöhnliche Konstellation. Und ich hatte hier klar gesagt, dass ich finde, wir sollten Dinge auf den Weg bringen hier gemeinsam, die wir wirklich bewegen können. Und Fakt ist, dass die Abschaffung der Praxisgebühr hier nicht im Landtag beschlossen wird. Sie wird gerade aktuell in Berlin diskutiert und ich glaube persönlich, dass die vielen Anträge auf Bundesebene, auch Unterschriftensammlungen in Wahlkämpfen dazu führen werden, dass Bewegung in der Sache ist. Und ich glaube auch persönlich, dass die CDU auf Bundesebene das dann nicht mehr lange durchhält, gerade wenn die FDP anderer Meinung ist. Aber Fakt ist, dass wir es hier nicht bewegen, aber wenn Sie hier sprechen, dass diese …
Was ich unredlich finde, ist, dass, wenn man sagt, dieses Thema muss jetzt auch auf die Tagesordnung, weil es ja darum geht, dass die Finanzsituation der Kassen gut ist, dass für mich zu diesem Thema ein zweites gehört, was Sie hier bisher abgelehnt haben. Und diese Themen sehe ich im Zusammenhang.
Ich möchte nicht als Gesundheitsministerin, dass, egal welcher Schritt gemacht wird – auch die Abschaffung der Praxisgebühr –, ein Finanzdruck erzeugt wird, der dazu führt, dass die Kassen auf der Matte stehen und sagen, wir wollen Leistungseinschränkungen. Und ganz aktuell hier im Land sagt die AOK, Frau Gesundheitsministerin, wir haben in diesem Land die höchsten Kosten in der ambulanten Pflege. Und deshalb sehen wir uns genötigt oder gezwungen, hier zu verhandeln und nach unten zu verhandeln.
Und ich möchte Ihr Zitat aufgreifen, was ich teile: „Armut hat viele Facetten“. Da sind wir bei einem ganz konkreten Armutsthema. Wir sprechen ja auch gleich im nächsten Punkt darüber – Kinderarmut.