Rekapitulieren wir: Ein Antrag, der im ersten Punkt einen Allgemeinplatz postuliert, im zweiten Punkt wird eine Bundesratsinitiative gefordert, die hinter dem zurückbliebe, was im Bundesrat bereits beschlossen wurde.
Als Drittes wird eine Forderung aufgestellt, die viel dezidierter im Koalitionsvertrag nachzulesen ist, und zuletzt
Meine sehr geehrten Damen und Herren, lehnen Sie diesen Antrag ab, verweisen Sie ihn auch nicht in die Ausschüsse! – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Lassen Sie mich mit der letzten Ziffer des Antrages der Fraktion DIE LINKE beginnen. Frau Ministerin Kuder hat ja eben schon darauf hingewiesen, dass dort die aktuellen Haushaltsberatungen aufgegriffen werden und der Landtag aufgefordert wird, in diesen Beratungen zum Doppelhaushalt 2012/2013 Umschichtungen zur mittel- und langfristigen Stärkung des ÖPNV und des SPNV in unserem Land vorzunehmen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ich bin seit 2002 in diesem Landtag, und diejenigen, die jetzt etwas länger dabei sind, wissen, dass ich auch unabhängig davon, dass man vielleicht an der einen oder anderen Stelle parteipolitisch unterschiedliche Auffassungen hat, mich in all diesen Jahren doch sehr stark für den Nahverkehr, egal ob ÖPNV oder SPNV, in diesem Land eingesetzt habe. Ich halte den ÖPNV, und damit meine ich den gesamten ÖPNV, also einschließlich des Schienenpersonennahverkehrs, für wichtig – wichtig für die wirtschaftliche Entwicklung dieses Landes, wichtig dafür, dass in möglichst vielen Regionen dieses Landes Menschen lebenswürdige Lebensbedingungen haben und dann tatsächlich auch dort vor Ort leben wollen.
Deswegen ist dieser Antrag, wenn man nur die Überschrift nimmt, „Mobilität für alle Bürgerinnen und Bürger in allen Landesteilen Mecklenburg-Vorpommerns sichern“, ein wichtiges Thema. Und umso mehr bin ich, gestatten Sie mir diesen Ausdruck, doch in gewissem Maße entsetzt über das, was an Inhalt hier und heute dann vorgelegt wird.
Wie gesagt, ich möchte mit der Ziffer 4 dieses Antrages anfangen und das an dieser Stelle gleich verdeutlichen. Das Mindeste, was man doch als Mitglied dieses Hauses vom Antragsteller erwarten kann, ist, dass, wenn er selber der Meinung ist, dass im Doppelhaushalt eine entsprechende Stärkung dieses Bereiches stattfinden soll, dann in den entsprechenden Haushaltsberatungen in dem Fachausschuss entsprechende Änderungsanträge zu diesen Haushaltspunkten vorgelegt werden. Das, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, hat aber nicht stattgefunden. Es hat einen einzigen Änderungsantrag gegeben seitens der Fraktion DIE LINKE und der beschäftigte sich nun gerade nicht mit dem ÖPNV, da ging es um den Flughafen Rostock-Laage.
Da ist das Verhalten, erlauben Sie mir diese Feststellung an dieser Stelle, zum Beispiel der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN doch ein etwas anderes gewesen. Da sind dann tatsächlich Vorschläge gekommen, die zwar nicht die Mehrheit im Ausschuss gefunden haben, aber man hat deutlich gesehen, dass entsprechende Überlegungen auch mit entsprechenden Änderungsanträgen untersetzt worden sind. Daran fehlte es beim Antragsteller völlig.
Das macht im Endeffekt auch deutlich, was denn tatsächlich hier hinter diesem Antrag steht, wie wichtig dieses Thema, ungeachtet der Worte, die auch hier in diesem Haus über die Bedeutung des ÖPNV und SPNV in diesem Land für die Sicherung der Mobilität gewählt worden sind, wie wichtig dieses Thema dem Antragsteller in der Realität ist. Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, diese Punkte ziehen sich letztendlich durch den gesamten Antrag.
Ich möchte mir ersparen, auf das einzugehen, was Frau Ministerin Kuder eben gesagt hat, dass es bereits vor Kurzem, nämlich am 30.03. dieses Jahres eine entsprechende Bundesratsinitiative gegeben hat. Und wenn die Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion DIE LINKE sich denn ernsthaft mit diesem Thema beschäftigt hätten, dann hätten Sie auch mitbekommen, wie denn die Stellungnahme des Bundeswirtschaftsministers, der federführend für diese Maßnahmen im Bereich der Bundesregierung ist, dazu ausgefallen ist. Ich will es mal verkürzt ausdrücken: Ich mache das nicht, hat er gesagt. Damit ist dann ja auch schon der Erfolg einer solchen Bundesratsinitiative hinreichend beschrieben, wenn gerade …
Ja, Herr Kollege Ritter, das mag vielleicht bei Ihnen nicht der Fall sein, aber es wird nicht besser dadurch, wenn man immer wieder gegen die Wand rennt. Und wenn man gerade vor anderthalb Monaten erlebt hat,
dass Bundesrat, die Bundesländer sich eine entsprechende blutige Nase geholt haben, weil sie dieses Thema tatsächlich auf die Tagesordnung gesetzt und entsprechend beschlossen haben, dann kommen Sie hier als Landtagsfraktion DIE LINKE in diesem Landtag und sagen, das ist uns alles völlig egal. Wir sitzen zwar nicht in Berlin mit in der Regierung,
wir sind auch nicht in der Lage, entsprechende Bundesratsinitiativen von uns aus inhaltlich zu untersetzen, aber wir stellen uns hier im Landtag hin und sagen, macht mal. Und Sie wissen ganz genau, dass dieses „Macht mal“ dann nicht mal mehr für die Zuhörerschaft reicht, weil es ist einfach wirkungslos. Das zieht sich, wie gesagt, durch Ihren ganzen Antrag. Man muss einfach mal feststellen, ein Vakuum hat mehr Substanz als der Inhalt dieses Antrages.
Und ich möchte das an einem weiteren Punkt deutlich machen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen. Da heißt es dann in diesem Antrag, 50 Prozent der Einnahmen aus der Mineralölsteuer, Frau Ministerin Kuder hat schon darauf hingewiesen, dass es die Mineralölsteuer seit 2006 nicht mehr gibt, sondern dass sie eingeflossen ist in die Energiesteuer, aber 50 Prozent der Einnahmen aus der Energiesteuer sollen für den Ausbau des öffentlichen Verkehrs insbesondere in den Flächenländern eingesetzt werden.
Jetzt muss man sich einfach mal angucken, wie hoch sind denn die Einnahmen. Die Einnahmen aus eben dieser Steuer, und die bezog sich nicht nur auf Kraftstoffe, sondern insgesamt auf den Energieverbrauch, betrugen zuletzt gut 40 Milliarden Euro. Das ist eine der größten Steuereinnahmen, die der Bund hat.
Ich will jetzt gar nicht auf das Thema eingehen, dass Steuern nicht zweckgebunden zum Verbrauch erhoben werden, sondern zur Deckung insgesamt dienen. Aber lassen wir das mal außen vor, nehmen wir einfach mal diese 40 Milliarden. Davon sollen dann 50 Prozent, das sind 20 Milliarden, für den Ausbau des ÖPNV und des SPNV insbesondere in den Flächenländern eingesetzt werden. Jetzt vergleichen wir das einfach mal mit dem aktuellen Haushalt des Bundesverkehrsministers. Das sind gut 25 Milliarden Euro. Was bedeutet das denn? Sie können das jetzt so machen, dass Sie von den 25 Milliarden Euro, die in dem Haushalt eingeplant sind, 20 Milliarden Euro für den Nahverkehr in den Flächenländern ausgeben. Dann wissen Sie aber auch, wie viel davon noch übrig bleibt, nämlich gut 5 Milliarden.
Ich möchte nur daran erinnern, dass wir parteiübergreifend und fraktionsübergreifend zwischen allen demokratischen Fraktionen – wenn ich mich nicht irre, auf der letzten Landtagssitzung – uns vehement dafür eingesetzt haben, dass die Mittel im Rahmen des Investitionsrahmenplans in diesem Land verstärkt werden müssten.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion DIE LINKE, woher soll denn das Geld kommen, wenn dann nur für solche Maßnahmen und für alle anderen im Bereich des Bundesverkehrsministers nur noch 5 Milliarden Euro übrig blieben? Aber ich gehe mal davon aus, dass Sie der Auffassung sind, die 20 Milliarden sollen obendrauf. Das vermute ich jetzt einfach mal, weil das ist ja dann auch so einfach, zusätzlich zu fordern, wir legen noch auf den Topf das Sahnehäubchen drauf, das das Volumen fast verdoppelt.
Aber sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, so weltfremd, so weltfremd kann man doch gar nicht sein, dass man allen Ernstes glaubt, dass die Bundesregierung, egal welcher parteipolitischen Couleur sie ist, dann tatsächlich in einem der kommenden Haushalte über 40 Milliarden Euro für den Bereich des Bundesverkehrsministeriums ausgibt. Ich würde mir das wünschen, aber das glaube ich ja nicht mal in meinen tiefsten Träumen.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wenn man sieht, welcher Streit in Berlin zwischen den Ministerien, nicht zwischen den Parteien und Fraktionen, sondern zwischen den Ministerien allein um die 1 Milliarde Euro geführt worden ist, um die dann der Haushalt des Bundesverkehrsministers aufgestockt worden ist, damit er mehr Verkehrsprojekte bezahlen kann, mag ich mir gar nicht vorstellen, wenn tatsächliche eine Initiative – von wem auch immer – ergriffen würde, da noch mal 19 Milliarden draufzulegen. Also, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das nehme ich nicht mal Ihnen ab, dass Sie das wirklich ernst meinen.
Und der Punkt, eine Kostenentlastung für Pendlerinnen und Pendler durch eine angemessene und sozial gestaffelte Erhöhung der Entfernungspauschale zu erwirken – nun gut, das klingt schön, aber unabhängig davon, dass
Frau Ministerin Kuder eben ausgeführt hat, dass rund 40 Prozent der Menschen auch in unserem Land überhaupt nicht in den Genuss der Entfernungspauschale kommen, weil sie schon gar keine Steuern bezahlen, muss man doch etwas ganz anderes noch konstatieren: Sie verfolgen, das habe ich jedenfalls Ihren Worten, Frau Kollegin Schwenke, entnommen, Sie verfolgen mit Ihrem Antrag das Ziel der Stärkung des öffentlichen Nahverkehrs. Aber dann müssen Sie sich mit diesem Antrag auch einmal entscheiden, was Sie wollen. Wollen Sie es günstiger machen für die Menschen, egal, wo sie leben, über eine Erhöhung der Entfernungspauschale, dass der motorisierte Individualverkehr wieder preiswerter wird – ob er das dann wird in der Realität, darüber kann man in Ruhe noch mal diskutieren –, oder wollen Sie dieses Geld nicht tatsächlich in den ÖPNV, in den SPNV in den Bundesländern stecken? Eins von beiden geht nur.
Wenn man tatsächlich – und das ist mein Anliegen, das ist das Anliegen meiner Fraktion – den Nahverkehr auch in diesem Land stärken will, dann kann es nicht darum gehen, durch Steuerpauschalen oder andere Maßnahmen letztendlich Durchlaufposten bei den Bürgerinnen und Bürgern zu schaffen, die nachher wieder in den Kassen der Mineralölkonzerne landen, sondern dann geht es tatsächlich darum, dass bei den ohnehin begrenzten finanziellen Ressourcen das Geld, das vorhanden ist, dort eingesetzt wird, wo es dem Nahverkehr zugutekommt.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, Frau Ministerin Kuder hat eben eine Zahl genannt: 20 Millionen Euro. 20 Millionen Euro wäre der Betrag, den eine solche Erhöhung einer Entfernungspauschale um nur 10 Cent – da kann sich jeder von uns mal durchrechnen, wie viel das dann tatsächlich nachher beim Einzelnen ausmachen würde –, um nur 10 Cent ausmachen würde im Landeshaushalt. Diese Zahl ist deswegen so bemerkenswert, weil diese 20 Millionen Euro sind genau der Betrag, den diese Landesregierung in diesem Haushalt zusätzlich zu den Mitteln eingestellt hat aus originären Landesmitteln, um den Nahverkehr in diesem Land zu stärken.
Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, man kann darüber diskutieren, ob das reicht – und wir sehen ja die Situation in vielen Gebieten dieses Landes, dass es immer schwieriger wird, den Nahverkehr aufrechtzuerhalten –, aber wenn man denn schon der Meinung ist, dass mehr Geld ins System fließen sollte, dann soll man auch so ehrlich sein und den Menschen in diesem Land und in der Bundesrepublik Deutschland sagen, dass es auch irgendwo herkommen muss, dass man nicht auf der einen Seite tatsächlich steuerliche Entlastung propagieren kann, die in erster Linie Besserverdienenden zugutekommt, um auf der anderen Seite den Nahverkehr zu vernachlässigen, weil das Geld nicht mehr vorhanden ist. Und es sind gerade viele, es sind gerade auch in unserem Land viele Menschen, denen es finanziell nicht so gut geht, die auf den öffentlichen Nahverkehr angewiesen sind.
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich noch zu einem Punkt kommen: Es heißt hier in diesem Antrag, dass ein Verkehrskonzept erarbeitet werden soll – ich verkürze das jetzt mal, ich habe eben schon etwas dazu gesagt – zu dem Umstieg von Individualverkehr von der Straße auf öffentliche Verkehrsträger. Ich kann das nur
Aber ich will noch einmal zu dem Punkt kommen „Mobilität durch Vernetzung verschiedener öffentlicher Verkehrsträger und Bedienformen auch in den ländlichen Räumen“. Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, da macht dieser Antrag doch deutlich, dass der Antragsteller möglicherweise schon gar nicht mehr weiß, wie die Situation in diesem Land ist. Wovon reden wir denn in diesem Land? Wir reden von einem Nahverkehr, insbesondere dem ÖPNV, den ich mal als integrierten Schülerverkehr bezeichnen will. Dort, wo es Schulen gibt, dort, wo es Schülerverkehr gibt, da fährt dann auch ein Bus.
Wenn es Ferien gibt, gibt es auch keinen Bus mehr, und wenn es die Schule nicht mehr gibt, dann gibt es überhaupt keinen Nahverkehr mehr.
Sehr geehrte Kollegin Schwenke, deswegen kann es nicht darum gehen, alleine Mobilität durch Vernetzung verschiedener öffentlicher Verkehrsträger zu finden, auch nicht durch verschiedene Bedienformen, weil wenn Sie die Anhörung bei uns im Energieausschuss – das fällt mir immer noch schwer, ich habe immer noch das Wort „Verkehrsausschuss“, das wäre ja in diesem Zusammenhang auch passender, im Kopf –, wenn Sie die Anhörung noch in Erinnerung haben, dann hat einer der Vertreter vom Landesfachausschuss ÖPNV dort erklärt, weil immer wieder dieses Schlagwort „Anruftaxi“ kommt, dass es in etlichen Regionen dieses Landes gar keine Taxiunternehmen mehr gibt, die dort zur Verfügung stehen. Auch da ist nichts zu verknüpfen.
Also geht es nicht so sehr um die Frage der Verknüpfung vorhandener öffentlicher Verkehrsträger, sondern wenn wir, und ich halte das für dringend geboten, tatsächlich dann ein entsprechendes Verkehrskonzept erarbeiten – und ich gehe auch davon aus, dass das in die Überlegungen des Energieministeriums entsprechend einfließt –, geht es um die Frage, wie kann man denn überhaupt noch öffentlichen Nahverkehr gerade in diesen Regionen neu beleben. Weil wo nichts ist, kann ich nichts verknüpfen. Stattdessen muss ich anfangen zu überlegen, wie ich dort einen neuen Nahverkehr schaffen kann. Und dann wird sich auch, das wird schmerzhaft sein, die Frage stellen, ob wir als Land, ob wir als Gesellschaft noch in der Lage sein werden, tatsächlich in jeder Region, in jedem Ort, in jedem Dorf in diesem Land einen entsprechenden Nahverkehr aufrechtzuerhalten, weil auch vor dem ÖPNV und auch vor dem SPNV wird die demografische Entwicklung nicht stehenbleiben. Dort, wo es nachher vielleicht nur noch ein/zwei Menschen pro Quadratkilometer gibt,
da wird sich immer die Frage stellen, ob denn da tatsächlich noch ein Bus fährt. Auch das werden wir mit den Menschen in diesem Land diskutieren müssen, aber nicht aufgrund eines solchen Antrages,
den man im Endeffekt vielleicht am besten mit den Worten charakterisiert: „Wir sind alle für den Weltfrieden.“ Aber das ist es dann auch gewesen. Wie der Weltfrieden erreicht wird, das ist weder aus dem Antrag noch aus den Worten von Ihnen, Frau Schwenke, zu entnehmen gewesen.
Deswegen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, werden wir diesen Antrag heute ablehnen. Ich bedaure das insbesondere deswegen, Frau Schwenke, weil ich dieses Thema für wichtig halte und weil ich mir eigentlich erhofft hatte, als ich gehört habe, dass Sie sich dieses Themas annehmen wollten, dass dort ein Antrag gekommen wäre, selbst wenn wir ihn heute hier nicht beschlossen hätten – ich kenne ja die Diskussion, die Herr Ritter dann immer wieder anfängt, warum beschließt ihr das denn jetzt nicht –,