Protocol of the Session on April 26, 2012

Wiederbeginn: 13.13 Uhr

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 22: Beratung des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Teilentwidmung der Rostocker Häfen für hochradioaktiven Atommüll, Brennelemente und andere hochradioaktive Stoffe, Drucksache 6/561.

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Teilentwidmung der Rostocker Häfen für hochradioaktiven Atommüll, Brennelemente und andere hochradioaktive Stoffe – Drucksache 6/561 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Jaeger von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN legt einen Antrag vor, mit dem wir erreichen wollen, dass sich die Landesregierung dazu positioniert, dass Häfen im Land teilentwidmet werden können für den Transport hoch radioaktiven Atommülls, von Brennelementen und anderen hoch radioaktiven Stoffen. Dabei wissen wir natürlich ausdrücklich, dass es innerhalb der Medizintechnik Stoffe gibt, die selbstverständlich nach wie vor über diese Häfen transportiert werden sollen, und die Häfen, die wir uns da zum Vorbild genommen haben, wie Bremen oder Emden, sehen auch solche Ausnahmeregelungen vor.

Die Rostocker Bürgerschaft hat einen entsprechenden Beschluss schon im Dezember 2010 gefasst. Wir haben allerdings in Rostock die Situation, dass die HafenEntwicklungsgesellschaft, auch kurz HERO, zu 25,1 Prozent in Landesbesitz ist. Und deswegen muss sich zu diesem Thema auch die Landesregierung positionieren. Deswegen legen wir Ihnen diesen Antrag vor und hoffen auf Ihre Zustimmung. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

In Vertretung für den Minister für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung spricht die Justizministerin Frau Kuder.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN fordert mit ihrem Antrag die Landesregierung auf, gemeinsam mit der Hansestadt Rostock eine Teilentwidmung der Rostocker Häfen für hoch radioaktiven Atommüll, Brenn

elemente und andere hoch radioaktive Stoffe unverzüglich zu prüfen und vorzunehmen.

Lassen Sie uns zunächst einen Blick auf den rechtlichen Hintergrund werfen. Die Beförderung radioaktiver Stoffe in der Bundesrepublik Deutschland wird durch umfangreiche atom- und verkehrsrechtliche Vorschriften geregelt. Zum Schutz von Leben, Gesundheit und Eigentum und zur Gewährleistung eines einheitlichen Sicherheitsstandards im innerstaatlichen und grenzüberschreitenden Verkehr auf dem Land-, Luft- und Seeweg haben die national und international zuständigen Stellen ein umfassendes System von Gesetzen, Verordnungen, Richtlinien und Normen erarbeitet.

Dabei sind die einschlägigen Bestimmungen in Deutschland hauptsächlich in zwei Rechtsgebieten angesiedelt, dem Atomrecht und dem Verkehrsrecht. Zum atomrechtlichen Regelungsbereich gehören vor allem das Gesetz über die friedliche Verwendung der Kernenergie und den Schutz gegen ihre Gefahren und die hierzu erlassenen Rechtsverordnungen wie die Strahlenschutzverordnung. Zum verkehrsrechtlichen Regelungsbereich gehört das Gesetz über die Beförderung gefährlicher Güter in Verbindung mit zugehörigen Rechtsverordnungen, unter anderem die Gefahrengutverordnung See.

Alle den öffentlichen Verkehrsraum berührenden Transporte radioaktiver Stoffe unterliegen unabhängig von der Art, Herkunft und Beförderungsart uneingeschränkt diesen atomrechtlichen und verkehrsrechtlichen Sicherheitsbestimmungen. Zuständige Behörde für die Genehmigung von Kernbrennstofftransporten und Großquellen ist das Bundesamt für Strahlenschutz. Die Genehmigung sonstiger radioaktiver Stoffe, ausgenommen Großquellen, liegt dagegen in der Zuständigkeit der Bundesländer beziehungsweise dem Eisenbahnbundesamt für Transporte sonstiger radioaktiver Stoffe und kernbrennstoffhaltiger Abfälle im Schienen- und Schiffsverkehr der Eisenbahnen.

Nach dem Atomrecht unterliegt die Beförderung radioaktiver Stoffe der staatlichen Aufsicht. Sie wird im Wege der Bundesauftragsverwaltung für alle Verkehrsträger durch die Bundesländer ausgeübt. Ausgenommen ist die Beförderung von radioaktiven Stoffen im Schienen- und Schiffsverkehr der Eisenbahn und der Luftfahrt, die vom jeweils zuständigen Eisenbahnbundesamt und dem Luftfahrtbundesamt wahrgenommen wird. Die für die sichere Beförderung von radioaktiven Stoffen wichtigen Regelungen und Sicherheitsvorschriften sind im Gefahrgutrecht verankert. Sie finden sich national im Gesetz über die Beförderung gefährlicher Güter nebst Verordnungen und international in verschiedenen Abkommen für die einzelnen Verkehrsträger. Die geforderte Teilumwidmung berührt keine der beschriebenen Rechtsnormen, sondern knüpft am Hafenrecht an. Daher lassen Sie uns auch hier die entsprechenden Normen unter die Lupe nehmen.

Die landesrechtlichen Vorschriften zum Hafenrecht finden sich im Wasserverkehrs- und Hafensicherheitsgesetz Mecklenburg-Vorpommern und in der Hafenverordnung MV. Die entsprechenden kommunalrechtlichen Vorschriften sind in der Hafennutzungsordnung der Hansestadt Rostock fixiert. Diese genannten Vorschriften zur Nutzung der Häfen sind bezüglich atom- und gefahrgutrechtlicher Tatbestände nachrangig gegenüber den spezialgesetzlichen Vorschriften des Bundes, die ich eingangs erläutert habe.

Entsprechende Generalklauseln zur Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit und Ordnung, wie sie sich zum Beispiel in Paragraf 4 Wasserverkehrs- und Hafensicherheitsgesetz Mecklenburg-Vorpommern oder in den Paragrafen 6 und 11 der Hafenverordnung Mecklenburg-Vorpommern finden, sind nicht einschlägig, da dem Land die Zuständigkeit für die materiell-rechtliche Regelung von Fragen des Atomtransports fehlt. Anders als etwa bei einer Widmung als Fähr- oder Sportboothafen würde eine Teilentwidmung im Sinne des Antrags eine Umgehung der atom- und transportrechtlichen Aufgabenverteilung darstellen, der Gesetzgebungssystematik des Grundgesetzes widersprechen und damit rechtswidrig sein.

Noch ein weiterer Hinweis sei gestattet: Der vorliegende Antrag will Transporte hoch radioaktiven Atommülls, Brennelementen und anderer hoch radioaktiver Stoffe untersagen. Dabei handelt es sich um bereits bestrahlte Kernbrennstoffe beziehungsweise um verglaste Stoffe aus der Wiederaufbereitung. Ein solcher Transport erfolgt immer in Castorbehältern. Solche Abfälle wurden bisher noch nie über Häfen in Mecklenburg-Vorpommern transportiert, sodass dem Antrag der anlassbezogene Hintergrund fehlt.

Kernbrennstoffe im Sinne des Paragrafen 2 Absatz 1 Atomgesetz sind auch unbestrahlte, frische Brennelemente, die bei Beschluss des hier in Rede stehenden Antrags von diesem nicht erfasst würden, sodass ihre Transporte wie bisher über Verkehrswege in Mecklenburg-Vorpommern möglich wären.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Warum sind die nicht erfasst durch den Antrag?)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte an dieser Stelle kurz auf die Änderungen des Bremischen Hafenbetriebsgesetzes eingehen, da die Bremische Bürgerschaft ähnlich dem Anliegen des vorliegenden Antrags Beschlüsse gefasst hat.

Die Bremer Bürgerschaft hat im Januar 2012 eine Änderung des Hafenbetriebsgesetzes beschlossen, die am 7. Februar 2012 in Kraft getreten ist. Mit ihr wird der Umschlag von Kernbrennstoffen im Sinne des Paragrafen 2 Absatz 1 Satz 1 Atomgesetz über die bremischen Häfen ausgeschlossen. Damit ist die Bremer Regelung weitreichender als der vorliegende Antrag. Bedeutsam ist jedoch ferner, dass die bremische Regelung eine weitreichende Ausnahmeregelung vorsieht, die Transporte wie bisher durchaus zulässt.

Die Rechtmäßigkeit des Bremer Vorgehens ist dennoch infrage zu stellen. Allein in Bremen liegen dazu mindestens vier Gutachten renommierter Juristen vor. Von besonderer Bedeutung ist dabei der Hinweis, dass Artikel 73 Absatz 1 Nummer 14 Grundgesetz dem Bund eine ausschließliche Regelungskompetenz im gesamten Bereich der friedlichen Nutzung der Kernenergie vorbehält. Dies umfasst auch die logistischen Voraussetzungen einschließlich der Transportbelange.

Die Bürgerschaftsfraktion der CDU hat zwischenzeitlich einen Normenkontrollantrag gegen das Hafenbetriebsgesetz Bremen in Aussicht gestellt. Die Landesregierung teilt wie ich dargelegte Bedenken, die in mehreren Gutachten zum Tragen kommen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, aus diesem Grunde plädiere ich für die Ablehnung des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Schulte von der SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Ich möchte es an dieser Stelle kurz machen: Meine Fraktion wird diesen Antrag ablehnen. Und um das deutlich zu machen, meine Fraktion wird diesen Antrag nicht deshalb ablehnen, weil die SPD über Nacht ihre ablehnende Meinung zur Atomenergie geändert hat. Wir werden diesen Antrag auch nicht deshalb ablehnen, weil die GRÜNEN diesen Antrag offenkundig nur deshalb hier und heute in diesem Haus stellen, weil sie auf kommunalpolitischer Ebene, das heißt in der Stadt Rostock, faktisch mit ihrem Anliegen nicht weiterkommen und nun versuchen, den Landtag diesbezüglich zu instrumentalisieren.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Wir hatten die Zustimmung der SPD auf diesem Parteitag.)

Wenn man bösartig wäre, Herr Kollege Jaeger, was wir ja nicht sein wollen, könnte man schon fragen, warum explizit nur die Rostocker Häfen in diesem Antrag genannt werden. Vielleicht möchten ja die GRÜNEN in diesem Land

(Zuruf von Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

die Häfen Sassnitz oder Lubmin schwerpunktmäßig für den Transport von hoch radioaktiven Stoffen entwickeln.

Aber, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wir unterstellen dem Antragsteller nicht einmal, dass er sich solche Überlegungen gemacht hat. Was wir uns fragen, ist vielmehr, welche Überlegung er sich überhaupt gemacht hat.

Frau Ministerin Kuder hat eben auf grundlegende verfassungsrechtliche Probleme hingewiesen. Die Gesetzgebungskompetenz für den Umgang mit Kernbrennstäben sowie der diesbezügliche Transport liegen ausschließlich beim Bund. Soweit diese Gesetze den Transport einschließlich den Transport über Häfen ausschließen, gilt dies gleichermaßen für alle Häfen, auch für alle Häfen in Mecklenburg-Vorpommern und selbstverständlich für die Häfen in Rostock.

Mecklenburg-Vorpommern, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen von der Fraktion der GRÜNEN, fehlt es insoweit letztendlich an der Zuständigkeit für eine entsprechende materiell-rechtliche Regelung.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Aber die Bremer SPD konnte das.)

Das Gleiche gilt übrigens auch für den Oberbürgermeister der Hansestadt Rostock, sehr geehrter Kollege Jaeger, und das wird dann wohl auch der Grund sein, warum der Beschluss der Rostocker Bürgerschaft bis heute nicht

umgesetzt worden ist, und nicht der Umstand, dass das Land Mitgesellschafter der Rostocker Hafengesellschaft ist.

Aber, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, einen nicht umsetzbaren Beschluss einer Stadtvertretung kann man nicht dadurch qualitativ verbessern, indem man einen gleichfalls nicht umsetzbaren Beschluss eines nicht in der Sache zuständigen Parlaments herbeiführt. Und genauso, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wie wir uns noch bedanken würden, wenn auf einmal der Bundestag Beschlussfassungen treffen würde, die in den Regelungsbereich und den Kompetenzbereich der Länder fallen, so können die Kolleginnen und Kollegen in Berlin von uns auch erwarten, dürfen erwarten, dass wir ihre originären Rechte achten.

Nun weiß ich, Frau Ministerin Kuder hat ja eben auch noch mal darauf hingewiesen, dass die Bremische Bürgerschaft bereits im Dezember 2010 eine Änderung des dortigen Hafenbetriebsgesetzes vorgenommen hat und von der Ausgestaltung, darauf will ich jetzt mal nicht eingehen, da gibt es ja dann tatsächlich auch Unterschiede, und die Bremer Häfen für den Transport hoch radioaktiver Stoffe zumindest grundsätzlich entwidmet wurden. Herr Kollege Jaeger, das mag Ihnen ja reichen, mir reicht das nicht.

Tatsache ist aber auch, dass im Rahmen zum Beispiel eines Gutachtens noch vom Januar dieses Jahres die entsprechende Vorgehensweise, auch hierauf hat Frau Ministerin Kuder hingewiesen, als verfassungswidrig qualifiziert wurde. Und Tatsache ist, auch darauf wurde eben hingewiesen, dass im Hinblick auf diese Verfassungswidrigkeit ein entsprechendes gerichtliches Überprüfungsverfahren stattfindet.

Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, wie bereits gesagt, wir werden heute hier den Antrag ablehnen. Es gibt vernünftige Gründe – ich habe sie dargelegt, Frau Ministerin Kuder hat sie dargelegt –, es gibt vernünftige Gründe, diesen Antrag hier abzulehnen.

Sollte es sich in der Zukunft darstellen, dass sich ein Handlungsspielraum für eine eigenständige Regelung in Mecklenburg-Vorpommern ergeben sollte, dann allerdings, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, sollte eine solche Regelung nicht nur für einzelne Häfen in diesem Land getroffen werden, weil hier geht es nämlich nicht um die Gesellschafterstellung des Landes an einem bestimmten Hafen, Herr Kollege Jaeger, sondern

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ich mache Ihnen gern einen Änderungsantrag.)

hier geht es um die Frage der Rechtssetzung durch diesen Landtag, und die betrifft dann im Zweifelsfall alle Häfen, dass dann tatsächlich nicht nur Regelungen für einzelne Häfen in diesem Land getroffen würden, sondern Anforderungen aufgestellt werden, denen alle Häfen in diesem Land gerecht werden müssten.

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Da haben Sie auch unsere Zustimmung.)

Und, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, dann sollte auch klar definiert werden – und da hapert es auch bei

Ihrem Antrag –, welche Stoffe denn tatsächlich nicht mehr über diese Häfen dieses Landes transportiert werden dürfen.

Ihr Antrag würde heute, und das sehe ich dann zumindest so, auch im Zweifelsfall bedeuten, dass beispielsweise bestimmte medizinische Geräte nicht mehr umgeschlagen werden dürften, und das, sehr geehrter Herr Kollege Jaeger, unterstelle ich nicht mal der Fraktion DIE GRÜNEN, dass Sie das möchten.

In diesem Zusammenhang bedanke ich mich noch mal für Ihre Aufmerksamkeit. Wie gesagt, wir werden den Antrag ablehnen.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)