Protocol of the Session on April 25, 2012

haben Sie im Land noch nicht einmal das Problem als solches wirklich erkannt. Mecklenburg-Vorpommern ist leider keine Insel der Glückseligkeit. Auch hierzulande gibt es Korruption und Abstechungsbetrug,

(allgemeine Heiterkeit – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Auch nicht schlecht!)

Abrechnungsbetrug, Entschuldigung, und dies mit Gewissheit nicht nur bei Krebsärzten und Apotheken.

Der Abrechnungsskandal bei den Apotheken ist kein Einzelfall. Einige Apotheker, Ärzte, Zahnärzte, Krankenhäuser, Pharmahersteller, Pflegedienste und so weiter tricksen und betrügen auf Kosten der Krankenkassen und somit auch auf Kosten der Versicherten.

Mit der Schlagzeile „Zahl der Abrechnungsbetrüger verdoppelt sich“ meldete sich am 17. April 2012 die Zeitung „Die Welt“ zu Wort. Nach Informationen der Zeitung sind derzeit alleine bei der Hamburger Zentrale der DAK-Gesundheit nicht weniger als sage und schreibe 1.800 Fälle

mit dem Verdacht auf Abrechnungsbetrug anhängig. Bei 47 Prozent der Fälle handelt es sich um Heilmittel, gefolgt von 13 Prozent Betrügereien bei der Pflege und 12 Prozent Betrügereien bei ärztlichen Behandlungen. Zitat: „Gefälschte Rezepte, Scheinbehandlungen, manipulierte Rechnungen: Die Hinweise auf Abrechnungsbetrüger sind bei der DAK-Gesundheit sprunghaft angestiegen. Im vergangenen Jahr gingen beim Ermittlungsteam der Krankenkasse 1.562 Tipps ein – fast 60 Prozent mehr als im Vorjahr.“ Zitatende. Wohlgemerkt, es geht hier nur um Hinweise aus dem Kreis der Patienten.

Diese Zahlen machen als kleine erkennbare Spitze auf erschreckende Weise deutlich, wie gigantisch der Abrechnungsbetrugseisberg sein könnte. Um diesen Eisberg abzuschmelzen, ist es geboten, den Akteuren der Medizinmafia auf Augenhöhe begegnen zu können. Die oft komplizierten Sachverhalte, die fehlende Transparenz und die Vielzahl der Beteiligten machen es notwendig, auch in der Strafverfolgung die nötige Kompetenz zu gewinnen. So, wie man im Land bereits Schwerpunktstaatsanwaltschaften zur Bearbeitung von Wirtschaftsstrafsachen und jüngst ja auch zur Bekämpfung der Internetkriminalität installiert hat, so gilt es jetzt, endlich auch eine entsprechende Ermittlungsstelle für das Gesundheitswesen einzurichten. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat zunächst für die Fraktion der SPD die Abgeordnete Frau Drese.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Kriminalität im Gesundheitswesen ist in den letzten Jahren infolge demografischer Veränderungen in Deutschland, medizinischen Fortschritts und der damit einhergehenden finanziellen Ressourcenknappheit im Gesundheitssystem stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt. Immer wieder wurden Korruptionsskandale im Gesundheitswesen aufgedeckt. Ein Beispiel sei nur genannt: Der sogenannte Herzklappenskandal.

Mit dem Gesetz zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung 2004 hat der Gesetzgeber die gesetzlichen Krankenkassen, die Kassenärztlichen Vereinigungen sowie die Pflegeversicherung zur Errichtung von Organisationseinheiten zur Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen verpflichtet. Diese Stellen haben Hinweisen nachzugehen, die auf Unregelmäßigkeiten bei der Abrechnung sowie zweckwidrige Nutzung von Finanzmitteln hindeuten. Dass dort Hinweise eingehen, hat auch keiner bezweifelt.

Die Strafverfolgungsbehörden sind unverzüglich zu unterrichten, wenn sich im Rahmen der internen Prüfung ein Anfangsverdacht auf eine strafbare Handlung mit nicht nur geringfügiger Bedeutung ergibt – und die gesetzlichen Krankenversicherungen sind dort auch hinterher. Einzelne Versicherungen haben durch eigene Nachforschungen Betrugsfälle in Höhe mehrerer Millionen aufdecken können und Rückzahlungen zugunsten ihrer Versicherten erwirkt.

Sehr geehrte Damen und Herren, dass durch entsprechende Kontrollen Straftaten aufgedeckt werden, liegt auf der Hand und war mit der Neuregelung auch gerade bezweckt. Auf diesen Zug ist die NPD natürlich gleich aufgesprungen. Wenn ein vermeintliches Problem am Horizont aufgemacht wird, versucht die NPD sich auf dieses Thema draufzusetzen. Dann gibt sie sich den Anschein des Kümmerers und man versucht, sich als diejenigen darzustellen, die die Lösung für diese Probleme gefunden haben.

(Tino Müller, NPD: Immer das Gleiche.)

Mit dem vorliegenden Antrag nimmt sie die Berichterstattung in den Medien als Anlass, um zu suggerieren, unser ganzes Gesundheitssystem sei nur von Missbrauch geprägt.

(Stefan Köster, NPD: Das ist falsch.)

Sie spricht in ihrem Antrag pauschal von ausufernder Korruption im gesamten Gesundheitssystem und von zunehmenden Abrechnungsskandalen unter anderem bei Apothekern, Ärzten und Zahnärzten. Das ist, gelinde gesagt, unseriös.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Anstatt ganze Berufsstände unter Generalverdacht zu stellen, sollte die NPD lieber ihr eigenes Finanzgebaren hinterfragen.

(Heinz Müller, SPD: Sehr richtig.)

Sehr geehrte Damen und Herren, wenn die Brandstifter als Biedermänner daherkommen und so tun, als sei die NPD an einer ernsthaften Lösung interessiert, sind sie recht flexibel. So wird mal eben kurzerhand die Einrichtung einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft „Gesundheitswesen“ in Mecklenburg-Vorpommern gefordert. Dass gerade die NPD eine solche Forderung erhebt, ist auf den ersten Blick schon verwunderlich. Vielleicht mögen aber auch spezielle Erfahrungen von NPD-Abgeordneten mit dieser Art der Behörde damit zu tun haben.

(Stefan Köster, NPD: Wollen Sie jetzt lustig sein?)

Ich sage Ihnen an dieser Stelle, ich fände die Einrichtung einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft für rechtsextremistisch motivierte Kriminalität deutlich angebrachter.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Sehr geehrte Damen und Herren, die staatlichen Organe sind aufgefordert, durch eine wirksame Bekämpfung von Korruption und Fehlverhalten im Gesundheitswesen die Versichertenbeiträge zu schützen und ihren unsachgemäßen Einsatz sicherzustellen, ihren sachgemäßen Einsatz sicherzustellen. Die Problemlagen und Strukturen innerhalb des Gesundheitswesens sind komplex und erfordern häufig vertieftes Fachwissen. Ich gehe davon aus, dass im Justizministerium ohnehin geprüft wird, ob und inwieweit in unserem Bundesland eine Bündelung der Kräfte nicht nur bei der Bekämpfung von Fehlverhalten im Gesundheitswesen zu einer Stärkung effektiver Strafverfolgung beitragen kann.

(Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)

Dazu bedarf es des NPD-Antrages nicht. Gegen Ihre Beratung, Herr Köster, sind wir tatsächlich immun. Wir lehnen Ihren Antrag ab.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Jawoll!)

Das Wort hat nun für die Fraktion der NPD der Abgeordnete Herr Köster.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren!

Frau Drese, die Politik hat die Aufgabe, wenn sie ein Problem erkennt, dieses zu bekämpfen, diesem zu begegnen. Wenn Sie eine andere Auffassung haben, dann ist das letztendlich Ihr Problem. Wir haben unter anderem nur eine Forderung aufgenommen, die selbst Ihre SPD-Bundestagsfraktion aufgestellt hat.

Das „Handelsblatt“ vom 28. März 2012 brachte es unter der Überschrift „Korruption kostet Kassen Milliarden“ auf den Punkt. Zitat: „Durch Betrug und Korruption gehen dem Gesundheitssystem 18 Milliarden Euro“ – Frau Drese, hören Sie zu! –, „18 Milliarden Euro im Jahr verloren.“

(Zuruf von Barbara Borchardt, DIE LINKE)

„Staatsanwälte sind machtlos, da Vorteilsnahme bei Kassenärzten nicht strafbar ist.“ Zitatende.

Hier geht es um wesentliche Probleme und nicht um Ihren politischen Eiertanz.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Sie kämpfen immer für alle, das wissen wir doch!)

In dem Artikel erinnert das „Handelsblatt“ auch an den sogenannten „Ratiopharm-Skandal“. Der Pharmahersteller hatte über Jahre bis zu 1.000 Kassenärzten eine Umsatzbeteiligung gewährt, wenn im Gegenzug Präparate der Firma verordnet wurden. 2005 flog der Schwindel auf, aber die meisten eingeleiteten Verfahren wurden bis zum Jahre 2009 eingestellt, eben mit der Begründung: „Anders als bei Krankenhausärzten gelte für niedergelassene Ärzte der Korruptionsparagraf nicht, da“ diese „auch keine Angestellten der Krankenkassen seien, sondern freie Unternehmer.“

Dieses geradezu klassische Beispiel zeigt überdeutlich auf, wie dringend nach wie vor der Handlungsbedarf in dieser Frage ist – und Sie vertrauen irgendwelchen Engelchen.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Was für Engelchen denn?)

Was den Abrechnungsbetrug angeht, sind die Beteiligten nachweislich alleine nicht in der Lage, der Ausplünderung der Krankenkassen einen wirksamen Riegel vorzuschieben. Es nützt hier überhaupt nichts, auf die Selbstverwaltung bei den Ärzten zu verweisen.

(allgemeine Unruhe – Glocke der Vizepräsidentin)

Auch eine Prüf- und Ermittlungseinheit bei der Kassenärztlichen Vereinigung oder die eingesetzten Vertrau- enspersonen bei den Krankenkassen, die bei einem Anfangsverdacht von Korruption aktiviert werden sollen, sind nur bedingt tauglich, dem eigentlichen Problem Herr zu werden. Der Witz an einem möglichst geschickten Betrug ist es nämlich, möglichst nicht als solcher enttarnt zu werden. Wenn Pharmafirmen, Ärzte oder Apotheker direkt unter Verwendung getürkter Beraterverträge schmieren,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Was heißt „getürkt“?)

dann ist ein solcher Nachweis unter Umständen schon anhand von Kontobewegungen nachvollziehbar. Zumindest lassen sich so relativ einfache Gründe für einen entsprechenden Anfangsverdacht finden. Wenn allerdings innerhalb eines Abrechnungssystems mit gefälschten oder verfälschten Zahlen und Unterlagen operiert wird, dann ist eine Aufdeckung des Betruges um ein Vielfaches schwieriger.

Patienten wissen im Regelfall gar nicht, was beispielsweise der Zahnarzt wirklich mit der Krankenkasse abrechnet. Nicht umsonst gibt es dieser Tage den Vorschlag, der Patient solle die Möglichkeit bekommen, eine Kopie der Zahnarztrechnung zur Gegenkontrolle bei seiner Krankenkasse einzureichen. Dies wäre ein kleiner, aber durchaus wirkungsvoller Schritt. Auch beim Hausarzt wird der Patient nicht wissen können, von welcher Dauer die Konsultation war und mit welchem Ergebnis dieser Vorgang bei der Krankenkasse abgerechnet wurde.

Völlig unübersichtlich wird es im Bereich der Abrechnung von Krankenhäusern, Apotheken und Pflegediensten. Ein Anfangsverdacht ergibt sich auch bei handfesten Betrügereien oft deshalb nicht, weil Außenstehende keinerlei Informationen zu den Abrechnungen besitzen. Wer sich vor Augen hält, wie gerne bei der Steuererklärung schon mal die Zahl der gefahrenen Kilometer gerundet wird, der kann sich vorstellen, wie verlockend es sein muss, auch mal bei Krankenhaustagen und der Anzahl von Infusionen zu runden.

Noch schlimmer wird es dann, wenn zusätzlich mit echter krimineller Energie gehandelt wird. Die Betrügereien sind in solchen Fällen oft überhaupt nur dann aufzudecken, wenn Beteiligte ohne vorherige Ankündigung überprüft werden oder Insiderinformationen aus einem geschlossenen System herausdringen. Die geschilderten Umstände und Sachverhalte schreien geradezu nach der Einrichtung einer Schwerpunktstaatsanwaltschaft.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Jaja.)

Dass Sie gegen diese Korruption, die es durchaus gibt, wie gesagt, um 18 Milliarden Euro im Jahr – das sind keine Peanuts, wie die Bundesbank das sagen würde –, dass Sie dagegen nichts unternehmen,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Tun wir doch!)