Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/564. Wer dem An- trag zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Wer stimmt dagegen? – Gibt es Stimmenthaltungen? – Das ist nicht der Fall. Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/564 bei Zustimmung der Fraktion der SPD, der CDU und der …, nein, Entschuldigung, bei Zustimmung der Fraktion der LINKEN, der GRÜNEN und Gegenstimmen der Fraktion der SPD, der CDU und der NPD abgelehnt.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 15: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Wohngeldrecht ändern – Heizkostenanstieg abfedern, auf Drucksache 6/566.
Antrag der Fraktion DIE LINKE Wohngeldrecht ändern – Heizkostenanstieg abfedern – Drucksache 6/566 –
Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete und Vizepräsidentin Frau Lück für die Fraktion DIE LINKE.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit unserem Antrag wollen wir erreichen, dass sich die Landesregierung für eine erneute Änderung des Wohngeldgesetzes einsetzt. Nach zähem Ringen gelang es mit der Wohngeldnovelle 2009 erstmals, dass auch die Heizkosten in pauschalierter Form einbezogen wurden. Sie flossen mit 50 Cent pro Quadratmeter Wohnfläche in die zu berücksichtigende Miete ein. Die unter Ansatz von Wohnrichtflächen errechnete Heizkostenkomponente betrug 24 Euro für eine Person, 31 Euro für zwei Personen und erhöhte sich um 6 Euro für jedes weitere Haushaltsmitglied. Außerdem wurde rückwirkend für die Heizkostenperiode 2008 und 2009 eine pauschalierte Einmalzahlung an die Wohngeldhaushalte ausgezahlt. Damit konnten die Nachforderungen bei den Betriebskostenabrechnungen natürlich auch gemildert werden.
Das war die politische Reaktion auf die innerhalb weniger Monate enorm gestiegenen Heizkosten im Jahr 2008. Mit
unserem Antrag schlagen wir nun vor, diese damals gewählte Vorgehensweise zu wiederholen. Ab dem kommenden Jahr soll es wieder eine Heizkostenkomponente geben. Und im nächsten Jahr, pünktlich zur Jahresbetriebskostenabrechnung, sollte erneut auch eine Einmalzahlung erfolgen.
Ich sage aber auch deutlich, es reicht nicht, einfach die mit dem Haushaltsbegleitgesetz des Bundes für 2011 zementierte Streichung der Heizkostenkomponente rückgängig zu machen. Eine deutlich höhere Entlastung ist notwendig. Schon 2009 und 2010 deckten diese 50 Cent pro Quadratmeter nicht einmal die Hälfte der tatsächlichen Heizkosten.
Die Passage zum Wohngeld im Eckpunktepapier des Bundeskabinetts von Juni 2010 zum genannten Sparpaket der Bundesregierung liest sich wie ein Hohn. Ich zitiere: „Der Heizkostenzuschuss für Wohngeldempfänger ist eingeführt worden als die Energiekosten auf einem historisch hohen Stand waren. Erfreulicherweise hat sich die Situation entspannt. Die Rückführung auf das früher geltende Recht ist daher angemessen.“ Zitatende.
In der Tat sorgte die Finanz- und Wirtschaftskrise vorübergehend für etwas moderatere Preise, aber schon als der Entwurf zum Haushaltsbegleitgesetz auf dem Tisch lag, stiegen die Energiepreise wieder kräftig an – und sie steigen seitdem munter weiter, wie Sie auch wissen. So analysierte der Betrieb für Bau und Liegenschaften, dass die Heizkosten im Vergleich zu 2009 in diesem Jahr um fünf Prozent und im nächsten Jahr noch mal um zehn Prozent steigen werden. Diesen Zahlen liegen statistische Auswertungen zugrunde. Wir alle haben im Rahmen der Haushaltsdebatte ja auch die Zahlen belegt bekommen. Deshalb wurden die Gebäude- und Bewirtschaftungskosten in allen Einzelplänen entsprechend höher angesetzt.
Es ist also nur folgerichtig, dass die Politik reagiert und die richtigen Schlüsse zieht, um das Sozialgut Wohnen zu sichern. Das heißt, die Heizkosten müssen künftig bei Wohngeldbezug wieder mit berücksichtigt werden. Und diese Initiative sollte von Mecklenburg-Vorpommern ausgehen, ist unsere Meinung. Schließlich sind 4,6 Prozent aller Privathaushalte auf Wohngeld angewiesen, damit mehr als doppelt so viele wie im Bundesdurchschnitt. Das müssen wir auch mal hier alle zur Kenntnis nehmen. Laut Wohngeldstatistik waren 2010 rund 39.000 Haushalte betroffen. Die Wohngeldausgaben betrugen 73 Millio- nen Euro und werden ja je zur Hälfte vom Bund gezahlt und zur Hälfte vom Land.
Im Haushaltsplanansatz jetzt wird von rund 41.000 Haushalten für dieses und für das kommende Jahr ausgegangen. In den Haushalt eingestellt wurden jeweils 60 Millionen Euro. Die Differenz erklärt sich natürlich aus dem Wegfall der Heizkomponente.
Auch schon im letzten Jahr reduzierten sich die Ausgaben um 10,7 Millionen Euro. Die Auswirkungen der Streichung der Heizkomponente schlugen da natürlich noch nicht voll durch, weil das erst bei der Neubewilligung der Bescheide natürlich zum Tragen kam. Betroffen von den Einschnitten sind, und das möchte ich auch noch mal sagen, vorrangig Rentnerinnen und Rentner, denn über die Hälfte der Wohngeldbezieher und -bezieherinnen
sind Rentnerinnen und Rentner. Das betrifft aber auch die Geringverdiener mit fast 30 Prozent, Selbstständige, Arbeitslose mit 10 Prozent und natürlich auch Studentinnen und Studenten. Rund zwei Drittel von ihnen leben allein.
Nicht nur ich behaupte, die kurze Unterbrechung des Trends steigender Energiekosten durch die Finanz- und Wirtschaftskrise war lediglich natürlich ein willkommener Vorwand für Schwarz-Gelb, um die durch die Wohngeldnovelle 2009 stark gestiegenen Ausgaben für das Wohngeld verringern zu können. Der Wohngeld- und Mietenbericht 2010 der Bundesregierung sagt aus, ich zitiere:
„2008 bezogen 640.000 Haushalte Wohngeld, 2009 stieg ihre Zahl auf 1 Million.... Dies entspricht einer wichtigen Zielsetzung der Reform, das Wohngeld als vorrangiges Leistungssystem zu stärken. Insgesamt sind etwa 120.000 Haushalte aus der Grundsicherung nach dem SGB II in das Wohngeld gewechselt. Hierbei handelte es sich insbesondere um Haushalte, die zuvor nur wegen ihrer Wohnkosten SGB-II-… erhielten.
Die Wohngeldausgaben sind reform- und konjunkturbedingt erheblich gestiegen. Während sie sich im Jahr 2008 noch auf 750 Mio. Euro beliefen, stiegen sie nach der Reform auf 1,6 Mrd. (2009) und 1,8 Mrd. (2010).“ Und hier ist das Zitatende.
Mit über 1 Milliarde Euro Mehrkosten hatte die Bundesregierung natürlich nicht gerechnet. Und wenn auch etwa ein Drittel der Mehrkosten konjunkturbedingt waren, immerhin zwei Drittel der Mehrkosten entstanden ja durch Leistungsverbesserungen, davon zur Hälfte durch die Heizkostenkomponente. Hinzu kamen 2009 rund 130 Millionen Euro für einmalige zusätzliche Wohngeldbeträge für Heizkosten, die etwa eine Million Haushalte erhielten. Eine neue Reform, eine erneute Reform ist natürlich teuer, aber wir meinen, sie ist unausweichlich. Wir brauchen sie dringend.
Vor einigen Tagen war im ZDF ja auch von Energiearmut die Rede. Nach einer Umfrage der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen können bundesweit 600.000 Haushalte ihre Energierechnung nicht mehr bezahlen. Ihnen wird der Strom abgedreht, weil sie die durchschnittlich 40 Euro höheren Jahreskosten nicht mehr tragen können. Die Nachforderungen im Heizkostenbereich können ein Vielfaches davon betragen.
Die Politik muss handeln oder in Kauf nehmen, dass viele Haushalte sozusagen in die Armutsfalle Hartz IV oder Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung fallen. Es ist eben nicht egal, ob mit Wohngeld unterstützt wird oder die Kosten der Unterkunft und Heizung übernommen werden.
Wohngeld hat eine bedeutende soziale Funktion. Mithilfe von Wohngeld sind Haushalte mit geringem Einkommen nicht zwingend auf ganz besonders mietgünstige Wohnungen und deshalb auf ein sehr enges Marktsegment im Wohnbestand beschränkt. Mithilfe von Wohngeld soll es möglich sein, auch in einer Wohnung zu leben, die sozusagen im mittleren Preissegment liegt. Insbesondere Rentnerinnen und Rentner schränken sich anderweitig ein, bevor sie ihre meist schon lange bewohnte Wohnung aufgeben. Damit unterstützt und erhält Wohngeld stabile durchmischte Bewohnerstrukturen. Da haben wir doch alle ein politisches Interesse dran.
Wohngeld dient dem Wohnfrieden, es vermeidet und verzögert die Spaltung des Wohnungsmarktes. Wohngeld ist somit neben wohnraumlenkenden Maßnahmen ein wichtiges wohnungspolitisches Instrument. Ich glaube, da sind wir uns parteiübergreifend auch einig. Deshalb bitte ich Sie, unserem Antrag zuzustimmen, weil ich glaube, ich habe sehr viele Argumente dafür vermittelt.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 45 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Fraktion DIE LINKE fordert mit ihrem Antrag, dass sich die Landesregierung für eine Novelle des Wohngeldrechts einsetzt, und hat in besonderer Weise mit Blick auf die Heizkosten ihre Forderung aufgemacht.
Natürlich ist es immer schön, sofort Forderungen nach Leistungserhöhungen des Staates zu stellen. Ich will eins vorwegschicken, Frau Lück: Ihnen ist auch bekannt, dass Wohngeld oberhalb Hartz IV und Grundsicherung angesiedelt ist,
und dass auch nicht grundsätzlich sofort gehandelt werden muss, denn die letzte Wohngeldnovelle und die -anpassung aller wichtiger Daten hat im Jahre 2008 stattgefunden und es hat deutliche, aber sehr deutliche Erhöhungen gegeben.
Die Wohngeldtabellenwerte wurden um acht Prozent angehoben, die Miethöchstbeträge wurden um zehn Prozent angehoben und auch die Baualtersklassen wurden abgeschafft. Sie haben Recht, die Heizkostenkomponente wurde – nachdem sie eingeführt wurde im Rahmen von Konsolidierungsmaßnahmen des Bundeshaushaltes – dann im Jahre 2011 gekürzt.
Es bleibt festzustellen, dass das Land Mecklenburg-Vorpommern weiterhin davon profitiert. Immerhin 62 Millionen Euro können wir sozusagen an Wohngeld ausreichen – Sie haben die Zahl genannt – und das heißt im Klartext, wir hatten 74 Euro vor der Reform und 108 Euro im Durchschnitt pro Monat nach der Reform, was eine deutliche Steigerung von 46 Prozent gebracht hat, und das abzüglich der von Ihnen jetzt in Form der Heizkosten hervorgebrachten neuen Argumente, die wir als Regie
rung nutzen sollen, um im Bundesrat aktiv zu werden, um insgesamt dort wieder neue Leistungen und gerade die Heizkostenkomponente einzufordern.
Meine Damen und Herren, zurzeit scheint uns noch nicht der richtige Zeitpunkt dafür gegeben. Es ist nicht zu erwarten, dass wir im Bundesrat und im Bundestag dafür Mehrheiten bekommen. Ich will darauf hinweisen, dass wir deutliche Finanzsteigerungen hatten und auch für die nächsten Jahre die Dinge im Landeshaushalt ausgewiesen sind. Es kann nicht immer nur darum gehen, grundsätzlich den Staat zu rufen, wenn auch andere gefordert sind.
Meine Damen und Herren, die Landesregierung kann zurzeit nicht empfehlen, diesen Antrag anzunehmen. Ich will noch mal eine Zahl nennen: Wir hatten vor der Reform im Land 24 Millionen Euro zur Verfügung. Heute sind es 62 Millionen, und das ist das Zweieinhalbfache der Leistungen, die noch vor vier Jahren gewährt wurden. Von daher ist dem Ansinnen der LINKEN heute nicht zu entsprechen. Die Diskussion wird sicherlich weitergeführt werden müssen, aber die Zeit ist dazu noch nicht reif, denn die Kostenentwicklungen bei den Bemessungen zum Wohngeld müssen genau analysiert werden und ich sage es hier noch mal grundsätzlich für alle: Hartz IV oder Grundsicherung im Alter sind sehr wichtig.
Das Wohngeld setzt daher oberhalb des Existenzminimums an und muss in besonderer Weise beachtet, aber nicht sofort angepasst werden, auch wenn DIE LINKE vermutlich dieses Thema noch das eine oder andere Mal bewegen wird. Ich glaube, dass zurzeit auf der Bundesebene dazu keine Mehrheiten zu erwarten sind. In dem Sinne kann ich nur die Ablehnung des Antrages empfehlen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir haben es schon gehört: Eine Heizkostenkomponente ist in das Wohngeldrecht, das ja Bundesrecht ist, deswegen zielt der Antrag der Fraktion DIE LINKE auch auf eine Bundesratsinitiative ab, diese Heizkostenkomponente ist bundesrechtlich im Jahre 2009 – ich darf daran erinnern, das war zur Zeit der Großen Koalition in Berlin – in unser Wohngeldrecht eingefügt worden, und ich glaube, diese Einfügung dieser Heizkostenkomponente war damals, sozialpolitisch betrachtet, ein richtiger, ein wichtiger und ein guter Schritt.
Nur wenige Jahre später – es war das Haushaltsbegleitgesetz des Jahres 2011 und es war in Berlin mittlerweile eine schwarz-gelbe Regierung – ist diese Heizkostenkomponente aus dem Wohngeldrecht wieder gestrichen worden. Ich möchte daran erinnern, ich nehme an, sonst würden es die LINKEN tun, dass es damals im Deutschen Bundestag eine Entschließung, die die SPD-Bundestagsfraktion eingebracht hat, gegeben hat zu diesem Haushaltsbegleitgesetz. In dieser Entschließung wurden mehrere Punkte dieses Haushaltsbegleitgesetzes scharf kritisiert. Zu diesen Punkten gehörte die Streichung der Heizkostenkomponente.
Nein, diese Entschließung wurde nicht angenommen, aber sie macht deutlich, dass die SPD-Bundestagsfraktion hier eine sehr klare Position bezogen hat, und ich hoffe, Kollege Renz, dass sie das in Ihren Augen auch darf.
(Torsten Renz, CDU: Ja, ich nehme an, es hat an der FDP gelegen. – Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Die Rednerin der SPD-Bundestagsfraktion Bettina Hagedorn hat in ihren Ausführungen explizit auch noch mal das Thema Heizkostenkomponente genannt und hat hier unsere Position deutlich gemacht. Das hat sie dann übrigens von dem Redner Roland Claus der LINKEN unterschieden, der in seinem Redebeitrag zum Haushaltsbegleitgesetz das Thema nicht für erwähnenswert hielt.