Ich will mit einigen Beispielen beginnen, um zu verdeutlichen, welches Anliegen der vorliegende Antrag verfolgt.
Im Jahr 2006 schloss die Deutsche Bank für fünf Jahre mit zwei Berliner Universitäten einen fragwürdigen Kooperationsvertrag. Die Gründung eines gemeinsamen Instituts für angewandte Finanzmathematik ließ sich die Deutsche Bank jährlich drei Millionen Euro kosten. Dafür sicherte sie sich im Gegenzug umfassende Mitwirkungsrechte. So heißt es im Vertrag zwischen Universität und Unternehmen, Zitat: „Alle Forschungsergebnisse der Universitäten oder ihrer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die im Rahmen der zwischen den Vertragspartnern abgestimmten Forschungsprojekte entstehen, sind der Deutschen Bank … zur Freigabe vorzulegen.“ Zitatende. Nichts darf also ohne Zustimmung des Unternehmens veröffentlicht werden.
Aber damit nicht genug, neben der Mitsprache beziehungsweise deutlichen Einflussnahme bei der Besetzung zweier Professuren sowie neben der Erteilung von Lehraufträgen an Mitarbeiter der Deutschen Bank erhielt die Bank das Recht zu Unternehmenspräsentationen, zu Kontaktveranstaltungen und zur Verteilung von Infomaterialien durch die hochschuleigene Hauspost. Dies alles ist nur bekannt geworden, weil ein Professor den Vertrag widerrechtlich veröffentlicht hat.
Nächstes Beispiel: Die Universität Bremen hat im Jahr 1986 in ihre Satzung die sogenannte Zivilklausel aufgenommen. Das ist eine Selbstverpflichtung der Universität, keine Rüstungsforschung durchzuführen. Eine solche Zivilklausel hat zum Beispiel auch kürzlich die Universität Rostock in ihre Grundordnung aufgenommen.
Als nun der Raumfahrt- und Rüstungskonzern OHB der Universität Bremen eine Stiftungsprofessur finanzieren will, lässt sich dieser Konzern die Streichung der Zivilklausel zusichern. Als nun Kritik aus der Universität an diesem Vorgehen laut wird, droht der Konzern kurzerhand mit der Streichung der Professur.
63 Professoren haben sich öffentlich gegen diese Kooperation ausgesprochen und für den Erhalt der Friedensklausel plädiert. Auch hier wurden die Vertragsvereinbarungen nur über Umwege bekannt.
Drittes und letztes Beispiel: Als das Deutsche Atomforum seine Kampagne „Energieverantwortung für Deutschland“, wir erinnern uns alle noch sehr gut an die Vorfälle der Bundestagswahl 2009, plante, sollte auch ein Gutachten des renommierten Ökonomen an der Humboldt Universität, Joachim Schwalbach, kurz vor der Wahl veröffentlicht werden. Ziel sei es gewesen, so geht es aus den öffentlich gewordenen Kampagnen und Papieren hervor – das war sehr peinlich für das Atomforum –, Kennziffern zu liefern, warum nicht nur der Konzern mit Atomkraft Millionen verdient, sondern dies auch angeblich die Gesellschaft tue. Von einem sogenannten Gefälligkeitsgutachten ist seitdem in Berlin die Rede.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Präsident des Deutschen Hochschulverbandes, Professor Dr. Bernhard Kempen, hat diese Entwicklung vor wenigen Tagen auf den Punkt gebracht. Er sagt, dass die „strukturelle Verschiebung hin zu mehr drittmittelfinanzierter Forschung bei gleichzeitiger Verschärfung des Wettbewerbs um Finanzierungsmittel … für die Unabhängigkeit und damit die Unparteilichkeit von … Wissenschaftlern schädlich“ sei. „Wissenschaft als Suche nach Wahrheit setze Ehrlichkeit voraus“, so Kempen, „und schließe die Indienstnahme oder Instrumentalisierung durch Dritte aus.“ Ich zitiere weiter: „Dem Verdacht, nicht erkenntnis-, sondern interessengeleitet zu forschen, müsse durch größtmögliche Transparenz entgegengewirkt werden. ,Für die Öffentlichkeit muss bei Kooperationen zwischen Unternehmen und Universitäten nachvollziehbar sein, dass der Geldgeber weder (Einfluss) auf Forschung und Lehre noch auf die Veröffentlichung von Forschungsergebnissen‘“ nehme. „Kooperationsverträge der Hochschulen mit Unternehmen müssen offengelegt werden“, so Professor Dr. Bernhard Kempen, Präsident des Deutschen Hochschulverbandes.
Doch auch der wirtschaftsnahe Stifterverband der Deutschen Wissenschaft versteht Transparenz als ein auszeichnendes Merkmal strategischer Partnerschaften und empfiehlt darüber hinaus, Kooperationsprojekte nach innen und außen transparent, zum Beispiel in Form eines Kooperationsreportings zu gestalten, um einseitige Abhängigkeiten und jeden Anschein davon strikt zu vermeiden, sei demnach in Verträgen oder in transparenten Kodizes zu formulieren, nach welchen Regeln Interessenkonflikte vermieden, gehandhabt und gelöst werden können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, es besteht ein öffentliches Interesse an einer Offenlegung von Kooperationsverträgen zwischen Hochschulen und privaten Unternehmen, um einer übermäßigen Einflussnahme der Unternehmen auf das Handeln einer Hochschule entgegenzuwirken und um größere Transparenz sicherzustellen. Es ist bekannt, dass sich Unternehmen in der Vergangenheit in geheimen Kooperationsverträgen von Universitäten mehrfach Rechte haben einräumen lassen, welche die Freiheit von Forschung und Lehre massiv beeinträchtigt haben. Um die Unabhängigkeit der Wissenschaft zu wahren, muss solchen Entwicklungen entgegengewirkt werden.
Die Finanzierungsstruktur von Hochschulen hat sich auch in unserem Land in den letzten Jahren deutlich und kontinuierlich zugunsten von Drittmitteln und zulasten von Grundmitteln verschoben.
So bestimmt die Einwerbung von Drittmitteln in unserem Land über die leistungsorientierte Mittelvergabe in zunehmendem Maße auch über die Höhe der Zuwendung von öffentlichen Mitteln an die Hochschulen.
Es lässt sich festhalten, dass Drittmittel neben den öffentlichen Grundmitteln inzwischen von großer finanzieller Bedeutung für Hochschulen und außeruniversitäre Forschungseinrichtungen geworden sind. Kooperationsverträge zwischen Hochschulen und Unternehmen sind unbenommen wichtig und dienen dem wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn und sie tragen auch zum Wissenstransfer bei. Unternehmen erhalten Zugang zu neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen und Kontakt zu gut ausgebildeten Absolventen, während Hochschulen vor allem von zusätzlichen finanziellen Mitteln profitieren und sich ihnen darüber hinaus Anwendungsperspektiven für ihre Arbeit und Berufsperspektiven für Mitarbeiter und Studierende eröffnen. Hochschulen sollen jedoch zuvorderst im Interesse der Gesellschaft forschen und dürfen aus finanziellen Zwängen heraus nicht zunehmend in einseitige Abhängigkeiten gegenüber ihren privatwirtschaftlichen Kooperationspartnern verfallen. Transparente Kooperationsverträge sind ein geeignetes Mittel, hier präventiv der Entwicklung entgegenzuwirken.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN glaubt, dass eine Vielzahl von Vertragsbestandteilen unter Achtung der Forschungsfreiheit, der Berufsausübungsfreiheit, der Vertragsfreiheit und unter Einhaltung rechtlicher Rahmenbedingungen veröffentlichungspflichtig gemacht werden kann. Der vorliegende Antrag will dies von der Landesregierung, und dann am besten gemeinsam mit den Hochschulen, prüfen lassen.
Wir gehen davon aus, dass zum Beispiel die Höhe der Summe, die Namen der Kooperationspartner, die Laufzeit und weitere Vertragsbestandteile offengelegt werden dürfen. Für alle veröffentlichungsfähigen Bestandteile soll sodann von der Landesregierung eine gesetzliche Grundlage erarbeitet werden, welche eben die Hochschulen und Unternehmen zu einer solchen teilweisen Veröffentlichung von zwischen ihnen geschlossenen Kooperationsverträgen verpflichtet.
Dass eine gesetzliche Ermächtigung für die Offenlegung erforderlich ist, hat die Landesregierung bereits in der Antwort auf meine Kleine Anfrage mit der Drucksachennummer 6/210 im Januar dargelegt. Der vorliegende Antrag zielt genau auf die Schaffung dieser gesetzlichen Grundlage.
Mich freut es ganz besonders, dass nun die Bundestagsfraktion der SPD einen ähnlich lautenden Antrag im Bundestag eingebracht hat.
(Dr. Margret Seemann, SPD: Ja, genau. Aber das ist etwas ganz anderes als das, was Sie hier vorlegen.)
eine einheitliche Offenlegungspflicht von Kooperationen zwischen Hochschulen und Unternehmen, die sich auf die Fördersumme sowie die Laufzeit bezieht, zu vereinbaren.
SPD und GRÜNE ziehen hier offensichtlich an einem Strang – zumindest auf Bundesebene. Ich würde es begrüßen, wenn sich dies auch auf Landesebene fortsetzen ließe. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Fraktion der GRÜNEN möchte dieses Haus dazu veranlassen, uns zu beauftragen, ein Gesetz zu erarbeiten, um mehr Transparenz in die privat finanzierte Forschung zu bringen.
(Vincent Kokert, CDU: Den Antrag haben die auch noch bei der SPD abgeschrieben. – Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)
Ich finde eigentlich, dass die Ausführungen des Abgeordneten Saalfeld auch geeignet sein könnten, das genaue Gegenteil zu begründen,
weil ja Beispiele dafür genannt wurden, wie Grundrechtsträger, Professoren, sich dagegen wehren, erfolgreich bestimmte private Forschungsaufträge anzunehmen. Insofern könnte man eigentlich auch sagen: Wunderbar, es funktioniert! Wozu brauchen wir eigentlich ein Gesetz? Mir jedenfalls ist kein Fall bekannt, in dem es zu einer entsprechenden Einflussnahme kam. Das heißt nicht, dass es das nicht geben könnte, aber es ist mir nicht bekannt. Und ich vermute auch, dass das Problem weitaus geringer ist als vielleicht vermutet.
Wenn hier diskutiert wird, dass gegebenenfalls die Freiheit der Forschung infrage steht, dann scheint es doch ganz angebracht, doch einmal ein paar Ausführungen dazu zu machen, über welchen Umfang wir sprechen: Zunächst finanzieren wir die Hochschulen mit 300 Millionen Euro aus staatlichen Mitteln und in diesem Bereich herrscht selbstverständlich Forschungsfreiheit sowie Lehrfreiheit. Dann gibt es – die Statistik stammt aus dem Jahr 2009 – 55 Millionen Euro für die öffentlich geförderte Forschungsförderung, dann wären wir also bei 355 Millionen Euro. Und selbstverständlich unterliegt die öffentlich finanzierte Forschungsförderung öffentlicher Trans
parenz. Die Ergebnisse dieser Forschung müssen, weil sie mit öffentlichen Mitteln zustande kommen, allen zur Verfügung gestellt werden.
Im selben Jahr gab es dann noch 25 Millionen Euro, die von Privaten eingeworben wurden, darunter sind Stiftungen ebenso wie die Wirtschaft. Das heißt, 355 Millio- nen Euro auf der einen Seite stehen 25 Millionen Euro auf der anderen Seite gegenüber. Selbst wenn man jetzt unterstellen würde, bei diesen 25 Prozent gäbe es eine Einflussnahme auf die Forschungsergebnisse, wäre das trotzdem noch ein relativ geringer Teil – aber ich sprach ja im Konjunktiv II.
Ich würde mir allerdings noch folgenden Hinweis erlauben: Es gibt ja nun nicht einen Zwang, mit Unternehmen zu kooperieren, sondern die Hochschulen und die Professoren entscheiden sich freiwillig, einen Forschungsauftrag anzunehmen oder es bleiben zu lassen. Das heißt, insofern ist die Möglichkeit, auf die Freiheit der Forschung Einfluss zu nehmen, schon relativ gering, weil ein Professor dann akzeptieren müsste mit seiner Unterschrift, dass er seine Freiheitsrechte im Bereich der Forschung an dieses Unternehmen abtritt. Es gibt also keine Pflicht, solche Forschungsprojekte anzunehmen. Insofern halte ich das Problem keinesfalls für so groß, wie das der Abgeordnete Saalfeld beschrieben hat, auch wenn natürlich rein theoretisch die entsprechende Möglichkeit besteht. Aber für unser Bundesland haben Sie ja schon ausgeführt, wie vorzüglich das hier in Form der Selbstregulation auch funktionieren kann.
Ihr Antrag besteht aus zwei Punkten, einerseits sollen wir prüfen, ob so etwas... Ich fasse für mich diese drei Punkte in zwei Punkte zusammen.