Protocol of the Session on March 16, 2012

ist das natürlich alles schon ziemlich fragwürdig, was hier geäußert worden ist.

(Vincent Kokert, CDU: Den Antrag legen wir ad acta.)

Ich möchte jetzt nicht alles das wiederholen, was die Justizministerin gesagt hat, aber ich möchte mal auf einen Punkt hinweisen: Es ist, glaube ich, in Deutschland überhaupt keine Frage, dass Eigentum geschützt wird. Sonst würde jeder von uns, der hier sitzt, kein Problem damit haben, wenn jemand anderes ihm ins Portemonnaie greift. Ich glaube, da würden wir alle zusammen böse werden, und das zu Recht. Ich kann daher nicht verstehen, warum dieser Punkt, der bei körperlichem, bei sachlichem Eigentum überhaupt keine Frage ist, auf einmal bei geistigem Eigentum diskutiert wird. Und es gibt in Deutschland bestehende Regelungen zum Schutze geistigen Eigentums – Frau Justizministerin hat darauf hingewiesen –, im Urheberrecht, im Markenschutzrecht, im Patentrecht und in einigen anderen Punkten, bis hin zu den strafrechtlichen Bestimmungen. Und warum geistiges Eigentum im Internet dann weniger schutzwürdig ist als im täglichen Leben, also wenn es zum Beispiel um gedruckte Bücher geht, das entzieht sich mir auch.

Und auch, Herr Kollege Saalfeld, ein Punkt, zu dem Sie ausgeführt haben, Vergütung statt Verfolgung: Also bis jetzt gilt hier in Deutschland immer noch der Grundsatz, dass derjenige, der Eigentümer einer Sache ist oder auch einer vergeistigten Sache, alleine darüber entscheiden kann, wie er damit umgehen will.

(Jörg Heydorn, SPD: Und das soll auch so bleiben.)

Und es ist dessen Entscheidung, ob er tatsächlich eine Vergütung für die Nutzung seines Eigentums haben will oder ob er einem Dritten die Nutzung dieses Eigentums untersagen möchte. Und das gilt nicht nur im Internet oder in der sogenannten digitalen Welt, das gilt auch im tagtäglichen Leben, wenn es hier, wie gesagt, um sonstige geistige Eigentümer geht.

Ich glaube, all diejenigen, die – ich sag das jetzt mal aus der Erfahrung als Rechtsanwalt, sehr geehrte Frau Kollegin Drese – nun keine Waren produzieren, sondern geistig tätig sind, …

(Heinz Müller, SPD: Rechtsanwälte?)

Natürlich. Und Lehrer, Lehrer auch.

… die würden sich bedanken, wenn man ihnen auf einmal sagen würde, dass ihr Produkt, das sie dann auch entsprechend im weitesten Sinne herstellen, dann auf einmal für vogelfrei erklärt worden ist.

Und sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, einen Hinweis an dieser Stelle dann auch noch: Auch heute schon wird im bundesdeutschen Recht die Ziehung eines unrechtmäßigen, Ziehung eines mittelbaren wirtschaftlichen Vorteils verfolgt. Herr Kollege Saalfeld, das ist nichts Neues durch das ACTA-Abkommen.

Im Übrigen erlaube ich mir, darauf hinzuweisen, dass ACTA, bei allen Mängeln, die es vielleicht bei der Herbeiführung haben kann – und auch vor dem Hintergrund, dass der EuGH ja nun auf Veranlassung der EUKommission überprüft, inwieweit dieses Abkommen mit den Rechtsbestimmungen der Europäischen Union vereinbar ist –, eins muss man natürlich dann auch zur Kenntnis nehmen: ACTA führt ausdrücklich aus, dass die dort festgehaltenen Bestimmungen so weit gelten sollen, wie sie mit nationalem Recht vereinbar sind. Frau Justizministerin Kuder hat ja darauf hingewiesen, dass wir in diesem Bereich durchaus schon Regelungen haben, und soweit ACTA damit nicht vereinbar ist, hat dieses Abkommen auch keine Auswirkungen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Vielen Dank, Herr Schulte.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Petereit für die Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Entstehung von ACTA ist ein erschreckendes Beispiel für die Verzahnung von Wirtschaftslobbyisten und herrschender Politik. Dass ACTA unter Ausschluss jeder Öffentlichkeit ausgehandelt wurde, macht deutlich, welchen Stellenwert Transparenz und Mitbestimmung der Bürger in westlichen Demokratien tatsächlich genießen, wenn es um die Durchsetzung wirtschaftlicher Interessen geht.

Vordergründig soll mit dem Handelsabkommen ACTA der Umgang mit Produktkopien, Produktfälschungen und Raubkopien zwischen den teilnehmenden Staaten vereinheitlicht werden, um die gesetzliche Durchsetzungskraft von geistigem Eigentum auf internationaler Ebene zu stärken. Um das zu verwirklichen, sollen unter anderem die Dienstanbieter im Internet dafür zur Rechenschaft gezogen werden können, welche Inhalte von anderen Benutzern dort eingestellt werden. Damit würde sich das Haftungsrecht umkehren. Ist ein Provider bislang dazu verpflichtet, Inhalte, die gegen ein Recht verstoßen, aus seinem Dienst zu entfernen,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Da kennen Sie sich aus, ne?)

sobald er davon in Kenntnis gesetzt wurde, soll er nach ACTA seine gesamten Inhalte selbstständig und aktiv überwachen. So werden Dienstanbieter gezwungen, eine

Zensurinfrastruktur zu installieren und gleichzeitig die Verfolgung von möglichen Gesetzesverstößen in die Hände von Privatunternehmen zu geben.

Die Folgen sind absehbar. Will ein Provider nicht mehr für die Inhalte seiner Benutzer zur Rechenschaft gezogen werden, wird er allein aus wirtschaftlichen Interessen mehr Inhalte blockieren als bestehen lassen. Er wird gezwungen, Polizei und Richter zugleich zu sein. Was gegen ein Gesetz verstoßen könnte und was nicht, liegt in seinem eigenen Entscheidungsbereich. Damit steht das Internet, wie wir es kennen, seiner bisher größten Bedrohung gegenüber.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Weltnetz, Herr Petereit, Weltnetz.)

Herr Ritter, das Weltnetz.

Die Forderung nach der Offenlegung von allen Begleitdokumenten und Nebenvereinbarungen des ACTAAbkommens ist nur konsequent und folgerichtig. Gern werden wir in der BRD damit beschwichtig, dass ACTA lediglich das international umsetze, was das hiesige Urheberrecht ohnehin enthalte. Das ist aber unwahr. ACTA mag ähnliche Schutzziele haben, deren Durchsetzung allerdings entbehrt jeder Verhältnismäßigkeit.

Nachdem inzwischen vonseiten der Bundesregierung erklärt wurde, die Ratifizierung des Vertrages bis zu seiner Überprüfung auszusetzen, könnte man meinen, dass der Antrag hier im Landtag überflüssig sei. Wir meinen jedoch, es könnte nicht schaden, auch von Mecklenburg-Vorpommern aus zu zeigen, dass es noch Menschen gibt, die sich nicht alles diktieren lassen, nur weil es gewissen Wirtschaftskreisen dient. Was allerdings wirklich eine Ironie des Schicksals ist, ist, dass der Antrag ausgerechnet von den Erben eines Systems stammt,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Bla, bla, bla!)

dessen Stabilität nur durch eine systematische und penetrante Überwachung seiner Bürger gewährleistet werden konnte.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Während das Handeln Ihrer Vorgänger und Genossen gerade durch Zensur und Überwachung gekennzeichnet war, geben Sie nun vor, sich gegen eine Ausweitung des Überwachungsstaates einzusetzen.

(Udo Pastörs, NPD: Lächerlich!)

Dem Antrag der Fraktion von IM Martin und IM Peter Scholz werden wir trotz des Eigenwitzes zustimmen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – Peter Ritter, DIE LINKE: Wer ist das denn? Wer ist das denn?)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Silkeit für die Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Ich unterstelle einfach mal, dass die Fraktion DIE LINKE bestens – entgegen des eigenen Antrages – über den aktuellen Sachstand von ACTA informiert ist und somit auch genau

über die Position der Bundesregierung, der Bundesjustizministerin, die Entschließung des Bundesrates, die Unterrichtung der Bundesregierung auf Drucksache 423/11 oder auch den Vorlagebeschluss der EU-Justizkommissarin beim EuGH informiert ist. Das dürfte an Ihnen nicht vorbeigegangen sein, meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Kollegin Borchardt. Insofern frage ich mich schon: Was soll dieser Antrag?

Auffällig – und nicht nur beim Studium der entsprechenden Diskussionsforen im Internet, sondern auch hier in der Diskussion – ist wieder einmal der massive Einsatz von Emotionen. Sachargumente werden von Stürmen der Entrüstung beiseitegefegt und von einigen Akteuren wird der Eindruck erweckt, wir würden nunmehr von etwas völlig Neuem überrollt, Freiheitsrechte würden eingeschränkt werden. Diese Kritiker sind zwar die lautesten, aber sie sind nicht die Mehrheit.

Und, Herr Saalfeld, 800 Demonstranten in Rostock zu 250.000 Einwohnern,

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Och, Herr Silkeit!)

die rechtsstaatliche Ansprüche haben, das dürfte schon immer noch ein kleiner Unterschied sein.

(Vincent Kokert, CDU: Trotz Freibier.)

Bei den Motivlagen ist festzustellen,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wie beim politischen Aschermittwoch, alle zusammen.)

dass auch die Motivationslage, lieber Kollege Ritter, nicht, niemals homogen ist. Die Spanne reicht von Vertretern, die das Urheberrecht kritisieren, bis hin zu denjenigen natürlich auch, die eine Einschränkung ihrer Freiheitsrechte befürchten. Aber auch diese, die Kritiker, sind sich nicht einig.

Markus Beckedahl, ein netzpolitischer Aktivist aus Berlin und übrigens einer der Hauptakteure der Protestbewegung in Deutschland, räumte am 30.01.2012 gegenüber jetzt.de, einem Internetforum der „Süddeutschen Zeitung“ ein, dass ACTA – und hören Sie genau zu – lediglich ein Update des bereits 1994 verabschiedeten TRIPs-Abkommens ist. TRIPs gehört zu dem seit, ich glaube, 1947 geltenden GATT-Abkommen, also eins am anderen.

Auf der Homepage der ARD ist ergänzend zu lesen, es geht nicht darum, Urheberrechte oder Markenrechte neu zu definieren, sondern sie besser zu schützen. Im weitesten Sinne soll ACTA also TRIPs fortentwickeln und keine neuen Schutzrechte normieren. Der Kollege Schulte hat zu Recht darauf hingewiesen, ACTA hat auch nicht die Möglichkeit, in nationalstaatliche Rechtssysteme einzugreifen.

Faszinierend ist die Behauptung der Linkspartei dennoch, das Abkommen schaffe für Regierungen neue Eingriffsmöglichkeiten in Freiheitsrechte durch Überwachung des Internetverkehrs. Es kommt darauf an, wie definiert man Freiheitsrechte, liebe Kolleginnen und Kollegen. Wenn Freiheitsrechte im Sinne einer Notiz bei „Spiegel online“ vom 25.02. definiert werden, dann habe ich nichts dagegen, dass diese eingeschränkt werden. Dort heißt es: „Viele Nutzer haben zudem die Sorge,

dass sie nicht mehr leicht Filme oder Musik aus dem Internet herunterladen können, dass ihre Daten dabei an Dritte weitergegeben werden oder dass sie saftige Strafen zahlen müssen.“

Oh, Entschuldigung! Es handelt sich um die Wegnahme einer geistigen Sache. Und bei freien beweglichen Sachen, bei materiellen Sachen gibt es den 242 StGB, auch dort steht der Diebstahl unter Strafe.

Der Aktivist Beckedahl beklagt im Übrigen genau das Gegenteil.

Das Problem ist nicht, dass wir nicht genau wissen, welche Gefahren uns drohen, weil uns nicht alle Informationen des Abkommens bekannt sind. Und genau diesen Bedenken treten Deutschland und Europa bereits entgegen, indem sich die Bundesregierung und der Bundesrat um noch mehr Transparenz bei der EU bemühen und mit Blick auf den EuGH die rechtliche Bewertung ohnehin aussteht.

Was also soll der Antrag der Linkspartei noch? Ich denke, die Antragsteller können es nicht verkraften, dass auch andere Politiker in Bund und Ländern Verantwortungsbewusstsein zeigen