Aber wofür? Für eine Koalitionsdisziplin? Für einen Partner, der einen über den Tisch zieht, oder für Abgeordnete, die ihre eigenen Interessen bedienen wollen?
(Vincent Kokert, CDU: Na, das ist ja eine Frechheit, dass Sie das einfach so behaupten. Dann ist auch jeder Lehrer befangen, der im Bildungsausschuss sitzt. Vielleicht lassen Sie das einfach mal sein! Dafür ist das Thema viel zu ernst.)
Aber zunächst einige Fakten: Häusliche Krankenpflege ist eine Leistung der gesetzlichen Krankenkassen. Sie
kann vom behandelnden Arzt verordnet werden, wenn eine Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist oder wenn durch die häusliche Krankenpflege der Krankenhausaufenthalt vermieden oder verkürzt wird. Nach Paragraf 37 SGB V haben gesetzlich Versicherte Anspruch auf häusliche Krankenpflege durch geeignete professionelle Pflegekräfte auf bis zu vier Wochen pro Krankheitsfall. Die häusliche Krankenpflege soll eigentlich eine kurzfristige Hilfe sein und sie soll nur verordnet werden, wenn der Versicherte niemanden in seinem Haushalt hat, der die Leistungen erbringen kann.
Seit der Einführung der sozialen Pflegeversicherung wandeln sich jedoch die Verhältnisse. Da die Leistungen der sozialen Pflegeversicherung und der häuslichen Krankenpflege teilweise identisch sind, versuchen Pflegedienste und Versicherte, die hohen Hürden der Pflegeversicherung zu umgehen, indem sie auf die häusliche Krankenpflege ausweichen. Die Gabe von Insulin oder das Anziehen von Kompressionsstrümpfen zur Thromboseprophylaxe sind sowohl Leistungen der Pflegeversicherung als auch der häuslichen Krankenpflege. Als Letztere können sie vom Arzt verordnet werden, wenn sie zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich sind. Diese Konstellation führt dazu, dass Leistungen der häuslichen Krankenpflege zunehmend langfristig, ja teilweise lebenslang erbracht werden.
Das führt bei den Pflegediensten zu Synergieeffekten. Die meist dauerhafte ambulante Pflege zu Lasten der sozialen Pflegeversicherung wird zunehmend ergänzt durch langfristige häusliche Krankenpflege der gesetzlichen Krankenversicherung. Damit können Wege und andere unproduktive Kosten gespart werden.
Wenn sich die Rahmenbedingungen verändern, muss das bei den Verhandlungen um eine leistungsgerechte Vergütung berücksichtigt werden. Das ist im SGB V mehrfach bestimmt. Die Krankenkassen sind auch mehrfach angehalten, darauf zu achten, dass die Leistungen wirtschaftlich und preisgünstig erbracht werden. Das wird beispielsweise in Paragraf 132a SGB V gefordert. Er legt auch fest, dass die Krankenkassen und die Leistungserbringer die Verhandlungspartner bei der häuslichen Krankenpflege sind. Die Politik oder Landesparlamente sind hier nicht genannt. Die Krankenkassen und die Leistungserbringer müssen sich über Einzelheiten der Versorgung einigen, wie die Preise und deren Abrechnung. Erfolgt das nicht, kann jeder Verhandlungspartner das Schiedsverfahren durch eine unabhängige Schiedsperson fordern.
In Mecklenburg-Vorpommern verhandeln die Krankenkassen seit 2009 mit den Vertretern der Leistungserbringer. Konkret verhandeln die AOK Nordost, die IKK Nord, die Knappschaft und die Landwirtschaftliche Krankenkasse Mittel- und Ostdeutschland seit 2009 mit der LIGA der Spitzenverbände der Freien Wohlfahrtspflege und dem Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste, bpa.
Nachdem die Parteien sich bereits über die Struktur der Vergütungsvereinbarung nicht einigen konnten, erklärten die Vertreter der Leistungserbringer im Februar 2011 das Scheitern der Verhandlungen. Im September verständigten sich die Verhandlungspartner dann im Ergebnis eines unabhängigen Schiedsverfahrens auf die Anwendung einer neuen pauschalen Vergütungssystematik, wie sie bereits in anderen Bundesländern üblich ist. Eine Entscheidung über die Vergütung der häuslichen Kranken
pflege konnte im ersten Schiedsverfahren nicht getroffen werden, weshalb die unabhängige Schiedsperson die Partei aufforderte, in Preisverhandlungen einzutreten. In Vergütungsverhandlungen müssen die Leistungserbringer ihre Kosten sachlich, mit Daten und Fakten belegen. Das war den Leistungserbringern in den Verhandlungen Ende vergangenen Jahres nicht möglich. Ihre Vertreter der Leistungserbringer mussten sogar eingestehen, dass ihre Forderungen zum Teil lediglich auf Annahmen beruhten.
Obwohl die Krankenkassen ihr Angebot nachbesserten, blieben die Differenzen bestehen. Die Krankenkassen senkten keinesfalls einfach ihr Angebot, wie es in den letzten Monaten immer wieder behauptet wurde, sondern sie boten auch höhere Punktwerte an, beispielsweise in den Leistungsgruppen 1 und 2.
(Vincent Kokert, CDU: Die guten Kranken- kassen mit Milliarden Rücklagen. Ich trockne mir gleich die Tränen ab.)
Da trotz dieses Entgegenkommens keine Einigung erzielt werden konnte, erklärten die Vertreter der Krankenkassen die Verhandlungen am 21. Dezember vergangenen Jahres für gescheitert und leiteten das jetzt laufende Schiedsverfahren ein.
Anmerken möchte ich, wir haben hier im Land viele Menschen, die häusliche Krankenpflege erhalten. In unserem Land wird aber auch am meisten von allen Bundesländern für die häusliche Krankenpflege pro Kopf ausgegeben. Mir erscheinen diese Ausgaben fraglich, vor allem wenn ich bedenke, dass nicht jeder Anbieter häuslicher Krankenpflege seine Mitarbeiter auch tarifgerecht entlohnt.
An die Verfasser des vorliegenden Antrages habe ich zwei Fragen: Zum einen, warum richtet sich die Aufforderung, an den Verhandlungstisch zurückzukehren, nur an eine Verhandlungspartei?
Wäre es nicht angemessener, sowohl die Vertreter der Krankenkassen als auch der Leistungserbringer aufzufordern? Und zum anderen, warum zielt ihr Antrag allein auf die AOK Nordost?
Wie gesagt, Unkenntnis kann es nicht sein. Die Fraktion DIE LINKE lehnt den vorgelegten Antrag ab. – Danke schön.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Mecklenburg-Vorpommern, unser Bundesland, befindet sich im demografischen Wandel. Das ist niemandem von uns entgangen, hat uns auch in diversen Landtagsdebatten hier in diesem Hohen Hause schon beschäftigt. Bereits in der letzten Landtagssitzung, in einer der letzten Landtagssitzungen haben wir uns damit beschäftigt, eine Enquetekommission einzusetzen, die sich genau mit diesem Thema beschäftigen soll. Und auch damals, meine sehr geehrten Damen und Herren der LINKEN, haben Sie es einfach versäumt, konstruktiv hier schon in die Debatte einzusteigen.
Auch heute haben Sie wieder versucht, mit persönlichen Angriffen auf Abgeordnetenkollegen, denen Sie hier Befangenheit unterstellen, zu arbeiten.
Und ich muss Ihnen wirklich sagen, einer Fraktion, die sonst das Soziale immer so hochhängt, die in Brandenburg mit Regierungsverantwortung trägt, die dort eine Gesundheitsministerin stellt: Schauen Sie sich mal an, wie die AOK dort mit den Pflegediensten verhandelt hat! Schauen Sie sich die Sätze an und überlegen Sie dann, ob wir das hier in Mecklenburg-Vorpommern auch wollen! Sie sind doch sonst die lautesten Rufer für das Thema Mindestlohn.
Herr Holter, ich habe mich mal bei den Pflegediensten bei mir vor Ort erkundigt. Wie werden denn da die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bezahlt?
(Helmut Holter, DIE LINKE: Es gibt einen gesetzlichen Mindestlohn. – Regine Lück, DIE LINKE: Das brauchen Sie uns nicht zu erzählen.)
Sie liegen bei einem Bruttolohn zwischen 1.250 und 1.400 Euro. Und das rechnen Sie mal aus auf Ihren eigenen geforderten Mindestlohn! Sie fordern ja 10, vielleicht sind es auch schon 11 oder 12, ich komme bei Ihnen nicht mit, weil Sie da relativ schnell sind bei Ihren Forderungen.
Und dann überlegen Sie sich mal, wenn wir jetzt noch zulassen, dass die Pflegesätze gekürzt werden! Dann liegen die sogar unter dem Mindestlohn von 8,50 Euro, sogar unter 8 Euro. Und da finde ich es für eine Partei und eine Fraktion, die da der lauteste Rufer ist, einfach unredlich, sich hier hinzustellen, uns böse Absicht zu unterstellen,
Und ich sage Ihnen auch, meine Damen und Herren, allein für die Personen, die wirklich hingebungsvoll jeden Tag einen guten Job machen bei den Patientinnen und den Patienten, allein dafür hat es sich gelohnt, in die heutige Debatte einzusteigen. Und denjenigen, die da jeden Tag stehen, mit den älteren Menschen, mit den gebrechlichen Menschen umgehen müssen, denen möchte ich auch im Namen meiner Fraktion von hieraus
einen herzlichen Dank sagen für den Job, den sie da tun, denn das ist überhaupt nicht selbstverständlich.
Und Sie berufen sich ja darauf – Herr Holter, das ist ja eine Argumentation, die kann ich auch nachvollziehen – und sagen, der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern hat mit dieser Sache erst mal nichts zu tun.
Tarifhoheit, das ist ein Thema, das müssen Sie gerade mit mir diskutieren, Herr Holter. Sie ziehen doch durch die Lande und fordern 10 Euro Mindestlohn. Was hat das eigentlich noch mit Tarifhoheit zu tun?