Protocol of the Session on March 15, 2012

Antrag der Fraktion DIE LINKE Energetische Gebäudesanierung voranbringen – Drucksache 6/379 –

Änderungsantrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Drucksache 6/453 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Lück von der Fraktion DIE LINKE.

Ja, sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die energetische Sanierung des Gebäudebestandes ist ein wichtiger Baustein der Energiewende. Auch in der letzten Wahlperiode befassten wir uns mehrfach mit diesem Thema. Schließlich werden 40 Prozent der in Deutschland erzeugten Primärenergie verbraucht und 20 Prozent der CO2-Emission verursacht, um Gebäude zu beheizen, mit Warmwasser zu versorgen und zu beleuchten. Mit Sanierungen ließe sich dieser Verbrauch um bis zu 70 Prozent senken.

Durch Gebäudesanierungen sind demnach die größten Energiespareffekte sozusagen zu erzielen und möglich. Aber Realität ist, dass die jährliche Sanierungsrate des Gebäudebestandes seit Jahren bei rund einem Prozent stagniert. Sie müsste mindestens doppelt so hoch sein, um den Verbrauch an Energie und den Ausschuss von Treibhausgasen deutlich zu senken.

(Egbert Liskow, CDU: Wir wollen aber keinen Ausschuss.)

Und EU-Kommissar Oettinger will die Sanierungsquote verbindlich auf drei Prozent erhöhen.

In diesem Jahr sollen auch die Auflagen der Energieeinsparverordnung angehoben werden, die dann ab 2013 gelten sollen. Die Novellierung der Energieeinsparverordnung 2009 ist notwendig, um die europäische Richtlinie für energieeffiziente Gebäude von 2010 umzusetzen, und ein Bestandteil dieser Richtlinie ist die Vorbildwirkung der öffentlichen Hand. Aber anstatt mit kluger Politik die Rahmenbedingungen dafür zu schaffen, dass die Sanierungsquote deutlich ansteigt, eine verschärfte Energieverordnung umsetzbar ist und dennoch die Kosten für Bauherrinnen und Bauherren, für Vermieterinnen und Vermieter sowie für Mieterinnen und Mieter nicht aus dem Ruder laufen, wird die Förderung zurückgefahren und steht zudem noch auf ganz wackligen Beinen.

Ich sage deutlich, so, wie die Rahmenbedingungen sich derzeit darstellen, sind die Klimaschutzziele nicht nur zum Scheitern verurteilt, sondern sie sind bereits gescheitert. Es geht nicht, Auflagen anzuheben und gleichzeitig die Förderungen zu kürzen.

Im Klartext heißt das, um zwei Prozent Sanierungsquote zu erreichen, müsste das Energiesanierungsprogramm jährlich 2 Milliarden Euro umfassen. 5 Milliarden Euro würden gebraucht, um die Sanierungsquote auf drei Prozent zu erhöhen. Das sind die Zahlen für die Gebäudesanierung. Der Investitionsbedarf für öffentliche Infrastruktureinrichtungen lässt sich nur erahnen.

Obwohl der Ansturm auf Förderung im Rahmen des Investitionspaktes zur energetischen Sanierung sozialer Infrastruktur riesig war, kam er seit 2010 nicht mehr zustande, und auch die Konjunkturpakete konnten nur Bruchteile des Bedarfs decken. Was können wir tun?

Der Bund hofft immer noch auf eine Einigung zum Gesetz zur steuerlichen Förderung energetischer Sanierung an Wohngebäuden. Deshalb frage ich heute den Minister: Besteht eine reale Chance auf Einigung? Würden die Länder und Kommunen auf rund 900 Millionen Euro verzichten, die ihnen durch Steuerausfälle entgehen würden? Heißt die Antwort Nein, sollten die Länder alles unternehmen, damit dieser unsägliche Gesetzentwurf endlich vom Tisch kommt. Ein Gesetz in dieser Fassung wäre sozial ungerecht, und es würde einen riesigen Verwaltungsaufwand verursachen.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Aber, was am schlimmsten ist, es verunsichert.

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Wer vorhat zu sanieren, wartet ab, und wenn dazu eigentlich kein Grund besteht, wie der Verbraucherschutz feststellt. So erklärt Achim Fischer, Energieexperte der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, ich zitiere: „Der Steuerbonus wäre ohnehin eher für diejenigen interessant, die das benötigte Kapital für eine Sanierung selbst aufbringen können und eine hohe Steuerlast haben.“ Zitatende.

Ich sage, ein Gesetz, das Gutbetuchten mit hohem Einkommen hilft, brauchen wir nicht. Investitionswillige in Mecklenburg-Vorpommern gehören wohl eher zu der Gruppe, die, um investieren zu können, auf zinsgünstige Kredite und Zuschüsse angewiesen ist. Deshalb gilt es, das Förderprogramm zur energetischen Sanierung, das über die KfW-Bank läuft, abzusichern, und mit dieser Absicherung sieht es nicht so gut aus. Der Bund fördert die Gebäudesanierung nicht mehr aus Bundesmitteln, sondern aus dem Energie- und Klimafonds.

Noch zu Beginn vergangener Woche las ich die Schlagzeile in der „Frankfurter Allgemeinen“, ich zitiere: „Schäuble schießt Geld für Gebäudesanierung zu... Energiefonds wird … auf 1,5 Millionen Euro aufgestockt.“

(Minister Dr. Till Backhaus: Milliarden!)

„Streit über Zwang für Eigentümer“.

Wegen der Mindereinnahmen beim CO2-Zertifikatehandel gab der Bundesfinanzminister bislang erst 900 Million-

en Euro von den insgesamt 1,5 Milliarden frei. Nun schien die Freigabe der restlichen 600 Millionen Euro sicher, vorbehaltlich der Zustimmung des Haushaltsausschusses, schließlich will der Bund die Sanierungsquote verdoppeln und sollen die Energiestandards der Energiesparverordnung Mitte des Jahres erhöht werden.

Doch im Haushaltsausschuss am 7. März 2012 gab die Bundesregierung eine Bankrotterklärung ab. In einer Pressemitteilung der SPD-Bundestagsfraktion am 7. März heißt es, ich zitiere: „Die Bundesregierung musste im Haushaltsausschuss des Deutschen Bundestages jetzt einräumen, dass wichtige Förderprogramme des Bundes aufgrund der Finanzmisere beim Energie- und Klimafonds … in diesem Jahr zusammengestrichen werden.“ Zitatende.

Der CO2-Zertifikatehandel ist dramatisch eingebrochen. Statt der veranschlagten Einnahmen in Höhe von 780 Mil- lionen Euro wird in diesem Jahr nicht einmal die Hälfte davon verfügbar sein. Die Zukunft des Emissionshandelssystems ist völlig unsicher. Deshalb dürfte die geplante Fondsausstattung in Höhe von 3 Milliarden Euro im kommenden Jahr sicherlich Illusion sein.

Es bestätigt sich also das, was wir LINKEN und auch andere schon immer befürchteten. Als Finanzierungsgrundlage für wichtige Vorhaben der Energiewende ist der Klima- und Energiefonds nicht geeignet. Erst zahlten die Atomkraftwerksbetreiber nach dem Stopp der Laufzeitverlängerung nicht in den Fonds ein, nun fehlen dem Fonds Einnahmen durch den Emissionshandel, weil ein Preisverfall eingetreten ist.

Vorschläge zur Schadensbegrenzung kamen prompt. So fordert die SPD-Bundestagsfraktion in ihrer Pressemitteilung vom 7. März, die Programme des Energie- und Klimafonds wieder in die Einzelpläne des regulären Bundeshaushaltes zu integrieren. Die Bundestagsfraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN beantragte ebenfalls am 7. März, den anstehenden Nachtragshaushalt nicht nur für die Finanzierung des dauerhaften Europäischen Stabilitätsmechanismus, sondern auch für eine solide Finanzierung der Energiewende zu nutzen. Auch sie wollen eine Überführung der Programme in die Einzelpläne und damit eine Finanzierung aus dem Bundeshaushalt. Auch wir LINKEN halten das für den einzig richtigen Weg. Mecklenburg-Vorpommern sollte diese Forderung unbedingt mit unterstützen.

Kolleginnen und Kollegen der Regierungsfraktionen, handeln heißt nicht ausschließlich nach Bundesmitteln rufen, handeln heißt, dass auch das Land seinen eigenen Beitrag leistet. Und dieser Eigenbeitrag ist einfach zu gering, wie das Beispiel des Landesprogrammes zur Wohnraumförderung zeigt, mit dem auch Wärmedämmungsmaßnahmen gefördert werden.

Nach dem Haushaltsplanentwurf werden für dieses Programm auch 2012 und 2013 ausschließlich zweckgebundene Bundesmittel eingesetzt. Das Land erhält noch bis zum kommenden Jahr jährlich 21,3 Millionen Euro vom Bund als zweckgebundenen Zuschuss. Ein Teil dieser Zuschüsse wird für die Wohnraumförderung über Darlehen genutzt. Ein weiterer Teil bedient Altprogramme der Wohnraumförderung und der Rest wandert in das Sondervermögen Wohnraumförderung und wird dort geparkt. Eigene Landesmittel werden nicht eingesetzt, das ist Tatsache, und das, obwohl seit 2006 das Land für die soziale Wohnraumförderung allein zuständig ist.

Fakt ist: Wir sind in der Haushaltsaufstellung, wir haben damit eine kurze Zeitschiene, landespolitisch für die Energiewende einzutreten. Diese Chance sollten wir nicht vertun. Was die Wohnraumförderung angeht, sollten wir im Fachausschuss zusätzlich Möglichkeiten prüfen. Das Land trägt aber auch Verantwortung gegenüber den Kommunen, diese bei der energetischen Sanierung sozialer und auch sonstiger öffentlicher Infrastruktur zu unterstützen. Deshalb sollte es keine Denkverbote geben. So ist die Anregung, eine Summe in Höhe der vermiedenen Steuerausfälle für die energetische Sanierung sozialer Infrastruktur einzusetzen, zu verstehen. Ich bitte um Zustimmung zu unserem Antrag.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Danke.

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen.

Ich eröffne die Aussprache und das Wort hat jetzt in Vertretung der Finanzministerin Herr Backhaus.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Frau Lück, Sie gucken jetzt etwas verdutzt.

(Regine Lück, DIE LINKE: Ja. Ich dachte, der zuständige Energieminister kommt jetzt.)

Die Finanzministerin hat mich darum gebeten, weil es hier in Ihrem Antrag ja um letzten Endes steuerliche Fragen geht, dieses Thema zu übernehmen. Und das will ich insofern auch gerne machen, denn Sie haben ja angedeutet,

(Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

wir befinden uns in einem Bundesratsverfahren und die Landesregierung hat sich hier klar zu dem Thema geäußert.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das sind ja vielleicht Fachleute hier in der Regierung!)

Und ich will insofern auch deutlich machen, meine sehr geehrten Damen und Herren, dass die Rechenkünste, die Sie eben auch angedeutet haben, mich schon selber beeindrucken, denn wenn man so will,

(Regine Lück, DIE LINKE: Ich habe mich damit befasst Herr Minister.)

ob es nun steuerliche Mindereinnahmen oder ein Förderprogramm bedeutet, nämlich steuerliche Mindereinnahmen mit einem zusätzlichen neuen Förderprogramm zu verbinden, dann würde minus plus minus immer noch mehr minus ergeben. Ich glaube, das können Sie auch nachvollziehen.

Und zum anderen fordern Sie,

(Unruhe vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Sie fordern, dass wir als Landesregierung,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

als Landesregierung die Pläne zur steuerlichen Förderung von energetischen Sanierungsmaßnahmen ablehnen, um damit Steuermindereinnahmen zu vermeiden. Das habe ich zumindest aus Ihrem Antrag so wahrgenommen. Gleichzeitig wollen Sie, dass die gesparten Mindereinnahmen – die gesparten Mindereinnahmen! – in ein Landesprogramm zur energetischen Sanierung dann hineingegeben und hineingesteckt werden. Egal, wie man sich das nun anschaut oder dreht oder wendet, bei dem Modell, das Sie heute hier vorgestellt haben, kommt auf jeden Fall für den Landeshaushalt eine zusätzliche Belastung heraus.

(Regine Lück, DIE LINKE: Das ist wahr.)

Darüber sind wir uns einig.

Und auf der anderen Seite nehme ich auch zur Kenntnis, dass das, was der Bund hier vorgelegt hat, Murks ist.