Protocol of the Session on July 8, 2016

Und dann gibt es noch die Forderung der Agrarministerkonferenz der Länder und viele einzelne Notmaßnahmen der Länderregierungen. Der vorliegende Antrag beruht ja auch zu großen Teilen auf den Beschlüssen der Frühjahrs-AMK in Göhren-Lebbin. Ich halte das durchaus für richtig. Sie sollen nach dem Willen der Regierungskoalition, wie vorhin schon gesagt, eins zu eins umgesetzt werden. Die Beschlüsse von Göhren-Lebbin waren noch gar nicht öffentlich vorgestellt, da protestierte der Deutsche Bauernverband schon dagegen. Der Landesbauernverband tat es ihm leider gleich. Niemand will zu einer europäischen Quotenregelung zurück, niemand will Markteingriffe des Staates. Letzte Woche, im Vorfeld des Deutschen Bauerntages in Hannover, hörte ich aber auch die

Forderung nach einer kurzzeitigen gesetzlichen und europaweiten Milchmengenbegrenzung, bis sich der Markt wieder stabilisiert hat.

Es ist immer sehr einfach: Wenn die berufsständischen Vertretungen keine eigenen Lösungen anbieten können oder wollen, wird der Ruf nach Eingriffen der Politik immer lauter. An die eigentlichen Ursachen aber will niemand heran. Ich will es noch einmal klar aussprechen: Wer Marktwirtschaft und kapitalistisches Wirtschaftssystem will, der muss sich nicht wundern, wenn die Mechanismen des Marktes auch voll zuschlagen.

Nun stellen alle konsterniert fest, dass die bisher getroffenen Maßnahmen zur Unterstützung unserer Milchbauern – ich wiederhole: unserer Milchbauern – nicht ausreichend sind, um einen dramatischen Strukturwandel zu verhindern. Die andere Seite der Medaille bleibt bei dieser Aussage völlig unberücksichtigt. Wollen denn alle in der Branche tätigen Betriebe diesen schon seit Jahrzehnten vor sich gehenden Strukturwandel tatsächlich verhindern? Selbst bei der Anhörung zur Milchkrise in unserem Agrarausschuss waren Stimmen zu vernehmen, dass einige tatsächlich auf eine Marktbereinigung setzen,

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

immer nach dem Motto „Hoffentlich hält mein Nachbar nicht mehr so lange durch und ich kann seine Marktanteile übernehmen“.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja.)

Das hat mich ehrlich gesagt nicht überrascht, aber doch sehr traurig gestimmt.

Meine Partei und ich wollen einen solchen Strukturwandel nicht, bei dem nur die großen und finanzstarken Betriebe mit vielen Agrarflächen und Quersubventionierungsmöglichkeiten überleben.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das sehen wir genauso.)

Wir wollen ein breit gestreutes Eigentum. Wir wollen wirtschaftliche Bedingungen, bei denen der kleine Familienbetrieb genauso wie größere Agrargenossenschaften und GmbHs existieren können.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Genau.)

Wir wollen eine bodengebundene Tierhaltung mit Tierobergrenzen für Einzelstandorte, die sich an Umweltkriterien, am Tierwohl und sozialen Komponenten der jeweiligen Region – ich wiederhole: der jeweiligen Region – orientieren.

Und wir sprechen uns für eine klare Regulierung des Milchmarktes aus. Andere Länder machen uns vor, wie das aussehen könnte. Über Regelungen in Kanada als nur ein funktionierendes Beispiel habe ich bereits einmal berichtet. Nur in Europa tut man sich angesichts des neoliberalen Kurses in allen Wirtschaftsbereichen sehr schwer damit.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Sie sagen es.)

Meine Fraktion wird heute Ihrem Antrag, liebe Kolleginnen und Kollegen von SPD und CDU, zustimmen, aber wir sagen auch klar, dass nicht alle Vorschläge die Meinung meiner Partei widerspiegeln. Wir wissen, dass die Umsetzung des Antrages die Situation unserer Milchbauern kaum verändern wird, wenn wir nicht ernsthaft im europäischen Rahmen die Milchmenge auf dem Markt begrenzen.

Eine solche Begrenzung muss auch Elemente beinhalten, wie zukünftig ein Überangebot verhindert werden kann. Wir brauchen eindeutige Verhandlungspositionen der Milchbauern gegenüber den Molkereien auf Augenhöhe. Und wir wollen auch den Verbraucher nicht aus seiner Verantwortung entlassen. Er kann durch seine Marktmacht und die Nachfrage nach regional und ökologisch hergestellten Produkten eine Menge bewirken. Wir dürfen die Konzentrationsprozesse im Einzelhandel nicht noch politisch unterstützen, so, wie es Bundeswirtschaftsminister Gabriel tut. Seine Begründung mit dem Schutz der Arbeitsplätze von Verkäuferinnen und Verkäufern, der langfristig eher zu bezweifeln ist, taugt nichts, denn auf der anderen Seite verlieren wir dringend benötigte Arbeitsplätze und ganze Betriebe im ländlichen Raum.

Mecklenburg-Vorpommern und einige der neuen Bundesländer wird es dabei besonders schwer treffen, sind wir doch wie Brandenburg oder Sachsen-Anhalt ein besonders agrarisch geprägtes Bundesland. Das brauche ich hier nicht noch einmal zu betonen. Nur vom Tourismus und den wenigen Industriearbeitsplätzen im Land können wir nicht leben, gibt es keine Zukunft. Wir brauchen die Landwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern. Wir brauchen Tierhaltung in Mecklenburg-Vorpommern, ja, ich sage noch einmal, wir brauchen mehr Tierhaltung im Land.

Wir brauchen aber auch die Lebensmittelindustrie, wir brauchen mehr Veredlung unserer landwirtschaftlichen Erzeugnisse vor Ort. Es muss uns gelingen, die Wertschöpfung in unserem Bundesland auszubauen. Genau an dieser Stellschraube kann auch die Landespolitik mit ihrer politischen Rahmensetzung eine Menge tun. Hier sehe ich aber auch eine große Verantwortung des Bauernverbandes und der anderen berufsständischen Vertretungen. Immer nur den freien und liberalisierten Markt predigen, immer noch auf maximale Ausweitung des Exports setzen, immer nur Abwehrkämpfe gegen Umweltauflagen führen – wer so handelt, hat die Zeichen der Zeit nicht voll erkannt. Aber in der Opferrolle scheint man sich eingerichtet zu haben. Das befreit scheinbar von einem notwendigen Prozess des Umdenkens. Das befreit scheinbar davon, sich an die Spitze der Veränderungen setzen zu müssen. Wir warten jedenfalls immer noch auf gangbare Vorschläge des Deutschen Bauernverbandes, auch und gerade nach Hannover.

Mit der Zustimmung zum vorliegenden Antrag geben meine Fraktion und meine Partei ein klares Bekenntnis für die Landwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern ab. Mecklenburg-Vorpommern ohne unsere Bäuerinnen und Bauern, ohne landwirtschaftliche Betriebe und Hofläden, ohne Milchtankstellen und Molkereien, ohne Schlachthöfe und Wurstfabriken und ohne die vielen anderen Veredler können und wollen wir uns nicht vorstellen. Mecklenburg-Vorpommern braucht die Milchbauern und die Landwirte. Ich greife einen Slogan auf, der vielfach jetzt im Umlauf war: „Wir brauchen die Kuhzunft für die Zukunft.“ – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Danke.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Texter von der Fraktion der CDU.

(Thomas Krüger, SPD: Jetzt bin ich aber gespannt.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Sie können sich sicherlich denken, dass ich heute in Vertretung meines Kollegen Schütt hier stehe und seine Rede vortrage, da er kurzfristig einen anderen Termin wahrnehmen muss.

Man könnte denken, wenn man die „BauernZeitung“ liest, dass es zunächst eine gute Nachricht gibt, dass es eine leichte Tendenz gibt, dass der Milchpreis in den zurückliegenden Wochen und Tagen etwas angestiegen ist. Das ist sicherlich eine frohe Botschaft, aber das ist natürlich im 1-bis-2-Cent-Bereich zu sehen. Und demgegenüber steht sicher die schlechte Nachricht, dass es noch lange dauern wird, Monate vergehen werden, ehe auskömmliche Milchpreise am Markt erzielt werden können.

Kollege Krüger hat in seiner Einbringungsrede umfänglich von den Marktmechanismen gesprochen, auf die Beziehungen zwischen Markt, Erzeuger, Verarbeiter hingewiesen, sodass ich mich darauf nicht weiter beziehen werde.

Schon jetzt sind viele Landwirte, gerade diejenigen, die nur Milch produzieren, insolvenzgefährdet, deshalb gilt es natürlich, alle Maßnahmen zu ergreifen, um die Landwirte zu unterstützen. Dabei geht es beispielsweise um rechtzeitige Auszahlung der Mittel für von Landwirten erbrachte gesellschaftliche Leistungen im Rahmen der Agrarumweltmaßnahmen oder aber beispielsweise um das Einfrieren von Pachtzinsen bei Neuverträgen. Darüber haben jüngst Landwirte geklagt, dass zum Beispiel Gelder für die Erbringung von Leistungen im Rahmen der Agrarumweltmaßnahmen noch nicht vollständig überwiesen worden sind. Diese Situation, so hat das Ministerium auch erklärt, ist geklärt und es gibt die Aussage, dass den Landwirten keinerlei Nachteile entstehen sollen und dürfen.

Des Weiteren beklagen Landwirte sich darüber, dass bei der Gestaltung von neuen Pachtverträgen seitens des Landes die Pachtzinsen erheblich, teilweise über 20 Prozent angehoben werden sollen. Meine Fraktion geht davon aus, dass das angekündigte Moratorium für Pachtzinsen nicht nur für laufende Verträge, sondern auch für neu abzuschließende Verträge gilt. Hier sollte man darüber nachdenken, ob nicht im Interesse der existenzgefährdeten Landwirte die laufenden Pachtverträge um zwei Jahre verlängert werden.

Meine Damen und Herren, die Milchkrise wird uns sicherlich noch lange Zeit begleiten. Seitens der Europäischen Union, aber auch der Bundes- und der Landesregierung wurden Maßnahmen ergriffen, um die betroffenen Unternehmen zu unterstützen. So haben gerade die Bundesregierung und der Bundestag einen Pakt für die Landwirtschaft beschlossen.

Der Pakt für die Landwirtschaft enthält folgende Forderungen:

1. Liquiditätshilfen und Bürgschaftsprogramm

2. steuerliche Erleichterungen

3. Nutzung der Instrumente zur Verbesserung der Markt

stellung und der Branche selbst

4. mittelfristige Verschärfung des Wettbewerbsrechts

5. Nachhaltigkeitsprogramm und

6. Selbstverpflichtung der Politik

Also alle Beteiligten sind sich klar darüber, dass die Milchmenge, also das Angebot, verknappt werden muss.

An dieser Stelle eine persönliche Anmerkung von mir: Vor vier Wochen hat mir ein Landwirt aus der Nähe von Rostock erzählt, dass er seine 270 Milchkühe verkauft hat. Da könnte man sagen, na gut, das ist schlimm, er wird seine Produktion umstellen. Aber auf meine Frage, wo sind denn die Milchkühe hin, sagte er, sie sind an andere Milchbauern verkauft worden.

(Thomas Krüger, SPD: Das ist das Problem.)

Das heißt, genau die Verknappung oder die Verringerung der Milchmenge findet durch Verkauf von Milchkühen oder die Aufgabe von Existenzen eben nicht statt. Das ist ein Problem. Und auf meine Nachfrage hat mir gestern Abend beim Sommerfest der Präsident des Bauernverbandes Detlef Kurreck eben auch genau diese Situation bestätigt. Das ist also nicht nur im Einzelfall so, sondern...

(Minister Dr. Till Backhaus: Der hat auch keine Kühe mehr.)

Der hat schon lange keine Kühe mehr, richtig. Das ist aber nicht ganz neu, Herr Minister, das ist schon ein paar Jahre so. Sie wissen das sicherlich.

Aber ich spreche hier von der derzeitigen Situation und das hat mir eben auch bestätigt, dass dieser Effekt oftmals nicht eintritt, sondern die Milchkühe einfach nur auf andere Betriebe verteilt werden und somit nicht aus der Milchproduktion verschwinden.

Über den Weg dahin streiten sich die Beteiligten, allerdings steht für meine Fraktion fest, dass an vielen Stellschrauben gedreht werden muss, um eine Lösung zu finden. Nur bei Schaffung der steuerlichen Risikoausgleichsrücklage, der Unterstützung der landwirtschaftlichen sozialen Sicherungssysteme, Anpassung der Pachtzinsen, Erhalt der Liquidität – ganz wichtig – und, möglicherweise sehr schwierig, Abmilderung von bürokratischen Lasten, aber auch der Unterstützung von ausstiegswilligen Milchviehhaltern gibt es eine Zukunft der Milchviehhaltung in unserem Land.

Es gibt eine breite Palette von Maßnahmen, die es umzusetzen gilt. Vor diesem Hintergrund gilt es, sowohl die Beschlüsse der Agrarministerkonferenz umzusetzen als auch die zügige Auszahlung von Geldern und die Zusagen hinsichtlich der Pachtzinsen für landeseigene landwirtschaftliche Flächen umzusetzen. Ich hoffe, dass die Sonderagrarministerkonferenz, der Minister hat darüber ausführlich berichtet, auch wirklich zu Maßnahmen führt, die dann den betreffenden Bauern und der Landwirtschaft helfen, denn die Anmerkung ist ja völlig richtig, es betrifft den ländlichen Raum und nicht nur Einzelexistenzen. Da gebe ich Ihnen völlig recht, Herr Minister.

Dem vorliegenden Antrag wird meine Fraktion selbstverständlich selbstredend auch im Interesse der Bauern und

der vor- und nachgelagerten Produktionsbereiche zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU und Thomas Krüger, SPD)

Danke.