Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich begrüße Sie zur 123. Sitzung des Landtages. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet. Die vorläufige Tagesordnung der 123., 124., 125. und 126. Sitzung liegt Ihnen vor. Im Ältestenrat bestand Einvernehmen, die Tagesordnungspunkte 3 und 103 sowie die Tagesordnungspunkte 81 und 83 zu tauschen. Wird der Vorläufigen Tagesordnung widersprochen? – Das sehe und höre ich nicht. Damit gilt die Tagesordnung der 123., 124., 125., 126. Sitzung gemäß Paragraf 73 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung als festgestellt.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, kürzlich erhielten wir die traurige Nachricht, dass unsere ehemalige Kollegin Irene Müller im Alter von 61 Jahren verstorben ist. Frau Müller war in der 3. und in der 5. Wahlperiode Mitglied des Landtages. Sowohl im Petitionsausschuss als auch im Sozialausschuss setzte sie sich immer für die Belange der Menschen, insbesondere der Menschen mit Behinderungen, ein. Auf ihre maßgebliche Initiative hin hat 2010 der Tag der Menschen mit Behinderung stattgefunden. Durch ihr engagiertes und sachkundiges Auftreten hat sich Frau Müller große Anerkennung innerhalb und außerhalb des Parlamentes erworben. Wir werden ihr Andenken stets in Ehren halten. Im Namen des Landtages spreche ich ihrer Familie und ihren Freunden mein tief empfundenes Beileid aus. Ich darf Sie bitten, sich zu Ehren der Verstorbenen von Ihren Plätzen zu erheben.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, bevor wir in die Tagesordnung eintreten, gestatten Sie mir noch einige Hinweise. Gemäß Paragraf 4 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung benenne ich für die 123., 124., 125. und 126. Sitzung die Abgeordneten Dr. Hikmat Al-Sabty, Torsten Koplin, Dr. Ursula Karlowski und Johann-Georg Jaeger zu Schriftführern.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1: Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Landesregierung – Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes zum Nachtragshaushalt 2016 und 2017, auf Drucksache 6/5505, in Verbindung mit der Ersten Lesung des Gesetzentwurfes der Landesregierung – Entwurf eines Gesetzes über die Feststellung eines Nachtrags zum Haushalt für die Haushaltsjahre 2016 und 2017 (Nachtragshaushaltsgesetz 2016 und 2017), auf Drucksache 6/5506.
Gesetzentwurf der Landesregierung Entwurf eines Haushaltsbegleitgesetzes zum Nachtragshaushaltsgesetz 2016 und 2017 (Erste Lesung) – Drucksache 6/5505 –
Gesetzentwurf der Landesregierung Entwurf eines Gesetzes über die Fest- stellung eines Nachtrags zum Haushalt für die Haushaltsjahre 2016 und 2017 (Nachtragshaushaltsgesetz 2016 und 2017) (Erste Lesung) – Drucksache 6/5506 –
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Erneut bringe ich heute einen Nachtragshaushalt in den Landtag ein. Insgesamt ist es der fünfzehnte in der Geschichte dieses Landes und der zweite innerhalb von nur zwei Jahren. Normalerweise bedeuten Nachträge nichts Gutes, denn in der Regel sind sie notwendig, weil die Steuern groß eingebrochen sind oder wenn unerwartete Ereignisse zu Mehrausgaben führen. Dass die Mehrausgaben mir das Lächeln doch nicht aus dem Gesicht wischen, dürfte allerdings nicht allzu oft vorkommen.
Insofern ist das heute gleich in mehrfacher Hinsicht ein historischer Tag. Mit dem Nachtragshaushalt wollen wir den Startschuss zu einem der größten Infrastrukturprojekte in der Geschichte unseres Landes geben. Öffentliche Investitionen von insgesamt bis zu 1,3 Milliarden Euro in den Breitbandausbau wären beispiellos. Und auch die erwarteten Landesausgaben für die Kofinanzierung von rund 265 Millionen suchen ihresgleichen. Als die Koalitionäre sich vor einigen Jahren darauf verständigten, dass wir jedes Förderprogramm als Land kofinanzieren wollen, hat wohl kaum jemand mit diesen finanziellen Dimensionen gerechnet. Und falls es doch jemanden gegeben haben sollte, hätte er es wohl auch nicht für möglich gehalten, dass wir uns so etwas jemals leisten können.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, ich kann Ihnen heute im Brustton der Überzeugung sagen,
wir können uns das leisten, natürlich nicht allein aus dem laufenden Haushalt, sondern vor allem aufgrund der Rücklagen, die wir uns in den vergangenen Jahren erarbeitet haben. Wir sind in der Vergangenheit oft gescholten worden, angeblich seien die Rücklagen zu hoch, das Geld wäre hier oder dort besser angelegt. Selbst in den vergangenen Wochen gab es wieder Ratschläge, wofür die Rücklage auch noch verwendet werden könnte. Hätten wir auch nur einem Bruchteil dieser Forderungen nachgegeben, dann würde ich heute hier nicht stehen und einen Nachtragshaushalt mit zusätzlichen Investitionen einbringen, sondern einen mit Kürzungen in vielen Bereichen.
So ist dieser Nachtragshaushalt ein weiterer Beleg dafür, dass sich konsequente Finanzpolitik zum Schluss auszahlt, und das im Übrigen besonders für die Kommunen, denen wir ihren Eigenanteil zunächst vorfinanzieren, ebenfalls aus den Rücklagen des Landes. Kleine Ergänzung: Die Bezeichnung „Eigenanteil der Kommunen“ ist vielleicht etwas irreführend, denn auch der Teil, den das Land aufbringt, ist eine Unterstützung der Kommunen. Dieses pragmatische Vorgehen dürfte uns – zusammen mit dem beherzten Agieren der Landkreise, Gemeinden und des Breitbandkompetenzzentrums – den entscheidenden Tick schneller gemacht haben, sodass wir schon im ersten Durchlauf 24 Förderbescheide aus dem Bundesprogramm erhielten. Mein Kompliment geht daher an den Energieminister Christian Pegel, der mit beeindruckender Geschwindigkeit, mit Weitblick und jeder Menge Idealismus alle entscheidenden Hebel in Gang gesetzt hat.
Wie hoch die Summe, die wir für den Breitbandausbau benötigen, am Ende tatsächlich ist, hängt entscheidend von der Anzahl der Anträge ab, die angenommen werden. Wir werden daher hoffentlich auch alle gemeinsam die Daumen drücken, dass wir im zweiten Durchlauf des Förderprogramms wieder möglichst viele der 67 Anträge durchbekommen. Wir wissen auch, dass es jetzt schwerer wird, alle Anträge unterzubringen. Unser Ziel bleibt aber, mit der finanziellen Unterstützung des Bundes in unserem Land flächendeckend Übertragungsgeschwindigkeiten von mindestens 50 Megabit pro Sekunde zu erreichen – notfalls auch mit Anträgen für den dritten, vierten oder fünften Durchlauf.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, längst ist die Nutzung des Internets eine Selbstverständlichkeit, für die Verfügbarkeit gilt das allerdings noch nicht. Wir wollen das ändern. Dabei steht ein Flächenland wie Mecklenburg-Vorpommern vor ganz besonderen Herausforderungen. Gerade der ländliche Raum ist für die Telekommunikationsunternehmen, um es mal vorsichtig zu formulieren, nicht von übergeordnetem Interesse. Den hohen Erschließungskosten stehen meist nur geringe Einnahmemöglichkeiten gegenüber. Diese Wirtschaftlichkeitslücke soll nun mit öffentlicher Förderung geschlossen werden.
Als Land machen wir das nicht, weil wir die Gewinne der Telekommunikationsbranche steigern wollen, sondern weil wir der festen Überzeugung sind, dass diese Mittel gut angelegt sind. Dabei geht es nicht allein darum, Filme und Serien im Internet zu sehen, mit Familienmitgliedern in der ganzen Welt zu skypen oder ruckelfrei online zu spielen, vor allem für Unternehmen spielt das Internet eine immer größere Rolle. Nahezu in jeder Branche wird schnelles Internet benötigt, in kleinen ebenso wie in mittelständischen und großen Unternehmen. Die Welt ist vernetzt, die Wirtschaft sowieso. Ohne schnelle und zuverlässige Anbindung an die Datenautobahn bliebe den Unternehmen bei uns im Land nur der Standstreifen. Der Breitbandausbau ist daher nicht nur für Tiefbaufirmen ein Konjunkturprogramm.
Daher ist die Bundesförderung für uns ein Glücksfall. Mit Landesmitteln von 265 Millionen Euro könnten wir mit weiteren 655 Millionen Euro des Bundes rechnen. Das heißt, wir müssen für 1 Euro, den wir im Land investieren, tatsächlich nur noch 30 Cent aus dem Landeshaushalt aufwenden – tatsächlich ein Glücksfall. Als Finanzministerin musste ich mich daher nicht lange bitten lassen.
Schwieriger wird es bei solchen Summen für die Kommunen. Der Bund schreibt zwingend einen kommunalen Eigenanteil von zehn Prozent vor. Mit 150 Millionen Euro ist das zwar der kleinste Anteil der drei Ebenen, allerdings ist das für die meisten Gemeinden trotz der enormen Hebelwirkung, die erzielt werden kann, ein riesiger Kraftakt. Insofern freue ich mich, dass wir im Finanzministerium gemeinsam mit dem für die Kommunen zuständigen Innenministerium eine, wie ich meine, sehr gute Lösung gefunden haben, die es den Kommunen ermöglicht, diesen Kraftakt zu meistern. Wir wollen, dass die Kommunen zur Finanzierung auf das Sondervermögen „Kommunaler Aufbaufonds“ zurückgreifen können. Dafür kommt die FAG-Änderung in Betracht. Dieser Fonds ist eingerichtet worden, um die Kommunen bei Investitionen in ihre Infrastruktur zu unterstützen. Die Kommunen selbst haben diesen Fonds befüllt, indem jährlich 7 Millionen Euro aus dem Kommunalen Finanzausgleich als
Vorwegabzug in den Fonds flossen. Mittlerweile ist dieses Sondervermögen auf ungefähr 200 Millionen Euro angewachsen. Allerdings sind diese Mittel durch Kreditvergaben langfristig gebunden und können aktuell nicht direkt zur Finanzierung des Eigenanteils genutzt werden.
Um trotzdem eine möglichst unbürokratische Umsetzung der Breitbandförderung zu erreichen und schnell mit dem Ausbau beginnen zu können, schlagen wir dem Landtag vor, dass das Land den kommunalen Eigenanteil zunächst vorfinanziert. Sollten alle Förderanträge angenommen werden, könnte der Eigenanteil der Kommunen bis zu 150 Millionen betragen. Diese Summe müsste zunächst ebenfalls aus der Ausgleichsrücklage des Landes entnommen werden. Ab dem Jahre 2018 könnte dann die Rückzahlung aus dem Sondervermögen erfolgen. Das ist, wie ich meine, eine sehr faire Lösung,
Gleichwohl hat der Landesrechnungshof im Rahmen des Anhörungsverfahrens an diesem Punkt Kritik geäußert und infrage gestellt, ob angesichts eines Überschusses in der Kassenstatistik der Kommunen von über 100 Millionen Euro eine solche Vorfinanzierung überhaupt notwendig wäre. Als Land stehen wir trotz dieser nicht ganz unberechtigten Anmerkung bereit, die von uns vorgeschlagene Lösung umzusetzen, zumal die Finanzkraft in den einzelnen Gemeinden doch sehr ungleichmäßig verteilt ist. Wir wollen die Gemeinden nicht im Regen stehen lassen und allen die Möglichkeit bieten, diese einmalige Gelegenheit zu nutzen. Haushaltsrechtlich ist das vertretbar und finanziell ist es verantwortbar.
Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete, das letzte Wort liegt nun bei Ihnen. Ich will mich aber vorab schon ganz ausdrücklich bei Ihnen bedanken. Schon morgen wollen Finanz-, Innen- und Energieausschuss zusammenkommen, um ihre Beschlussempfehlung zu erarbeiten, sodass wir noch in dieser Woche den Nachtragshaushalt in Zweiter Lesung beschließen können. Das zeigt einmal mehr, dass wir beim Breitbandausbau eng zusammenstehen. Landkreise und Kommunen, die beteiligten Ministerien und nicht zuletzt Sie als Landtag, wir ziehen hier alle an einem Strang und, nur damit keine Missverständnisse aufkommen, bei diesem Thema sogar in die gleiche Richtung. – Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Landesregierung hat einen Nachtragshaushalt vorgelegt, der in einem verkürz
ten Verfahren noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden soll. Mit dem Nachtragshaushalt soll das Bundesprogramm zur Förderung des Breitbandes kofinanziert werden. Zur Erinnerung: Die Bundesregierung verfolgt das Ziel, bis 2018 deutschlandweit Breitbandverbindungen mit mindestens 50 Mbit zu schaffen, pro Sekunde natürlich. Dazu hat sie ein 1-Milliarde-Programm aufgelegt, von dem insbesondere wirtschaftlich schwächere Gemeinden profitieren sollen. Über die Haushaltstechnik sowie die Verfahrensweise wurde gerade von der Finanzministerin berichtet. Deshalb erspare ich mir, entsprechend noch mal darauf einzugehen.
Ich möchte für meine Fraktion sagen, dass wir uneingeschränkt hinter dem Nachtragshaushalt stehen sowie hinter der vorgeschlagenen Verfahrensweise. Für uns ist klar, dass das Bundesprogramm eine einmalige Chance bietet, dem Breitbandausbau in unserem Land einen großen Schub zu geben. Daher begrüßen ich und unsere Fraktion außerordentlich, dass die Landesregierung so entschlossen und unbürokratisch handelt. Das gilt insbesondere mit dem Blick auf die Vorfinanzierung des kommunalen Anteils. Auch die Finanzierung aus Mitteln der Rücklage ist meines Erachtens richtig und wichtig. Wir haben stets betont, dass kein Vorhaben an der Unterstützung des Landes scheitern wird.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, wichtig ist mir in dem Zusammenhang zu betonen, das Land kann sich die geplanten Ausgaben nur leisten, weil in den vergangenen Jahren solide und mit Augenmaß gewirtschaftet wurde. Nur weil wir in finanziell besseren Zeiten die Rücklage gefüllt haben, können wir jetzt auf sie zurückgreifen.
Und richtig ist, in Richtung der Opposition gesagt, wenn es in der Vergangenheit nach Ihnen gegangen wäre, dann könnten wir all dieses heute hier nicht so tun,
(Zuruf vonseiten der Fraktion DIE LINKE: Das stimmt doch gar nicht! – Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das ist doch Quatsch!)
denn Sie hätten die Rücklage am liebsten schon vorher aufgebraucht. Auch Ihr Vorwurf, dass das Land den Breitbandausbau vernachlässige, trifft nicht zu.
Ich hoffe, dass sich diese Einsicht bei den LINKEN und den GRÜNEN, man hört ja die Zwischenrufe, jetzt auch schon durchgesetzt hat.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, insbesondere freut es mich, dass auch die kommunalen Spitzenverbände im Vorfeld deutlich gemacht haben, dass sie den Nachtragshaushalt an sich, aber auch in der Verfahrensweise begrüßen. Ich denke, dass das Land mit dem Nachtragshaushalt einmal mehr zeigt, dass es die Kommunen nicht alleinlässt. Für uns bilden Land und Kommunen eine Schicksalsgemeinschaft.
Der Finanzausschuss wird morgen gemeinsam mit dem Innen- und dem Energieausschuss noch einmal zur Beratung zusammenkommen. Dort werden wir auch die
Stellungnahme des Landesrechnungshofes ausführlich beraten. Dieser hat vorab erhebliche haushaltsrechtliche Bedenken angemeldet, die es zu diskutieren gilt.
Ich möchte kein Geheimnis daraus machen, dass auch meine Fraktion einer finanziellen Obergrenze mit Hinblick auf die Entnahme aus der Rücklage offen gegenübersteht. Auf der anderen Seite ist mit der Höhe der Ausgleichsrücklage eine natürliche Obergrenze gesetzt. Diese Frage gilt es, morgen noch einmal zu erörtern.
Der zweite Punkt: Die notwendigen Ausgaben für den Breitbandausbau im laufenden Haushalt durch Einsparungen beziehungsweise Umschichtungen zu erreichen, halte ich nicht für realistisch. Ich gehe davon aus, dass die Landesregierung mit den ihr zur Verfügung stehenden Haushaltsmitteln sparsam umgeht. Dem neuen Landtag bleibt jederzeit die Möglichkeit, bei der Haushaltsplanaufstellung 2018/2019 den Breitbandausbau detaillierter und konkreter aufzunehmen und darzustellen.
(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Machen wir. – Peter Ritter, DIE LINKE: In die Ausschüsse!)