Okay. Ja, das ist jetzt eine spannende Frage, ob wir das wirklich machen wollen. Herr Saalfeld schlägt gerade vor, wir orientieren uns an dem, was die Lehrer unterrichten, und die, die ausscheiden mit diesem Unterricht, werden dann durch entsprechende Fachlehrer ersetzt. Dazu sage ich Ihnen zum Beispiel Folgendes: Es gibt im Moment relativ viele Kolleginnen und Kollegen, die noch Russisch unterrichten.
Es wird aber nur deshalb angeboten, weil die Kollegen auch diese Fächerkombination haben. Ich glaube nicht, dass die Schüler sich das mehrheitlich wählen.
(Heiterkeit bei Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Simone Oldenburg, DIE LINKE: Nee, weil die Kinder das lernen sollen.)
Der Bedarf an Russischunterricht wird immer geringer in diesem Land – das können Sie statistisch sehen – und ich glaube nicht, dass es sinnvoll ist, in diesem Umfang weitere Russischlehrer wieder einzustellen. Das wäre aber der Effekt Ihrer Herangehensweise, die Sie eben gerade vorgeschlagen haben. Das zeigt nur, Herr Saalfeld, wie komplex das System ist. Sie können entweder von der Stundentafelverteilung der Fächer ausgehen – das haben wir gemacht – oder Sie können ausgehen von dem, was Sie gesagt haben, wer ausscheidet, den ersetze ich. Das würde bedeuten, dass wir einen Bedarf von 100 oder 200 Russischlehrern haben die nächsten Jahre. Ich glaube nicht, dass wir den haben. Das ist vielleicht ein plastisches Beispiel.
Deswegen würde ich sagen, ja, man kann über die Methodik dieser Studie diskutieren – das ist übrigens in jedem Bundesland so, weil es hochkomplex ist – und man kann von unterschiedlichen Annahmen ausgehen. Ich muss nur Folgendes feststellen: Wir haben diese Studie vorgestellt in der Universität Rostock und da saß Herr Professor Sill, Mathematikfachdidaktiker, der von solchen Rechensystemen ein bisschen Ahnung hat. Einige Abgeordnete werden jetzt freudig nervös, weil der einer bestimmten Partei angehört, und zwar nicht der SPD.
Professor Sill ist ein fachlich sehr versierter Mathematiker, der Herrn Tesch bei der ersten Lehrerbedarfsprognose richtig die Hölle heiß gemacht und gesagt hat, das haut doch so niemals hin, was ihr da berechnet habt.
Seine Reaktion dieses Mal war: Herr Brodkorb, herzlichen Dank, das System ist transparent, plausibel und ich halte es methodisch für richtig. Fragen Sie ihn!
Ich bin jedenfalls nicht mehr so nervös, wie ich es gewesen wäre, wenn er dieselbe Kritik wiederholt hätte, die er beim letzten Mal noch wiederholt hat. Wir sind da ein bisschen in seine Richtung gegangen.
Das Kernproblem der Debatte, Herr Saalfeld, ist folgendes: Es gibt, glaube ich, ein Missverständnis und eines, was Sie ignorieren. Und das Problem, was Sie ignorieren, ist am größten.
Nehmen wir mal an, wir machen jetzt noch schnell die Vollbremsung und schieben die Lehramtsausbildungskapazitäten für das Studienjahr 2016/2017 hoch – das könnte man vielleicht noch hinkriegen –, dann werden diese Lehrer frühestens im Jahr 2024 in Schulsysteme eintreten.
Aber im Jahr 2024 bewegt sich der Einstellungsbedarf wieder auf dem Normalpegel von 450 bis 500 Stellen. Das heißt, ich habe genau in dem Jahr den Effekt, wo ich ihn nicht mehr brauche. Wir haben vorher den Lehrermangel. Das heißt, wenn ich jetzt die Lehramtskapazitäten nach oben fahre, bringt das für den Unterrichtsversorgenden absolut gar nichts.
(Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Und dann kann man das machen, was Sie jetzt auch machen, nämlich die verrenteten Lehrer zurückholen. – Zuruf von Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
das ist aus meiner Sicht Ihr Problem bei dem Vorschlag, Sie erreichen das Jahr 2020 – weil Sie in Ihrem Antrag schreiben, ab 2020 – nicht mehr mit der Lehramtsausbildung.
Zweitens. Sie behaupten – das sollen wir hier feststellen –, es werden ab 2020 mehrere Hundert Absolventen fehlen zur Deckung des Lehrkräftebedarfs.
Herr Saalfeld, das wissen Sie doch gar nicht. Dieselbe Debatte hatten wir auch zum Schuljahr 2014/2015. Da ist prognostiziert worden, Herr Brodkorb, Ihr 50-MillionenPaket, das wird völlig scheitern, Sie werden nicht genug Lehrer finden. Und plötzlich haben wir 575 eingestellt in einem Jahr. Ich gebe zu, das ist sehr anspruchsvoll gewesen. Sie haben auch recht, wenn Sie sagen – das sagen Sie ja wahrscheinlich –, dass es ab 2021 eine sehr herausfordernde Situation wird. Da sage ich hier nicht, das machen wir mit links. Ich kann Ihnen heute auch noch nicht genau sagen, ob es in jedem Fall klappen wird, ob wir das hinkriegen. Das kann auch ich Ihnen ehrlicherweise nicht sagen.
Aber mit Ihrem Vorschlag werden wir es auf alle Fälle nicht schaffen, weil die Lehrer dann drei Jahre zu spät kommen.
(Heiterkeit bei Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Zuruf vonseiten der Fraktion der CDU: Das interessiert ihn nicht.)
Was tun wir? Jetzt gibt es das große Missverständnis, das Sie haben, glaube ich. Es gibt eine Lehrkräftebedarfsprognose und auf dieser Grundlage werden mit den Hochschulen Zielvereinbarungen verhandelt. In diesen Zielvereinbarungen enthalten – das hat dieser Landtag beschlossen – sind die Richtwerte. Richtwerte! Die heißen nicht umsonst „Richtwerte“. Ich habe schon mal erklärt, es ist nicht so, dass die verbindlich sind im Sinne von, dass wir das unbedingt machen müssen, sondern wir können sie auch übersteigen, wenn es nötig ist, weil die Anpassung der Kapazitäten jährlich über die entsprechenden Verordnungen erfolgt, und das machen wir auch. Wenn Sie sich demnächst den Verordnungsentwurf angucken, werden Sie sehen, dass wir die Spielräume der Zielvereinbarungen genutzt haben.
Jetzt war Ihre Frage: Ja, was machen Sie denn? Ich glaube nicht, dass es Sinn macht, jetzt noch mal die Lehrkräftebedarfsprognose herauszuholen, sondern es ist in der Tat besser, der Frage nachzugehen, wie können wir den Bedarf bis 2023 decken, was kann man da machen. Ich kann Ihnen gerne sagen, was wir im Moment gerade mit den Hochschulen verhandeln. Ich hatte aber schon vor ein paar Monaten gesagt, dass mit den Zielvereinbarungen, mit der Lehrkräftebedarfsprognose für uns die Arbeit nicht zu Ende ist, sondern sie wird beginnen. Wir werden jetzt immer weiter in den Kapazitäten nachsteuern.
Beispiel: Der Senat der Universität Rostock – das ist eine Antwort auf Ihr Thema „Sonderpädagogik“ – hat vor ein paar Tagen eine Studien- und Prüfungsordnung für einen berufsbegleitenden Studiengang im Bereich der Sonderpädagogik im Entwurf zur Vorlage bei uns zur Genehmigung verabschiedet. Die Zielvereinbarung dazu zwischen Herrn Professor Schareck und mir ist unterschrieben. Es geht insgesamt um ein Volumen von 2,5 Millionen Euro.
Wir werden Personen, die bereits ein Lehramt haben, die im Moment mit ihrer Fächerkombination keine Einstellung finden – das gibt es –, anbieten, dass sie sofort eingestellt werden mit einem unbefristeten Vertrag, wenn sie diesen berufsbegleitenden Studiengang in Rostock absolvieren. Der ist gestreckt auf zwei Jahre – 60 ECTS Theorie, 30 ECTS Praxis, also quasi mehr oder weniger so ein duales Angebot. Danach sind sie Inklusionspädagogen. Wir haben schon bei den Bestandslehrkräften nachgefragt, wer hat Lust. Wir haben über 100 Bewerbungen oder Interessensbekundungen und wir vereinbaren uns jetzt zunächst auf fünf Immatrikulationsjahrgänge, also 125 Studienplätze.
5 mal 25. Er läuft zunächst sechs Jahre, aber er ist natürlich auch verlängerbar. Der Vorteil bei diesem Instrument ist, Sie haben innerhalb von zwei Jahren Ihre Fachkräfte.
(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Aber das Problem ist, Sie fischen aus dem gleichen Topf.)