Protocol of the Session on June 8, 2016

(Regine Lück, DIE LINKE: Die Möglichkeit hätten sie jetzt schon gehabt.)

In der Anhörung zum Gesetzentwurf – die hat es ja gegeben, ich bin in meinem Bericht als Ausschussvorsitzender auch schon darauf eingegangen – haben sich die meisten Anzuhörenden eine deutlich stärkere finanzielle Entlastung gerade defizitärer Gemeinden gewünscht. Wir haben das in den Gesetzentwurf mit aufgenommen. Es wird pro defizitäre Gemeinde einen Zuschuss von 400.000 Euro geben, damit eine freiwillige Fusion auch weiter attraktiv wird.

Wir glauben, dass am Ende nach der Selbsteinschätzung der Gemeinden dieser Gesetzentwurf dazu beitragen kann, dass es doch eine Vielzahl von Gemeinden in den unterschiedlichen Regionen unseres Landes geben wird, die sich – begleitet durch die Koordinatoren und auch durch das Land – auf den Weg machen und fusionieren und dabei dann auch zu zukunftsfähigen Strukturen kommen. Wichtig ist, und das ist das Wichtigste für die CDU-Fraktion, dass es hier um die reine Freiwilligkeit geht. Das werden wir auch so durchhalten, und das, glaube ich, ist ein wichtiges Signal an die kommunale Ebene. Wir wollen keine Zwangsfusionen. Wir wollen, dass die kommunale Ebene freiwillig und selbstbestimmt in eine Fusion geht, wenn sie es möchte. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Petereit für die Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Immer wieder wurde von Ihnen in der Debatte betont, dass künftige Gemeindezusammenschlüsse ausschließlich freiwillig erfolgen sollen. Ihrer Darstellung nach ist die Landesregierung an den Prozessen der Entscheidungsfindung also völlig unbeteiligt. Ihr wird nur die angenehme Aufgabe zuteil, die Fusion mit einer finanziellen Förderung zu versüßen. Wer sich allerdings mit den Hintergründen beschäftigt, stellt fest, dass nur die halbe Wahrheit gesagt beziehungsweise gelogen wird. Das beginnt schon bei der verwirrenden Darstellung der Fusionsprämien, das wurde bereits während der Ersten Lesung angedeutet. Da ging es um eine Pressemitteilung vom CDU-Fraktionschef Kokert, wonach angeblich zusätzlich 40 Millionen Euro in den Doppelhaushalt eingestellt wurden, um Gemeindefusionen zu unterstützen.

Zwar wurde richtig erkannt, dass die Regierung der Öffentlichkeit weismachen will, mit der zusätzlichen Bereitstellung von Finanzmitteln in Millionenhöhe sei sie der Retter der Kommunen, allerdings ist der Knackpunkt nicht, ob die Mittel zusätzlich oder nicht zusätzlich bereitgestellt werden, ob sie aus dem Kommunalen Aufbaufonds oder einem anderen Haushaltstitel stammen, entscheidend ist – und das haben wir in diesem Hause mehrfach verdeutlicht –, entscheidend ist, dass dieses Geld bereits in den vergangenen Jahrzehnten in den Gemeinden in die Infrastruktur, in die Familienförderung und so weiter investiert hätte werden müssen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Dann würde man heute nämlich vielerorts nicht vor der beklemmenden Frage eines freiwilligen Zusammenschlusses stehen, womit wir beim nächsten Kritikpunkt wären: die Frage der Freiwilligkeit.

Sie haben die Kommunen im Land in den vergangenen Jahrzehnten durch gezielte Vernachlässigungen in die finanzielle Abhängigkeit getrieben. Unter diesen Voraussetzungen sind freiwillige Entscheidungen nahezu unmöglich. Aus unserer Sicht ist somit jede Fusion als Zwangsehe zu betrachten. Ohnehin scheint die angebliche Freiwilligkeit nur als Türöffner zu dienen. Sind einige Kommunen erst auf das zweifelhafte Angebot eingegangen, wird der Rest in Schritt zwei schließlich zwangsverpflichtet.

Durch die von Ihnen ebenso zwangsweise eingeführte Doppik wird das entsprechende Zahlenmaterial für den Vergleich der Kommunen untereinander geliefert. Die so erzeugten Scheinargumente sollen die ehrenamtlichen Kommunalpolitiker sensibilisieren, verwirren und sie gefügig machen. Schon heute tönt manch Kämmerer, ohne Haushaltssicherungskonzept droht uns doch die Zwangsverwaltung.

Wie es um die kommunale Selbstverwaltung oder – mit Ihren Worten – um die Freiwilligkeit in MecklenburgVorpommerns Kommunen bestellt ist, möchte ich an einem Beispiel verdeutlichen: In Meiersberg, einer kleinen Gemeinde in Vorpommern-Greifswald, vorher

Uecker-Randow, weigerten sich,...

(Patrick Dahlemann, SPD: Kennen Sie doch gar nicht.)

Wenn Sie wüssten!

… weigerten sich die Gemeindevertreter, ihre Grund- und Gewerbesteuern auf den Landesdurchschnitt anzuheben. Als der Bürgermeister dann beim Landkreis um Unterstützung für den Kauf einer Pumpe für die Feuerwehr und um finanzielle Hilfe für die Reparatur der Straßenbeleuchtung bat, wurde ihm durch die Blume mitgeteilt, dass dies durchaus möglich sei, allerdings müsse die Gemeinde auch den Forderungen des Landkreises nach Steuererhöhungen nachkommen. Der Bürgermeister nannte das Erpressung. Und genau diesem schäbigen Prinzip folgt auch das vorliegende Leitbild. Es taugt also nicht für einen freiwilligen Neuanfang, sondern stellt die Fortführung Ihrer Volkstodpolitik dar – mit anderen Mitteln.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Der Vergreisung, der Verödung, dem Abbau von Infrastruktur und dem Landsterben wird Ihre „Gemeinde der Zukunft“ nichts entgegensetzen. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Saalfeld für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Für die Koalition ist dieser Papiertiger eine einzige Blamage. Eines der wichtigsten Koalitionsprojekte, das nunmehr seit fast fünf Jahren im Koalitionsvertrag von SPD und CDU schlummert, wird jetzt kurz vor Torschluss

noch schnell ins Parlament gehievt, und das mit vielen groben handwerklichen Fehlern. Kernstück des Vorhabens ist eine Selbsteinschätzung der Kommunen zu ihrer zukünftigen finanziellen Leistungsfähigkeit. Die Gemeinden können diese Fragen aber gar nicht fristgerecht beantworten, denn das neue Finanzausgleichsgesetz zwischen Land und Kommunen, welches die zukünftige Finanzausstattung festlegt, soll erst im Jahr 2018 vorliegen. Bis dahin soll aber die Phase der Selbsteinschätzung und der Gemeindefusion de facto abgeschlossen sein.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist doch absurd. Es müsste mal ein Jahr der Haushaltsführung geben, um dieses FAG zu erproben, damit die Gemeinden vielleicht auch noch versteckte Defizite erkennen können. Wie soll das zeitlich funktionieren? Die Gemeinden sollen ohne Wissen über ihre Finanzausstattung Gemeindefusionen durchführen und vorbereiten. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Gesetz ist unausführbar. Hier rächt es sich, dass die rot-schwarze Koalition in dieser Legislatur keine Einigung über die zukünftige Finanzausstattung der Kommunen erzielt hat.

Tritt das Gesetz in seiner jetzigen Form in Kraft, arbeiten viele Gemeinden für den Papierkorb, denn der Selbsteinschätzungsprozess wird keine belastbaren Aussagen liefern. Für die Koalition, meine sehr geehrten Damen und Herren, ist dieser Papiertiger eine einzige Blamage. Die Koalition macht hier den zweiten Schritt vor dem ersten Schritt. Wir brauchen doch eine verlässliche Aussage des Landes zu den Kommunalfinanzen und dann erst ein Konzept für zukunftsfähige Gemeindestrukturen.

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich gehe davon aus, dass es bis zur nächsten Kommunalwahl im Jahr 2019 auch Gemeindefusionen geben wird, aber nicht wegen dieses Gesetzes, sondern trotz dieses Gesetzes. Es werden Fusionen sein, die ohnehin anstanden oder vorbereitet waren, um wenigstens die Prämien mitzunehmen. Das ist dann aber ein Gesetz, das Mitnahmeeffekte aktiviert, jedoch keine gestalterische Politik entfaltet.

Es wird Sie jetzt sicherlich nicht überraschen, wenn ich Ihnen mitteile, dass wir GRÜNEN diesen Gesetzentwurf heute ablehnen werden. Es mangelt an der Finanzierung, es fehlt ein Gesamtkonzept und es mangelt an einem klaren Gestaltungswillen für unser Land, kurz: Das Gesetz ist nicht geeignet, eine zukunftsfähige Gemeindestruktur sicherzustellen. Dabei geht es mir in der Alternative nicht um Zwangsfusionen, sondern um ein funktionierendes Rahmenwerk für freiwillige Zusammenschlüsse. Diese Chance haben SPD und CDU mit diesem Gesetz leider vertan. Das Hauptproblem ist, dass Sie versuchen, mit diesem Gesetz das Pferd von hinten aufzuzäumen. Ich habe es gerade erklärt, Sie machen den zweiten Schritt vor dem ersten Schritt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dieses Gesetz ist der untaugliche Versuch, Ihren Koalitionsvertrag auf den letzten Metern abzuarbeiten. Der Versuch ist untauglich, weil Ihnen ein Gesamtkonzept fehlt. Im Koalitionsvertrag heißt es in Ziffer 327, dass die Landesregierung ein Leitbild „Gemeinde der Zukunft“ erarbeiten wird. Aber genau das haben Sie nicht getan. Ich frage Sie: Wo ist denn das Leitbild? Sie haben kein Leitbild erarbeitet. Stattdessen verpflichten Sie alle Gemeinden, einen langen Selbsteinschätzungsprozess durchzuführen. Diese

Selbsteinschätzung ist aber noch lange kein Leitbild. Die Selbsteinschätzung erfolgt anhand teils vager Kriterien, deren Auslegung unterschiedlich erfolgen kann. Es gibt keinerlei Vorgaben und Gewichtungen zu den einzelnen Kriterien. Darum wird auch eine Vergleichbarkeit der Ergebnisse zwischen den Gemeinden praktisch unmöglich sein. Eine solche Selbsteinschätzung kann ja durchaus helfen, sie darf aber nicht völlig beliebig sein. Es wird deutlich, dass die Koalition selbst gar keine Vorstellung über die Gemeinden der Zukunft hatte, und dementsprechend konnte sie auch kein Leitbild erarbeiten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, mein Eindruck ist, dass der kleinste gemeinsame Nenner dieser rotschwarzen Koalition am Ende der Legislaturperiode so klein war, dass es zu keinem vernünftigen Kompromiss mehr ausgereicht hat und stattdessen dieser vorliegende Papiertiger gebastelt wurde. In der Sache werden wir damit allerdings kaum weiterkommen. Dass Sie versuchen, dieses Gesetz noch pro forma durchzupeitschen, wird auch daran deutlich, dass der Entwurf nicht durch die Regierung, sondern durch die Fraktionen von SPD und CDU in das Parlament eingebracht wurde.

(Marc Reinhardt, CDU: Das lässt die Verfassung ja zu.)

Wieder einmal umgehen Sie damit die regulären Anhörungsverfahren der kommunalen Spitzenverbände im Gesetzgebungsprozess,

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Das fanden die Spitzenverbände nicht schlimm, das fanden sie überhaupt nicht schlimm, nur Sie.)

und das ausgerechnet bei einem so zentralen kommunalen Anliegen. Der Städtetag hat in seiner Stellungnahme sehr deutlich Kritik an diesem Vorgehen geäußert.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren von SPD und CDU, wenn Ihnen die Gemeindereform so am Herzen liegt, wie Sie es immer behaupten, dann hätten Sie von Anfang an ein anderes Verfahren wählen müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Halbherzigkeit des Gesetzes wird auch an der Finanzierungsquelle deutlich. Das Land ist nicht bereit, eigene Mittel für die Gemeindereform einzusetzen, stattdessen sollen sich die Kommunen ihre eigenen Fusionsprämien selbst zahlen. Was soll denn das für ein Angebot sein? Mit der einen Hand bieten Sie als Land den Gemeinden eine Prämie an, nur um diese Prämie gleichzeitig mit der anderen Hand direkt wieder aus deren Tasche zu ziehen. Ein attraktives Angebot ist das in jedem Fall nicht.

(Manfred Dachner, SPD: Sie reden einen Schwachsinn!)

Wir lehnen daher ganz klar die Finanzierung über den Kommunalen Aufbaufonds ab. Wenn SPD und CDU eine Gemeindereform so wichtig ist, dann sollte sich das auch im Haushalt widerspiegeln, meine sehr geehrten Damen und Herren.

Eines muss ich von dieser Stelle aus auch ganz deutlich kritisieren: Die größeren Gemeinden und Städte, die ebenfalls ein Anrecht auf die Gelder im Kommunalen

Aufbaufonds haben, gehen leer aus, denn für sie ist dieses Fusionsgesetz nicht gemacht. Sie haben sich ja – ich erinnere an die Hansestadt Rostock, auch an Güstrow – auch schon beschwert. Ich finde, das ist nicht gerecht.

(Zuruf von Manfred Dachner, SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, im Gesetzentwurf wird ausgeführt, dass man sich an der Gemeindereform in der Steiermark orientiert habe. In der Anhörung wurde aber deutlich, dass das nicht der Fall ist. Der Sachverständige aus der Steiermark hat darauf hingewiesen, dass es ganz erhebliche Unterschiede zwischen der Reform in der Steiermark und der hier angedachten Reform im Land Mecklenburg-Vorpommern gibt. Deswegen sind die positiven Erfahrungen aus der Steiermark auch nicht automatisch in Mecklenburg-Vorpommern zu erwarten. So gab es nach der Phase der Freiwilligkeit in der Steiermark eine gesetzliche Umsetzungsphase, was allen vorher klar war. Die Umsetzung erfolgte anhand eines erarbeiteten Leitbildes im Gegensatz zu Mecklenburg-Vorpommern. Deutlich wurde in der Stellungnahme auch, dass die Gesamtsicht einer landesweiten Steuerung und Koordinierung hier im Lande fehlt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, wir bedauern auch, dass die Chance nicht genutzt wurde, um die interkommunale Zusammenarbeit wirklich im Grundsatz zu stärken. Ebenso ist die Frage nach einer echten Funktionalreform wieder völlig unbeantwortet geblieben. Damit verschenken wir erhebliches Potenzial, um öffentliche Aufgaben in Zukunft effizienter und effektiver zu erledigen. Darum geht es doch eigentlich heute hier. Auf eine dringend anstehende Reform der Kommunalverfassung haben wir übrigens auch vier Jahre lang vergeblich warten müssen.

Abschließend muss meine Fraktion daher feststellen, dass das Gesetz ungenügend und unausführbar ist. Der Landesregierung fehlt offensichtlich selbst ein Konzept, wie die Gemeinden der Zukunft aussehen sollen und wie die Gemeinden langfristig zukunftssicher aufgestellt werden sollen. SPD und CDU sind noch nicht einmal bereit, eigene Landesmittel für ein solches Projekt bereitzustellen. Einem solchen faulen Koalitionskompromiss werden wir natürlich nicht zustimmen. Für die Kommunen, meine sehr geehrten Damen und Herren, brachte diese Legislaturperiode fünf verlorene Jahre. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Ritter für die Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es ist natürlich legitim, dass Fraktionen Gesetzentwürfe einbringen. Das ist ihre Aufgabe, das ist ihr gutes Recht, das trifft auch für Koalitionsfraktionen zu. Sie sind nicht immer darauf angewiesen, dass die Regierung Gesetzentwürfe in den Landtag einbringt.

(Udo Pastörs, NPD: Sagen Sie bloß!)

Aber ich habe selten so unsichere Antragsteller im Innenausschuss erlebt wie die Koalitionsfraktionen bei diesem Gesetzentwurf. Nahezu keine Nachfrage, die wir oder die GRÜNEN gestellt haben, konnte durch die An

tragstellerinnen und Antragsteller beantwortet werden. Immer schaute man hilfesuchend zum Innenministerium. Dann ist spätestens jedem klar geworden, wo die Autorenschaft eigentlich liegt

(Martina Tegtmeier, SPD: Das ist eine Fehlbewertung.)