Der Ausschuss hat eine Auswertung der Anhörungsergebnisse vorgenommen und insbesondere geprüft, ob der mehrheitlichen Forderung der Anzuhörenden, weitere finanzielle Anreize für Zusammenschlüsse vorzusehen, entsprochen werden kann. Die Beschlüsse des Innenausschusses sehen im Ergebnis unter anderem vor, Ermächtigungsgrundlagen für die Gewährung einer Konsolidierungszuweisung aufzunehmen, die dem Rechtsnachfolger sich zusammenschließender Gemeinden neben der bereits im Gesetzentwurf vorgesehenen Fusionszuweisung als weitere Prämie gewährt werden kann.
Aus Gründen der Rechtssicherheit wird auch eine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage in das Gesetz aufgenommen werden, nach der solche Nachteile durch Ausgleichszahlungen kompensiert werden, die aufgrund der Mechanismen des Finanzausgleichs bei Zusammenschlüssen entstehen, wenn diese unter der Beteiligung abundanter Gemeinden stattfinden. Darüber hinaus wird die notwendige Folgeänderung zur Herkunft der für die Konsolidierungszuweisungen erforderlichen Mittel aufgenommen. Weiterhin wird eine Berichtspflicht gegenüber dem Landtag über die Wirksamkeit des Gesetzes fest- geschrieben. Im Leitbild wird die Definition der eingeschränkten dauernden Leistungsfähigkeit mit Blick auf die in Kraft tretende Verwaltungsvorschrift zu „Beurteilung und Nachweis der dauernden Leistungsfähigkeit“ entbehrlich.
Die Fraktion DIE LINKE hat neben einer Entschließung beantragt, dass der Innenausschuss beschließen möge, dem Landtag zu empfehlen, den Gesetzentwurf in der gegenwärtigen Fassung nicht weiter zu beraten. Der Gesetzentwurf sei nach Ansicht der Fraktion DIE LINKE nicht geeignet, die auf der unteren kommunalen Ebene notwendigen Reformschritte einzuleiten.
Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hatte im Rahmen ihrer Entschließung ebenfalls beantragt, den Gesetzentwurf in Gänze abzulehnen.
Der Ausschuss hat mehrheitlich beschlossen, die Beratung fortzusetzen und die Einzelabstimmung vorzunehmen. Die Entschließungsanträge konnten im Ausschuss schließlich keine Mehrheit finden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, der Innenausschuss empfiehlt Ihnen im Ergebnis mehrheitlich mit den Stimmen der Koalitionsfraktionen, den Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU und SPD mit den dargestellten Änderungen anzunehmen. Ich bedanke mich für die Aufmerksamkeit und bitte um Zustimmung. – Vielen Dank.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir befinden uns in der Zweiten Lesung und ich muss von daher nicht mehr die grundsätzlichen Inhalte dieses Gesetzentwurfes darstellen. Ich möchte mich deshalb darauf beschränken, drei wesentliche Züge dieses Gesetzentwurfes noch einmal hervorzuheben.
Das Erste – und hier unterscheidet sich die derzeitige Diskussion über Gemeindestrukturen von Diskussionen, die wir in früheren Jahren geführt haben –: Der Entwurf, der uns vorliegt, geht von einer ausschließlichen Freiwil
ligkeit bei der Veränderung von Gemeindestrukturen aus. Hier entscheiden die kommunalen Körperschaften selbst und nicht wir als Gesetzgeber.
Das Zweite: Das Einzige, wozu wir die Gemeinden zwingen, ist, eine Selbsteinschätzung vorzunehmen, also für sich selbst zu bewerten, halten wir uns denn für zukunftsfähig oder halten wir uns eben nicht für zukunftsfähig, sehen wir hier Probleme, möchten wir Hilfe für eine Lösung haben.
Und der dritte Punkt – das ist, so denke ich, der entscheidende Punkt –: Wenn Gemeinden zu dem Ergebnis kommen, dass sie sich selbst für nicht unbedingt zukunftsfähig halten, so bieten wir ihnen Rat und Unterstützung an. Wir bieten ihnen die Hilfe von Koordinatoren an, die bei den Kreisen angesiedelt sind,
und wir bieten ihnen, das ist natürlich der Hauptdiskussionspunkt, finanzielle Unterstützung bei Zusammenschlüssen mit Nachbargemeinden an.
Dieser Gesetzentwurf hat in der Anhörung, der Ausschussvorsitzende hat darüber berichtet, ein sehr differenziertes Echo gefunden. Gerade der Gedanke, die Selbsteinschätzung zur Pflicht zu machen, wurde positiv bewertet, eine Reihe von anderen Punkten aber durchaus negativ oder sehr unterschiedlich. Lassen Sie mich das an einem, wie ich finde, recht interessanten Punkt beispielhaft deutlich machen, und zwar an der Frage der Koordinatoren, die beratend und unterstützend tätig sein sollen für den Diskussionsprozess in den Gemeinden.
Der Gesetzentwurf siedelt sie bei den Landkreisen an. Das fanden die einen Anzuhörenden viel zu weit weg von der Basis. Sie fanden die Landkreise nicht unbedingt geeignet, für die kreisangehörigen Gemeinden als Berater dazustehen. Sie verlangten eine viel niedrigere Ansiedlung oder gar eine beim kommunalen Verband, während die anderen meinten, damit, mit der Ansiedlung bei den Kreisen, sei die Nähe zum Geschehen vor Ort noch viel zu eng, die Berater müssten viel weiter weg angesiedelt werden, am besten beim Land.
Also, meine sehr verehrten Damen und Herren, was sollen wir jetzt tun? Die einen sagen, diese Koordinatoren sind zu dicht an der Basis, die anderen sagen, sie sind viel zu weit weg von der Basis. Ich sage Ihnen, was unser Vorschlag ist: Wir lassen sie dort, wo der Gesetzentwurf es vorsieht, nämlich bei den Kreisen.
Dass wir damit Kritik ernten, und zwar von beiden Seiten, allerdings in ganz verschiedene Richtungen, liegt bei dem geschilderten Sachverhalt wohl auf der Hand.
Allerdings haben wir uns durch die Anhörung durchaus anregen lassen, zu Veränderungen des Gesetzentwurfes zu kommen. Das eine, und Sie entnehmen dies dem Bericht des Ausschussvorsitzenden, ist unser Vorschlag, dass wir einen Bericht durch die Landesregierung vorsehen, einen Bericht, der uns, dem Landtag, einfach darstellen soll, inwieweit sich denn das, was mit diesem Gesetzentwurf intendiert wird, in der Praxis auch verwirklicht. Das beinhaltet natürlich, dass wir dann möglicherweise sagen, haben wir gut gemacht. Das beinhaltet aber
auch die Möglichkeit, dass wir sagen, ja, dann müssen wir uns überlegen, ob und wie wir hier nachsteuern.
Das Zweite, meine sehr verehrten Damen und Herren, und hier fand ich die Kritik in der Anhörung ausgesprochen nachvollziehbar und überzeugend, ist die Frage, wie wir eigentlich mit der Situation umgehen wollen, dass einzelne Gemeinden, die vielleicht durchaus fusionsbereit sind, derartig verschuldet sind, dass sie keinen Kooperationspartner, keinen Fusionspartner finden, weil jede andere Gemeinde sagt, wir würden euch ja gerne heiraten – wie man im Jargon so sagt –, aber wir heiraten doch nicht eine halbe Million Euro Schulden mit.
Dieses Argument, meine sehr verehrten Damen und Herren, halten wir für schlagend und deswegen haben wir mit einem Änderungsantrag hier eine Ermächtigung eingeführt, bei fusionswilligen Gemeinden ein Entschuldungsprogramm durchzuführen. Das heißt, dass einzelne Gemeinden, die bereit sind, die willens sind, sich mit Nachbargemeinden zusammenzuschließen, aber über einen erheblichen Fehlbetrag verfügen, an dieser Stelle Hilfe vom Land bekommen können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, wir haben im Finanzausgleichsgesetz im Paragrafen 10 Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe g wie Gustav – klingt alles sehr technisch, aber Sie können es dort nachlesen – jährlich 15 Millionen Euro bereitgestellt, die dem Zwecke dienen, der Konsolidierung von Gemeinden hilfreich zur Seite zu stehen, 15 Millionen, mit denen wir in der Vergangenheit eine Reihe größerer und mittlerer Städte und Gemeinden entlastet haben. Wir haben aber auf dieser Schiene im Moment keine großen Projekte in Arbeit und wir können sicherlich dieses Geld für einen bestimmten Zeitraum, nicht für alle Zeiten, aber für einen bestimmten Zeitraum zur Unterstützung von Fusionsbestrebungen zur Verfügung stellen.
Wir schätzen, meine Damen und Herren, dass eine große Zahl von Gemeinden, vielleicht etwa 250/260 Gemeinden jeweils mit unter 800.000 Euro verschuldet sind. Das ist für eine einzelne Gemeinde mit 200, 300, 400, 500 Einwohnern natürlich eine riesige Zahl, das ist aber, wenn man auf den Landeshaushalt schaut, keine so ge- waltige Zahl. Wenn wir hochrechnen, wie viele Schulden denn bei diesen Gemeinden zusammenkommen, dann kommen wir zu einer Zahl, die etwa bei 60 oder 65 Millionen liegt. Nun gehe ich nicht davon aus, dass die alle fusionieren wollen, aber wenn ein erheblicher Teil davon fusionieren will – ich sage noch mal, die Gesamtverschuldung dieser Gemeinden liegt bei etwa 60 oder 65 Millionen – und wir jährlich 15 Millionen zur Verfügung stellen, dann gehe ich davon aus, dass wir doch eine sehr starke Bewegung in die Diskussion bekommen und vielen, die gerne fusionieren möchten, hier die nötige Hilfe angedeihen lassen können.
Also, meine sehr verehrten Damen und Herren, wir gehen mit dem Geld in diesem Vorwegabzug sehr sinnvoll
um und machen etwas sehr Vernünftiges. Zusammengefasst: Dieser Gesetzentwurf ist ein Angebot an die Städte und Gemeinden. Es ist ein Versuch,
hier zu anderen Strukturen zu kommen, ein Versuch, der aber den Grundsatz der Freiwilligkeit von vorn bis hinten berücksichtigt.
Erwähnen möchte ich noch, weil das in der Diskussion immer so ein bisschen zu kurz kommt, dass wir hier auch über kommunale Verwaltungen und deren Strukturen reden. Ich glaube, das, was wir dabei an Möglichkeiten eröffnen, nicht Zwang, sondern Möglichkeiten, ist es wert, dass die Städte und Gemeinden darüber nachdenken und vielleicht die eine oder andere Region – es geht ja dann eher um Ämter – diese Möglichkeiten nutzt, damit wir hier interessante neue Strukturen erproben können.
Ein letzter Gedanke: Interkommunale Zusammenarbeit war ein wichtiger Aspekt der Anhörung. Wir wollen interkommunale Zusammenarbeit fördern. Ja, meine Damen und Herren, dieser Gedanke ist richtig. Es muss nicht immer gleich die Fusion sein, es kann auch die Zusammenarbeit sein. Aber diese Förderung, die auch wir wollen, da sind wir uns mit dem Städte- und Gemeindetag völlig einig, die verankern wir, die sichern wir an anderer Stelle ab, nicht in diesem Gesetz. Alles zusammengenommen bitte ich Sie um Zustimmung zu dem Gesetzentwurf, so, wie wir ihn im Innenausschuss verändert haben. – Herzlichen Dank.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Der vorliegende Gesetzentwurf hat zunächst eine Gemeinsamkeit mit den Debatten um ein neues FAG oder dem Prozedere um die Personalstärke unserer Landespolizei. Man muss in dieser Wahlperiode den Eindruck gewinnen, dass diese Regierungskoalition sehr viel unternommen hat, um nichts tun zu müssen.
Die Ergebnisse sind Stillstand und Stagnation oder völlig gescheiterte Projekte, Stichpunkt „Zukunftsvertrag“. Auch das heute zu verabschiedende Gesetz zur Einführung eines Leitbildes „Gemeinde der Zukunft“ wird sich einen Namen machen als Gesetz der vergeudeten Zeit, als Gesetz der verspielten Chancen.
Meine Damen und Herren, meine Fraktion hat im Innenausschuss beantragt, diesen Gesetzentwurf nicht weiter zu behandeln. Heute wird sie ihn ablehnen müssen. Das ist bedauerlich, denn der Weg über ein Leitbild und die darauf basierende Selbsteinschätzung der Zukunftsfähigkeit ist ein interessanter Ansatz und, wie wir finden, eine gute Diskussionsgrundlage.
Der Gesetzentwurf lässt sich von der Annahme leiten, dass die Kleinteiligkeit der Gemeindestrukturen mit ursächlich dafür ist, dass viele Gemeinden nicht mehr über eine ausreichende finanzielle Leistungsfähigkeit verfügen. Für die Autoren, also die Fraktionen der CDU und SPD,
(Peter Ritter, DIE LINKE: Na, da bin ich mir nicht sicher, ob es die Autoren waren. – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Also, Peter!)