Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Bevor ich in die Einzelheiten einsteige, möchte ich der Landesregierung meinen Respekt bekunden,
Unbenommen hätten wir GRÜNEN andere Schwerpunkte gesetzt, dennoch müssen wir anerkennen, dass diese Haushaltspolitik ohne Neuverschuldung im Bundesgebiet sowie auch weit darüber hinaus beispielhaft ist.
Nun muss ich jedoch bereits Wasser in den Wein gießen. Zwar ist im Haushaltsentwurf keine Neuverschuldung vorgesehen,
aber eben auch keine Schuldentilgung. Im vergangenen Jahr konnten zwar unterjährig 100 Millionen Euro Altschulden abgebaut werden, allerdings würde in diesen Schritten der Schuldenabbau noch gut 100 Jahre dauern.
Das verdeutlicht die ganze Schuldenmisere, in der auch wir im Nordosten stecken. Hier hätte ich von der Landesregierung tatsächlich mehr erwartet. Es kann doch nicht sein, dass das Innenministerium der Hansestadt Rostock mehrfach die Haushaltsgenehmigungen jeweils bis in den November hinein verzögert hat, weil die Stadt keinen Schuldenabbau in ihrem Haushalt von 10 Millionen Euro aufgenommen hatte. Wer aber selbst keine Schulden abbaut, darf von seinen Kommunen nicht mehr erwarten.
Bildung liegt uns allen hier am Herzen und wir haben diesbezüglich schon einiges gehört. Ich möchte in diesem Zusammenhang auf einen Teilaspekt der aktuellen Schuldebatte hinweisen. Die anstehende Inklusion, also die Integration und Teilhabe aller Kinder, ob mit oder ohne Behinderungen, wurde von Minister Brodkorb mehrfach als die zentrale Herausforderung des kommenden Jahrzehnts, wenn nicht sogar des kommenden Jahrhunderts bezeichnet.
Da stimmen wir GRÜNEN ihm zu, denn die Inklusion bedarf eines umfassenden Umbaus unseres bisher auf Segregation und Selektion ausgelegten Bildungssystems. Umso erfreulicher ist die neu aufgenommene Maßnahmengruppe 75 bei den allgemeinen Bewilligungen für Schulen, aber leider finden sich in dieser Maßnahmengruppe nur 1,6 Millionen Euro. Das sind gerade mal 0,2 Prozent der Zuweisungen für allgemeinbildende Schulen. Hier hätten wir uns für eine Jahrhundertherausforderung größere Anstrengungen erwartet. Aber die Landesregierung bemüht sich auch in anderen Bildungsbereichen, immerhin sollen in den kommenden fünf Jahren insgesamt 94 Millionen Euro für den Hochschulbau ausgegeben werden. Man darf bei solchen Ankündigungen der Landesregierung ruhig skeptisch werden.
In der Tat ist die Darstellung der Etaterhöhung nicht ganz transparent. Zur ganzen Wahrheit gehört nämlich, dass die Ausgaben in den kommenden Jahren um 94 Millionen Euro sinken sollten. Dieses Abschmelzen wurde nun vertagt und die Ansätze sollen gleich hoch bleiben. Das wäre insoweit noch rühmlich, wenn es sich um tatsächlich frisches Geld handeln würde. Wie aber nun aus meiner Kleinen Anfrage hervorgeht, stammen 32 Millionen Euro aus den Resten des Jahres 2010. Unter dem Strich sinken die Ausgaben für den Hochschulbau also. Und nun wird es ganz kurios. Rechnet man die geplanten Ausgaben der alten Mittelfristigen Finanzplanung für den Hochschulbau zusammen und vergleicht sie mit der neuen Mittelfristigen Finanzplanung, schmelzen die angeblichen 94 Millionen Euro auf 16 Millionen Euro zusammen.
Und hier habe ich die 32 Millionen Euro unverausgabte Reste aus dem Jahr 2010 nicht abgezogen. Unter dem Strich scheint es sich tatsächlich nur um ein Vorziehen von Baumaßnahmen mit abruptem Ende nach 2016 zu handeln.
Das entspricht nicht unseren Vorstellungen von Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit. Wir werden versuchen, dies in den Ausschüssen nochmals genau zu klären.
Nächstes Thema: Für den Aufbau und Betrieb des Digitalfunks für Polizei und Rettungskräfte stellt die Landesregierung jährlich 7 Millionen Euro zur Verfügung.
Hier kommt es auf die Relation an! Das ist nämlich viermal mehr, als die Landesregierung für die Jahrhundertherausforderung, Inklusion behinderter Schüler an den allgemeinbildenden Schulen, zur Verfügung stellt.
Allerdings könnte sich nach der Logik der Landesregierung das Innenministerium nun auch ruhigen Gewissens in Digitalfunkministerium umbenennen,
denn der gleiche Betrag von 7 Millionen Euro führt beim Haus von Herrn Schlotmann zum Titel Energieministerium.
(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Regine Lück, DIE LINKE: Genau, genau.)
Und damit sind wir wohl bei der größten Peinlichkeit des gesamten Haushaltes angekommen. Wer im Wahlkampf so laut auf die Pauke haut und die Energiewende,
(Peter Ritter, DIE LINKE: Nee, der Paukenschlag war was anderes. Der Paukenschlag war die Gleichstellung.)
die zweifelsohne für unser Land von existenzieller Bedeutung in wirtschaftlicher wie ökologischer Hinsicht ist, als ganz wichtige Herausforderung ausruft und ein ganzes Ministerium danach benennt, der muss sich hinterher auch nicht über den Glaubwürdigkeitsverlust wundern, wenn weder Personal noch Geld im Haushalt des sogenannten Energieministeriums eingestellt wurden.
Herr Borchert, Sie haben recht, da liegen noch ungehobene Schätze in anderen Ministerien, aber das unterstreicht tatsächlich noch mal, dass es sich um einen Etikettenschwindel beim Energieministerium handelt.
Zum Vergleich: 7 Millionen Euro im Kapitel Energie stehen rund 450 Millionen Euro in den beiden Verkehrskapiteln gegenüber.
Von dem neu eingerichteten Sondervermögen für die Energiewende wollen wir erst gar nicht reden, das existiert nämlich die nächsten zwei Jahre gar nicht. Der Wirtschaftsplan des Sondervermögens weist bei den Einnahmen und Ausgaben nur Nullen aus. Das Sondervermögen ist eine echte haushaltspolitische Nullnummer,
das Ministerium selbst ist großer Etikettenschwindel und das Personal fehlt im Stellenplan vollständig. Aller Anfang ist schwer, meinetwegen, das sei Ihnen zugutegehalten, aber dann darf man eben nicht vorher auf die größte Pauke hauen, der man habhaft werden konnte.
Bleiben wir beim Verkehrsministerium, wie es ehrlicherweise heißen sollte. Was gestern und heute über die Einsparungen im Schienen- und Nahverkehr zu hören war, ist schauerlich. Der Minister spricht von einem Loch von über 20 Millionen Euro, es müssen nun infolge aber nur vier Prozent der Streckenkilometer eingespart werden. Ich sage Ihnen aber, erstens handelt es sich um die entscheidenden vier Prozent, nämlich um die Verbindungen im ländlichen Raum, ohne die man nicht an den Fernverkehr herankommt, und zweitens soll auch im großen Stil am öffentlichen Nahverkehr gespart werden. Ich sage Ihnen, ohne attraktiven Nahverkehr macht auch der schienengebundene Fernverkehr keinen Sinn, denn wenn ich mir erst mal ein Auto angeschafft habe und darin sitze, dann brauche ich auch nicht mehr zum nächsten Bahnhof zu fahren, sondern kann gleich auf den ganzen Zug verzichten.
Nach dem Etikettenschwindel beim Energieministerium opfert die Landesregierung hier das zweite große Zukunftsthema des Landes, nämlich die Mobilität im Lande. Und ich sage Ihnen auch, es ist genügend Geld im Haushalt vorhanden. Was soll der 30-Millionen-EuroPuffer bei den Zinsausgaben des Landes? Was soll der zusätzliche 20-Millionen-Euro-Puffer bei den Bürgschaftsausfällen des Landes? Warum laufen die Kosten beim Betrieb für Bau und Liegenschaften mit zusätzlichen 6 Millionen Euro jährlich aus dem Ruder?
Solche Positionen finden wir überall im Haushalt und wir haben den Haushalt im Übrigen erst seit zweieinhalb Wochen liegen. Wir suchen natürlich weiter nach solchen Positionen.
Bleiben wir noch ganz kurz beim Baugeschehen. Enttäuschend ist, dass die vom ehemaligen Bildungsmi- nister Tesch angekündigten Depotneubauten für die Landesarchäologie auch in 2012 und 2013 nicht begonnen werden. Nach den eingestellten Summen zu urteilen, ich komme gleich zum Schluss, wird in den nächsten zwei Jahren zwar geplant und vielleicht ein bisschen umgeräumt, aber erst ab 2014 kann frühestens mit einem Baubeginn gerechnet werden. Zehn Jahre, nachdem 2004 das Depot über den 7.000 Jahre alten Einbäumen vom Strelasund zusammengefallen ist, würde dann möglicherweise mit einem Depotbau angefangen werden. Ich halte das für skandalös, …
… wie hier mit unserem Kulturgut und unserem historischen Erbe umgegangen wird. – Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit.