Protocol of the Session on April 22, 2016

(Zurufe aus dem Plenum: Oh!)

ansonsten erteile ich Ihnen einen Ordnungsruf!

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Ich hab dafür schon einen gekriegt.)

Sonst unterbreche ich die Sitzung.

(Zuruf von Patrick Dahlemann, SPD)

Ich möchte Sie also bitten, dass Sie Zurückhaltung üben. Wir möchten hier vorn den Redner verstehen,

(Patrick Dahlemann, SPD: Wir hier auch.)

und ich habe darauf aufmerksam gemacht, Zurufe sind gestattet und erlaubt, aber in Maßen, und keine Dauerreden. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis!

Bitte, Herr Abgeordneter Dachner.

Danke schön.

Zum Kindertagesförderungsgesetz gibt es zwei Petitionen. Die einen beschweren sich darüber mit 3.600 Unterschriften, dass sie das novelliert haben möchten, weil sie ein Mitbestimmungsrecht landesweit geregelt haben wollen. Unterschwellig ging es dann auch um die Verpflegung. Die andere Petition richtet sich ausschließlich gegen diese Tagesverpflegung und dass sie begehren, dass sie nach wie vor nach ihrem bestimmten Konzept der Kinderkrippe ihre Produkte mitbringen, mit den Kindern gemeinsam das Frühstück, Mittag und andere Mahlzeiten vorbereiten, dass die Kinder das, was sie mitbringen an Schokolade, an Obst, untereinander austauschen und sich ein schönes Festmahl machen. Sie schreiben also, dass sie dagegen sind, dass das zukünftig nicht mehr stattfinden soll, sie haben ein besonderes Konzept. Als ich das las, habe ich gedacht, die haben da vollkommen recht.

(Egbert Liskow, CDU: Genau.)

Dann haben wir uns an das Ministerium gewandt, und das ist eigentlich nur mein Vorwurf, die haben uns doch genau das geschrieben und gesagt, selbstverständlich können die das nach wie vor tun.

(Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

Na selbstverständlich können die genau das Konzept machen. Jeder darf seine Produkte mitbringen, sie dürfen gemeinsam das Essen bereiten. Das Einzige, was das Kindertagesförderungsgesetz vorschreibt, ist, dass es ein qualitativ gutes Essen geben muss, und zwar für alle Kinder und den ganzen Tag. Und das kann nicht so schlimm sein. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Heinz Müller, SPD: Gut, Manfred.)

Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung.

Der Petitionsausschuss empfiehlt in seiner Beschlussempfehlung auf Drucksache 6/5334, die in der Sammelübersicht aufgeführten Petitionen entsprechend den Empfehlungen des Petitionsausschusses abzuschließen. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist die Beschlussempfehlung des Petitionsausschusses mit den Stimmen von SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN angenommen, bei Gegenstimmen der Fraktion der NPD,

(Michael Andrejewski, NPD: Enthaltung!)

Enthaltung, bei Enthaltung der Fraktion der NPD.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 44: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Funktionsfähigkeit der Justiz sicherstellen, Drucksache 6/5300.

Antrag der Fraktion DIE LINKE Funktionsfähigkeit der Justiz sicherstellen – Drucksache 6/5300 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Borchardt von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Das Thema der Untersuchungshaftentlassung wegen nicht fristgerechter Terminierung beschäftigt uns hier nicht zum ersten Mal. Bereits im Januar 2013 hatte meine Fraktion einen entsprechenden Antrag eingebracht. Eigentlich war es zunächst ein Dringlichkeitsantrag und es ging um die drohende Entlassung von drei Tatverdächtigen schwerer Straftaten.

Ich erinnere daran: Rein rechtlich dürfen Tatverdächtige grundsätzlich nicht länger als sechs Monate in Untersuchungshaft verbleiben. Das Hauptverfahren muss also innerhalb von sechs Monaten nach Anordnung der Untersuchungshaft eröffnet werden. Das ist die Frist, die man als verhältnismäßig erachtet, wenn es darum geht, ob ein formal Unschuldiger bei Vorliegen bestimmter Haftgründe in Untersuchungshaft genommen werden kann.

Meine Damen und Herren, es handelte sich bei den vermeintlichen Straftätern nicht um irgendwelche kleinen Delikte, im Gegenteil. Das Landgericht Schwerin hatte damals seine Überlastung angezeigt und ebenfalls mitgeteilt, dass man durch organisatorische Maßnahmen im Gericht das Problem nicht würde beheben können. Letzten Endes konnte die Entlassung der drei Tatverdächtigen gerade noch verhindert werden. Wenige Monate zuvor war das nicht gelungen. Im September 2012 mussten bereits zwei Untersuchungshäftlinge entlassen werden, da die Hauptverhandlungen nicht fristgerecht anberaumt werden konnten.

Am 4. April dieses Jahres berichtete der NDR darüber, dass es vom Landgericht Schwerin erneut eine Überlastungsanzeige gegeben habe. Vier Angeklagte, denen Drogendelikte zur Last gelegt wurden, mussten aus der

Untersuchungshaft entlassen werden, da nicht fristgerecht terminiert wurde. Als Gründe wurden angegeben, dass der Fall sehr aufwendig sei und die zuständige Kammer gleichzeitig ein anderes sehr umfangreiches Verfahren betreue.

Nur drei Tage später wurde auch für das Landgericht Neubrandenburg eine Untersuchungshaftentlassung wegen nicht fristgerechter Terminierung gemeldet. Diese wurde unter anderem mit der Erkrankung des Richters begründet. Wie die „Schweriner Volkszeitung“ berichtete, war dies in 2015 und bis zu jenem Zeitpunkt des Jah- res 2016 bereits die neunte Entlassung. Betroffen waren die Landgerichte Schwerin, Rostock und Neubrandenburg. Das Justizministerium sah sich jedoch nicht in der Pflicht, verwies darauf, dass die betroffenen Gerichte personell auskömmlich ausgestattet seien und ein Eingriff aufgrund der richterlichen Unabhängigkeit nicht möglich sei.

Werte Kolleginnen und Kollegen, ich habe das alles so chronologisch aufgelistet, um aufzuzeigen, dass es sich hierbei um ein grundlegendes Problem handelt. Das Oberlandesgericht sprach in seiner Presseerklärung von einem „tiefgreifenden Strukturproblem“ beim Landgericht Schwerin. Worin dieses Strukturproblem besteht, konnte uns die Justizministerin in der Europa- und Rechtsausschusssitzung nicht sagen. Da frage ich mich: Was soll das denn sein? Und: Gibt es dieses Problem auch in Rostock und Neubrandenburg? Denn diese beiden Gerichte sind offenbar auch betroffen. Im Antrag tauchen diese Fälle noch nicht auf, da sie uns erst nach Antragsschluss bekannt wurden. Die Situation ist aber vermutlich ähnlich.

Werte Kolleginnen und Kollegen, nur dass wir uns richtig verstehen: Natürlich ist die Unabhängigkeit der Justiz ein wichtiges Gut und natürlich gehören die Geschäftsverteilung und die Terminierung in den Kernbereich der richterlichen Unabhängigkeit. Das kann aber nicht dazu führen, dass wir vor offensichtlich bestehenden Problemen die Augen verschließen. Wenn eine U-Haftentlassung wegen einer fristgerechten Terminierung vorgenommen wird, machen die Gerichte das nicht aus Jux und Tollerei. Das bedeutet, irgendwo klemmt etwas im System, irgendwas läuft nicht so, wie es laufen sollte.

Wir sollten das Problem nicht nur auf frei herumlaufende mutmaßliche Straftäter reduzieren, wie es in der Öffentlichkeit überwiegend getan wird. Offensichtlich ist doch, dass es Gerichte trotz eines Beschleunigungsgebotes nicht schaffen, die Hauptverhandlung innerhalb eines halben Jahres anzuberaumen. Wir haben viel zu lange Verfahrenslaufzeiten. Die Untersuchungshaftentlassungen sind insofern nur das Symptom, das die Öffentlichkeit letztlich mitbekommt.

Wir hatten kürzlich die Justizministerin im Europa- und Rechtsausschuss und sie hat uns ausführlich zu den letzten Entlassungen hier in Schwerin berichtet. Loben möchte ich an dieser Stelle, dass sie sich so kurzfristig dazu bereit erklärt hat.

Dass wir eine Unterrichtung durch die Landesregierung heute noch einmal fordern, liegt daran, dass unsere Ausschusssitzungen nicht öffentlich erfolgen beziehungsweise die Justizministerin in der Europa- und Rechtsausschusssitzung auf konkrete Fragen, wie zum Beispiel auf die der Strukturprobleme im Landgericht Schwerin, keine Aussagen treffen konnte. Das Thema stand jedoch auch

massiv in der Öffentlichkeit und deshalb sollte die Öffentlichkeit erfahren, was die Hintergründe dieser Entlassungen sind.

Die Justizministerin hatte in der damaligen Ausschusssitzung ausführlich erklärt, warum es Sache des Landgerichtes Schwerin sei, das vorliegende Problem zu lösen. Im Wesentlichen wurde ausgeführt, dass die Geschäftsverteilung Sache des Gerichtes selbst sei und dass das Landgericht Schwerin grundsätzlich bedarfsgerecht ausgestattet sei. Auf dem Papier mag das vielleicht auch stimmen. Ich habe jetzt leider keine aktuellen Zahlen, aber ich hatte im Jahre 2014 die Personalsituation in der ordentlichen Gerichtsbarkeit abgefragt. Danach war es so, dass bei den Landgerichten lediglich beim Landgericht Neubrandenburg der Belastungsgrad bei deutlich über 100 Prozent lag. Das Landgericht Schwerin hatte im Jahre 2012 einen Belastungsgrad von 91,1 Prozent und im ersten Halbjahr 2013 von sogar nur 81,7 Prozent.

Meine Damen und Herren, Sie erinnern sich, das war in etwa in der Zeit, als es zu den ersten bekannt gewordenen Haftentlassungen kam. Die Belastung lag also schon damals deutlich unter 100 Prozent. Das hat das Ministerium nicht davon abgehalten, das Landgericht mit zwei Richtern zu verstärken, um ihm zu ermöglichen, eine weitere Strafkammer einzurichten. Das Ministerium erkannte also eine Überlastung an, obwohl man eigentlich unterhalb von 100 Prozent lag.

Dazu muss ich korrekterweise ganz kurz zwei Dinge einschieben:

Erstens war das Einschreiten der Justizministerin ganz klar zu begrüßen, wenngleich das eigentliche Problem damit nicht gelöst wird.

Zweitens ist vermutlich diese Verstärkung auch für die sehr niedrige Belastungszahl im ersten Halbjahr 2013 verantwortlich. Aber das nur zur Klarstellung.

Jetzt drängt sich aber trotzdem die Frage auf, warum man eine personelle Verstärkung vorgenommen hat, wenn das Landgericht damals bedarfsgerecht ausgestattet war. Dazu fiel mir das Interview ein, das Frau Ministerin Kuder im Jahre 2013 Herrn Koslik für die SVZ gab. Er fragte damals, ob die Richter im Land überlastet seien. Sie antwortete darauf, ich zitiere: „Eine Überlastung der Richter ist laut den bundesweit geltenden Erhebungen nicht zu erkennen.“ Zitatende. Darüber hinaus betonte sie, dass sie, um die Sicherheit der Menschen im Land auch weiterhin zu gewährleisten, zwei Personalentscheidungen getroffen hat, ohne dass neue Richterstellen geschaffen werden müssen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es gäbe nach den bundesweiten Erhebungen, also nach PEBB§Y, keine Überlastung. Das bringt uns zu der altbekannten Frage, ob PEBB§Y wirklich die tatsächlichen Bedarfe abbildet. Scheinbar nicht, sonst hätte man im Jahre 2010 nicht beschlossen, PEBB§Y zu evaluieren, und sonst hätte das Justizministerium das Landgericht Schwerin im Jahre 2012 nicht verstärkt. Zwischenzeitlich ist die Evaluierung abgeschlossen, aber die ursprünglichen Kriterien sind geblieben. Wirklich praxistauglich ist PEBB§Y nach wie vor scheinbar nicht.

Man sieht ganz deutlich, dass das absolut auf der Kante gestrickt ist. Solange alles normal läuft, bekommt man im

Gericht mit sehr viel Mühe alles noch hingeschoben. Passiert etwas Außergewöhnliches, wie ein besonders komplexes Verfahren oder die Krankheit eines Richters – verzeihen Sie die Ausdrucksweise –, säuft die Kammer ab. Und da muss man doch die Frage stellen, ob komplexe Verfahren oder Krankheit wirklich so außergewöhnlich sind. Da stellt sich ebenfalls die Frage, warum das Justizministerium nicht auch dieses Mal in Schwerin eingegriffen hat. Wahrscheinlich deshalb, weil man über die anstehenden Entlassungen zu spät informiert wurde.

Wenn ich die Aussage der Ministerin richtig in Erinnerung habe, sagte sie, man habe erst aus der Presse von den vorgenommenen Entlassungen erfahren. Ich muss gestehen, dass ich das sehr sonderbar finde. Scheinbar besteht bezüglich der Kommunikation zwischen dem Ministerium und den Gerichten erheblicher Verbesserungsbedarf.

Meine Damen und Herren, lassen Sie mich aber zum Schluss noch einmal darauf eingehen, warum wir diesen Antrag nach der Unterrichtung des Justizministeriums im Europa- und Rechtsausschuss aufrechterhalten.

(Am Rednerpult leuchtet die rote Lampe.)

Mein letzter Satz: Wir haben den Eindruck, dass dieses Problem kleingeredet wird und wir uns der Aufgabe im Interesse der Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger nicht konkret stellen. – Danke für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Simone Oldenburg, DIE LINKE: Aber die Farbe der Lampe hat gut zur roten Jacke gepasst!)

Im Ältestenrat ist eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Minuten vereinbart worden. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.