Protocol of the Session on April 22, 2016

Wir brauchen nicht erst nach Panama zu schauen, um ein Steuerparadies für große Vermögen zu finden. Auch Deutschland ist eine Steueroase. Panama ist zwar zurzeit in aller Munde, allerdings rangiert Panama nur auf Platz 13 der Weltrangliste der Steueroasen. Deutschland hingegen wird vom Netzwerk Steuergerechtigkeit bereits auf Platz 8 der schlimmsten Schattenfinanzplätze geführt.

(Peter Ritter, DIE LINKE: So, so!)

Das ist doch eine Katastrophe! Wir brauchen nicht mit dem Finger nach Übersee zu zeigen, im eigenen Land sollten wir erst einmal klar Schiff machen! Wir brauchen definitiv schärfere Gesetze, die es Banken verbieten, ihren Kunden dabei zu helfen, Geld und Vermögen an der Steuer vorbei in Briefkastenfirmen auf Nimmerwiedersehen verschwinden zu lassen. Dabei müssen die Geldstrafen gerade für Banken so hoch sein, dass sie ihnen wehtun, und diese dürfen auch nicht verhandelbar sein.

Meine Damen und Herren, Briefkastenfirmen gehören verboten.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Auch das sollte als klares Signal aus MecklenburgVorpommern nach Berlin gehen. Sie sind einzig dazu da, um Geld und Vermögen zu verstecken, vor Gläubigern oder auch Verwandten, vor allem aber vor Steuerbehörden. Briefkastenfirmen haben keinen volkswirtschaftlichen Wert. In ihnen wird nichts produziert, von dem die Allgemeinheit profitieren könnte.

Und glauben Sie nicht, dass die Machenschaften an Mecklenburg-Vorpommern vorbeigehen! Auch wir im Land haben die Auswirkungen von Briefkastenfirmen bereits gespürt. Mein Kollege Peter Ritter könnte darüber ein Buch schreiben.

(Jochen Schulte, SPD: Wie? Hat er auch welche?! – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Na siehste, wir haben es immer gewusst. Der Peter wieder! – Zuruf von Jochen Schulte, SPD)

Es war nämlich eine Briefkastenfirma, die Stavenhagen in die Miesen trieb.

(Peter Ritter, DIE LINKE: So ist es.)

Stavenhagen musste die Zeche bezahlen und damit ist auch Schaden für das Land entstanden.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Strafe müssen wir bezahlen für einen Briefkasten, der uns nicht gehört.)

Auch wenn wir zunächst in Deutschland die Gesetze nur anpassen können, Deutschland sollte mit gutem Beispiel vorangehen. Abgewartet hat diese Bundesregierung lange genug. Und Sie, meine Damen und Herren von der Koalition, sollten alles dafür tun, dass der Druck in Berlin sich weiter erhöht. – Vielen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort zur Begründung des Antrages auf Drucksache 6/5310 hat für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN der Abgeordnete Herr Saalfeld.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren!

Herr Liskow, das hat nichts mit Neid zu tun, das hat was mit Steuergerechtigkeit zu tun,

(Egbert Liskow, CDU: Hauptsächlich mit Neid.)

und ich glaube, dass solche Zwischenrufe wie von Ihnen deutlich zeigen, dass es hier an Problembewusstsein in enormem Maße mangelt.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, die Panama Papers haben ein Licht auf das internationale Finanzsystem geworfen, das den Experten sicherlich nicht neu ist, das aber für die breite Öffentlichkeit Licht in die dunklen Ecken eines erschreckenden Parallelsystems geworfen hat, ein Parallelsystem der Mächtigen und Superreichen, mit dessen Hilfe Steuervermeidung, Steuerhinterziehung

und Geldwäsche in einem ungeheuren Umfang betrieben werden, ein Parallelsystem, an dem sich auch 28 deutsche Banken beteiligt haben sollen. Die Panama Papers geben gleichermaßen einen tiefen Einblick in das Finanzgebaren von Superreichen wie auch Kriminellen. Es sollte jetzt jedem klar sein, dass wir nicht nur auf internationaler Ebene eine Menge Arbeit vor uns haben, sondern auch, dass bei uns noch erhebliche Rechtslücken geschlossen werden müssen, um Steuerhinterziehung und Geldwäsche einen wirksamen Riegel vorzuschieben.

Übrigens haben schon mehr als 500.000 Menschen eine Petition unterzeichnet, um Briefkastenfirmen zu schließen und beteiligte Banken zu bestrafen, ein starkes Signal, finde ich, das die Relevanz dieses Themas eindrücklich deutlich macht.

An den Enthüllungen gibt es im Grunde nur einen positiven Punkt, und das sind die Enthüllungen selbst. Wir können dem Whistleblower und den beteiligten Journalisten nur dankbar sein, dass sie diese Machenschaften aufgedeckt haben und damit erheblichen öffentlichen Druck erzeugen. Es ist jetzt unsere Aufgabe, die notwendigen Konsequenzen zu ziehen, damit die Steuergerechtigkeit in diesem Land, in unserem Land gewahrt bleibt und damit Geldwäsche wirksam unterbunden wird.

Selbstverständlich ist es nicht per se illegal, eine Briefkastenfirma in Panama oder in einer anderen Steueroase zu gründen, aber seien wir einmal ehrlich: Welche richtig guten und vernünftigen Gründe fallen uns denn eigentlich ein, um eine solche Firma zu gründen? Die Veröffentlichungen machen doch deutlich, dass vielmehr Vermögen und Besitz verschleiert oder versteckt werden sollen, entweder, um Steuerzahlungen zu vermeiden – das wäre dann vielleicht nicht zwingend illegal, sondern moralisch fragwürdig, wenn jede noch so kleine Gesetzeslücke ausgenutzt wird –, oder aber, das Vermögen soll direkt vor dem Fiskus versteckt werden, um Steuern zu hinterziehen, das wäre dann illegal.

So oder so erleidet das Vertrauen in staatliches Handeln einen Schaden. So oder so sind diese Geschäftspraktiken ein massiver Angriff auf die Steuergerechtigkeit und das Vertrauen der Menschen. Vertrauen und Legitimität sind die wichtigsten Währungen des politischen oder staatlichen Handelns. Wie sollen wir die Menschen davon überzeugen, dass sie ehrlich ihre Steuern zahlen müssen? Wie sollen wir vermitteln, dass die Aufgaben der öffentlichen Hand gekürzt werden müssen, wenn sich gleichzeitig eine Gruppe sehr, sehr reicher Menschen einer rechtmäßigen und notwendigen Besteuerung entzieht, wenn die, die es sich leisten könnten, keine oder nur geringe Beiträge zur Finanzierung unseres Gemeinwesens leisten?

Aber es gibt einen zweiten erheblichen Problemkreis, der mit den Briefkastenfirmen verbunden ist, und das ist die Geldwäsche. Das ist die Finanzierung von Terrorismus, organisierter Kriminalität, Drogen- und Waffenkriminalität, die Finanzierung von Kriegen und Korruption. Was nützen internationale Sanktionen und Friedensbemühungen, wenn die Waffen dann über den Umweg einer Briefkastenfirma beschafft werden können? Ein solches System – auch noch unter Beteiligung deutscher Banken – darf nicht ignoriert werden.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist doch eigentlich auch ein Anliegen der CDU, die gern mehr

Sicherheit herstellen möchte. Hier haben wir eine wunderbare Gelegenheit, um die internationalen Finanzströme von Terroristen und Kriminellen auszutrocknen. Umso mehr wundert es mich, dass bisher so wenig vom Bundesfinanzminister zu diesem Thema zu hören war.

(Minister Harry Glawe: Sie hören eben nicht zu, wenn der Finanzminister spricht.)

Das ist auch verwunderlich, wenn wir bedenken, dass die Panama Papers nicht die ersten Enthüllungen sind, sondern nur eine Fortsetzung der Offshore-Leaks und von Lux-Leaks.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich möchte ganz kurz auch mal den Blick nach Mecklenburg-Vorpommern lenken bezüglich der Lux-Leaks-Probleme. Im Zentrum von Lux-Leaks stand PwC. Durch eine Kleine Anfrage von mir wissen wir, dass PwC in den letzten Jahren in Mecklenburg-Vorpommern rund 5 Millionen Euro verdient hat. PwC hat geholfen, im Problemkreis der Lux-Leaks-Affäre Steueroptimierungsmodelle zu erarbeiten.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist doch absurd: Wir beauftragen PwC als Land, um Probleme zu lösen, die wir ohne PwC nicht hätten! Ich finde das absurd und deswegen müssten wir auch diesbezüglich über unsere Vergaberichtlinien und unsere Vergabepraxis genauer nachdenken.

(Beifall Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Meine sehr geehrten Damen und Herren, dass dieses Unwesen so lange funktionieren konnte, insbesondere in Deutschland, dafür trägt die Bundesregierung eine erhebliche Mitverantwortung. Deutschland hat bisher weitestgehend bei der Bekämpfung und der Prävention von Steuerhinterziehung und Geldwäsche versagt, und das mit Ansage.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Sie werden daher verstehen, dass wir den bisherigen Ankündigungen der Bundesregierung mit erheblicher Skepsis begegnen. Zum Teil haben sie sich bereits jetzt als Luftnummer erwiesen. Als eine erste Maßnahme kündigte die Bundesregierung die Einführung eines sogenannten Transparenzregisters an. Das soll ein Register für juristische Personen und Unternehmen sein, in dem Informationen über den tatsächlichen wirtschaftlichen Eigentümer enthalten sind.

Das ist aus zwei Gründen ein schlechter Witz: Erstens war es die Bundesregierung, die bisher versucht hat, die Einführung jenes europäischen Transparenzregisters zu verhindern. Zur Umsetzung ist Deutschland nun aber aufgrund der vierten EU-Geldwäscherichtlinie ohnehin verpflichtet. Das heißt, das jetzt angekündigte Transparenzregister hat nichts mit den jüngsten Enthüllungen zu tun. Übrigens wurde diese Richtlinie bereits vor mehr als einem Jahr verabschiedet. Ich frage mich, warum seitdem nichts geschehen ist. Warum dauert allein die Ankündigung, eine verpflichtende Umsetzung einer Richtlinie umzusetzen, ein Jahr? Ich frage mich, meine sehr geehrten Damen und Herren, warum seitdem nichts geschehen ist.

Zweitens verdient dieses Register eigentlich den Namen Transparenzregister nicht, denn es ist kein öffentliches

Register, nur die Behörden sollen Einsicht erhalten. Aber nur, wenn auch die Öffentlichkeit und die Medien Einblick nehmen können, dann können wir von Transparenz sprechen. Dann kann öffentliche Kontrolle auch erst funktionieren. Andere Länder, zum Beispiel Großbritannien, gehen beim Firmenregister sehr viel weiter als Deutschland.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, 28 deutsche Banken, darunter so prominente Namen wie die Deutsche Bank, die Commerzbank oder die Dresdner Bank, haben kräftig an dem Geschäft mit den Briefkastenfirmen verdient. Sie vermittelten die Kunden und stellten Konten und Bankdienstleistungen zur Verfügung. Wo war da eigentlich die deutsche Bankenaufsicht? Entweder hat die BaFin, also die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, nichts gemerkt oder die Informationen, die vorlagen, nicht genutzt. Beides stellt der BaFin und Finanzminister Schäuble ein eher schlechtes Zeugnis aus. Die Banken können nicht so tun, als ginge sie das alles nichts an. Sie können nicht wohlwollend die Augen verschließen, obwohl sie den Missbrauch der Briefkastenfirmen genauer kennen.

Diese Kultur des Wegschauens muss ein Ende haben. Wir müssen sicherstellen, dass Banken nur noch Geschäfte mit Unternehmen machen, bei denen sie die wirklich wirtschaftlich Begünstigten kennen und melden. Damit ist auch klar, dass den Banken und Beratern erhebliche Strafen drohen müssen, wenn sie dagegen verstoßen.

Ein weiterer Punkt wären Listen von Staaten und Gebieten, in denen verschleiert werden kann, wem eine Firma gehört. Aber in der Tat, wir hörten, das könnte sogar Deutschland selbst treffen. Ich habe kein Verständnis dafür, dass die Bundesregierung in Brüssel weiterhin auf der Bremse steht, wenn es darum geht, offenzulegen, in welchen Ländern beziehungsweise Steueroasen Großunternehmen ihre Gewinne ausweisen und Steuern bezahlen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, es ist wirklich eine Schande, dass Deutschland innerhalb der EU und im internationalen Vergleich eine Spitzenposition bei der Geldwäsche einnimmt. Das Volumen der Geldwäsche wird allein in Deutschland auf etwa 50 Milliarden Euro geschätzt. Wir können doch nicht ehrlich über Bargeldobergrenzen zur Bekämpfung der Geldwäsche sprechen, wenn wir gleichzeitig ein solches Parallelsystem mit Hunderttausenden Briefkastenfirmen nicht austrocknen! Das versteht niemand in der Bevölkerung. Die jüngsten Enthüllungen um die Bundesdruckerei, die offenbar selbst in dubiose Geschäfte in Panama verwickelt war, stärkt mein Vertrauen in den Aufklärungs- und Handlungswillen von Wolfgang Schäuble nicht. Mittlerweile wissen wir ja, dass ein Whistleblower an den Aufsichtsrat und an Schäuble mehrere Hinweise geschickt hat und zahlreiche Dokumente zur Verfügung stellen wollte, aber offensichtlich wollte niemand diese Hinweise ernst nehmen und annehmen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, das Briefkastenunwesen muss ein Ende haben. Das ist im Interesse von uns allen. Selbstverständlich ist auch uns klar, dass die Handlungsoptionen auf nationaler Ebene begrenzt sind. Für eine flächendeckende Lösung brauchen wir ein international abgestimmtes Vorgehen. Und hier möchte ich an die Vorrednerin Frau Rösler anknüpfen: Wir sind

uns, glaube ich, alle hier im Saal einig, dass wir für mehr Steuergerechtigkeit sorgen müssen und dieses Finanzsystem, wie es momentan funktioniert, dringend Reformen braucht und so nicht mehr weiter funktionieren darf. Worin wir uns allerdings unterscheiden, ist der Punkt, mit welchem Engagement wir diese Reformen angehen. Ich glaube, dass die Anträge von der Fraktion DIE LINKE und der Antrag von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN hier noch einmal einen Impuls geben könnten, damit die Landesregierung auf der Bundesebene, aber auch auf der europäischen Ebene mehr Druck macht, denn nur Druck wird an diesem System etwas ändern.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, in diesem Sinne danke ich Ihnen zunächst für die Aufmerksamkeit.

Ich möchte allerdings noch einen Punkt erwähnen: Frau Drese hat gerade im vorherigen Tagesordnungspunkt gesagt, es ist richtig und wichtig, vermehrt Europapolitik im Landtag zu beraten. Dem kann ich mich nur anschließen und ich hoffe auf Zustimmung zu unseren Anträgen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Im Ältestenrat ist eine verbundene Aussprache mit einer Dauer von bis zu 90 Mi- nuten vereinbart worden. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat die Finanzministerin Frau Polzin.