Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die staatlichen Leistungen zur Mindestsicherung fußen auf einer Vielzahl von Gesetzen – wir hörten das schon –, Verordnungen und Verwaltungsvorschriften. Als Beispiele seien hier nur die Sozialhilfe, die Grundsicherung im Alter, die Grundsicherung für Arbeitsuchende oder das Asylbewerberleistungsgesetz genannt. Das Leistungsrecht ist eine komplizierte Rechtsmaterie und für viele Bürgerinnen und Bürger – vielleicht auch für einige Politiker – nur schwer nachvollziehbar.
Diese Unübersichtlichkeit belastet aber auch die Menschen, die Gesetze umsetzen und zum Beispiel die Leistungsberechtigten beraten sollen,
Ein zu hoher Anteil des Personals in den Jobcentern ist zudem mit der Bearbeitung der Anträge und der Berechnung von Leistungen, also mit reinen Verwaltungsaufgaben beschäftigt.
Darunter leidet die Beratung und Förderung der Leistungsbeziehenden. Deshalb kümmern sich im Schnitt nur 41 Prozent der Beschäftigten in den Jobcentern um die Integrationsarbeit, eigentlich sollten es 80 Prozent sein.
Sehr geehrte Damen und Herren! Frau Präsidentin! Eine Vereinfachung des Leistungsrechts und eine Entlastung der Jobcenter ist deshalb dringend erforderlich. Das ist jedoch kein Selbstzweck. Eine Reform sollte im Kern auf folgende Ziele ausgerichtet werden:
Erstens. Das Grundrecht auf Existenzsicherung muss zuverlässiger wahrgenommen werden können und es muss verständlicher werden, auf welche Leistungen Personen in welcher Situation überhaupt Anspruch haben.
Zweitens. Die Jobcenter müssen von unnötiger Bürokratie befreit werden. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sollen sich darauf konzentrieren können,
die Leistungsberechtigten zu beraten und sie bei der Arbeitsmarktintegration durch passgenaue Hilfen und eine effektive Vermittlung zu unterstützen.
schlimmer, er lässt Punkte unter den Tisch fallen, die in Wissenschaft, Praxis und Politik weitgehend Konsens finden.
So sind sich fast alle Expertinnen und Experten darin einig, dass die verschärften Sanktionen für unter 25Jährige nicht hilfreich, dafür aber sehr verwaltungsaufwendig sind und zu enormen sozialen Härten führen. Die Personalräte der Jobcenter fürchten infolge des Gesetzes nicht weniger, sondern mehr Arbeit. Ihre Sorgen haben sie in einem Rundschreiben mitgeteilt. Diese Kritik aus der Praxis untermauert, dass der vorgelegte Minimalkonsens keine Entbürokratisierung bringt. Nur ein Teil der von der Bundesregierung vorgeschlagenen Maßnahmen würde tatsächlich dazu führen, dass der Verwaltungsaufwand der Jobcenter sinkt. Dieses Ziel wurde jedoch häufig nur um den Preis erreicht, dass die Berechtigten Leistungseinschränkungen hinnehmen müssen oder ihre Bedarfe gegebenenfalls nicht zuverlässig decken können. So wird zwar die Einkommensanrechnung bei Selbstständigen vereinfacht, jedoch um den Preis, dass sie den Anspruch auf den Erwerbstätigenfreibetrag verlieren. Viele der geplanten Änderungen sind zudem keine Rechtsvereinfachungen, sondern -verschärfungen. So soll der rückwirkende Anspruch auf rechtmäßig zustehende Leistungen noch weiter eingeschränkt werden.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, das vorgelegte Gesetz zur Hartz-IV-Rechtsvereinfachung ist eine verpasste Chance. Statt die Grundsicherung grundlegend zu vereinfachen, besteht der Gesetzentwurf aus einem Bauchladen von kleineren Veränderungen, kurz, es wird viel verändert, aber es wird wenig vereinfacht, wichtige Bereiche werden nicht angepackt. So würde es die Jobcenter sofort entlasten, wenn die Sanktionen ausgesetzt würden. Das verwaltungsaufwendige Bildungs- und Teilhabepaket wird mit dem Gesetzentwurf ebenso wenig angegangen wie die Berechnung der Kosten zur Unterkunft. Das Sozialgesetzbuch II ist übersät mit höchst komplizierten Regelungen und willkürlichen Sonderregeln. Das Auszugsverbot und mögliche Totalsanktionen für junge Erwachsene sowie die fehlende Pflicht, die Leistungsberechtigten über drohende Sanktionen aufzuklären,
Sehr geehrte Damen und Herren! Sehr geehrte Frau Präsidentin! Eine wirkliche Vereinfachung der Grundsicherung muss alle fünf Grundsicherungsleistungen in den Blick nehmen. Diese sind in drei Gesetzen festgeschrieben und selbst sachlich gleiche Tatbestände können faktisch unterschiedlich geregelt werden. Dadurch entstehen für diejenigen, die Unterstützung brauchen, immer wieder Sicherungslücken. Die Jobcenter und So
zialämter werden mit den unterschiedlichen komplizierten Regelungen belastet. Im Ergebnis führt das zu massiver Unzufriedenheit auf allen Seiten. Daran wird der vorgelegte Gesetzentwurf im Kern nichts ändern. Was wir brauchen, ist eine echte, eine gerechte Vereinfachung der Grundsicherung im Sinne der Betroffenen. Was wir brauchen, ist konsequenter Abbau von Bürokratie in der Anwendung des Sozialgesetzbuches II. Wir werden dem Antrag der Fraktion DIE LINKE zustimmen. – Ich danke für die Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Es ist ja kein Geheimnis, dass die Partei DIE LINKE ein sehr egalitäres Sozialstaatlichkeitsverständnis hat, also nach dem Motto, man muss nur genügend umverteilen und dann ist alles gut. Eine gerechte Verteilung halten auch wir für eine wichtige Geschichte,
aber dass durch Umverteilung alles gut wird, da haben wir unsere Zweifel. Also wenn Herr Foerster hier vorträgt, dass all diejenigen sich stigmatisiert fühlen, die im HartzIV-Bezug sind, und das mit der Leistungshöhe in Verbindung bringt, dann kann ich dem nicht so richtig folgen. Leute fühlen sich stigmatisiert, weil sie vom Arbeitsmarkt ausgegrenzt sind. Ich glaube nicht, wenn jetzt jemand im Hartz-IV-Bezug 100 oder 200 Euro mehr in der Tasche hätte, dass sein Selbstwertgefühl damit steigen würde, sondern sein Selbstwertgefühl steigt,
wenn er in Arbeit integriert ist und wenn er letztendlich Bestandteil der arbeitenden Gesellschaft ist.
und die Hartz-Gesetze sind ja mal unter dem Aspekt von „Fördern und Fordern“ verabschiedet worden. Ich war nie wirklich dagegen,
weil mit der Hartz-IV-Regelung eine ganze Reihe von kommunalen Vorteilen verbunden war, auf die ich jetzt nicht eingehen will. Aber was man zu Recht kritisiert hat, ist, ihr fordert und fordert, aber ihr fördert die Leute nicht. Das war ja in der Tat so.
Und nun muss man mal gucken, in welchem zeitlichen Kontext stehen wir denn heute? Wie ist die Situation am Arbeitsmarkt heute? Wir waren ja einige Abgeordnete, die beim letzten Arbeitsmarktfrühstück der Arbeitsagentur Nord hier in Schwerin in der Fachhochschule gewesen sind. Die Regionaldirektorin Frau Haupt-Koopmann trug vor, dass auch der Langzeitarbeitslosensockel in Mecklenburg-Vorpommern zurückgeht.
Das heißt, es finden mehr Leute Arbeit, die langzeitarbeitslos gewesen sind, wo man noch vor Jahren gesagt hat, da bewegt sich nicht viel, hier müssen wir intensiv über einen öffentlichen Beschäftigungssektor nachdenken. Auch da tut sich was, Leute aus dem Bereich kommen vermehrt in Arbeit.
Jetzt muss man in diesem Kontext natürlich auch die Novellierung des SGB II sehen und sich zum Beispiel angucken, was das im Sanktionsbereich bedeutet. Also das SGB II ist ja eine Fortentwicklung von Sozialhilfe und eines der tragenden Elemente der Sozialhilfe ist, Hilfe erhält der, der sich nicht selbst helfen kann beziehungsweise der keine Hilfe von anderen erhält. Und die Frage, die man klären muss, ist: Wie weit geht denn diese Selbsthilfeverpflichtung? Kann jemand sagen, ich habe eine sehr qualifizierte Ausbildung und deswegen nehme ich eine Arbeit zum Mindestlohn nicht an und erhalte Transferleistungen? Oder ist es so, dass man sagen muss, wenn jemand die Möglichkeit hat, zum Mindestlohn arbeiten gehen zu können, dann sollte er auch letztendlich verpflichtet sein, diese Arbeit aufzunehmen und seiner Selbsthilfeverpflichtung nachzukommen? Ich finde, dem kann man was abgewinnen.
Das Gleiche gilt ja auch für den Bereich der Auszubildenden. Ich will Ihnen zwei Geschichten erzählen. Ich gehe gelegentlich zum Friseur
und meine Friseurin erzählte mir vor Kurzem, dass das mit dem Personal hier eine knappe Angelegenheit wäre, der Lehrling, den man eingestellt hätte, sei drei Wochen da gewesen und dann hätte er sich wieder verabschiedet. Eine ähnliche Geschichte habe ich in einem Restaurant gehört, wo ich regelmäßig mal essen gehe mit meiner Frau. Da erzählte mir eine Kellnerin, eine Auszubildende sei sechsmal da gewesen und dann zu Hause geblieben. Fragen Sie doch mal diese Leute, die Friseurin und die Kellnerin, fragen Sie die mal: In welcher Höhe sollte man denn diesen Auszubildenden Hartz-IVLeistungen zur Verfügung stellen? Was meinen Sie, was Sie da für Antworten kriegen?!
Auf der anderen Seite haben wir nach wie vor eine sehr hohe Ausbildungsabbrecherquote. Ich habe jetzt in Vorbereitung auf meine Rede mal geguckt, was da so gesagt worden ist. Ich habe etwas gefunden: Frau Oldenburg hat sich Anfang 2012 mal in Bezug auf diese Ausbildungsabbrecherquote geäußert
und gesagt, wir brauchen da mehr individuelle Unterstützung und Begleitung. Ich finde, da müssen die Ansätze sein. Das heißt, wenn wir im Grunde genommen heute sagen, es ist unser erstes Ziel, letztendlich Leute in den ersten Arbeitsmarkt zu bringen, dann müssen die Instrumente so ausgerichtet sein, dass die Leute individuelle Unterstützung kriegen, um den Weg in den ersten Arbeitsmarkt zu finden, ob es dann bei einem Auszubildenden der Fall ist oder bei einem Langzeitarbeitslosen. Da ist es in erster Linie nicht die Leistungshöhe. Das ist eine wichtige Geschichte, dass man seinen notwendigen Lebensunterhalt in ausreichendem Umfang ausgestalten kann, aber genauso wichtig ist, dass die Menschen per
Es gibt ein paar Punkte, die Ministerin hat das vorgetragen, die finde ich an den Ausführungen von Herrn Foerster ganz sympathisch und hätte da persönlich auch keine Probleme, dem zu folgen, aber dann den Strich darunter zu ziehen und zu sagen, der Gesetzentwurf muss abgelehnt werden, so weit gehe ich nicht. Das ist so, wie es ist, das sind immer Kompromissgeschichten, und ich finde, wenn das Gesetz auf der Bundesebene kommt, dann wird es noch hin und her beraten. Der Kollege Renz hat darauf hingewiesen, dass die Wahrscheinlichkeit, dass da noch mal das eine oder andere passiert, nicht ganz gering ist. Deswegen, im Resümee kann ich nur sagen, die SPD-Fraktion lehnt den Antrag ab. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.