Die Landesregierung hat sich gerade zuletzt gemeinsam mit den norddeutschen Ministerpräsidenten in dem Wismarer Appell geäußert. Dazu kann man stehen, wie man will, wie er ausformuliert ist, aber die Zielstellung ist klipp und klar gewesen: Wir wollen einen Ausbau der erneuerbaren Energien. Und dann kommen Sie hier in diesem Land, wo wir ein einziges Kraftwerk haben, das vom Grundsatz her in diese Kategorie reinfällt, mit diesem
Antrag und setzen sich auch bei Ihren Parteifreunden nicht mal dafür ein, dass in den Bundesländern, wo Sie tatsächlich etwas ändern können, etwas geändert wird.
(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das ist jetzt eine Unter- stellung! Das machen wir sehr wohl.)
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich noch einen zweiten Satz dazu sagen, einen zweiten Satz dazu, was an dieser Diskussion doch auch tatsächlich ein bisschen fadenscheinig ist. Ich bleibe mal bei den Zahlen von Ökopol, damit wir wenigstens auf der gleichen Grundlage diskutieren. Dann ist es gar nicht mal die Frage, dass eine Quecksilberreduzierung in der Perspektive sinnvoll ist. Die wird verlangt, sowohl von der Bundesregierung als auch von der Kommission. Da kann man über die Grenzwerte streiten, das tun wir offensichtlich heute, das Ziel der entsprechenden Reduzierung ist unstrittig. Aber lassen Sie mich doch zum Schluss noch einen Satz dazu sagen.
Nehmen Sie – gestatten Sie mir den Ausdruck, wenn ich in dem Zusammenhang noch mal das Wort „Dreckschleuder“ benutze – das Braunkohlekraftwerk, Neurath ist es, wenn ich das richtig sehe, in Nordrhein-Westfalen. Das hat derzeit einen Ausstoß von, wenn ich das richtig sehe, 667 Mikrogramm pro Kubikmeter, nein, Kilogramm Quecksilber pro Jahr. Ich nehme das jetzt mal aus der Statistik, die ich hier vorliegen habe. Wenn man das nach den Maßstäben reduziert, die Sie zugrunde legen – das ist derzeit das Dreißigfache von dem, was das Steinkohlekraftwerk in Rostock ausstößt –, dann haben wir trotz der Reduzierung mit diesem einen Braunkohlekraftwerk immer noch den fünffachen Quecksilberausstoß, den wir tatsächlich hier in Rostock hätten. Nur mal, um die Relation zu sehen.
Deswegen, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, finde ich das auch etwas bedauerlich an diesem Antrag, und das ist einer der Gründe, weswegen wir ihn ablehnen werden.
Was ich schön fände, was ich begrüßen würde, was meine Fraktion sicherlich auch in Berlin mitträgt, wäre, wenn wir eine gemeinsame Position finden und auch weitertragen würden. Erstens natürlich: weitere Forcierung der Energiewende, Ausbau erneuerbarer Energien. Da sehe ich nicht mal das Problem bei Ihrer Fraktion, Herr Kollege Suhr.
Ich höre Ihnen zu. Ob ich Ihnen immer zuhöre? Doch, ja, auch, aber vor allem höre ich dem Kollegen Jaeger immer zu.
Der zweite Punkt bei der Sache ist, wenn wir über Reduzierung, übrigens nicht nur im Bereich Quecksilber, sondern auch bei anderen Emissionen durch Kraftwerke reden, dann sollten wir vielleicht tatsächlich darauf drängen, dass wir in erster Linie einmal einen entsprechenden Ausstieg aus der Braunkohletechnologie finden,
denn das ist das eigentliche Problem. Die Steinkohlekraftwerke, die wir in Deutschland haben, sind zwar auch in der Masse Emittenten, also von der Quantität her, aber bei der Qualität der Emissionen, also was tatsächlich den Pro-Kraftwerk-Ausstoß angeht, sind es vorrangig die Braunkohlekraftwerke.
Jetzt komme ich noch mal zu dem Schluss, weswegen ich auch nicht gesehen habe, dass es irgendeinen Antrag oder ein Bemühen Ihrer Fraktion aus den anderen Bundesländern gibt. Sie sind, und das dürfen Sie als Kritik nehmen, als freundlichen Hinweis oder wie auch immer, sie sind offensichtlich in Nordrhein-Westfalen – damit meine ich BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in NordrheinWestfalen – eingeknickt, auch dort vor der Steinkohle- und Braunkohlelobby.
(Heiterkeit bei Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Auch das können Sie uns zu Recht vorwerfen.)
(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja. – Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Betonfront.)
Herr Kollege Suhr, darüber müssen wir nicht diskutieren, dass die SPD in diesem Land eine andere Auffassung zum Thema „Erneuerbare Energien und Kohleausstieg“ hat als die nordrhein-westfälische SPD. Das ist ja wohl unbestritten!
(Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Vielleicht können Sie da mal Einfluss nehmen, damit wir nicht einknicken müssen!)
Welche Möglichkeiten einer entsprechenden Initiative gibt es denn? Wir könnten auf der einen Seite versuchen, über den Bundesrat entsprechende Initiativen zu starten. Und wenn Sie selber einsehen, das meine ich jetzt nicht als Kritik an Ihrer Fraktion hier im Haus, aber wenn Sie selber einsehen, dass selbst die Bündnisgrünen vor Ort in den jeweiligen Landtagsparlamenten auch mit ihren Koalitionspartnern mal keine Mehrheit finden, egal, wer das ist, ob das in Hessen die CDU ist, in NordrheinWestfalen die SPD, in Baden-Württemberg die SPD, in Niedersachsen oder wo auch immer, dann können Sie doch davon ausgehen, dass eine entsprechende Bundesratsinitiative auch nicht von Erfolg gekrönt wäre. Das ist die erste Aussage.
Die zweite Aussage, Herr Kollege Jaeger, ist doch, die Alternative dazu ist, die formellen informellen Wege zu nutzen, die ohnehin schon von diesem Land, von dieser Landesregierung genutzt werden. Da kann man ja sagen, es ist schön, dass Sie das unterstützen, aber wir tun es doch! Sie geben es doch selber zu, dass wir es von diesem Lande aus schon tun, und da frage ich mich natürlich, warum dieser Antrag heute gestellt worden ist. Dann ist die Begründung – und damit komme ich wieder zum Ausgangspunkt meiner Rede –, weil die Stadtvertretung in Rostock das initiiert hat,
(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das stimmt doch nicht! Wir stellen doch nicht jeden Antrag, den die Stadtvertretung Rostock initiiert hat.)
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! 2016 wird ein energie- und klimapolitisch sehr wichtiges Jahr. Es wird das Gesetz zum Strommarktdesign verabschiedet, das EEG wird wiederum novelliert und es wird ein Klimaschutzplan zu verabschieden sein, um den Beschlüssen von Paris Tatsachen folgen zu lassen. Das bedeutet auch, dass der Kohleausstieg umgesetzt werden muss.
Der Thinktank Agora Energiewende hat kürzlich einen 11-Punkte-Plan für den Kohleausstieg veröffentlicht. Wir stimmen nicht mit allem, was dort aufgeschrieben ist, überein, aber eins ist klar: Deutschland kann nicht Energiewendeland sein und gleichzeitig Kohleland bleiben. Jede Initiative, Herr Kollege Schulte, die wir dafür ergreifen, ob über den Bundesrat oder andere informelle Wege, kann dafür nur hilfreich sein. So, wie es jetzt ist, dass die Kohlekraftwerke sozusagen eine Bestandsgarantie erhalten, kann es nicht bleiben. Das untergräbt die
Glaubwürdigkeit der Energiewende und gibt denen, die sie gar nicht wollen, Auftrieb, noch vehementer kontraproduktive Forderungen zu stellen.
Die Diskussion um Quecksilbergrenzwerte fügt sich in die Diskussion um den Kohleausstieg ein. Es ist schon bedenklich, dass ein Mensch in Deutschland durchschnittlich siebzehnmal mehr Quecksilber einatmet als ein Mensch im US-Bundesstaat New York. Technisch ist eine deutliche Reduzierung des Ausstoßes längst kein Problem mehr, aber die starke Lobby der großen Energieversorger stemmt sich mit aller Macht gegen Fortschritte auf diesem Gebiet. Bisher sieht es so aus – und alle Bemühungen von Frau Hendricks in allen Ehren –, als ob deren Interessen, nämlich die der Kohlelobby, über dem Wohl und der Gesundheit der Menschen stehen.
Das Absenken der Grenzwerte in Deutschland, wie im Antrag gefordert, wäre ein wichtiger Schritt, kann aber auch nur ein erster Schritt sein. Der wirksamste Schutz gegen Quecksilber, aber auch gegen andere Schadstoffe ist und bleibt der Kohleausstieg. Deutschland muss raus aus der Kohle! Wir meinen, 2035 sollte der letzte Kohlekraftwerksblock abgeschaltet werden. Agora fordert 2040. Nun, letztlich werden wir nicht um ein paar Jahre oder eine Jahreszahl streiten, wenn denn das Ziel tatsächlich klar ist, so schnell wie möglich aus der Kohle auszusteigen. Das ist mehr als sinnvoll und auch machbar. Vor allem, das hat Kollege Schulte gesagt und dem stimme ich vollkommen zu, müssen die ineffizientesten Braunkohlekraftwerke schleunigst vom Netz.
Übrigens, falls es jemanden geben sollte, der mir jetzt wieder unter die Nase reibt, dass Brandenburg auch nicht für den Kohleausstieg sei, kann ich Ihnen guten Gewissens heute entgegnen: Erstens stimmt das nicht, denn 2040 steht als Endpunkt für die Braunkohle in Brandenburg im Koalitionsvertrag, und zweitens, DIE LINKE in Brandenburg hat gerade am vergangenen Wochenende dem Neuaufschluss in Jänschwalde-Nord eine Absage erteilt. Jetzt kommt es darauf an, dass die SPD das auch mitträgt. Aber es kommt nicht nur darauf an. Es sind Strukturanpassungen nötig, damit Arbeitsplätze auf anderen Feldern entstehen, und das kann nicht nur der Tourismus sein, auch nicht in Brandenburg.
Vielleicht erinnern Sie sich, ich habe namens meiner Fraktion hier im Landtag mal ein Konversionsprogramm für Kohlereviere gefordert. Es ist doch paradox, dass mittlerweile jede dritte Kilowattstunde Ökostrom ist, aber gleichzeitig die emissionsintensive Kohleverstromung weiter auf hohem Niveau stattfindet und sogar noch steigt. Anstatt, dass der Anteil an der Kohleverstromung im Verhältnis zum Ökostrom abnimmt, erleben die Kohlekraftwerke seit 2010 eine Renaissance und Überschüsse werden in erheblichem Maße exportiert. Damit wird nicht nur dem Klimaschutz ein Bärendienst erwiesen, nein, auch die Energiewende wird konterkariert.
Natürlich kann eine komplette Umstellung auf ein regeneratives Energiesystem nicht von heute auf morgen geschehen, aber ein Wandel, der über 20 Jahre stufenweise vollzogen wird, ist sowohl aus Sicht der Versorgungssicherheit als auch aus Sicht der Bezahlbarkeit zu machen. Aber noch einmal: Die Bundesländer, wo die Kohlewirtschaft ein wichtiges wirtschaftliches Standbein und mit vielen Arbeitsplätzen verbunden ist, brauchen Unterstützung beim Strukturwandel.
Lange Rede kurzer Sinn, das Herabsetzen der Grenzwerte für Quecksilber ist als kurzfristige Maßnahme zum Schutz der Gesundheit mehr als vernünftig. Das jetzt anzugehen, ist auch deshalb notwendig – und hier kommen wir zum Zeitpunkt, warum der heute gerade für diesen Antrag günstig ist –, weil sowohl das Europäische Parlament als auch der Europäische Rat auf dem Weg sind, eine neue Verordnung zu verabschieden. Die Informationen des Europa- und Rechtsausschusses haben wir mit Datum vom 08.02. erhalten. Es ist also ein günstiger Zeitpunkt.