Protocol of the Session on January 29, 2016

Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Die LINKEN wehren sich sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene gegen diese Planungen. Unsere Bundestagsfraktion hat sich bereits im November vergangenen Jahres mit einem Antrag eindeutig positioniert. Gefordert wurde die sofortige Einstellung aller Aktivitäten zur Gründung einer Bundesfernstraßengesellschaft. Weiterhin wurde gefordert, dass Bund und Länder nach Vorliegen der Ergebnisse der Bodewig-II-Kommission gemeinsam Vorschläge für eine Reform der Auftragsverwaltung erarbeiten und umsetzen. Dieser Antrag hat bei den Regierungsfraktionen auf Bundesebene zumindest bewirkt, dass die Ergebnisse der Bodewig-II-Kommission abgewartet werden sollen. Sie werden für Ende Februar erwartet. Zudem wird zum Antrag der Bundestagsfraktion eine Anhörung im Verkehrsausschuss stattfinden.

Ungeachtet dessen und des wachsenden Widerstandes aus den Ländern treibt die Bundesregierung im Hintergrund allerdings ihre Pläne voran. Mitte Dezember wurde öffentlich, dass sich die drei Bundesministerien für Wirtschaft, Finanzen und Verkehr nach langem Ringen auf

Eckpunkte für einen Plan zur Schaffung einer Bundesautobahngesellschaft verständigt haben. Die Bundesautobahn- oder Bundesfernstraßengesellschaft soll das überregionale Verkehrsnetz in Deutschland finanzieren, planen, bauen, erhalten und dann auch betreiben. Diese Gesellschaft soll privatrechtlich organisiert sein. Die Schaffung einer GmbH wird geprüft. Vor allem sollen sich private Investoren an den Projekten der Gesellschaft beteiligen dürfen. So wollen der Bundeswirtschafts-, der Bundesfinanz- und auch der Bundesverkehrsminister privates Kapital für die Investitionen mobilisieren.

Sehr geehrte Damen und Herren, schon Karl Marx schrieb in seinem berühmtesten Werk „Das Kapital“,

(Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)

dass eben das Kapital immer nach neuen und besseren Verwertungsbedingungen sucht.

(Zuruf von Dietmar Eifler, CDU)

Auch wegen der anhaltenden Niedrigzinsperiode suchen Versicherungsgesellschaften und Rentenfonds händeringend neue Anlagemöglichkeiten, am besten hochverzinsliche und sichere Anlageformen. Der öffentliche Sektor ist dafür hervorragend geeignet. Bundesautobahnen und Bundesstraßen haben einen erheblichen Wert. Zudem besteht ein großer Investitionsstau und die öffentliche Hand hat sich der Schuldenbremse verschrieben.

Wenn ich eins und eins zusammenzähle, bietet es sich nach dieser Kapitallogik geradezu an, dass sich Kapital und öffentliche Hand verbünden. Die Anleger könnten ihr Geld mit sicherer Rendite anlegen, und die Finanzierung von Planung, Bau und Erhaltung von Bundesstraßen geschieht auch unter Renditegesichtspunkten. Was das für Mecklenburg-Vorpommerns relativ wenig befahrene Straßen bedeuten würde, kann sich jeder ausmalen.

Die Bundesfernstraßen als überregionale Verkehrsinfrastruktur gehören zur Daseinsvorsorge, die aus unserer Sicht unbedingt öffentlich bleiben muss. Auch eine Gesellschaft vollständig in Bundeseigentum lehnen wir ab. Vergleiche mit der auch in Bundeseigentum befindlichen Deutschen Bahn drängen sich hier förmlich auf. Die Erfahrungen mit der in Tochtergesellschaften aufgesplitteten Deutschen Bahn und den Auswirkungen der Gewinn- orientierung kennen wir zur Genüge. Die Deutsche Bahn als öffentlich-privatrechtlich bewirtschaftete Gesellschaft untersteht außerdem nicht mehr der Aufsicht durch das Parlament.

Auch eine Bundesautobahn- oder Bundesfernstraßengesellschaft würde völlig marktorientiert und ohne parlamentarische Kontrolle agieren können. Vor allem aber die von Verkehrsminister Dobrindt favorisierten und schon praktizierten öffentlich-privaten Partnerschaften lehnen wir entschieden ab. Das ist Rendite für die Privaten auf Kosten der öffentlichen Hand. Dafür haben wir Beispiele zur Genüge im Land. So zahlt das Land noch immer für Fehler der 90er-Jahre. Der sogenannte Investorenbau JVA Waldeck wird uns noch nach 2026, dem Auslaufen der Mietzeit, beschäftigen. Über 30 Jahre wird das Land, damit die Steuerzahler, dann fast das Dreifache der Baukosten gezahlt haben und noch ist unklar, ob dann die Kredite getilgt sind. Im schlimmsten Fall muss noch der Kredit abgelöst und nach 30 Jahren Nutzung kräftig investiert werden.

Sicher, im Fall der JVA Waldeck wurde mit krimineller Energie vorgegangen, aber auch legal steht allein der Profit im Fokus, nicht etwa die Sicherung der Daseinsvorsorge. Es wird dort investiert, wo es sich rechnet. Damit wäre Mecklenburg-Vorpommern – genau wie schon jetzt bei der Deutschen Bahn – abgeschrieben. In einem Land mit der geringsten Einwohnerdichte Deutschlands und einer Bevölkerung, die immer älter und dann auch zunehmend im Ruhestand ist, können Autobahnen und Bundesstraßen nicht so befahren sein wie in den Metropolregionen. Selbst wenn die Maut auf alle Lkws und auch auf Pkws ausgedehnt und zudem stark erhöht wird, wird sich Straßenbau in Mecklenburg-Vorpommern nicht durch die Nutzer finanzieren lassen. Das wäre das Ende der Investitionstätigkeit. Der Erhalt der Autobahnen und Bundesstraßen und der Bau von Ortsumgehungen würden auf der Kippe stehen.

Stichwort „Nutzerfinanzierung“. Schon die derzeit von Brüssel gestoppten, aber vom Bund nur zurückgestellten, nicht gestoppten Pläne einer Pkw-Maut gehören zum Plan für diese Bundesautobahn- beziehungsweise Bundesfernstraßengesellschaft. Die Gelder der Maut sollen zweckgebunden genutzt werden. Auch Teile der Energiesteuer, vormals Mineralölsteuer, sollen in die Gesellschaft fließen. Wenn in die Straßengesellschaft die Einnahmen fließen, was bleibt dann noch für die Schiene? Noch weniger als jetzt! Damit hat die Straße endgültig Vorfahrt und die Schiene wird noch stiefmütterlicher behandelt.

Für ein Pendlerland wie Mecklenburg-Vorpommern wäre die Maut für den privaten Pkw-Verkehr erst dann gerechtfertigt, wenn wir mit dem öffentlichen Verkehr tatsächlich bedarfsgerecht, kostengünstig und in angemessener Zeit dahin kommen, wohin die Nutzer wollen und müssen. Die Argumente sprechen für sich: Es gilt, die Bundespläne zu vereiteln.

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Mit diesem Antrag stellen sich die Regierungsfraktionen gegen Bundesminister mit gleichem Parteibuch. Auch für die Bündnisgrünen ist es nicht ganz so einfach, weil ihre Bundestagsfraktion die Pläne zumindest bislang befürwortet. Wie ich eingangs bereits sagte, haben sich schon einige Landtage für die Beibehaltung der Auftragsverwaltung durch die Länder ausgesprochen. Gut, dass nun auch der Landtag Mecklenburg-Vorpommern sich auf die Seite derjenigen stellt, die die Bundespläne vereiteln wollen. Das ist eine reale Chance, denn nur wenn die Länder zustimmen, sind die Pläne umsetzbar.

Die Minister Gabriel, Schäuble und Dobrindt ackern derzeit, die Bundesländer für ihre Pläne zu überzeugen, denn für die Schaffung einer Bundesautobahn- und Bundesfernstraßengesellschaft ist eine Änderung des Grundgesetzes notwendig und damit die Zustimmung des Bundesrats.

Mit dem heutigen Beschluss erteilt das Landesparlament der Landesregierung einen klaren Handlungsauftrag. Dass dies fraktionsübergreifend erfolgt, ist wichtig und gut. Das dürfte auch vorerst die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Straßenbauverwaltung beruhigen, die Angst um ihren Job beziehungsweise Angst vor einem weit entfernten Arbeitsort haben. Schließlich wurden gerade für sie die Strukturen erst verändert. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der CDU der Abgeordnete Herr Eifler.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen! Bei der Einführung dieses interfraktionellen Antrages hat Herr Schulte ausführlich dazu gesprochen, wie das zustande gekommen ist. Deshalb erspare ich es mir an dieser Stelle.

Ich will aber noch mal auf die Rede meiner Vorrednerin eingehen. Ich hatte mir nicht vorstellen können, dass wir infolge dieses interfraktionellen Antrages, wo es um die Auftragsverwaltung des Bundes durch die Länder geht, hier eine Stunde der politischen Ökonomie des Sozialismus à la Marx vorgetragen bekommen.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Haben Sie Marx gelesen?)

Wir wissen ja alle, wie diese Ideologie gnadenlos gescheitert ist: 1989 mit einem Fiasko in der damaligen DDR.

Frau Schwenke, nehmen Sie das endlich zur Kenntnis, dass mit dieser Ideologie keine Lorbeeren zu gewinnen sind!

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Das ist keine Ideologie, das ist Wissenschaft, Herr Eifler, und manches bleibt trotzdem wahr.)

Und sich das dann auch noch ans Revers zu heften und zu sagen, das ist meine Initiative – nein, in der Tat, durch die intensive Zusammenarbeit mit dem Kollegen Schulte ist dieser interfraktionelle Antrag zustande gekommen.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Die Initiative ging von Frau Schwenke aus. Das müssen Sie endlich mal anerkennen!)

Und dafür, Herr Schulte,

(Helmut Holter, DIE LINKE: Das ist nun wirklich die Wahrheit.)

noch mal recht, recht herzlichen Dank!

So viel zu dem Zustandekommen dieses Antrages, in dem es in der Tat um ein Thema geht, nämlich um den Erhalt der Auftragsverwaltung, die Bundesfernstraßen betreffend.

Ich glaube, fast jeder von uns aus den demokratischen Fraktionen hat in den zurückliegenden Wochen Schreiben von Mitarbeitern der Straßenbauverwaltung unseres Landes bekommen, in denen die Sorge zum Ausdruck gebracht wird, dass die Auftragsverwaltung für die Bundesfernstraßen durch die Bundesländer an eine Infrastrukturgesellschaft des Bundes übertragen werden soll. Ich könnte meine Ausführungen jetzt kurz machen und Ihnen sagen, dass meine Fraktion diese Schreiben dahin gehend beantwortet hat, dass die Auftragsverwaltung gemäß Artikel 90 Absatz 2 und 85 des Grundgesetzes erfolgt und es zur Änderung dieser Regelung einer Zweidrittelmehrheit im Bundestag und im Bundesrat bedarf.

Eine solche Mehrheit sehen wir derzeit nicht. Auch aus diesem Grunde ist eine Übertragung der Auftragsverwaltung für die Bundesfernstraßen an eine Infrastrukturge

sellschaft des Bundes nicht zu erwarten. Außerdem – das ist angesprochen worden – hat die Verkehrsministerkonferenz in dem zurückliegenden Jahr eine eindeutige Position dazu vertreten, und daran hat sich bis heute auch nichts geändert. Wir haben ja gehört, dass man mittlerweile in Berlin auch weiter an dem Thema arbeitet.

Trotz der bisherigen Ausführungen möchte ich etwas weiter in diese Thematik einsteigen. Klar ist, dass eine vom Bundeswirtschaftsminister eingesetzte Expertenkommission unter dem Namen „Stärkung von Investitionen in Deutschland“ die Empfehlung abgegeben hat, wonach die Betreuung der Bundesfernstraßen aus den Verwaltungen der Länder herausgelöst und eine bundeseigene Gesellschaft gebildet werden soll. Vor diesem Hintergrund sind die Sorgen der Mitarbeiter in den Straßenbauverwaltungen, aber auch die der Gewerkschaften durchaus verständlich.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Alliierten haben nach dem Zweiten Weltkrieg die Verwaltung der Fernstraßen in die Verantwortung der Länder gelegt. Diese sollten die Straßen treuhänderisch bis zur Gründung der Bundesrepublik Deutschland verwalten. Diese sogenannte Auftragsverwaltung im Sinne des Artikels 85 des Grundgesetzes gibt es außer im Bereich der Bundesfernstraßen nur noch in den Bereichen Atomrecht und in Teilen der Finanzverwaltung.

Die Auftragsverwaltung für Bundesfernstraßen wurde in den zurückliegenden Jahren immer wieder hinterfragt. Insbesondere der Bundesrechnungshof und der Bundeswirtschaftsminister haben sich für eine eigenständige Verwaltung der Bundesfernstraßen durch den Bund ausgesprochen. Mittels der eigenständigen Verwaltung soll eine Stärkung von Investitionen in Deutschland erreicht werden.

(Vizepräsidentin Regine Lück übernimmt den Vorsitz.)

Seitens des Bundes wird bemängelt, dass es im Bereich der Finanzierung zu Fehlanreizen gekommen wäre, die unwirtschaftliche Projekte fördern oder zu Planverzögerungen führen. Des Weiteren wird die mangelnde Einflussmöglichkeit des Bundes im Rahmen der Aufsicht bemängelt. Es gibt immer wieder Vorwürfe, dass trotz vorhandener Mittel nicht ausreichend genehmigte Projekte zur Verfügung stehen. Vor dem Hintergrund, meine Damen und Herren, dass die Planung zunächst durch die Länder vorzufinanzieren ist, es aber keinesfalls sicher ist, dass diese Projekte umgesetzt werden, besteht hier meines Erachtens Änderungsbedarf.

Meines Erachtens muss auch geprüft werden, ob das Personal in den Straßenbauverwaltungen des Landes ausreichend ausgestattet ist, um die Umsetzung der anstehenden Aufgaben realisieren zu können. Gespräche mit den Vertretern der Straßenbauverwaltungen in den zurückliegenden Wochen haben verdeutlicht, dass das Personalkonzept des Landes auch hier Spuren hinterlassen hat. Es gilt also, durch ein gezieltes Personalmanagement gegenzusteuern.

Ich teile die Auffassung des Bundes, dass keine unwirtschaftlichen Projekte aufgrund politischer Vorgaben oder der Bundesfinanzierung umgesetzt werden sollten. Wir müssen mit dem Geld des Bundes, welches auch von Steuerzahlern aufgebracht wird, achtsam und verantwor

tungsvoll umgehen. Nur bei Nutzung der von mir genannten Maßnahmen kann es uns gelingen, den Befürwortern der Verlagerung der Bundesauftragsverwaltung den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, eine Reform der Bundesauftragsverwaltung erfordert die Änderung des Grundgesetzes. Dies wiederum setzt die Abstimmung zwischen Bund und Ländern und eine mehrheitliche Zustimmung der Länder zu dem Reformvorhaben voraus. Eine solche Mehrheit sehe ich derzeit weder im Bundesrat noch im Bundestag, zumal – und hier wiederhole ich mich noch mal – sich auch die Verkehrsministerkonferenz eindeutig gegen die Änderung der Auftragsverwaltung in der Weise ausgesprochen hat, dass die Verwaltung der Bundesfernstraßen den Ländern entzogen wird. Deshalb ist mit einer Übertragung der Auftragsverwaltung nicht zu rechnen.

Dennoch ist der vorliegende Beschluss notwendig, um der Landesregierung weiterhin den Rücken zu stärken, aber auch Wege aufzuzeigen, um einer Übertragung der Auftragsverwaltung langfristig entgegenzustehen. Deshalb bitte ich um Zustimmung zu diesem interfraktionellen Antrag, wovon ich ausgehe, und bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion der CDU)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Köster von der Fraktion der NPD.

(Zuruf vonseiten der Fraktion der NPD: Kein Redebedarf.)

Die NPD-Fraktion hat ihren Redebeitrag zurückgezogen und ich bitte den Abgeordneten Jaeger von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, das Wort zu ergreifen.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN trägt den Inhalt dieses Antrags mit und wir stimmen natürlich für diesen Antrag, logisch.

(Heiterkeit bei Jochen Schulte, SPD: Sonst hättest du ja auch nicht unterschrieben.)

Aber ich möchte trotzdem etwas Wasser in den Wein gießen.