die unpolitisch zu betrachten sind, hätte besprechen können. Diesen Weg haben Sie ganz bewusst nicht gewählt, sondern der erste Aufschlag war von Ihnen
in der Öffentlichkeit und in der Presse, auch mit der Ankündigung, dass Sie einen offenen Dialog von uns erwarten, uns aber gleichzeitig vor vollendete Tatsachen gestellt haben.
Sie haben eine Kleine Anfrage gestellt an die Landesregierung, die umfangreich durch die Landesregierung beantwortet wurde. Das hat die Ministerin heute hier noch mal gesagt. Da sind viele Themen, die Sie in Ihrem Antrag nennen – ich könnte das jetzt im Einzelnen durchgehen und begründen –, im Prinzip beantwortet worden, und zwar abschließend, sodass viele Probleme, die Sie angerissen haben, keine Probleme mehr im klassischen Sinne sein müssten.
Aber natürlich ist es so – auch das nehme ich und das nimmt auch meine Fraktion zur Kenntnis –, es wandeln sich die Zeiten. Hier immer wieder die Kirchen anzuführen und zu sagen, ja, vor 200 Jahren waren Feuerbestattungen noch verboten, wissen Sie, da sage ich Ihnen mal als überzeugter Katholik: Die Katholische Kirche wäre nicht 2.000 Jahre alt geworden, wenn man jedem Mainstream sofort hinterhergelaufen wäre.
Ich glaube, beim Thema Bestattungskultur ist das etwas Ähnliches. Da können Sie nichts erzwingen. Wir sollten uns alle miteinander davor hüten, das für politische Ränkespielchen zu gebrauchen. Ich will gar nicht abschließend sagen – und, Herr Ritter, ich weiß auch von Ihrer persönlichen Betroffenheit –, dass Sie tatsächlich vorhaben, damit politisch zu spielen. Dann bringen Sie dieses Thema aber wirklich zu einer Unzeit. Natürlich ist es schwierig, wenn Sie vor der Landtagswahl ein Thema, was alle Menschen bewegt, wo es keine endgültige, abschließende, richtige Meinung gibt, wo es um Grenzbereiche des Daseins geht, einfach so hier aus der Hüfte schießen, eine Kleine Anfrage an die Regierung machen, daraus einen Antrag gießen und sagen, so, liebe Regierung, nun verhaltet euch dazu, und dann wollen wir mal gucken, wie die Koalition dazu steht!
Sie können sich natürlich vorstellen, dass die Diskussion in meiner Fraktion und die Diskussion mit dem Koalitionspartner zu diesen Themen völlig konträr laufen. Ich könnte Ihnen sagen, wie ich dazu stehe. Aber das wird gar nicht viel nützen,
weil wie ich dazu stehe, ist völlig unerheblich. Es ist entscheidend, wie sieht das die Mehrheit dieses Landtages, wie sieht es die Mehrheit der Menschen in diesem Land. Ich hätte es viel besser gefunden, wir hätten uns in diesem kleinen Rahmen zusammengefunden, hätten gefragt: Seht ihr da auch Handlungs- und Regelungsbedarf?
Das, was Sie sagen bei der Qualifikation der Ärzte, kann ich Ihnen aus dem persönlichen Erleben sagen. Auch ich habe meinen Vater zu Hause bis zum Tod gepflegt und er ist bei mir zu Hause in meinen Armen gestorben. Ich habe es als relativ unwürdig empfunden, wie dieses Verfahren dann abläuft, wie ein Arzt feststellt, ist jetzt der Tod eingetreten oder nicht, bei einer relativ klaren Aktenlage dazu.
Sicherlich gibt es da Reformbedarf. Aber trotzdem glaube ich nach wie vor, dieses Thema lohnt nicht zur politischen Auseinandersetzung, sondern dieses Thema ist so spe- ziell, dass man die Kraft haben sollte – und vielleicht haben Sie auch noch die Kraft als LINKE –, da wieder ein bisschen abzurüsten und zu sagen: Lasst uns intern zusammensetzen, lasst uns alles auf den Tisch legen, was euch so bewegt, wegen mir auch mit den persönlichen Betroffen- heiten, und daraus ein Gesamtkonzept machen, was wir gemeinschaftlich – und ein paar von Ihnen werden wahrscheinlich nach der nächsten Wahl auch wieder dabei sein – in einem neuen Landtag hier offen und in allen Ausschüssen diskutieren. Ich halte es aber für nicht gut, so ein schwieriges Thema kurz vor der Landtagswahl zu versuchen, in die Öffentlichkeit zu schieben und mit diesem schwierigen Thema politisches Kapital herauszuschlagen.
(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr richtig. – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Das ist genau richtig, genau richtig. So was geht nicht, dafür ist das Thema nicht geeignet.)
Ich habe Ihnen gesagt, dass ich Ihnen das nicht unterstelle. Es könnte aber der Eindruck entstehen, dass der eine oder andere bei Ihnen das vielleicht ganz bewusst vorhat.
Sie haben Bremen als Beispiel genannt. Ich habe mir die Debatten in Bremen angeschaut. Die waren sehr kontrovers. Es ist immer, wenn es um dieses Thema geht, sehr kontrovers und es wird sehr kontrovers diskutiert.
Auf der einen Seite stehen diejenigen, die unsere christlich-abendländische Kultur mit unserer Bestattungskultur bewahren wollen. Dazu gehören große Teile meiner Partei, aber nicht alle. Auf der anderen Seite stehen diejenigen, die sagen, ich möchte es aber um jeden Umstand reformieren. Umso länger ich darüber nachdenke, ist für mich die Frage: Endet die Würde des Menschen mit dem Todeszeitpunkt oder endet sie nicht?
Das ist für mich auch eine tief religiöse Frage. Die kann ich nicht juristisch beantworten, die kann ich nicht bürokratisch beantworten.
Aber es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, sich diesem Thema zu nähern. Man kann sich dem juristisch nähern, man kann sich dem aber auch ganz, ganz grundsätzlich christlich-ethisch nähern, und man wird immer wieder zu unterschiedlichen Auffassungen kommen.
Das hat in Bremen beispielsweise dazu geführt, dass es mehrere Leute gab, die, als sie gehört haben, man will das Bestattungsgesetz liberalisieren, sofort Anfragen gestellt haben, ob wir zukünftig die Möglichkeit haben, unsere Verwandten auf unserem Balkon zu bestatten. Die Bremer Bürgerschaft hat sich dann veranlasst gesehen zu sagen, nee, nee, also so weit wollen wir das nicht gehen lassen. Dann musste die Behörde antworten und sagen: Das ist schwierig. Wissen Sie, bei verschiedenen Windrichtungen und wenn es stark regnet, kann es sein, dass die Überreste des Verstorbenen auf einem Balkon landen, wo er nicht hin wollte. Das ist alles aktenkundig und so belegt.
Weil diese Diskussion darüber so schwierig ist, hätte ich mir gewünscht, dass wir uns vorher intern dazu verständigen,
Wenn wir es total liberalisieren und sagen, gut, zukünftig darfst du die Urne zu Hause aufbewahren, zukünftig darfst du die Asche deines verstorbenen näheren Angehörigen auf deinem Grundstück bestatten, kann ich mir als überzeugter Christ nicht vorstellen, wie dann in der tatsächlichen Praxis ein einigermaßen würdevoller Umgang mit den Toten funktionieren soll. Ich persönlich kann es mir schwer vorstellen.
Ich weiß nicht, was Sie mit der Asche und der Urne, also den Überresten eines Verstorbenen machen wollen bei
spielsweise bei Scheidungen, denn heute wird sich bei Ehescheidungen über alles Mögliche gestritten. Was tun Sie mit der Urne? Ich habe einen Scheidungsanwalt gefragt, was für eine Erfahrung er hat, ob es gewisse Bereiche gibt, die man ausklammern kann, wo man sagt, hier gibt es einen würdevollen Umgang. Da hat er mir gesagt, das kannst du vergessen. Du kannst dir relativ sicher sein, es gäbe dann sogar einen Streit um die Urne
und der Verstorbene mit seinen Überresten würde bei jedem Umzug von A nach B mitziehen. Was machen Sie eigentlich, wenn Sie eine Urne auf Ihrem Privatgrundstück bestattet haben und Sie verkaufen das Grundstück irgendwann?
Wir sind nicht auf alle Ewigkeiten, auf alle Zeiten an Haus und Grund gebunden. Nehmen Sie die Urne dann mit? Buddeln Sie die wieder aus? Was passiert mit dem Nachfolger? Wie findet das eigentlich der Nachbar, wenn Sie die Asche eines Verstorbenen auf Ihrem Rasen ausstreuen? Also es gibt viele Dinge, die dabei zu bedenken sind.
Ich kann Ihnen für meine Fraktion sagen, dass wir nicht zu allen Punkten eine abschließende Meinung haben. Ich weiß nur eins: Für mich und meine Fraktion endet die Würde des Menschen nicht mit dem Tod.
Wir waren uns auch sehr einig darüber, dass es nicht nur eine Alleinveranstaltung ist, wie beispielsweise meine Kinder mit meinen sterblichen Überresten irgendwann umgehen. Vielleicht ist es auch ein Punkt, über den man diskutieren muss, dass es keine ganz alleinige Privatangelegenheit ist, wie Angehörige mit den sterblichen Überresten umgehen. Sie haben auch Freunde, sie leben in einer Welt. Wie sichern Sie zukünftig denen den Zugang,
um auch weiter am Grab oder an der Begräbnisstätte eines Verstorbenen zu trauern, wenn Sie das komplett in die Privatheit abgeben? Das sind alles Fragen, die für mich sehr, sehr schwierig zu beantworten sind im Augenblick, wo ich mir gar nicht vorstellen kann, die hier ganz global in einer Landtagsdebatte zu beantworten. Das haben Sie allerdings auch nicht gefordert, Herr Ritter. Sie merken, dass mir die Diskussion dazu nicht so leichtfällt.
Ich hätte noch viele Punkte, die mir durch den Kopf gegangen sind, die man ansprechen sollte. Deshalb bitte ich Sie – auch für meine Fraktion – herzlich, sich zu überlegen, ob wir diese Debatte nicht ganz intern, vielleicht auch hinter verschlossenen Türen, erst mal abstecken können, um zu sehen, wo haben wir möglicherweise Schnittmengen, auch gemeinschaftlich mit der zuständigen Ministerin, ob wir auch aus Sicht der Regierung derzeit Teilbereiche haben, wo wir wirklich Novellierungsbedarf hätten, und das alles zusammen in vernünftiger Diskussion, Herr Ritter. Das haben wir bei anderen schwierigen Themen auch schon hingekriegt. Das würde ich mir und meine Fraktion sich bei diesem nicht ganz einfachen Thema jedenfalls sehr wünschen.
Ich sage Ihnen auch, wir verschließen uns der Diskussion darüber nicht, aber klar ist für mich und auch für meine Fraktion: Die menschliche Würde endet für uns nicht mit dem Tod. Und deshalb ist das für uns ein sensibles Thema, mit dem wir auch sensibel und im christlichabendländischen Grundverständnis umgehen wollen. – Haben Sie vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Auch bei mir hätte als oberster Satz gestanden: Die Würde des Menschen endet nicht mit dem Tod. Wer stellt fest, was der Würde des Menschen entspricht? Das machen der Gesetzgeber und die Öffentlichkeit. Wie bitte schön soll kontrolliert werden im privaten Bereich, ob der würdevolle Umgang mit diesem Menschen, der verstorben ist, noch gewährleistet ist?
Das Argument, was Vincent Kokert gebracht hat, ist, glaube ich, eins der stärksten. Wenn wir sehen, wie heute um das Sorgerecht für Kinder bei Geschiedenen gestritten wird, wie es selbst Streit um Haustiere gibt, die man gemeinsam hatte, wie soll dann gestritten werden über die Urne, die im Schrank steht, zu der beide Menschen eine Beziehung hatten? Das muss alles gerichtlich ausgefochten werden. Dann wird die Urne würdevoll im Garten bestattet. Ohne jede Frage, das ist möglich im privaten Bereich. Drei Monate später entdeckt der Ehemann oder die Ehefrau die E-Mails der Geliebten oder des Geliebten
und sagt, das ist ein Schweinehund gewesen, das geht nicht, gräbt die Urne aus und befördert sie auf den Komposthaufen. Das sind alles solche Dinge.