Herr Schulte, wir waren so frei und haben einen Änderungsantrag geschrieben, um genau diese Stelle klarzustellen.
Ja, es geht um Klarstellung und das sollte in dem Sinne sogar, erlauben Sie mir das bitte, eine kleine Hilfeleistung sein, um den Antrag zu qualifizieren,
Zweitens will ich Sie fragen, ob Sie nun Verantwortung vollständig auf den Bund abschieben wollen? Ich kann mich erinnern an die Aktuelle Stunde, als hier der Ministerpräsident gesprochen hat über die Verhandlungen – was Herr Caffier in seinem zweiten Teil ausgeführt hat – über die Finanzen nach 2020. Der Ball liegt nach wie vor beim Bund und der Bund hat sich dazu noch nicht entschieden. Ich meine schon, dass man nicht den Ball dem Bund zuschieben kann, sondern es ist richtig und wichtig, dass die Weichen auch auf Landesebene gestellt werden.
Deswegen geht es darum – und diese Erfahrung haben wir doch gemeinsam –, jetzt Position zu beziehen und auch deutlich zu machen, wie das Land MecklenburgVorpommern sich verhalten wird, denn die Erfahrungen aus den Verhandlungen über den Solidaritätszuschlag ab 2020, über die Verhandlungen zum Bund-LänderFinanzausgleich oder die Aufteilung der Regionalisierungsmittel waren schwierig und hart. Das ist so und damit können wir sicherlich alle leben. Die Entsolidarisierung mit den ostdeutschen Bundesländern ist offenkundig. Den Bonus, den wir einst mal hatten, gibt es nicht mehr. Wer heute in die Presse schaut, der braucht sich nicht zu wundern, wenn es den Bonus überhaupt nicht mehr geben wird. Umso stärker, bin ich der Überzeugung, muss sich die Landesregierung für die Interessen des Landes engagieren.
Ich hatte es gesagt, mit unserem Änderungsantrag wollen wir a) diese Frage mit der Zeit heilen, aber wir wollen b) auch die Mitverantwortung des Landes hier unterstreichen. Niemand wird leugnen – das hat weder Herr Schulte noch Herr Minister Caffier gemacht –, dass unser Land zu den strukturschwachen Regionen Deutschlands gehört. Das Armutsrisiko und die Sockelarbeitslosigkeit sind mit am höchsten und das Lohnniveau mit am niedrigsten. Dabei haben wir schon sehr viel erreicht. Da braucht man nur in den jüngsten Fortschrittsbericht „Aufbau Ost“ zu schauen. Ich stelle auch nicht in Abrede, dass wir allen Grund haben, stolz auf das Erreichte zu sein. Das haben wir hier in verschiedenen Debatten anlässlich 25 Jahre Mecklenburg-Vorpommern gemeinsam gesagt. Insbesondere können die Menschen stolz sein auf das, was sie geleistet haben, denn sie haben unser Land gestaltet und es immer weiter vorangebracht.
Meine Damen und Herren, uns ist gemeinsam klar, dass uns die Herausforderungen des demografischen Wandels härter und früher treffen als andere Bundesländer. Wir müssen akzeptieren, dass es Veränderungsprozesse in der Wirtschaft und der Gesellschaft gibt. Strukturveränderungen gab es und wird es immer geben. Sie fallen mal stärker, mal schwächer aus und treffen die Regionen unterschiedlich. Herr Schulte hat das an Beispielen von verschiedenen Kreisen selbst deutlich gemacht. Aber wir
dürfen und wollen nicht hinnehmen, dass die Lebensverhältnisse immer weiter auseinanderdriften, anstatt sich anzunähern, nicht in Europa, nicht in Deutschland und erst recht nicht in Mecklenburg-Vorpommern. Deswegen plädieren wir dafür, dass der Strich zwischen den beiden Landesteilen in unserem Landesnamen ein Bindestrich wird und kein Trennungsstrich ist. Die Menschen in beiden Landesteilen, an der Küste, im Binnenland, in der Stadt und auf dem Land müssen gleiche Chancen haben, um Zukunftsperspektiven in Mecklenburg-Vorpom- mern zu finden.
Wenn wir dieses Ziel ernsthaft erreichen wollen, dann ist es nur logisch, dass die Förderung gleichwertiger Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen in ganz Mecklenburg-Vorpommern als Staatsziel in die Verfassung des Landes aufgenommen wird. Gleichwertige Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen sind eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und keine alleinige Aufgabe des Landes. Das Fördern gleichwertiger Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen zum Staatsziel zu erheben, bedeutet jedoch, dass das Land diesem Ziel bei all seinen Handlungen ein besonderes Gewicht beizumessen hat.
Und, meine Damen und Herren, „gleichwertig“ bedeutet nicht „gleichartig“. Die unterschiedlichen strukturellen, historischen, kulturellen, gesellschaftlichen und natürlichen Voraussetzungen der Landesteile Mecklenburg und Vorpommern sind dabei stets zu berücksichtigen. Bereits das Sozialstaatsprinzip gebietet es, die Mindestvoraussetzungen für die Bedürfnisse der Menschen, also die Daseinsvorsorge, in beiden Landesteilen sicherzustellen. Wir wollen aber auch Sorge dafür tragen, dass die Menschen in Mecklenburg und Vorpommern die gleichen Chancen in ihrem Leben haben. Dies gilt für alle Bereiche: Wohnen, Bildung, Ausbildung, Freizeit, Erholung, Daseinsvorsorge, soziale und kulturelle Leistungen sowie die Chancen auf Arbeit. Eine derartige Bestimmung in der Landesverfassung hätte vor allem eine Signalwirkung: Die Landespolitik hat verstanden, wir nehmen die Sorgen und Nöte aus den strukturschwachen Regionen ernst. Konkrete Schritte müssten folgen, wie etwa unsere Vorschläge eines Regionalbudgets und einer tatsächlich aufgabengerechten Finanzausstattung der Kommunen. Auch Standortentscheidungen müssten sich daran messen lassen, welchen Beitrag sie für Chancengleichheit leisten.
Am Beispiel Bayern will ich das kurz deutlich machen. Dort werden Verwaltungsstandorte bewusst in mittleren Städten angesiedelt, um hochwertige Arbeitsplätze auch außerhalb der großen Zentren vorzuhalten.
In Mecklenburg-Vorpommern setzen Sie, meine Damen und Herren der Koalition, dagegen auf Zentralisierung. Sie spalten das Land mit Ihrer Politik. Dazu will ich Ihnen einige Beispiele geben.
Die Gerichtsstrukturreform bedeutet einen Rückzug aus der Fläche. Gleiches geschieht mit der Berufsschullandschaft. Wer die Berufsschullandschaft so ausdünnt und zusammenfaltet, der legt den Grundstein für weniger duale Ausbildung. Was das bedeutet, brauche ich Ihnen wohl nicht zu erzählen. Die auf unsere Initiative hin zustande gekommene Landesrichtlinie ist eine Farce. Wir
brauchen eine Übernahme der Reisekosten für die Auszubildenden, einfach, unbürokratisch und ohne Ausnahmen.
Weiteres Beispiel gefällig? Was ist mit der Südbahn oder mit der Aussparung der Strecke Stralsund–Barth bei der Ausschreibung des Teilnetzes Usedom? Die Sicherung der Mobilität aller und ein flächendeckender öffentlicher Personennahverkehr sind das A und O für die Zukunft des Landes. Es kann doch nicht sein, dass in 40 Jahren nur noch zwischen Rostock und Schwerin die Bahn fährt, und das auch nur, weil viele Verwaltungsbeamte und ein paar Abgeordnete diese Strecke täglich nutzen. Das kann und darf nicht die Zukunft des öffentlichen Personennahverkehrs des Landes sein!
Bereits diese Beispiele zeigen, dass Ihr politisches Handeln der vergangenen Jahre die Chancengleichheit deutlich verschlechtert hat.
Nun will ich mal ein Stück zum Nachbarn schauen, und zwar nach Sachsen-Anhalt und zu Ihrer Schwesterpartei, der dortigen SPD, Herr Schulte. Ihre SPD von SachsenAnhalt zeigt, dass es auch anders geht. Viele Vorschläge meiner Fraktion und meiner Partei finden sich dort im Grundsatz wieder.
Ich will Ihnen einige Beispiele dazu nennen: Die SPD in Sachsen-Anhalt will weg vom Billiglohn, um insbesondere junge Leute zum Bleiben zu bewegen und dem Fachkräftemangel entgegenzutreten. Ein landesweit gültiges Azubi-Ticket soll eingeführt werden, um die Mobilität junger Menschen in Ausbildung zu verbessern. Man setzt sich für einen öffentlich geförderten und gemeinwohlorientierten Arbeitsmarkt ein, für den Mittel aus dem ESF und des Landes eingesetzt werden. – Alles SPD, nicht linkes Wahlprogramm!
Die Breitbandversorgung soll bis Ende 2018 für Unternehmen, Privathaushalte und öffentliche Institutionen mit schnellen Internetanschlüssen, mindestens 50 Megabits pro Sekunde, erfolgen nach dem Grundsatz: Glasfaser vor Funk – eine Forderung, die ich hier auch schon mehrfach aufgemacht habe. Eine stärkere regionale Wirtschaftsförderung soll durch Einführung, Herr Schulte, von Regionalbudgets erreicht werden. Der Begriff kommt mir irgendwie bekannt vor. Die Mindestinvestitionssumme bei der Förderung über die Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“, GRW, soll abgesenkt werden. Es gibt gute Ansätze zur Gründungsoffensive – Herr Waldmüller, dazu kommen wir nachher noch –, zur Sicherung der Unternehmensnachfolge und Anerkennung einer erfolgreichen Meisterausbildung. Warum kann die SPD in Sachsen-Anhalt das und Sie nicht? Das ist für mich eine Frage, die vielleicht in der Debatte hier noch beantwortet wird.
Meine Damen und Herren, meine Fraktion hat immer betont, es komme bei der Förderung, wenn es um die strukturschwachen Regionen geht, nicht auf die Him
melsrichtung, sondern auf den Bedarf an. Diese Signale habe ich aus der SPD gehört, die habe ich auch aus anderen Fraktionen und anderen Parteien in der Bundesrepublik gehört. Das gilt ebenso für die Neuausrichtung des Systems zur Förderung strukturschwacher Regionen. Zur Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse ist nach dem Auslaufen des Solidarpaktes II eine Unterstützung strukturschwacher Regionen notwendig. Mehrfach forderten wir einen Solidarpakt III. Wir gehen sogar so weit, eine neue Gemeinschaftsaufgabe in das Grundgesetz einzuführen.
Mit der Fortschreibung des Landesraumentwicklungsprogramms, meine Damen und Herren, soll ein Prozess zum Abschluss gebracht werden. Wir finden es nach wie vor richtig, dass dort besonders strukturschwache Räume ausgewiesen werden. Doch Sie müssen jetzt mal in die Puschen kommen, meine Damen und Herren, und nicht nur Herr Pegel, sondern die gesamte Regierungsbank und mit ihr die Koalitionsfraktionen. Es reicht definitiv nicht aus, lediglich die Gebiete zu benennen. Eine Stabilisierung der ländlichen Gestaltungräume ohne bürokratische und leicht zugängliche Förderung wird kaum möglich sein. Insofern sollte das Land neben erhöhten Fördersätzen auch Geld in die Regionen geben. Das von meiner Fraktion mehrfach vorgeschlagene Regionalbudget wäre eine gute Möglichkeit, diesen Räumen zu helfen, innovative Ideen und Ansätze zu verwirklichen. Selbsthilfe statt Bevormundung durch das Land sollte der Leitgedanke sein.
Wir haben guten Grund, all diese Fragen, auch die Argumente, die Minister Caffier und Herr Schulte eingebracht haben und die jetzt in der Debatte sicherlich noch kommen, in den Ausschüssen zu debattieren. Daher beantrage ich, Frau Präsidentin, die Überweisung dieses Antrages und unseres Änderungsantrages in den Wirtschaftsausschuss und in den Ausschuss für Energie, Verkehr und Landesentwicklung. Da können wir die Eckpunkte der Bundesregierung über die Zukunft der GRW diskutieren. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Es ist sehr wohl eindeutig. Man kann ihn, wenn man will, falsch verstehen. Aber wenn Sie Ihren Änderungsantrag dazunehmen, dann sehe ich auch dort keine Eindeutigkeit, so, wie Sie sie proklamieren.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, ich denke, der Antrag ist ausschließlich zu begrüßen. Ein ähnlicher Antrag wurde Ende des Jahres 2014 von der CDU im Bundestag gestellt. Dort herrschte damals fraktionsübergreifende Einigkeit. Ich wünsche mir, dass wir auch heute auf eine breite Zustimmung setzen können.
Der Antrag, von dem ich gerade gesprochen habe, wurde im Dezember 2014 in den Bundesausschuss für Wirtschaft und Energie überwiesen und dort Anfang 2015 angenommen. Inhaltlich ging es um Wachstumspotenziale in strukturschwachen Regionen und dieses soll durch regionale Wirtschaftspolitik angehoben werden. Es soll hierzu eine Debatte zwischen Bund und Ländern über die künftige Ausgestaltung eines gesamtdeutschen Systems der regionalen Wirtschaftsförderung ab 2020 geführt werden. Das heißt, die vom Bund und den Ländern kofinanzierte Förderkulisse ist bis 2020 gesichert. Bereits jetzt sollen die Länder zum Ausschöpfen der Kofinanzierung im Sinne der Bund-Länder-Gemeinschaftsaufgabe „Verbesserung der regionalen Wirtschaftsstruktur“ bewegt werden, um ein künftiges gesamtdeutsches System der regionalen Wirtschaftsförderung mit den bestehenden wirtschaftspolitischen Instrumenten abzustimmen.
Meine Damen und Herren, dieser Antrag im Bundestag konkretisierte im Grunde eine Forderung aus dem Koalitionsvertrag der Bundesregierung. Hier ist für die Zeit nach 2020 von einem weiterentwickelten System der Förderung strukturschwacher Regionen die Rede. Dieses System muss sich laut Koalitionsvertrag auf die strukturschwachen Regionen in den jeweiligen Bundesländern konzentrieren.
Meine Damen und Herren, die Landesregierung ist schon in die Entwicklung eines gesamtdeutschen Fördersystems eingebunden und natürlich wird zu gegebener Zeit darauf hingewirkt werden, dass es nach 2020 wieder eine möglichst hohe EU-Strukturfonds-Förderung für Mecklenburg-Vorpommern geben wird. Das ist sozusagen schon aktuelles Handeln der Exekutive. Aufgrund der absehbar abschmelzenden Zuweisungen an unser Bundesland ist es aber wichtig, dass die Landesregierung in ihrem Handeln von der Legislative heute den Rücken gestärkt bekommt. Es geht um die Ausgestaltung regionaler Wirtschaftspolitik auch in strukturschwachen Regionen. Es sollen Anreize gesetzt werden, damit sich Firmen in den unterschiedlichsten Regionen Deutschlands ansiedeln, denn es müssen auch dort Arbeitsplätze geschaffen werden, wo eine Ansiedlung auf den ersten Blick nicht naheliegend ist. Die dafür erforderliche Förderung muss sich auch künftig nach dem konkreten Bedarf von investitionswilligen Unternehmen richten.
Meine Damen und Herren, seit Bestehen unseres Bundeslandes haben wir uns für Verkehrsanbindungen – zum Beispiel Binnenanbindung der Häfen –, Großgewerbegebiete direkt an der Hafenkante und eine wirtschaftsnahe Infrastruktur eingesetzt. Die damit zusammenhängenden strukturpolitischen Entscheidungen tragen sichtbar Früchte. Die Arbeitslosigkeit verzeichnet ein Rekordtief und in den vergangenen zehn Jahren sind über 50.000 sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse entstan
den. Diese Zahlen sind Ausdruck wirtschaftlichen Wachstums. Das wiederum ist eine Grundlage für höhere Steuereinnahmen und die sind der Schlüssel für mehr Eigenständigkeit unseres Bundeslandes. Weil in der Summe die Zuweisungen rückläufig sein werden, kann diese wachsende Eigenständigkeit gar nicht hoch genug wertgeschätzt werden.
Gleichwohl erliegen wir aber einem Fehlschluss, wenn wir uns auf den Standpunkt stellen, dass mit dem Erreichen des Anschlusses an andere Flächenländer die Arbeit getan sei. Es warten erkennbar neue Herausforderungen auf uns. Ohne Hilfen des Bundes werden wir dies kaum stemmen. Ich nenne hier nur als Beispiel die Breitbandversorgung. Wenn wir am Ende nicht doch noch gegenüber anderen Bundesländern in eine Abwärtsspirale kommen wollen, muss unser Wachstums- und Investitionspotenzial weiter gestärkt werden.
Meine Damen und Herren, für Mecklenburg-Vorpommern ist erfreulich, dass der Bund auch in Zukunft zu Hilfen bereit ist. Dass die Landesregierung sich bereits in Gesprächen mit den Bund-Länder-Kollegen befindet, tut dem Ansinnen dieses Antrages übrigens durchaus keinen Abbruch. Mit dem vorliegenden Antrag stärken wir der Landesregierung heute noch den Rücken für diese Gespräche. Daher werbe ich um Zustimmung zu diesem Antrag. – Vielen Dank.