(Peter Ritter, DIE LINKE: Machen Sie sich mal ein Bild von anderen Landtagen! Da ist es längst geregelt.)
Dieser komische Europaausschuss wird die EU auch nicht mehr retten. Frau Merkel wird es schon schaffen,
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Meine Vorredner und Vorrednerinnen haben es schon gesagt, am 12. Juli 1994 haben die Bürgerinnen und Bürger in Mecklenburg-Vorpommern für die Verfassung unseres Bundeslandes gestimmt. Ich kann mich noch ganz gut erinnern, dass wir in einer Festveranstaltung hier in diesen Räumen das 20-jährige Jubiläum gefeiert haben. Insbesondere kann ich mich gut daran erinnern, dass der Kollege Rainer Prachtl hier vorgestellt hat, wie der Prozess seinerzeit zustande gekommen ist.
Ich glaube sagen zu können – wir waren damals nicht im Parlament –, dass sich alle demokratischen Fraktionen auch heute noch hinter die wesentlichen Ziele der Verfassung stellen können. Es ist eine gute Verfassung, die damals von den Bürgerinnen und Bürgern mehrheitlich angenommen worden ist. Es war die Verfassung, die eine demokratische und rechtsstaatliche Entwicklung des Landes Mecklenburg-Vorpommern ermöglicht hat. Deshalb ist sie trotz der vier Änderungen in ihren Kernanliegen bestehen geblieben. Aber es ist heute – und das ist meine feste Überzeugung – keine moderne Verfassung mehr, wenn man an die direkte Demokratie denkt. Das ist in der Tat das Kernanliegen, der Kernpunkt für meine Fraktion, heute diesem Kompromiss, der ausgehandelt worden ist, unsere Zustimmung zu geben in dem Sinne, dass wir den Antrag gemeinsam mit den anderen drei demokratischen Fraktionen einbringen.
Die Quoren in diesem Bundesland sind zu hoch, die Hürden für die direktdemokratische Beteiligung sind zu hoch. Dass das so ist, sehr geehrte Damen und Herren, kann man feststellen, wenn man betrachtet, wie oft es in den letzten 20 Jahren gelungen ist, direktdemokratische Elemente wirksam werden zu lassen. Zumindest im Bereich des Volksbegehrens und des Volksentscheids ist das lediglich ein einziges Mal gelungen. Wir erinnern uns an den September des letzten Jahres, als es zur Abstimmung über die Gerichtsstrukturreform kam.
Das Interesse der Bürgerinnen und Bürger an den Landtagswahlen – und da möchte ich gerne einen Bogen schließen – hat in den vergangenen Jahren, in den vergangenen Jahrzehnten, das wissen wir alle, stark nachgelassen. Ich will die Zahlen noch mal nennen: 1994 gingen 73 Prozent zur Wahl, 1998 waren es noch knapp 80 Prozent – das war der höchste Teil der Wahlberechtigten –, 2006 nur noch 70,6 Prozent, vier Jahre später
59,1 Prozent und 2011, bei der letzten Landtagswahl, waren es noch 51,5 Prozent. Das kann uns alle nicht befriedigen. Hier ist Änderungsbedarf angezeigt.
Ich bin der festen Überzeugung und ich glaube, dass alle demokratischen Fraktionen das mittragen, dass die Frage der Verbesserung der Möglichkeiten zur direkten demokratischen Beteiligung ein, ich sage, ein Mittel ist, um das Interesse von Bürgerinnen und Bürgern wieder in stärkerem Maße zu wecken. Viele Politikwissenschaftler, viele Staatsrechtler/-innen sehen in der Ausweitung von direkten Beteiligungsrechten zu Recht eine notwendige Antwort auf Politikapathie und Parteiverdrossenheit. Wir sollten den Bürgerinnen und Bürgern mehr zutrauen, statt ihnen zu misstrauen.
Direkte Demokratie stärkt den Zusammenhalt und das Gemeinwesen und ein Volksentscheid fördert die Akzeptanz von kontroversen Projekten. Direkte Demokratie, sehr geehrte Damen und Herren, bedeutet, mehr Verantwortung für alle. Ich finde, das müssen wir alle wollen. Direkte Demokratie bezieht ein, sie ist die Aufforderung zum Einmischen und sie motiviert zum Mitmachen, bringt Menschen in die Verantwortung. Deshalb – ich wiederhole das sehr gerne – sind die Verbesserungen der direktdemokratischen Elemente für uns der Kernpunkt dieser Verfassungsänderung. Das beginnt bei den Quoren zum Volksbegehren, bei der Reduzierung um etwa 20.000 Stimmen.
Ich will an dieser Stelle nicht verschweigen – und da wird deutlich, dass es sich um einen Kompromiss gehandelt hat –, wir hatten, ähnlich wie DIE LINKE das ein- gebracht hat, einen entsprechenden Gesetzentwurf, der auf 60.000 Stimmen orientierte, also auf eine Halbierung. Die ist bei Weitem nicht erreicht. Ich will das an dieser Stelle sagen, weil wir nach unserer Auffassung noch deutlich mehr Mut haben könnten, Verantwortung in die Hände von Bürgerinnen und Bürgern zu legen, indem wir ihnen die Möglichkeit geben, direkt über eine Sachfrage, eine wesentliche Sachfrage abzustimmen.
Ich will an dieser Stelle sagen, in der Tat – Helmut Holter hat das korrekt gesagt –, wir landen damit in der vorderen Hälfte der Bundesländer, was die Höhe der Quoren angeht. Ich sage gleichzeitig, es gibt andere Bundesländer, die sich trauen, noch weiter zu gehen. In SchleswigHolstein liegen wir bei knapp vier Prozent, in Brandenburg liegen wir bei fünf Prozent. Es hat nicht dazu geführt, wie das viele befürchten, dass es die Inflation der Volksbegehren gibt, nur weil die Quoren relativ niedrig sind. Das ist nicht so. Aber es ist ein deutliches Signal, wenn man den Mut hat, sehr weitreichende Quoren hinsichtlich der Senkung anzubieten und zu sagen, Bürgerinnen und Bürger, wir vertrauen euch, dass ihr die richtigen Sachentscheidungen trefft.
Für uns, sehr geehrte Damen und Herren, ist ein Punkt noch von viel größerer Bedeutung, und das ist in der Tat die Senkung des Zustimmungsquorums von 33 auf 25 Prozent. Das ist in den Gesprächen, die wir geführt haben, ein Quantensprung gewesen hinsichtlich der Verbesserung, wenn es zu einem Volksentscheid kommt. Damit kommen wir so langsam in die Nähe der Größenordnung, die große Parteien brauchen, um hier in den Landtag einzuziehen und zum Beispiel stärkste Fraktion zu werden. Da ist eher die Vergleichbarkeit gegeben. Ein 33er-Zustimmungsquorum ist in dem derzeitigen Zu
stand, den wir wahrnehmen in unserer Demokratie, eine immens hohe Hürde. Wir haben es im September erlebt.
Zum Subsidiaritätsverfahren möchte ich mich dem anschließen, was vonseiten des Kollegen Helmut Holter hier gesagt worden ist. Die Frage der Lösung der Öffentlichkeit in der Geschäftsordnung sollten wir in die Ausschüsse mitnehmen, und zwar ausdrücklich, weil eine Verfassungsänderung und die Folge der Änderungen der Geschäftsordnung, finde ich, nicht dazu führen dürfen, dass wir aus bisher öffentlich befassten Angelegenheiten und Tagesordnungspunkten in Zukunft nicht öffentlich befasste Tagesordnungspunkte machen. Das wäre in der Tat eine Verschlechterung. Ich hatte mit Frau Drese im Vorfeld schon gesprochen. Es gibt das Signal, Herr Texter hat das auch gerade angedeutet, darüber zu reden, dass wir da zu Lösungsmöglichkeiten kommen. So, wie die Gespräche, sehr geehrte Damen und Herren, bisher gelaufen sind, habe ich große Zuversicht, dass wir eine Lösung bekommen, weil man niemandem erklären kann, dass man eine wichtige Angelegenheit in die Kompetenz eines Ausschusses hineingibt und dann der Öffentlichkeit auch noch den Zugang entzieht. Das ist schwer zu erklären. Deshalb, finde ich, muss man, wenn man demokratietheoretisch sauber agieren will, an der Stelle noch mal darüber nachdenken, wie man das verändern kann.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir GRÜNE wären, das ist kein Geheimnis, gerne deutlich größere Schritte gegangen, was die direkte Demokratie angeht. Wir sagen gleichzeitig, für uns war das am Anfang der Gespräche kein relevanter Punkt, aber die Ausweitung, die Veränderung des Wahlzeitraumes mit der Möglichkeit, aus diesem Korridor der Sommerferien herauszukommen, ist natürlich für uns ein Beitrag zur Möglichkeit der Wahrnehmung demokratischer Rechte. Selbstverständlich kann man nicht zulassen, dass er in den Ferien liegt. Deshalb hatten wir kein Problem, dem zuzustimmen. Im Kern sind aber die direktdemokratischen Elemente für uns von elementarer Bedeutung. Wir sind einen Schritt weiter, das freut uns. Wir würden gerne weitere Schritte gehen. Ich hoffe, es wird noch zu Verfassungsänderungen kommen – sicherlich nicht in dieser Legislaturperiode –, wenn dieses Parlament noch mehr Mut hat, direktdemokratische Elemente zuzulassen. Deshalb haben wir diesen Antrag mit eingebracht.
(Marc Reinhardt, CDU: Das machen wir dann ohne euch in der nächsten Wahlperiode. – Heiterkeit und Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU)
Ganz zum Schluss, einiges ist schon gesagt in dieser Runde: Das, was die Fraktionsvorsitzenden – ich weiß gar nicht, Helmut Holter ist da, Norbert Nieszery nicht und Vincent Kokert –
(Heiterkeit bei Torsten Renz, CDU: Dann hätten wir das auch noch im Protokoll! – Heiterkeit bei Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
an Gesprächen geführt haben, lief immer auf einer sachlich harten, aber persönlich absolut fairen Ebene. Ich schätze das nicht nur in dieser Frage grundsätzlich,
(Heiterkeit bei Heinz Müller, SPD: Die PGFs machen das auch so. – Heiterkeit bei Peter Ritter, DIE LINKE: Ohne dass wir das hervorheben müssen. – Heiterkeit und Zuruf von Stefanie Drese, SPD)
dass das in diesem Hause möglich ist, und möchte mich an dieser Stelle bei den Kollegen, bei dir, Helmut, aber auch bei den Kollegen, die jetzt nicht anwesend sind, herzlich bedanken für die Konstruktivität, die es da gegeben hat, bei allen Unterschieden in der Sache. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Der Ältestenrat schlägt vor, den Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/5076 sowie den Antrag der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN auf Drucksache 6/5077 zur Beratung an den Europa- und Rechtsausschuss zu überweisen. Wer stimmt für diesen Überweisungsvorschlag? – Wer stimmt dagegen? – Wer enthält sich der Stimme? – Damit ist der Überweisungsvorschlag mit den Stimmen der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN, bei Stimmenthaltung der Fraktion der NPD angenommen.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 8: a) Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Wahlen im Land Mecklenburg-Vorpommern, Drucksache 6/5063, in Verbindung mit b) Beratung des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN – „Wählen ab 16“ nicht nur passiv einführen, sondern aktiv fördern, Drucksache 6/5064.
Gesetzentwurf der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Gesetzes über die Wahlen im Land Mecklenburg-Vorpommern (Erste Lesung) – Drucksache 6/5063 –
Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN „Wählen ab 16“ nicht nur passiv einführen, sondern aktiv fördern – Drucksache 6/5064 –
Das Wort zur Einbringung hat für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN der Fraktionsvorsitzende Herr Suhr.
Wir reden letztendlich über ein Thema oder haben gerade vorhin über ein Thema geredet – und wir bringen jetzt einen neuen Tagesordnungspunkt ein –, welches im Kern den gleichen Ursprung hat.
Unser Ansatz heute, Ihnen diesen Gesetzesvorschlag zu unterbreiten, hat viel mit der Frage, wie ist es um den Zustand unserer Demokratie bestellt, zu tun, hat viel mit der Frage zu tun, was kann man eigentlich tun, dass sich Menschen, in diesem Fall junge Menschen, in stärkerem
Maße für die Demokratie, für Politik, für gesellschaftliche Vorgänge interessieren, dass sie sich in stärkerem Maße einbringen und dass sie Verantwortung übernehmen. Sie wissen, wir haben Ihnen – das wird der eine oder andere sich gefragt haben – den gleichen Vorschlag in dieser Legislaturperiode schon einmal vorgelegt und wiederholen das noch mal. Dies tun wir nicht deshalb, weil es sich um Wahlkampfgetöse handelt – wir gehen ja nicht davon aus, dass sich irgendwas verändert hat und dass dann diejenigen, die von diesem Gesetzentwurf oder Gesetz profitieren, nach dem Motto handeln würden, wir wählen dann die GRÜNEN, das muss man hier nicht erwarten –, sondern weil wir, glaube ich, einen neuen Sachverhalt aufgrund einer Studie haben, die uns inzwischen vorliegt, worüber es sich lohnt zu reden und möglicherweise auch zu streiten. Deshalb legen wir Ihnen heute nicht nur den Vorschlag vor, das Wahlalter bei Landtagswahlen auf 16 Jahre zu reduzieren, sondern wir haben, das wird ja gemeinsam beraten,
Sehr geehrte Damen und Herren, ich glaube, wir haben großen Konsens – widersprechen Sie mir, wenn ich das jetzt falsch sage –, wenn ich einmal zwei grundsätzliche Ziele formuliere.
Erstens. Wir wollen, glaube ich, alle gemeinsam, Herr Reinhardt, die Wahlbeteiligung erhöhen. Ich glaube, das ist ein sehr einvernehmliches Ziel. Stehen Sie auf und sagen, mehr will ich nicht, mir passt das, dass uns bei der nächsten Landtagswahl noch 50 Prozent wählen!
Zweites Ziel. Herr Renz, ich glaube, da können Sie mir auch zustimmen und es vielleicht gleich in Ihre Antwort einbauen: Wir wollen junge Menschen dazu motivieren, sich in unserer Gesellschaft zu engagieren, einzubringen und Verantwortung wahrzunehmen.
(Torsten Renz, CDU: Ja, da quatsche ich nicht nur, da handele ich! – Zurufe von Marc Reinhardt, CDU, und Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
und diese Möglichkeit zum Handeln wollen wir mit unserem Gesetzentwurf und mit dem ergänzenden Antrag jetzt gerne einräumen.
(Egbert Liskow, CDU: Aber doch nicht durch Absenkung des Wahlalters! – Zuruf von Torsten Renz, CDU – Heiterkeit bei Michael Silkeit, CDU)