Protocol of the Session on December 18, 2015

Wir brauchen eine gerechte Entlohnung und mehr Arbeitsplätze in der Landwirtschaft.

Der Kreis schließt sich. Wir brauchen mehr Tierhaltung in Mecklenburg-Vorpommern. Das ausschließliche Setzen auf familiäre Klein- und Kleinstbetriebe, wie es zum Beispiel dem AgrarBündnis, dem BUND oder auch den GRÜNEN vorschwebt, ist hier nicht zielführend, sondern eine romantische Vorstellung von Landwirtschaft,

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Wir wollen mehr Vielfalt, kleine und große.)

wie sie unter den heutigen Marktbedingungen nicht flächendeckend realisierbar ist. Wir LINKE wollen nicht, dass solche Betriebe nur durch die Selbstausbeutung überleben können.

Trotzdem muss es möglich sein, auch so zu wirtschaften. Da kommt wieder die Veredlung vor Ort ins Spiel. Glücklicherweise tut sich gerade bei der regionalen Veredlung und Vermarktung einiges. Das ist aber noch zu wenig. Wir brauchen mehr oder sehr niedrigschwellige Beratung, sowohl für die ökologische als auch für die konventionelle Tierhaltung.

Das ist auch eine der Forderungen, die ich vom letzten Schweinetag in Güstrow mitgenommen habe. Wir brauchen zum Beispiel ein Verbot von Eingriffen in die körperliche Integrität von Nutztieren wie das Kupieren von Ringelschwänzen oder das Kürzen von Schnäbeln beim Geflügel. Dass Mecklenburg-Vorpommern zumindest das Kupierverbot für Schweine bis Ende 2017 umsetzen will, sehe ich sehr positiv. Aber auch Mäster sind in der Verantwortung. Wir müssen im Komplex denken. Gekürzte Schwänze dürfen keine Abnahmebedingung sein. Wir brauchen dringend eine Überprüfung der Kastenstandhaltung bei Sauen, die vorhandenen rechtlichen Vorgaben müssen schärfer kontrolliert und umgesetzt werden. Ein mittelfristiger, am besten europaweit festgelegter Ausstieg aus der Kastenstandhaltung erscheint dringend geboten.

Wir brauchen auch, das ist schon gesagt worden, mehr Tierwohl. Wenn dieser Begriff zu unbestimmt ist, wir brauchen mehr Tierschutz. Ich erinnere in diesem Zusammenhang an die Erhöhung der Mittel im Doppelhaushalt, den wir in den vergangenen Tagen beschlossen haben. Im Mittelpunkt muss immer das Wohl des Individuums stehen. Deshalb brauchen wir schnellstmöglich messbare Kriterien für das Tierwohl. Anfänge sind sicherlich am Beispiel des Schweins gemacht. Wir brauchen solche Kriterien für alle Nutztiere. Hier sehen

wir dringenden Handlungsbedarf bei den Agrarwissenschaften.

Wir wollen eindeutig, dass die Tierproduktionsanlagen in die Region passen. Das unterstreiche ich noch einmal wie bei der Einbringungsrede seinerzeit. Die Straathof-Anlagen passen in keine Region und gehören deshalb geschlossen. Ich glaube, dass der Entscheid der Familie Pon, die vorgesehene Kuhstallanlage mit 2.200 Plätzen in der Sternberger Seenlandschaft nicht zu bauen, richtig ist.

(Beifall Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE)

Wir benötigen eine Diskussion über die Kriterien, was das ganz konkret bedeutet. An dieser Stelle sind Gesellschaft wie Wissenschaft gleichermaßen gefragt.

Wir wollen, dass zum Beispiel für alle Anlagen, die dem Bundes-Immissionsschutzgesetz unterliegen, zwingend ein Raumordnungsverfahren durchzuführen ist. Eigentlich ist selbst diese Schwelle für uns noch zu niedrig angesetzt.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Ja.)

DIE LINKE fordert eine bessere und eine frühzeitigere Einbeziehung der Bürger bei Vorhaben für Stallneubauten oder bedeutende Erweiterungen von Anlagen. Nur so kann die Akzeptanz von Nutztierhaltung vor Ort verbessert werden, und das ist unser Ziel.

Nicht zuletzt muss ein Landwirt von seiner Hände Arbeit auch leben können. Das bedeutet, dass wir niemals ökonomische Faktoren außer Acht lassen dürfen. Deshalb wollen wir keine betrieblichen Obergrenzen. Wenn ich mir nur ein Beispiel herausnehme: Ein Höchstbestand von 500 Mastschweinen pro Betrieb, wie er zum Beispiel dem BUND vorschwebt, bedeutet bei den derzeitigen Marktpreisen bei Schweinefleisch einen Ertrag von circa 10.000 Euro pro Jahr. Ich habe bewusst von Ertrag gesprochen und nicht von Verdienst. Ich frage Sie: Wer soll davon leben können, welcher Familienbetrieb, welche Agrargenossenschaft oder welcher Betrieb auch immer?

(Egbert Liskow, CDU: Das ist den GRÜNEN doch egal.)

Tier- oder Bestandszahlen sollen sich künftig keinesfalls nach sich ständig ändernden politischen Entscheidungen ausrichten. Um zu konkreten Richtwerten für die einzelnen Nutztierarten und -anlagen zu finden, ist für uns ein transparenter, ein nachvollziehbarer Disput notwendig, der auf wissenschaftlicher Grundlage geführt wird.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Regine Lück, DIE LINKE: Völlig richtig.)

Wir wissen natürlich, dass es bis zu konkreten Obergrenzen noch ein schwieriger Weg ist. Wer aber Nutztierhaltung will, wird nicht umhinkommen, sich dieser Diskussion zu stellen, nur darf dieser Prozess nicht bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag dauern. Zumindest mittelfristig sehen wir hier Land, Bund und Europäische Kommission in der Verantwortung, schneller zu Ergebnissen zu kommen oder dieses Thema überhaupt erst einmal auf das europäische Tableau zu heben.

Wir wissen, dass die Gesellschaft eine riesige Latte an Forderungen an die Landwirte, insbesondere an die Tier

halter hat. An dieser Stelle will ich aber niemanden aus seiner Verantwortung entlassen. Preisbewegungen für Produkte der Landwirtschaft treffen alle, egal ob konventionell oder ökologisch produzierende Betriebe. Deshalb muss der Aufwand, den der Landwirt hat, auch vergütet werden. Dies müssen wir bei jeder Forderung in Richtung Landwirtschaft beachten. Wir kommen nur zu einer akzeptierten Tierhaltung, wenn über die gesamte Kette, also vom Erzeuger über den Veredler bis hin zum Vermarkter, Verantwortung übernommen wird und eine Zusammenarbeit für mehr Tierwohl erfolgt. Für den Verbraucher bedeutet das, ich will das hier noch einmal ganz klar aussprechen: Lebensmittel sind keine Ramschware und für mich keinesfalls geeignet für Rabattschlachten der Supermärkte.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

Lebensmittel müssen uns viel mehr wert sein. Das ist, glaube ich, auch wichtig – gerade angesichts der bevorstehenden Feiertage – zu sagen.

Der Agrarausschuss empfiehlt die Erledigterklärung unseres Antrages. Dem haben wir zugestimmt. Das für meine Fraktion und mich entscheidende Kriterium ist die Annahme der in der Beschlussempfehlung enthaltenen Entschließung des Landtages, von der wir hoffen, dass dies heute so beschlossen wird. Dazu gehört – Kollege Krüger hat darauf hingewiesen –, dass festgelegt wird, eine Zwischenberichterstattung noch in dieser Legislatur durchzuführen.

Auch wenn nicht alle unsere Forderungen eins zu eins umgesetzt worden sind, können wir mit dieser Entschließung leben. Ich betrachte sie sogar als Erfolg für die Fraktion und natürlich kündige ich hier unsere Zustimmung an. Ich würde mich freuen, wenn wir zukünftig nicht nur bei agrarpolitischen Themen einen ähnlich sachlichen und ähnlich gründlichen Umgang mit Anträgen der Opposition pflegen würden.

Zum Schluss noch einige wenige Bemerkungen zum Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Ich habe erneut dargelegt, warum meine Fraktion keine betrieblichen Obergrenzen will.

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ebenso habe ich dargelegt, warum die von Ihnen, sehr ge- ehrte Frau Dr. Karlowski, geforderten konkreten Bestandsobergrenzen aus unserer Sicht nicht zielführend sind.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Haben Sie nicht.)

Diese Zahlen sind politisch festgelegt, ideologisch begründet und nicht hilfreich,

(Beifall Manfred Dachner, SPD)

zumal eine ganze Menge Widersprüche in den Zahlen enthalten sind.

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Wie stimmen Sie zum Beispiel 500 Mastschwein- und 560 Sauenplätze aufeinander ab und wie kommen Sie

dann auf eine Obergrenze von 500 Aufzuchtferkeln? Meines Wissens ist die Fertilität bei 560 Sauen derart hoch, dass wir wesentlich mehr als 500 Ferkel pro Jahr bekommen. Wohin mit diesen Ferkeln? Exportieren? Oder nach Niedersachsen bringen?

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Da steht ja nicht pro Jahr, Herr Tack. Das ist eine Momentaufnahme.)

Ich persönlich kann diese Zahlen jedenfalls im Komplex nicht nachvollziehen.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das sind Tierplätze. Das können wir ja aufsummieren.)

Wenn es für mich eine klare Erkenntnis aus der Anhörung zu unserem Antrag gab, dann diese: Anlagengröße und Tierwohl hängen nicht unmittelbar zusammen, entscheidend sind immer die Haltungsbedingungen für das einzelne Tier

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Jetzt suchen Sie das Haar in der Suppe.)

und das Management des Anlagenbetreibers, nämlich des Landwirtes.

Ansonsten kann ich für meine Fraktion und mich konstatieren, dass wir die gleichen Zielstellungen in Sachen Tierwohl und Ökologisierung der gesamten Landwirtschaft haben, nur die Wege dorthin trennen uns.

(Vizepräsidentin Regine Lück übernimmt den Vorsitz.)

Wir LINKE wollen keine Politik gegen die Landwirte machen. Fortschritte in Sachen Tierwohl, Bestandsobergrenzen und Ökologisierung der Landwirtschaft werden wir nur gemeinsam mit den Bauern zustande bringen, niemals konfrontativ gegen sie.

Umgekehrt fordere ich allerdings von den Vertretern des Berufsstandes, nicht nur Abwehrkämpfe zu führen und auf die Forderungen der Politik ausschließlich zu reagieren. Wir brauchen auch den Willen des Bauernverbandes und der anderen Berufsstände, eigene Wege aufzuzeigen, wie wir zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung kommen. Dazu gehört für mich selbstverständlich auch, dass die Berufsstände der Gesellschaft klarmachen, was Landwirte brauchen, um ein Mehr an Tierwohl und Ökologie zu erreichen. Da muss auch mal konkret über den Wert von Lebensmitteln geredet werden, und zwar offensiv.

(Minister Dr. Till Backhaus: Sehr richtig.)

Wir werden den Antrag von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN ablehnen und der Beschlussempfehlung des Agrarausschusses zustimmen. – Herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE, Minister Dr. Till Backhaus und Manfred Dachner, SPD)

Das Wort hat die Abgeordnete Frau Dr. Karlowski von der Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Bevor ich auf die einzelnen Aspekte eingehe, möchte ich für die Beschlussempfehlung auf der Drucksache 6/4879 für unsere Fraktion eine punktweise Abstimmung beantragen, da wir als GRÜNE mit einigen der Aspekte durchaus mitgehen können. Herr Tack hat das ja schon in Bezug auf die Auswertung der Diskussionen im Agrarausschuss in der Berichterstattung als Ausschussvorsitzender angedeutet.

Ich möchte jetzt auf einige Aspekte eingehen. Ich fange an mit Ihnen, Frau Schlupp. Sie erwähnten die Tierwohlinitiative. Ja, wir waren jetzt gerade als Agrarausschuss in Brüssel und haben dort auch einen Vertreter des Bauernverbandes getroffen, der sehr offen dargestellt hat, wie diese Tierwohlinitiative funktioniert. Die funktioniert so, dass es bestimmte Absprachen zwischen Erzeugern und Verkäufern gibt, aber dass der Kunde im Laden nicht die Chance hat zu sehen, ob das Produkt, was er nun kauft, eines ist, was mit dem hohen Tierwohlstandard produziert wurde oder nicht. Das heißt, die Lebensmittelketten machen etwas Werbung für tierwohlkonforme Produktion – das haben Sie vielleicht auch schon wahrgenommen bei einigen dieser Ketten –, die Realität hat dann aber einen ganz kleinen Anteil nur an diesen tierwohlkonform produzierten Produkten. In ihrem Warensortiment ist das nicht zu finden für den Konsumenten.