Protocol of the Session on December 18, 2015

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Krüger.

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir haben hier vor einigen Monaten eine Debatte darüber geführt, ob das Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung mit dem Titel „Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Nutztierhaltung“ ausreicht, um daraus abzuleiten, Obergrenzen für Stallneubauten zu formulieren. In der Debatte habe ich klargestellt, dass es zwei Ebenen der Diskus

sion gibt, zum einen die Ebene, wie viele Nutztiere wir in einer Region halten, zum anderen die Ebene, wie groß eine Stalleinheit ist. Das Gutachten „Wege zu einer gesellschaftlich akzeptierten Tierhaltung“ gibt leider nur zu einer Ebene Antworten, nämlich wie viele Nutztiere wir in einer Region halten. Wenn wir diese Fragen diskutieren, ist dieses Gutachten dafür eine gute Grundlage.

Richtig ist aber auch, dass wir in Mecklenburg-Vorpom- mern gerade an diesem Punkt keine großen Probleme haben. Da gibt es andere Regionen in Deutschland – Vechta, Cloppenburg –, das wissen wir. MecklenburgVorpommern hat mit einer Viehdichte von 0,4 Großvieheinheiten pro Hektar eher einen geringen Viehbesatz, und wenn man sich aktuelle Medienberichte anschaut, dann weiß man, dass leider der Viehbesatz in diesem Jahr auch noch einmal zurückgegangen ist.

Meine Damen und Herren, das war auch der Grund, warum die Koalitionsfraktionen gemeinsam den Antrag in den Ausschuss überwiesen haben, denn nicht allein der Viehbesatz in der Fläche ist entscheidend. Es gibt in unserem Land eine Diskussion über den maximalen Viehbesatz je Haltung oder, besser gesagt, je Stall. Wenn es eine gesellschaftliche Diskussion gibt, dann können wir uns dieser gesellschaftlichen Diskussion nicht einfach entziehen. Entziehen wir uns der Diskussion und lösen die Widersprüche nicht, entscheiden am Ende die Menschen in unserem Land.

Wir leben in einer Demokratie und die Demokratie gibt Mittel und Möglichkeiten, damit die Menschen hier entscheiden können, denn letztlich brauchen wir gesellschaftlich akzeptierte Lösungen. Zur Gesellschaft gehören beide Seiten, sowohl die Landwirte, deren wirtschaftliche Zwänge wir durchaus sehen, das will ich ganz deutlich sagen, wie auch die Menschen, die beispielsweise in Regionen wohnen wie Alt Tellin oder Keez. Da macht es auch nichts, dass die Investorin in Keez vorerst gesagt hat, dass sie die Baupläne zurückzieht. Es wird neue Orte mit neuen Investitionen geben.

Letztlich sage ich: Wir brauchen Investitionen, aber wir brauchen auch Akzeptanz für diese Investitionen. Die Politik, und das ist unsere Aufgabe, muss immer bemüht sein, dass es dafür auch eine gesellschaftliche Akzeptanz gibt. Das Verschließen der Augen vor der Lösung der gesellschaftlichen Probleme bringt keine Lösung. Den gesellschaftlichen Ausgleich findet man am besten in einem transparenten wissensbasierten Prozess. Den wollen wir gestalten, für diesen Weg haben wir uns entschieden.

Klar ist aber auch, wenn man keinen wissensbasierten Prozess gehen kann oder will, wird die Politik irgendwann entscheiden. Das ist die zweite Option. Diese Option gehen wir hier heute nicht mit. Diese Option hieße, dass man eine Norm setzt, weil die Gesellschaft sie fordert und wünscht. Das Ergebnis solcher Überlegungen finden wir im Antrag der GRÜNEN. Wie gesagt, diesen Wege gehe ich heute hier nicht mit, auch – das will ich ganz deutlich sagen – weil ich glaube, dass die ablehnende Haltung des Bauernverbandes, mit uns einen wissensbasierten Weg zu gehen, vielleicht noch einmal überdacht wird. Denn klar ist doch, dass, wenn der Landtag unserer Beschlussempfehlung folgt und die Landesregierung ihren Auftrag erfüllt hat, wir wieder hier stehen werden, wieder eine Diskussion haben werden und auch dann wieder zwei Optionen im Raum stehen. Die eine Option

ist, einen wissensbasierten Weg zu gehen, die andere Option ist, eine gesellschaftlich gewollte Norm zu setzen.

Meine Damen und Herren, im Antrag haben wir alle aus unserer Sicht wichtigen Parameter aufgeführt, die bei der Bewertung des Themas Bestandsobergrenzen wichtig sind. Das sind die in der guten fachlichen Praxis üblichen zwei Großvieheinheiten je Hektar. Das ist keine neue Erkenntnis. Es ist in früheren Debatten hier deutlich geworden, dass sowohl LINKE wie auch Sozialdemokraten und auch die CDU gesagt haben, das ist eine für die Fläche angemessene Größenordnung.

Die GRÜNEN haben hier in einer Debatte mal die Zahl 1,7 Großvieheinheiten je Hektar gebracht. Das ist einmal gesagt worden, dann nie wieder. Vielleicht, Frau Dr. Karlowski, können Sie das einfach mal bestätigen,

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ich gehe darauf ein.)

ob das so war, ob das immer noch Stand Ihrer Überlegungen ist.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Haben Sie gerade LINKE oder GRÜNE gesagt?)

Wenn das so wäre, dann habe ich den Eindruck, dass wir, zumindest was den maximalen Viehbesatz in der Fläche angeht, keinen wirklich großen Dissens haben. Insofern, vielleicht stellen Sie es mal klar.

Der zweite Punkt unseres Antrages beschäftigt sich mit dem, was ich in der letzten Debatte bemängelt hatte, nämlich dass sich das wissenschaftliche Gutachten der Bundesregierung nicht mit Stallobergrenzen befasst. Hier fehlt wissenschaftlicher Sachverstand. Wir wollen, dass dieser wissenschaftliche Sachverstand eingeholt wird. Deshalb der zweite Punkt. Wir brauchen hier mehr Informationen.

Der dritte Punkt, da geht es um die Parameter, die wir setzen wollen, die beachtet werden sollen, wenn Stallobergrenzen – und ich sage es ganz ausdrücklich – möglichst europa- oder bundesweit festgelegt werden. Dazu gehören Tierwohl, Tiergesundheit, sozialräumliche Verträglichkeit einer Anlage, die Übersichtlichkeit für das Management – ein ganz wichtiger Punkt –, die Betrachtung der ökonomischen und ökologischen Hintergründe, die rechtzeitige Information und Einbeziehung der kommunalen Vertretung. Das sind alles wichtige Punkte.

Ich bedanke mich bei meinem Koalitionspartner für die konstruktive Zusammenarbeit bei der Erarbeitung dieses Antrags und auch bei der LINKEN, die im Ausschuss diesen Antrag gern noch um einen Punkt ergänzt hat. Das war wichtig, das war gut, dafür bedanke ich mich.

Die GRÜNEN haben einen anderen Weg hier vorgeschlagen. Die GRÜNEN definieren mit dem Antrag eine Norm. Das kann man machen, das ist aber, solange man nicht den Versuch gemacht hat, einen gemeinsamen wissensbasierten Prozess zu gestalten, nicht mein Weg. Zudem sage ich auch klar, dass das Setzen einer gesellschaftlichen Norm, eines gesellschaftlichen Standards immer noch mit sich bringt, dass man dann wichtige Parameter links und rechts des Weges zu beachten hat. Das sind für mich zumindest die ökologische und die ökonomische Nachhaltigkeit. Das sehe ich beim Vor

schlag der GRÜNEN insbesondere im Bereich der Ökonomie nicht. Sie wissen vielleicht, dass man momentan mit dem Verkauf eines Zwergkaninchens mehr Gewinn erzielen kann als mit einem Mastschwein. Wenn wir Ihre Maßstäbe anlegen würden, gäbe es hier große Schwierigkeiten im Bereich unserer Landwirtschaft, und das können wir alle miteinander nicht wollen.

Meine Damen und Herren, ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit und auch ich wünsche Ihnen ein frohes Weihnachtsfest. – Besten Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD)

Das Wort hat jetzt für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Professor Dr. Tack.

(Minister Dr. Till Backhaus: Da bin ich ja jetzt mal gespannt, Fritz.)

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Es kommt selten vor, dass eine Oppositionsfraktion nicht unzufrieden ist, was den Umgang mit einem ihrer Anträge anbetrifft. Heute, am 18.12.2015 ist ein solcher Tag.

(Michael Andrejewski, NPD: Ja, historisch.)

Ich sage zwar nicht, dass wir absolut zufrieden sind,

(Minister Dr. Till Backhaus: Ja, wer ist das schon?! – Heiterkeit bei Thomas Krüger, SPD)

das wäre erst der Fall, wenn sich die Regierungsfraktionen irgendwann einmal dazu durchringen könnten, einem Antrag der Opposition voll zuzustimmen, wenn es so viel inhaltliche Übereinstimmung gibt.

Schon bei der Einbringung unseres Antrages konnten wir erstaunlicherweise eine recht große inhaltliche Übereinstimmung bei den demokratischen Fraktionen feststellen. Das fand seine Fortsetzung in den sachlichen Beratungen des Agrarausschusses. Andererseits ist diese Tatsache aber gar nicht so erstaunlich. Unser Antrag greift ein Thema auf, das viele Menschen bewegt und das in der breiten gesellschaftlichen Debatte nicht nur angekommen ist, sondern zumindest für die gesamte Branche der Land- und Ernährungswirtschaft bestimmend ist. Da kann, da soll und da will der Landtag von MecklenburgVorpommern nicht abseits stehen, wenn er sich selbst ernst nehmen will.

DIE LINKE und ich wollten uns einmischen, wenn es darum geht, Wege für eine gesellschaftlich akzeptierte Nutztierhaltung zu finden. Ich wiederhole gerne: DIE LINKE will mehr Nutztierhaltung in unserem Lande. Diese gehört zum Nährstoffkreislauf „Boden – Pflanze – Tier – Boden“. Es muss also eine nachhaltige Tierhaltung sein.

Ich habe soeben bewusst den Titel des Gutachtens des Wissenschaftlichen Beirates für Agrarpolitik beim Bun- desagrarministerium zitiert, so, wie es auch die Kolleginnen und Kollegen der Fraktion von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN für ihren Antrag zum Thema getan haben. Deren Antrag steht heute auch zur Debatte, aber dazu komme ich etwas später.

Zitat: „Die Bindung der Tierhaltung an landwirtschaftliche Nutzfläche ist Voraussetzung für die Reproduktion der Bodenfruchtbarkeit, die Schaffung regionaler Stoff- und Wirtschaftskreisläufe, eine ressourcensparende Produktion … sowie die Verringerung der Belastung von Umweltmedien … durch Stoffeinträge … aus der Landwirtschaft.“ Ende des Zitates. So heißt es in der Beschlussempfehlung zum Antrag meiner Fraktion. Ich will es einfacher und kürzer noch einmal ausdrücken: Wir brauchen Tierhaltung, um überhaupt eine nachhaltige Landwirtschaft zu ermöglichen, und wir brauchen eine bodengebundene Tierhaltung. Insofern freut es mich, wenn trotz größter Schwierigkeiten auf die zukunftsfähige Milchproduktion gebaut wird. Beispiele dafür sind in den letzten Tagen veröffentlicht worden: die Rekonstruktion der Milchviehanlage in der Agrargenossenschaft in Köchelstorf oder das Vorhaben des Bauern Karp in Kraak in der Griesen Gegend, wo die Milchproduktion natürlich hingehört.

Meine sehr verehrten Kolleginnen und Kollegen, es gibt bereits einen gesetzlich vorgeschriebenen Rahmen für den Höchstbesatz an sogenannten Großvieheinheiten. Dieser Wert, nach dem sich alle richten müssen, beträgt zurzeit – Kollege Krüger hat das eben schon gesagt – 2 GV pro Hektar. Ich habe in der Einbringungsrede betont, dass dieses Kriterium Megaställe à la Straathof nicht verhindern kann. In Mecklenburg-Vorpommern haben wir – auch das ist allgemein bekannt – nur einen Tierbesatz von circa 0,4 GV pro Hektar. Unser Bundesland ist damit eine der tierärmsten Regionen Europas überhaupt.

Was also tun? Wir brauchen ergänzende und damit zielführende Kriterien, um zu konkreten Bestandsobergrenzen pro Anlage und pro Region zu kommen, unter Berücksichtigung aller Nutzungsansprüche. Für meine Fraktion zählen zu solchen Kriterien unter anderem:

Das Futter für die Tiere sollte mindestens zu 50 Prozent von der eigenen Fläche kommen.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ja.)

Dabei ist es unerheblich, ob es sich um Pacht- oder Eigentumsflächen handelt.

Wir lehnen reine Gewerbebetriebe in der Tierhaltung ab.

Die Orientierung der Landwirtschaft ausschließlich auf Export ist für uns nicht der richtige Weg. Wir brauchen vielmehr regionale Veredlung der Primärprodukte. Nur so kann auch die Wertschöpfung vor Ort gesichert werden, nur so kommen wir zu dringend benötigten regionalen Wirtschaftskreisläufen

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das ist ja unsere Rede.)

und vor allen Dingen zu Arbeitsplätzen.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Die Verwertung der Abprodukte – ein schlimmes Wort eigentlich, aber so ist es nun mal – der Tierhaltung, also Gülle, Mist oder Gärreststoffe, muss auf der eigenen Fläche erfolgen.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Das ist unsere Forderung.)

Auch hier gilt wieder: egal ob Besitz, Pachtflächen oder Flächensicherung durch Verträge.

Tierhaltungsanlagen müssen sozial verträglich sein. Das ist uns ebenfalls sehr wichtig. Das heißt für mich zum Beispiel, dass in größeren wie kleineren Anlagen ein Zeitregime für die dort Beschäftigten herrschen muss, das normale Arbeitsbedingungen garantiert und gleichzeitig das Tierwohl nicht beeinträchtigt.

(Minister Dr. Till Backhaus: Und vernünftig bezahlt wird auch noch.)

Der vom Minister Dr. Backhaus ins Spiel gebrachte Betreuungsschlüssel findet daher unsere Unterstützung.

Wir brauchen eine gerechte Entlohnung und mehr Arbeitsplätze in der Landwirtschaft.