Mich hat besonders im Sozialausschuss erstaunt, dass sowohl BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN als auch DIE LINKE zwei verschiedene Anträge zu den Quoten mit unterschiedlichen Zahlen eingebracht haben.
Ich denke da nur, das ist nämlich das Glücksradprinzip, was hier angewendet worden ist, wenn BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Landkreis 82,5 behalten wollen,
den kreisfreien Städten aber 80 von 100 geben wollen. Die LINKEN ändern dieses Quorum ab von 72 auf 72,5 und dann Absenkung von 82,5 auf 82. Da sieht man schon die großen Unterschiede
(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehen Sie, wenn Sie unsere Anträge nicht hätten, wüssten Sie gar nicht, was Sie erzählen sollten zu dem Gesetz.)
und ich frage mich, Herr Ritter, zu Ihrer Entlastung sage ich mal, Sie haben wenigstens noch in Ihrer Fraktion geguckt, dass man nicht zusätzlich Geld ins System gibt.
Sie haben nämlich bei der einen Seite abgesenkt und dafür mehr gegeben, aber bei den GRÜNEN spielt Geld keine Rolle, da wird immer noch oben draufgelegt.
Es wird wieder mal ganz deutlich, dass von der Opposition vermehrt Schaufensteranträge entwickelt werden.
Eine Zusammenführung von der örtlichen und überörtlichen Sozialhilfeträgerschaft ist notwendig, weil damit die differenzierte Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen aufgehoben wird und immer der Grundsatz „ambulant vor stationär“ umgesetzt wird. Dies führt zu einer...
Dies führt zur Vereinheitlichung von Aufgaben- und Kostenverantwortung, denn die Sozialhilfeträger sind nur die Träger der örtlichen und überörtlichen Sozialhilfe. Aus dem vorliegenden Gesetz ergeben sich nach der Anhörung und der Anpassung durch den Änderungsantrag von SPD und CDU keine Bedenken. Wir werden diesem Antrag zustimmen.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Vorweggeschickt noch mal, es handelt sich aus unserer Sicht nach dem Finanzgesetz gestern, Haushaltsgesetz, ebenbürtig wie zu dem Schulgesetz um ein sehr wichtiges Gesetz, das wir hier behandeln. Es hat Auswirkungen auf die Lebenssituation von Zehntausenden Menschen. Es geht hier um Hilfe zur Pflege, es geht um Hilfe zum Leben,
es geht um die Rahmenbedingungen von Menschen, die in Werkstätten für Behinderte tätig sind, und es geht selbstverständlich, Frau Gajek, um Fragen der Selbstbestimmung. Es ist insofern ein ganz wichtiges Gesetz und darüber hinaus mit einem Volumen von circa 300 Millionen Euro das schwerwiegendste Einzelgesetz innerhalb des Sozialetats.
Herr Schubert hat ja einen Großteil seiner Rede darauf verwandt, unsere Änderungsanträge hier zu referieren.
Also DIE LINKE hat in der Tat Vorschläge, um dieses Gesetz zu verbessern, weil wir der Meinung sind, es ist ein Gesetz, das einen Fortschritt darstellt gegenüber dem Vorgängergesetz, dem jetzt im Moment noch geltenden
Sozialhilfefinanzierungsgesetz. Aber wie immer im Leben ist nichts so gut, als dass man es nicht noch besser machen könnte,
Was ich unbedingt sagen will, ist, voranzustellen, was wir an dem Gesetzentwurf so würdigen, nämlich diesen personenzentrierten Ansatz, dass man schaut, welche Hilfen brauchen ganz individuell die betroffenen Personen, was ist wichtig für sie und wie kann man, wenn Hilfe gewährt werden muss, im Einzelfall diese Hilfe leisten und steuern. Wir halten viel davon, dass mit diesem Gesetz auch realisiert werden soll diese Überwindung von überörtlicher und örtlicher Hilfe. Letztendlich geht es doch immer um die Menschen, die ganzheitlich da sind und nicht um die, die sozusagen formal, die getrennt betrachtet werden müssen. Insofern ist es eine logische Konsequenz, die Zuständigkeit für die Leistungsbescheidung in eine Hand zu geben. Und wir sehen, weil es ja auch mehr Geld geben soll als vordem, hinsichtlich der Finanzausstattung mehr Realitätsnähe.
Aber es gibt auch eine ganze Reihe Dinge, die wir kritisch sehen, zum Beispiel, was die Zielstellung betrifft. Es ist gesagt worden, die Anzuhörenden haben in der Anhörung zum Gesetzentwurf die Zielstellung begrüßt. Das ist in der Tat so. Was uns zu denken gibt und womit wir nicht einverstanden sind, ist, dass in einem Sozialgesetz von dieser Dimension, das sich ganz konkret mit Fragen beschäftigt oder inhaltlich etwas zu tun hat mit der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, dass man das nicht ins Ziel hineinschreibt, ins Ziel dieses Gesetzes.
Wenn man das mal untersucht, steht ja im Gesetzentwurf, es geht um die Selbstbestimmung. Schaut man sich aber die UN-Behindertenrechtskonvention an, zum Beispiel im Artikel 19, dann wird deutlich, dass es komplexer betrachtet werden muss. Ich würde ganz gern daraus zitieren, weil ich finde, die UN-Behindertenrechtskon- vention sollte unbedingt Eingang ins Protokoll finden, mehr als bislang noch üblich auch in der Öffentlichkeit diskutiert werden und es sollte darauf hingewiesen werden. Das müssen wir an dieser Stelle auch tun.
Im Artikel 19 heißt es nämlich: „Die Vertragsstaaten dieses Übereinkommens anerkennen das gleiche Recht aller Menschen mit Behinderungen, mit gleichen Wahlmöglichkeiten wie andere Menschen in der Gemeinschaft zu leben, und treffen wirksame und geeignete Maßnahmen, um Menschen mit Behinderungen den vollen Genuss dieses Rechts und ihre volle Einbeziehung in die Gemeinschaft und Teilhabe an der Gemeinschaft zu erleichtern, indem sie unter anderem gewährleisten, dass“ – und dann wird einiges aufgezählt, zwei Dinge will ich nennen –
„a) Menschen mit Behinderungen gleichberechtigt die Möglichkeit haben, ihren Aufenthaltsort zu wählen und zu entscheiden, wo und mit wem sie leben, und nicht verpflichtet sind, in besonderen Wohnformen zu leben;
b) Menschen mit Behinderungen Zugang zu einer Reihe von gemeindenahen Unterstützungsdiensten zu Hause
und in Einrichtungen sowie zu sonstigen gemeindenahen Unterstützungsdiensten haben, einschließlich der persönlichen Assistenz“.
Dieser Artikel 19, aus dem ich eben auszugsweise zitiert habe, hat die Überschrift „Unabhängige Lebensführung und Einbeziehung in die Gemeinschaft“. Wenn wir sagen – und das ist einer unserer Änderungsanträge –, wir möchten die UN-Behindertenrechtskonvention in die Zielstellung eingetragen haben, dann deswegen, weil es um mehr geht als um die Förderung der Selbstbestimmung. Es geht also in der Tat um die unabhängige Lebensführung, die Einbeziehung in die Gemeinschaft. Das ist mehr und das ist eine zwingendere Formulierung, die wir vorschlagen.
An der Stelle will ich auch betonen, dass wir, wenn wir dieses Ziel so formulieren, noch mal deutlich machen, es geht um mehr als um ein Finanzverteilungsgesetz. Frau Ministerin hat im Sozialausschuss darauf hingewiesen, dass es ja um die Finanzverteilung geht. Also ein Gesetzentwurf aus einem Sozialministerium muss sich immer der Frage der sozialen Gerechtigkeit stellen. Da geht es um mehr als um Finanzverteilung. So sehen wir das zumindest.
Ein zweiter Kritikpunkt und daraus folgernd eine Änderung besteht in den Regelungen zum Beirat und der Zusammensetzung des Beirates. Herr Schubert hat darauf hingewiesen und hat gesagt, wir haben sozusagen einen Vorschlag unterbreitet, der – ich übersetze das mal sehr lax – zu einer Laberrunde führen würde. Mitnichten! Mitnichten! Also wir schlagen vor, noch das Gremium, den Beirat zu ergänzen um einen weiteren Vertreter beziehungsweise eine weitere Vertreterin der LIGA der Wohlfahrtsverbände, um den Bürgerbeauftragten, der oft, sehr oft kontaktiert wird zu Fragen, die mit diesem Gesetz natürlich auch in Verbindung stehen, dann einen weiteren Vertreter einer staatlichen Hochschule, und zwar speziell aus dem Bereich der Psychologie und der Psychiatrie. Diesen haben wir bislang nicht, und wir wollten den politischen Raum stärker vertreten wissen, denn im Gesetz selbst steht, dass ein Ziel, eine Aufgabe dieses Beirats darin besteht, auch politische Konsequenzen zu ziehen und politisch zu steuern. Um das zu können, muss er natürlich angemessen vertreten sein. Wir haben gar keinen Dissens in der Hinsicht, dass wir nicht der Meinung wären, die Vorsitzende des Sozialausschusses soll nicht in dem Gremium vertreten sein, selbstverständlich, aber nicht allein. Wir wollen da schon sicherstellen, dass sowohl die Koalition als auch die Opposition angemessen vertreten sind, weil es immer unterschiedliche Sichtweisen geben kann. Davon lebt der Diskurs.
Ein dritter Kritikpunkt, der verbunden ist mit einem Änderungsvorschlag – den hatten Sie angesprochen –, hat auch in der Anhörung eine große Rolle gespielt. Wir haben eine Ungleichverteilung, wenn man sich anschaut, was bekommen die kreisfreien Städte, was bekommt Schwerin an Finanzierung, wenn man so will, für das, was sie insgesamt aufwenden, nämlich im Moment sind 72 Prozent vorgeschlagen und die Kreise, die Landkreise eben mit 82,5 Prozent. Wir schlagen eine Veränderung vor, und zwar in einem eigentlich sehr bescheidenen Maße, aber innerhalb des zur Verfügung stehenden Rahmens eine andere Binnenverteilung vorzunehmen. Das hätte zur Folge, dass die kreisfreien Städte jeweils etwa eine Dreiviertelmillion Euro mehr bekämen und die Landkreise jeweils etwa eine Viertelmillion Euro abgeben würden.
Das ist, Herr Reinhardt – das habe ich mir gedacht, dass Sie sich gleich melden –, der Landkreis, in dem wir zuhause sind, die Mecklenburgische Seenplatte. Dieser freut sich nach dem jetzigen Entwurf darauf, dass er etwa eine halbe Million Euro mehr bekommen wird, als er eigentlich braucht. Also gibt es durchaus noch Steuerungsmöglichkeiten und diese wollen wir in Anspruch nehmen. Das ist uns wichtig, deswegen machen wir den Vorschlag. Wir blähen den Gesamtbetrag nicht auf, bleiben also finanziell seriös, versuchen aber in der Binnenverteilung besser zu steuern.
Handlungsbedarf sehen wir aus aktuellem Anlass, und das haben Sie auch bekommen mit Schreiben vom 11. Dezember, einen Hinweis vom Städte- und Gemeindetag,
der darauf hinweist, dass die Schiedsstelle sich mit Fragen der Beziehungen zu den Pflegeeinrichtungen nach dem Sozialgesetzbuch XI beschäftigt, dass sie eine Entscheidung getroffen haben, die wir als LINKE sehr begrüßen, nämlich dass ein verbesserter Pflegepersonalkorridor und neue feste Personalschlüssel für Pflegebereiche festgelegt werden. Das hat Konsequenzen, sagt der Städte- und Ge- meindetag, im Wertumfang von 23 Millionen Euro. Dieser Sachverhalt, der dort problematisiert wurde vom Städte- und Gemeindetag, ist noch nicht endgültig entschieden. Wir wollen und ich will mit dieser Rede lediglich darauf hinweisen, dass wir hier noch ein Problem vor der Brust haben, das gelöst werden muss und bei dem wir uns dann verständigen müssen, wie wir damit umgehen.
Wo wir einen weiteren Handlungsbedarf sehen – und den haben wir auch klar benannt in einem Entschließungsantrag –: Wir sagen, wenn es einen personenzentrierten Ansatz geben soll, den wir, wie gesagt, sehr begrüßen, dann muss das doch damit beginnen, dass es im Land einheitliche Standards der Bedarfsermittlung gibt, dass also die Hilfegewährung nicht davon abhängig ist, wo ich wohne, sondern dass wir allgemeingültige Standards haben.
Das wollen die GRÜNEN auch mit ihrem Änderungsantrag. Frau Gajek wird ihn sicherlich noch begründen. Ich sage schon mal, den tragen wir mit.