Protocol of the Session on December 17, 2015

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Köster von der NPD-Fraktion.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Gesetz verfolgt die Landesregierung das Ziel, kleinere Gemeinden in Mecklenburg-Vorpommern zu einem auf den ersten Blick freiwilligen Zusammenschluss zu bewegen.

(Zuruf von Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE)

Die Begründungen für derartige Vorstöße wurden hier im Landtag schon häufig vorgetragen. Der Tenor lautete immer wieder, die Kleinteiligkeit der Gemeindestrukturen in Mecklenburg-Vorpommern gewährleiste häufig keine qualifizierte Verwaltungsarbeit sowie finanzielle Leistungsfähigkeit.

Zusammenschlusswillige Gemeinden sollen nun also eine Art Belohnung erhalten. Ähnliche Vorhaben gab es in der Vergangenheit in Mecklenburg-Vorpommern bereits, offensichtlich aber ohne Erfolg. Der Vollzugsaufwand des Gesetzes beträgt nunmehr immerhin 500.000 Euro. Für Personalstellen sind rund 300.000 Euro vorgesehen. Für weitere 200.000 Euro sind Beraterverträge geplant.

Die NPD-Fraktion lehnt bekanntlich dieses Vorhaben ab. Wir lehnen sowohl Ihre Zentralisierung als auch Ihre Infrastrukturabbaumaßnahmen ab, und auch Ihre Verödungspolitik findet nur unsere Ablehnung. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – Thomas Krüger, SPD: Ja, alles klar.)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Jaeger von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich will dem Abgeordneten Saalfeld jetzt nicht die Redezeit klauen, will Ihnen bloß noch mal sagen, was ich den Minister gerne gefragt hätte.

(Heiterkeit bei Heinz Müller, SPD)

Es heißt nämlich zum Thema „Zustand der örtlichen Demokratie“ unter Punkt III. a): „Die Mehrheit der Bürger beteiligte sich bei der letzten Wahl zur Gemeindevertretung an der demokratischen Willensbildung.“ Das heißt, mehr als 50 Prozent. Sieben Kommunalwahlen sind in Mecklenburg-Vorpommern gelaufen. Von den sieben Kommunalwahlen waren drei landesweit unter 50 Prozent, die letzte bei 46 Prozent. Für mich ist das ein Stück weit die Einführung der Wahlpflicht durch die Hintertür. Warum? Genau denjenigen, die sich in diesen Gemeinden engagieren, die in die Kommunalvertretung gehen, wird sozusagen im Nachhinein bescheinigt, sie hätten ein Ergebnis zweiter Klasse, weil sie bei einer Wahlbeteiligung von unter 50 Prozent gewählt wurden.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Das bedeutet, man demotiviert noch die Menschen in den Gemeinden, die sich engagieren.

Wir sind uns einig, dass wir für eine Stärkung der Wählerbeteiligung sorgen wollen, aber das als die Zukunftsfähigkeit einer Gemeinde reinzuschreiben und zu sagen, wer unter 50 Prozent gewählt wurde, der ist praktisch nicht ordentlich gewählt worden, das ist nicht zukunftsfähig, ist ein völlig falsches Signal, und ich möchte Sie bitten, das wieder zu streichen. – Ich danke Ihnen.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Das Wort hat der Abgeordnete Herr Saalfeld von der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Ich will gleich daran anknüpfen. Was würde es denn bedeuten, wenn das Land Mecklenburg-Vorpommern bei der Wahlbeteiligung unter 50 Prozent fallen würde? Hieße das dann im Umkehrschluss auch, dass das Land Mecklenburg-Vorpommern keine Zukunft hat und vielleicht mit anderen Bundesländern fusionieren sollte? Dass die Wahlbeteiligung, aus welchen Gründen auch immer, sporadisch oder auch mal längerfristig unter 50 Prozent fallen kann, ist nicht völlig unrealistisch hier in diesem Land. Deswegen, meine sehr geehrten Damen und Herren, kann ich mich der Forderung von Herrn Jaeger nur anschließen und Sie bitten zu überlegen, ob das wirklich ein sinnvolles Kriterium ist, um künftig die Zukunftsfähigkeit der Gemeinden zu identifizieren und festzustellen.

Eine weitere Frage schließt sich hier an, und zwar: Was ist denn eigentlich mit den Gemeinden, die in Zukunft gegen dieses Leitbild verstoßen? Ja, sie sollten fusionieren. Aber wird das dann zum Beispiel auch Bestandteil der üblichen haushälterischen Prüfungen durch die Rechtsaufsicht im Innenministerium zur Genehmigung oder Verweigerung freiwilliger Aufgaben? Natürlich steht das nicht im Gesetz und natürlich steht das nicht im Leit

bild, aber es ist doch sehr naheliegend, dass das herangezogen wird, wenn eine Gemeinde gegen dieses Leitbild verstößt, denn wir wissen auch heute, dass das Innenministerium sehr nebulös bestimmte Maßnahmen beziehungsweise bestimmte Haushalte mit dem Hinweis verweigert, dass die Leistungsfähigkeit, so wird das schwammig formuliert, der Gemeinde weggefallen ist.

(Zuruf von Marc Reinhardt, CDU)

Es gibt aber überhaupt keine Legaldefinition dieser Leistungsfähigkeit und deswegen habe ich die Befürchtung, dass man dann vielleicht auch noch auf dieses Leitbild ausweicht.

Also, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich freue mich auch – Herr Müller und Herr Caffier, da haben Sie völlig recht – auf die Beratungen im Innenausschuss. Da gibt es noch viele Fragen zu beraten.

Herr Müller, ich kann im Gegensatz zu Ihnen die Kritik des Städte- und Gemeindetags sehr wohl verstehen, dass der Gesetzentwurf von SPD und CDU aus der Mitte des Parlaments kommt, denn Sie wissen ja, wenn der Gesetzentwurf vonseiten der Landesregierung kommt, dann ist eine Verbandsanhörung vorweggeschaltet, und diese Verbandsanhörung garantiert auf jeden Fall, dass auch größere Veränderungen im Gesetzentwurf möglich sind. Die Praxis und die Erfahrungen zeigen ja, dass, wenn ein Gesetzentwurf erst einmal im Landtag gelandet ist, dann die Änderungen, die durch die Koalition noch zugelassen werden, relativ überschaubar sind.

(Marc Reinhardt, CDU: Aha?! Ich erinnere mal an das Brandschutzgesetz.)

Natürlich gibt es die eine oder andere Änderung, aber dass große Teile eines Gesetzes dann noch mal umgestrickt werden, ist in einem solchen Verfahren eher unrealistisch und unwahrscheinlich. Deswegen kann ich die Kritik des Städte- und Gemeindetages sehr wohl nachvollziehen. Natürlich, Herr Müller, Sie haben recht, es ist völlig legitim, dass ein Gesetzentwurf aus der Mitte des Parlaments kommt, klar. Aber es geht darum, dass die Städte und Gemeinden selbstverständlich eingebunden werden wollten bei der Formulierung des Gesetzes, damit auch größere Korrekturen möglich sind.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich kann mich auch der Kritik des Städte- und Gemeindetages bezüglich der sogenannten Hochzeitsprämie oder Fusionsprämie anschließen, wie auch immer man das nennen mag. Sie wissen sicherlich, das muss ich Ihnen hier nicht im Detail darlegen, Sie wissen, dass im Gesetz steht, dass der kommunale Aufbaufonds für diese Fusionsprämie herangezogen werden soll. Deswegen ist das in etwa so, das muss man sich so vorstellen, dass bei einer Hochzeit die Partner das Geld selbst mitbringen und keine Geschenke bekommen. Das finde ich ein bisschen schade und es ist vor allem auch nicht attraktiv.

Sie haben ja gerade noch mal betont, dass dieser Gesetzentwurf und dieses Leitbild dazu führen sollen, dass es attraktiv sein soll, sich zusammenzuschließen. Ich kann aber nicht erkennen, dass etwas attraktiv ist, wenn das Geld von den Kommunen selbst kommt. Deswegen hat es mich auch ein bisschen verwundert, als ich am Dienstag die Äußerung vom CDU-Fraktionschef Vincent Kokert gelesen habe, wonach die Landesregierung im

neuen Doppelhaushalt angeblich 40 Millionen Euro eingestellt habe, um Gemeindefusionen finanziell zu unterstützen. Wir haben das nun gestern beschlossen im Doppelhaushalt. Die Erinnerung ist frisch. Wir wissen alle, da stehen keine zusätzlichen 40 Millionen Euro drin, sondern sie kommen aus dem kommunalen Aufbau- fonds.

(Torsten Renz, CDU: Stand denn in der Pressemitteilung das Wort „zusätzlich“?)

Bitte? Na ja, aber so haben wir das wahrgenommen, und ich weiß nicht, ob darauf...

(allgemeine Unruhe)

Entschuldigen Sie, Herr Renz, wir wissen ja, wie Politik funktioniert,

(Torsten Renz, CDU: Er wurde zitiert und da kam nicht das Wort „zusätzlich“ drin vor.)

und wenn sich ein Fraktionsvorsitzender in die Öffentlichkeit stellt und sagt, da gibts 40 Millionen Euro, dann will er den Eindruck vermitteln, dass die Bevölkerung glaubt, da gibt es 40 Millionen Euro für die Gemeindefusionen.

Herr Abgeordneter Saalfeld, gestatten Sie die Anfrage des Abgeordneten Müller?

Ja, bitte.

Bitte, Herr Müller.

Da bin ich nicht so.

(Ulrike Berger, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Die Opposition hat Lust darauf. – Heiterkeit bei Heinz Müller, SPD)

Vielen Dank.

Herr Saalfeld, ist Ihnen bekannt, dass die Fusionsprämien, die bis 2004 für Fusionen ausgezahlt wurden und die allgemein als sehr erfolgreich bewertet werden, mindestens zur Hälfte aus kommunalen Finanzmitteln, nämlich aus FAG-Mitteln stammen?

Ich glaube, das ist nicht der springende Punkt.

Ich habe gefragt, ob es Ihnen bekannt ist.

Nur eine Frage!

Sie wollen ja die Attraktivität steigern und ich glaube, dass die Attraktivität von solchen Fusionen nur dann gesteigert werden kann, wenn Sie auch tatsächlich Mittel in die Hand nehmen. Natürlich, Herr Müller, ich gebe Ihnen recht, da sind sicherlich anteilmäßig vernünftige Wege gegangen worden. Und im Übrigen, das möchte ich auch noch mal betonen, ich finde den Weg, den Sie hier gehen, begrüßenswert, dass wir auf freiwilliger Basis und nicht wie bei der Kreisgebietsreform einen Weg beschreiten wollen, um zu neuen Gemeindestrukturen zu kommen.

(Heinz Müller, SPD: Das war keine Antwort auf meine Frage.)

Ja, meine sehr geehrten Damen und Herren, ich habe dann eigentlich nur noch eine Frage. Das ist zwar im Gesetz schon ein bisschen angelegt, aber, ich denke, auch das sollten wir im Innenausschuss noch mal genau besprechen, weil das im Gesetz nur sehr schwammig formuliert ist: Wie wollen wir denn sicherstellen, dass sich möglichst praktikable Zusammenschlüsse zusammentun? Ich meine, es ist ja nun nicht so, dass sich in Mecklenburg-Vorpommern zum ersten Mal Gemeinden zusammenschließen. Wir haben in anderen Bundesländern auch schon diverse Strukturreformen hinter uns, zum Beispiel in den 90er-Jahren in Thüringen, da war ich live dabei. Da sind dann ganz interessante Donutgemeinden gewachsen oder auch Gemeindegirlanden, weil sich die Gemeinden teilweise aufgrund von, ich sage mal, individuellen Animositäten gegen bestimmte andere Strukturen zusammengeschlossen haben.

Nun habe ich in den Gesetzentwurf geschaut und geguckt, wie wollen wir denn so etwas verhindern. Da steht dann immer nur sehr schwammig, es sollte möglichst vermieden werden, dass so etwas geschieht, oder es sollte möglichst darauf geachtet werden, dass sich Gemeinden zum nächsten zentralen Ort zusammenschließen. Meine sehr geehrten Damen und Herren, das ist natürlich ein frommer Wunsch, wenn man das so formuliert, aber es wird schwierig sein, genau diese Fehlentwicklungen, wenn sie denn entstehen, auch steuernd, sanft steuernd zu begleiten.

Also hier, denke ich, haben wir noch viel zu beraten, auch die Frage: Wie viele Gemeinden sollen denn zum Schluss eigentlich fusioniert sein? Das sollte am Anfang definiert werden, denn wenn wir das am Anfang nicht definieren, wissen wir am Ende nicht, ob das Gesetz erfolgreich war. Wenn sich nur zwei Gemeinden zusammenschließen, ist das ein Erfolg?

(Johann-Georg Jaeger, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Die waren in jedem Fall aber erfolgreich, das weiß ich.)

Wenn sich 100 Gemeinden zusammenschließen, ist das ein Erfolg, oder 200 oder 400? Wir wissen es nicht, wir können es vielleicht erahnen. Es sind ja angeblich immerhin 40 Millionen Euro vorgesehen, natürlich aus dem Säckel der Kommunen, das darf man nicht vergessen. Wenn man 200.000 Euro pro Fusionsprämie veranschlagt, dann ist man bei 200 Gemeinden. Gleichwohl sollten wir das doch noch mal klar definieren, was eigentlich unsere Absicht ist.