(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das war ja wieder ein substanzieller Redebeitrag. Mein Gott, das war ja echt … Da hättest du auch sitzenbleiben können.)
Liebe Frau Stramm, ich möchte zunächst richtigstellen, wenn Sie die Pflegekammer, die wir ja vorhin ausführlich diskutiert haben, als unseren einzigen Ansatz darstellen, im Bereich des Pflegepersonals etwas zu tun, das ist infam.
Das ist infam, und zwar so infam, dass die Pflegekräfte in unserem Bundesland Ihnen das nicht danken werden. Die werden sich von Ihrer zynischen Haltung, sagen wir mal, hinter die Fichte geführt fühlen, und das zu Recht.
Sie haben gleich zu Beginn, als es darum ging, dass die Krankenhausstruktur in Mecklenburg-Vorpommern maßgeblich von der Personalbemessung abhängt, angeführt, die Fraktion DIE LINKE hätte in einer der letzten Landtagssitzungen einen segensreichen Antrag eingebracht und wir hätten den einfach abgelehnt. Dabei wäre das doch die Möglichkeit gewesen, bei dem Thema richtig voranzukommen.
Ich möchte noch mal darauf eingehen, was denn mit dem Antrag zur Personalbemessung war. Den haben wir nämlich aus gutem Grund abgelehnt. Den haben wir seinerzeit abgelehnt, weil wir vermeiden müssen, hier im Rahmen eines von Ihnen vorgeschlagenen Schnellschusses durch pauschale globale Vorgaben von Personenzahlen am Ende eine Situation in MecklenburgVorpommern eintreten zu lassen, die dann den kleinen Krankenhäusern, um die es uns doch wohl bitte schön geht, aufgrund mangelnder Flexibilität und vor allen Dingen aufgrund mangelnder Berücksichtigung des spezifischen Einzelfalls ernsthafte Probleme bereitet. Und mal davon abgesehen, dass wir uns damals nicht darauf eingelassen haben und es auch immer noch nicht tun, aber konnexe Dinge zu diesem Sachverhalt und vor allen Dingen möglicherweise auch unterschiedliche Festlegungen in den Krankenhausplänen der Länder zu beschließen – das wäre die Folge einer solchen Vorgabe, die Sie en passant angesprochen haben –, halten wir nicht für sinnvoll, besonders eine solche unterschiedliche Festlegung in den Krankenhausplänen.
Ich möchte betonen, dass wir bei dem Thema „Personalbemessung in Krankenhäusern“ – fernab von der Frage einer Pflegekammer, wo wir eben die Argumente ausgetauscht haben – nicht bei null anfangen. Vielmehr ist es doch so, dass wir heute bereits eine große Menge einschlägiger Regelungen haben, die beim Thema Personal von den Klinikbetreibern einzuhalten sind. Es gibt Stel
lenpläne, die von den Kassen und vom MDK überprüft werden, es gibt Personalmindeststandards des G-BA und es gibt Festlegungen in dem Operationen- und Prozedurenschlüssel.
Darüber hinaus bitte ich, zur Kenntnis zu nehmen, dass das Krankenhausstrukturgesetz ein 660 Millionen Euro schweres Förderprogramm für Pflegestellen von 2016 bis 2018 enthält und ab 2019 dauerhaft jährlich 330 Millionen Euro für die Krankenpflege bereitstellt. Das sind Berechnungen zufolge rund 6.350 zusätzliche Stellen. Sie gehen mit keinem Wort darauf ein, Frau Stramm. Ich kann Ihnen nur unterstellen, dass Sie das ganz bewusst tun, um die Maßnahmen, die getroffen wurden, um der Pflege an der Stelle zu helfen, in ein schlechtes Licht zu rücken. Das finde ich infam.
Mal abgesehen von dem Stärkungsgesetz ist es beschlossene Sache, dass eine Expertenkommission genau zu diesem in Rede stehenden Thema Untersuchungen anstellen wird, also die Frage klären will, wie die Personalkosten im Bereich der Pflege innerhalb des DRG-Vergütungssystems oder auch durch Regelungen außerhalb des DRG-Systems besser darzustellen sind. Die Tatsache, dass die Kosten für die Pflege in diesen DRGs enthalten sind, ist übrigens ein ganz handfester Grund dafür, warum es systematisch zumindest derzeit keinen Sinn hat, das in den Landeskrankenhausplänen zu regeln. – Das als kleinen Exkurs zu Ihren Behauptungen, außerhalb der Einführung einer Pflegekammer gäbe es keine Überlegungen, wie man sich diesem Bereich nähert.
Dann möchte ich nach diesem kleinen Ausflug eine andere Stilfrage ansprechen. In den Debatten ist ja mehrfach die Enquetekommission angesprochen worden. Vielleicht auch für Gäste dieser Beratung: Die Enquetekommission hat im Rahmen von Gutachten, Anhörungen und Expertengesprächen einen ganz großen Maßnahmenkatalog besprochen, unter anderem zum Thema „Medizin und Pflege in der alternden Gesellschaft“. Dazu sind gemeinsam mit den demokratischen Fraktionen in der letzten Sitzung Maßnahmenempfehlungen besprochen worden. Wir haben uns vorgenommen, uns diesen ganzen großen Batzen der Empfehlungen in einer großen Grundsatzaussprache im Landtag vorzunehmen und dazu die Positionen auszutauschen, und das zu dem Zeitpunkt, wo der Zweite Zwischenbericht der Enquetekommission auf die Tagesordnung kommt.
Dann kommt Frau Stramm von den LINKEN um die Ecke – DIE LINKE ist Teil der Enquetekommission und hat natürlich auch bei der Ausarbeitung dieser Maßnahmenempfehlungen mitgemacht – und sagt, Herr Lehrer, ich weiß was, jetzt möchte hier schon mal eine Debatte anzetteln zum Thema „Sicherstellung einer gut erreichbaren, qualitativ hochwertigen und patientengerechten Patienten- und Krankenhausversorgung in MecklenburgVorpommern“. Das ist, finde ich, ein schlechter Stil. Wir hatten das so verabredet, dass wir das in der nächsten Sitzung im Rahmen der Grundsatzaussprache zum Zwischenbericht machen.
Dann kann jeder hier vorpreschen, wie er will. Ich meine, schade, dass an der Stelle nicht mehr gekommen ist als heiße Luft. Das kann man so machen, aber das muss man nicht so machen.
Wenn wir jetzt also auf Antrag der LINKEN zum Thema „Sicherstellung einer gut erreichbaren, qualitativ hochwertigen und patientengerechten Krankenhausversorgung in Mecklenburg-Vorpommern“ sprechen, dann müssen wir doch zuerst mal die aktuellen Rahmenbedingungen zur Kenntnis nehmen, um dann zu klären, wie wir Gutes und Erfolgreiches bewahren, und um gleichzeitig zu besprechen, wie wir alle vorhandenen Ressourcen bei der medizinischen und pflegerischen Versorgung möglichst innovativ und effektiv einsetzen. Denn dass in unserem Bundesland alle verfügbaren Kräfte und alle, die einen Beitrag zur Versorgung leisten, auch in Zukunft gebraucht werden – mal unabhängig vom konkreten Standort und der Arbeitsteilung –, da sind wir uns doch einig.
Zur Lage der Krankenhausstruktur hat Ministerin Hesse einiges ausgeführt und das möchte ich an der Stelle seitens der SPD-Fraktion noch mal unterstreichen: Heute verfügt unser Bundesland über ein modernes und räumlich gut aufgestelltes Netz an Versorgungsangeboten.
Das gilt es zu nutzen und durch clevere Kooperationen und neue Modelle der Zusammenarbeit zu stärken. Neben dieser Feststellung müssen wir im Landtag auch ganz offen – das hatten wir uns ja auch für die Generalaussprache zu unserem Zweiten Zwischenbericht der Enquetekommission vorgenommen – mit den großen Herausforderungen der nächsten Jahre umgehen, als da wäre eine insbesondere im ländlichen Raum schrumpfende Gesamtbevölkerung mit veränderten Versorgungsbedarfen, Stichwort „Mehrfacherkrankung und Multimorbidität“, als da wäre eine gewünschte und voranschreitende Ambulantisierung – natürlich hat das eine Auswirkung auf den Bereich der stationären Krankenhäuser, wenn mehr Menschen ambulant behandelt werden – und als da wären ein sinkendes Fachkräftepotenzial und insgesamt sich wandelnde Rahmendaten hinsichtlich der Qualitätsstandards und Mindestfallzahlen. Vieles davon wird auch auf Bundesebene geregelt.
Meine Damen und Herren, die Planungsbeteiligten für die Krankenhausstruktur – das sind, wie Frau Ministerin Hesse eben ausgeführt hat, neben dem Sozialministerium die Krankenkassen, die Landeskrankenhausgesellschaft, die beiden kommunalen Spitzenverbände des Landes und beratend die Ärztekammer –, diese Planungsbeteiligten müssen die Entwicklungen in der Krankenhausstruktur im Blick behalten und die müssen diese Entwicklung in ihre hoffentlich möglichst weitsichtigen Entscheidungen einbeziehen. Einbeziehen ist hier, finde ich, ein hervorragendes Stichwort. Die Zeiten, dass nämlich jeder Sektor, also diejenigen, die im ambulanten Bereich, und diejenigen, die im stationären Bereich unterwegs sind, isoliert vor sich hin planen und Schnittstellen mit dem anderen Sektor nur zur Kenntnis nehmen, diese Zeiten sind vorbei. Längst haben nicht zuletzt praktische Notwendigkeiten, aber am Ende auch der kurative Nutzen zu einer deutlich besseren und voranschreitenden Verzahnung ambulanter und stationärer Angebote geführt.
Meine Damen und Herren, bekanntlich arbeiten die Beteiligten der Krankenhausplanung aktuell und in den
vergangenen Wochen und Monaten sehr intensiv und sehr verantwortungsbewusst an einer langfristig funktionierenden Perspektive für die stationäre kinder- und jugendärztliche Versorgung der Region im Dreieck Wolgast, Anklam und Greifswald. Dass sie daran arbeiten, ist übrigens nicht auf Initiative des Landes geschehen und schon gar nicht auf Drängen der Ministerin. Das waren die Krankenhäuser in Wolgast und Anklam und deren Träger, die deutlich gemacht haben, Frau Stramm, dass es in der Konstellation und mit der Angebotsstruktur an den Standorten so nicht mehr weitergehen kann. Der Prozess ist also aus sich selbst heraus entstanden und musste dann von den Planungsbeteiligten bearbeitet werden.
Die Planungsbeteiligten hatten und haben dadurch ein Thema zu bearbeiten, das ganz vornehmlich durch die faktische Entwicklung der Patientenzahlen und vor allen Dingen auch durch die Fachkräftesituation bestimmt ist. Die Verhandlungen zur Krankenhausstruktur sind in meinen Augen in dem Fall sehr konstruktiv verlaufen.
Im Ergebnis werden sie einem sehr basalen und in meinen Augen sehr wichtigen Anspruch gerecht, dass die Krankenhausstandorte Anklam und Wolgast erhalten bleiben und durch eine gute Arbeitsteilung jeweils sogar gestärkt werden.
Wenn wir darüber reden, dass das alles aus Sicht von etlichen Akteuren und aus der persönlichen Betroffenheit heraus als sehr unschön wahrzunehmen ist, dann muss man, glaube ich, auch mal einer hässlichen Alternative ins Gesicht sehen und die ganz klar benennen. Diese hässliche Alternative wollen wir verhindern.
Die hässliche Alternative ist nämlich, nichts zu tun und zu sagen, alles bleibt beim Alten, wir erhalten den Status quo.
würde definitiv nicht zu einer Lösung führen, die der Bevölkerung in der Region, den Patientinnen und Patienten, die einen Versorgungsstandort haben wollen, helfen würde, sondern das würde zu einem schmerzhaften, zu einem nicht nachhaltigen Niedergang einzelner Disziplinen und Standorte führen. Und das werden wir nicht akzeptieren. Dort sind wir dicht an der Seite der Planungsbeteiligten, die dafür langfristig kalkulierbare und verlässliche Pfade entwickeln, die man dann beschreiten kann, um die Versorgungsstandorte zu erhalten und nicht einfach den Leuten ein X für ein U vorzumachen und sich am Ende zu wundern, oh, hier sind bestimmte Strukturen, bestimmte Abteilungen und bestimmte Disziplinen nicht mehr tragfähig.
Meine Damen und Herren, beim Thema „medizinische Versorgung und Krankenhausstruktur“ dürfen wir die tatsächlichen Anforderungen an eine zuverlässige und am Wohl der Bevölkerung orientierte Landespolitik nicht zugunsten einfacher kurzsichtiger Versprechungen zur Seite legen. Tragfähige Festlegungen werden, das müssen wir uns klarmachen, immer dort gelingen, wo die bestimmenden Faktoren zur Kenntnis genommen werden und wo diesbezüglich langfristige und verlässliche Aussagen getroffen werden können, im Wesentlichen Personal, Nutzungszahlen.
Der langfristige Bestand von Ankern der medizinischen und pflegerischen Versorgung in der Fläche hängt von diesen beiden Faktoren ab: vom Vorhandensein medizinischer Facharbeitskräfte und vor allen Dingen von den Patientinnen und Patienten, die versorgt werden müssen. Diese beiden Faktoren sind übrigens nicht nur in der Gegend Anklam und Wolgast eine ernste Herausforderung, die man immer im Blick haben muss, sondern das betrifft das ganze Land. Das sind Dinge, denen sich die Planungsbeteiligten an allen Ecken und Kanten der Versorgungsplanung annehmen müssen.
Selbst mal angenommen, die Belegung von medizinischen Versorgungsangeboten, also die Nutzungszahlen, hätten langfristig keinerlei Bedeutung für die Wirtschaftlichkeit von Abteilungen, Stationen und Standorten – Klammer auf: was nicht so ist, aber mal angenommen, das wäre so, man könnte sagen, auch wenn da im Durchschnitt nur zwei Patienten sind, das ist doch wunderbar, das können wir machen, das spielt also keine Rolle –, dann wird man den zweiten Faktor niemals in den Griff kriegen, auch mit noch so viel Geld nicht, denn ausreichend Fachkräfte und ausreichend Nachwuchs lassen sich unter solchen Rahmenbedingungen kaum anwerben und halten.
Insbesondere Ärztinnen und Ärzte brauchen für eine qualitätsvolle Versorgung, aber auch für ihre eigene fachliche Reputation, die wir ihnen auch zugestehen, immer eine Mindestmenge und immer eine gewisse Mischung von Fällen, die in den Abteilungen auch zu behandeln sind. Von den Vorgaben des G-BA zu Qualität und Quantität mal ganz zu schweigen – das ist auch ein scharfes Schwert.
Ich möchte an der Stelle übrigens auch ganz deutlich sagen, dass die dahintersteckende Strategie, durch die Vorgabe von Mindestgrößen
dichter besiedelter Märkte in anderen Teilen dieses Landes Deutschland zu bereinigen, nicht dazu führen darf, dass natürlich dünn besiedelte Länder und Regionen auch in Mecklenburg-Vorpommern am Ende die Leidtragenden sind.
Unabhängig davon gibt es ohne eine echte Perspektive auf Fälle und Case Mix kein Personal und ohne Personal