Protocol of the Session on November 19, 2015

Haargenau die gleichen Inhalte des bereits Entschiedenen sollen nun noch mal von den gleichen Personen beschlossen werden, die es bereits beschlossen haben.

Dann – und nun wird es noch irrwitziger –, eine Woche nach der ersten Beschlussfassung,

(Andreas Butzki, SPD: Ja.)

sollen die Schulleitungen in einer Befragung dem bereits beschlossenen und entschiedenen Handeln nachträglich huldigen. Die Schulen erreichte letzte Woche nämlich ein Brief – oder sagen wir mal lieber, eine Depesche – mit den bereits beschlossenen Eilmeldungen. Hierin heißt es: Die Landesregierung hat sich entschieden, die Zahl der Unterrichtsstunden im Fach Deutsch wieder zu erhöhen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Aha!)

Findet dieser Schritt grundsätzlich Ihre Zustimmung?

(Heiterkeit bei Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE)

Die Landesregierung hat sich entschieden! Kein Wort in dieser Frage von der Kürzung des Sachunterrichts.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Wie ist denn die zustimmende Meinung, ja oder ja?)

Was ist denn das für eine Meinungsbildung? Es wurde entschieden! Da ist doch jede Abfrage eines Grundschülers bei seiner Auserwählten – Willst du mit mir gehen? Kreuze an: Ja, nein oder vielleicht – wesentlich aussagekräftiger als diese eine Frage.

(Tilo Gundlack, SPD: Ja, und?)

Wer ist denn nicht für mehr Deutschunterricht? Sie haben vergessen zu fragen, ob sie auch gleichzeitig der Kürzung im Sach- und Englischunterricht, und zwar in dieser Frage, grundsätzlich zustimmen.

(Marc Reinhardt, CDU: Das hat doch der Minister erläutert.)

Sie haben doch bereits entschieden.

(Egbert Liskow, CDU: Sie haben nicht zugehört.)

Damit Sie nun aber auch noch Recht bekommen mit der Rechtschreibung, machen Sie eine Wohlfühlumfrage. Das hätte ich Ihnen nicht zugetraut, Herr Minister.

(Johannes Saalfeld, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Was? – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE – Egbert Liskow, CDU: Wer nicht hören will, muss fühlen.)

Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben schon vor vielen Jahren mehr Deutschunterricht an den Grundschulen gefordert. Wir fordern mehr Deutschunterricht. Wir fordern keinen Verschiebebahnhof, wir fordern ein Mehr und kein Umschaufeln. Und da bin ich dem Kollegen Renz sehr dankbar dafür, dass er das heute noch mal mit ins Gespräch gebracht hat.

Diese weiteren angeblichen Neuerungen, dass der Deutschunterricht besser mit dem Sachunterricht ver

zahnt werden soll, stoßen bei den Lehrkräften auf ein müdes Lächeln und auf Kopfschütteln, denn das haben sie seit Jahren in den Grundschulen praktiziert, weil sich die Lehrkräfte nämlich an Ihre Verordnungen halten, Herr Minister.

Und da zitiere ich mal aus der seit sechs Jahren gültigen Kontingentstundentafel: „Der Gegenstandsbereich Deutsch setzt sich aus den Teilbereichen Lesen/Umgang mit Texten und Rechtschreiben/Sprachbetrachtung zusammen. Insbesondere im Schuleingangsbereich ist fachübergreifender Unterricht mit dem Gegenstandsbereich Sachunterricht anzustreben. … Im Gegenstandsbereich Sachunterricht ist fachübergreifendes Arbeiten Prinzip.“ Ende des Zitats. Damit hat sich Ihr dritter Antragspunkt gänzlich entzaubert. Diese angebliche Neuerung ist ein alter Hut.

Sehr geehrte Damen und Herren, die Kenntnisse der Schülerinnen und Schüler nehmen doch nicht zu, wenn man ihnen keinen zusätzlichen Unterricht gibt. Sie brauchen Zeit und die Lütten erst recht. Die Erstklässler haben lediglich vier Stunden täglich Unterricht. Wenn man bei ihnen eine Stunde Deutsch pro Jahr und eine Stunde Mathe in der 1. und 2. Klasse zusätzlich gibt, dann haben sie an zwei Tagen in der Woche fünf Stunden Unterricht.

(Tilo Gundlack, SPD: Das finden die auch schon eine Sauerei.)

Das ist nicht zu viel, gerade wenn Sie bedenken, wie viel Zeit – und, Herr Gundlack, das müssen Sie wissen –, wie viel Zeit Ihre kleine Tochter einfach damit verbringt, ein Buch aufzuschlagen, den Füller aufzuschrauben und die Seite im Buch zu finden,

(Tilo Gundlack, SPD: Das weiß ich. Das weiß ich.)

wenn doch der Hund auf dem Mathebuch viel interessanter ist als die Seite 27 im Mathebuch.

(Andreas Butzki, SPD: Zu DDR-Zeiten mussten wir den Füller noch reparieren. Das darfst du auch nicht vergessen.)

Wenn man ihnen jetzt eine Stunde mehr Deutschunterricht pro Klasse gibt, dann ist das für die Kinder eine ganz, ganz wichtige Stunde, denn wir können nicht den Eltern überlassen, Wissen zu vermitteln. Für die Wissensvermittlung ist die Schule zuständig und die Eltern sind dazu da, mit ihren Kindern zu üben.

(Zuruf von Tilo Gundlack, SPD)

Wenn nun aber der Englischunterricht gekürzt werden wird, fehlt dort wieder die Zeit der Wissensvermittlung.

(Zuruf von Beate Schlupp, CDU)

Sie beziehen sich auf die Anzahl der Englischstunden in Bayern und Sachsen, aber auch dabei vergessen Sie wieder, die zusätzlichen Stunden, die in diesen Bundesländern den Kindern gewährt werden, zu übernehmen. Sie suchen sich aus, was Ihnen passt. In Bayern haben die Grundschüler insgesamt zehn Stunden mehr Unterricht – und da sind nicht die Förderstunden mit dabei, sondern diese Stundenübersicht ist mit einem kleinen Sternchen gekennzeichnet und das Sternchen ist erklärt: Stunden, die allen Kindern zur Verfügung stehen –, zehn Stunden mehr Unterricht in der Grundschule in Bayern

und in Sachsen immerhin drei Stunden mehr als in Mecklenburg-Vorpommern. Wenn wir jetzt Bayern oder Sachsen nehmen, dann eben auch die Stundenzuweisungen für Bayern und Sachsen.

Meine Fraktion fordert, wenn Sie unserem Änderungsantrag nicht zustimmen, eine Einzelabstimmung über die römischen und arabischen Antragspunkte, und natürlich fordern wir zusätzlichen Deutschunterricht. Ich hoffe, Sie sind auch ein bisschen der Meinung,

(Beate Schlupp, CDU: Bisschen.)

dass Sie sich hier ein wenig vergaloppiert haben, und stimmen deshalb grundsätzlich unserem Änderungsantrag zu.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Butzki von der SPD-Fraktion.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen! Nach der Pressekonferenz am 2. November zum Thema „Mehr Deutschunterricht an Grundschulen Mecklenburg-Vorpommerns“ war das Medienecho überwiegend positiv oder positiv und alle oder viele Lehrerinnen und Lehrer haben die vielen Vorschläge, die wir unterbreitet haben, sehr begrüßt. Deswegen fand ich jetzt diese Rede, die wir gerade gehört haben, in manchen Punkten doch ein bisschen überzogen.

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

Und ich will auch nicht zusätzlich die Diskussion aufmachen um einen Schulsonnabend hier wieder bei uns in Mecklenburg-Vorpommern, wenn wir die ganzen Stunden einführen wollen. Also in den 1. und 2. Klassen mit den vier Stunden Unterricht, denke ich, das ist eine vernünftige Sache, die wir bis jetzt haben. Deswegen war ich auch über die Pressemitteilung der Fraktion DIE LINKE am 2. November außerordentlich irritiert, weil dort behauptet wurde, Mecklenburg-Vorpommern bilde das Schlusslicht in der Unterrichtsversorgung. Das ist schlichtweg falsch und nicht richtig wiedergegeben.

Ich habe mir daraufhin mal die KMK-Regelungen angeschaut und festgestellt, dass wir im Ländervergleich bei den aktuellen Wochenpflichtstunden der Grundschulen nicht das Schlusslicht bilden. Was sind Wochenpflichtstunden? Das noch mal kurz zur Erläuterung: Das ist die Aufaddierung der einzelnen Wochenstundenzahlen, die wir in den vier Jahren haben, und dann kommen wir auf einen Wert.

Und wie sieht es in den anderen Bundesländern aus? Ich will das hier mal betonen, beispielsweise unsere Nachbarländer: Schleswig-Holstein 92 Wochenstunden, Brandenburg 93 Wochenstunden,

(Torsten Renz, CDU: Willst du dich jetzt am Mittelfeld orientieren?)

Niedersachsen 94 Wochenstunden. Es gibt weitere Bundesländer, die einen niedrigeren Wert haben als Mecklenburg-Vorpommern: Hessen und Berlin. Es gibt natürlich – haben wir auch heute schon gehört – Länder, die einen höheren Wert haben, wie das Saarland oder auch

Thüringen. Interessant ist aber, dass alle norddeutschen Flächenländer eine ähnliche Wochenstundenzahl im Grundschulbereich haben. Und deshalb möchte ich noch mal ganz deutlich betonen, die Behauptung der Fraktion DIE LINKE in der Pressemitteilung ist schlichtweg falsch.

Die Koalitionsfraktionen von SPD und CDU sehen es aber als äußerst sinnvoll an, den Sachunterricht an den Deutschunterricht zu koppeln. Wir haben das heute schon mehrfach gehört. Und wenn man sich einmal die Themenfelder im Sachunterricht anschaut, der eine Vorbereitung auf den Fachunterricht in den 5. Klassen ist, dann ist hier zu sehen: sich selber wahrnehmen (dazu gehört die Gesundheitsförderung, Sexualität und Ge- schlechterrolle), zusammen leben (kulturelle Vielfalt, Formen des Zusammenlebens und Konsumverhalten), Naturphänomene erschließen (Tiere, Pflanzen, Biotop, Wasser, Wetter und Feuer), Räume wahrnehmen, erschließen und nutzen (Schulgelände, Karte und Kom- pass nutzen), Zeit und Geschichte verstehen (da sind auch die Jahreszeiten mit drin, Zeit einteilen und mes- sen, Geschichte untersuchen, eigene Entwicklung, Fami- lie, Stadt und Region), und auch Mediennutzung ist hier mit drin (mit dem Computer arbeiten, andere Medien verwenden, bewerten und produzieren). Da, denke ich, findet man doch gute Möglichkeiten, den Deutschunterricht mit Sachtexten aus diesen Themenbereichen zu verbinden. Der Minister hat es vorhin auch schon gesagt.

Wir wissen es auch ganz genau, viele erfahrene Grundschulpädagoginnen und -pädagogen praktizieren das doch schon immer so, denn sie sind das aus den Jahren vor 1990 gewöhnt. In den damaligen Lehrplänen war die Heimatkunde ein wichtiger Bestandteil des Deutschunterrichts.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Es war nicht alles schlecht.)

Ich muss hier auch noch mal ganz deutlich die Frage stellen: Warum sollen die Mädchen und Jungen nicht in der Grundschule einen Fachtext zur Gesundheitsförderung im Deutschunterricht lesen? Warum sollen die Grundschülerinnen und Grundschüler nicht ein Diktat zum Thema „Kulturelle Vielfalt“ schreiben? Und warum sollen die Kinder nicht eine Geschichte über Tiere im Wald hören?

Die Koalitionsfraktionen von SPD und CDU wollen deshalb eine enge curriculare Verzahnung der Rahmenpläne Deutsch und Sachkunde festschreiben und verbindliche Vorgaben machen. Die pädagogischen Freiräume für unsere Lehrerinnen und Lehrer werden trotzdem noch groß genug sein. Deshalb werden bei der Erstellung der neuen Rahmenpläne für Deutsch und Sachkunde erfahrene Schulpraktikerinnen und -praktiker genauso mit dabei sein wie die Didaktiker und Fachexpertinnen und Fachexperten.