Ihre geforderte Personalbemessung würde den Krankenhäusern in Mecklenburg-Vorpommern erheblich schaden. Mecklenburg-Vorpommern als Flächenland muss alle seine 37 Krankenhäuser erhalten. Dieses Ziel hatten wir uns immer gestellt, gemeinsam mit der Ministerin.
Weiter würde eine Personalbemessung bedeuten, dass der Pflegebedarf genau erfasst werden müsste. Dies ist sehr schwierig, da die ärztlichen sowie pflegerischen Leistungen im Krankenhaus sehr unterschiedlich zusammenwirken. Zudem arbeitet, das hatte ich bereits genannt, jedes Krankenhaus anders und hat seine eigenen Strukturen.
Es hat sich in der Krankenhausversorgung seit den 1980er-Jahren vieles verändert und auch zum Guten gewendet. Ganz aktuell ist dabei natürlich das Krankenhausstrukturgesetz, welches ab dem nächsten Jahr gilt. Da spielen die Qualität und die Qualitätsindikatoren eine entscheidende Rolle. Besonders wichtig ist bei der Frage des Personals die Strukturqualität, denn diese beinhaltet auch die personelle Ausstattung. Nur mit einer guten, qualifizierten personellen Ausstattung kann eine hohe Qualität erzielt werden.
Außerdem enthalten die Koalitionsvereinbarungen der Bundesregierung aus CDU und SPD Folgendes: „Wir setzen uns im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten für Personalmindeststandards im Pflegebereich ein und wollen die Pflegeberufe aufwerten.“ Die Bundesregierung wird schon den richtigen Zeitpunkt und die Maßnahmen finden, um den Punkt umzusetzen.
Dafür brauchen wir Ihren Antrag nicht. Wir werden Ihren Antrag ablehnen. Aber lassen Sie mich noch mal ein paar Gründe nennen.
(Peter Ritter, DIE LINKE: Ah, noch mal?! – Heiterkeit bei Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Jetzt tut nicht so überrascht!)
Die Personalausstattung ist ja eigentlich auf der Strukturverwaltungsebene im Krankenhausbereich angesiedelt, also eine Selbstverwaltungsaufgabe gemeinsam mit den gesetzlichen Krankenkassen, der Krankenhausgesellschaft und den Krankenhausträgern. Für mich stellt sich die Frage: Gab es einen Sinneswandel bei der Fraktion DIE LINKE?
(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Bei Ihnen offensichtlich auch! Bei Ihnen gab es den Sinneswandel offensichtlich auch, Herr Schubert!)
Ich kann mich daran erinnern, gerade dieses Problem hatten wir vor anderthalb oder zwei Jahren in dem Bereich der ambulanten Pflegedienste.
Da hatten sich CDU und SPD dafür eingesetzt, dass wir politischen Druck ausüben wollten auf die Selbstverwaltungsebene. Wer nicht mitgezogen hat, das war damals die Fraktion DIE LINKE. Sie haben sich da vollkommen rausgehalten.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Mit dem vorliegenden Antrag fordern die LINKEN die Landesregierung auf, einerseits Personalvorgaben in den Krankenhausplan aufzunehmen und andererseits, sich auf Bundesebene für eine gesetzliche Regelung einzusetzen, die eine ausreichende personelle Besetzung in den Krankenhäusern sicherstellt. Die bedarfs- und fachgerechte Versorgung der Patienten soll hierdurch sichergestellt werden. Ähnliche parlamentarische Bemühungen gab es sowohl auf Bundesebene als auch in anderen Landesparlamenten.
Die Forderungen sind richtig, führten bislang aber zu keinen Taten. So sollte auch Ihnen bekannt sein, dass sich durch den Abbau von Vollzeitstellen in der Krankenhauspflege die Arbeitssituation für die Beschäftigten gravierend geändert hat. Für die Patienten ist kaum noch Zeit vorhanden. Der ständige Stress durch zum Beispiel 24-Stunden-Dienste führt zudem zu einer stetigen Verschlechterung der Arbeitsmotivation. Viele Mitarbeiter der Krankenhäuser empfinden sich schlechtweg als unterbezahlt. Auch dieser Umstand fördert nicht wirklich die Arbeitsmotivation. Hinzu kommt, dass der Dauerstress auch Gift für das Arbeitsklima ist.
Von 1996 bis 2012 wurden, häufig aus Kostenersparnisgründen, etwa 11 Prozent der Vollzeitstellen in der Krankenhauspflege abgebaut. Im gleichen Zeitraum stieg die Zahl der Behandlungsfälle in den Krankenhäusern um rund 30 Prozent. Gewerkschaften vermuten, dass mittlerweile bis zu 70.000 Pflegekräfte in den Krankenhäusern fehlen. Dies sind die Folgen einer verfehlten Gesundheitspolitik auf der einen Seite, aber auch einer verfehlten Finanz- und Personalpolitik im Gesundheitswesen auf der anderen Seite. Der Kapitalismus fordert seine Opfer.
In Deutschland gibt es genügend Frauen und Männer, die auch eine Tätigkeit in Krankenhäusern in Betracht ziehen würden, wenn die Rahmenbedingungen stimmen würden. Finanzmittel sind im Gesundheitswesen genügend vorhanden, sie müssen nur endlich einer zweckmäßigen Verwendung zugeführt werden.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Bevor ich zu dem komme, was ich vorbereitet habe und zu Protokoll geben möchte, will ich ganz gern noch mal auf ein paar Dinge eingehen, die hier zur Sprache gekommen sind.
Wenn man Herrn Schubert zugehört hat, könnte man ja den Eindruck haben, wir hätten jetzt einen Antrag von der Bundesebene runtergezoomt auf die Landesebene. Also hier geht es darum, wenn Sie Herrn Foerster richtig zugehört haben, dass wir eine Kampagne von ver.di – und ver.di ist die Interessenvertreterin der Beschäftigten, also derjenigen, die am besten wissen, wie es ihnen geht, in welcher Situation sie sind – unterstützen. Hier geht es nicht darum, Parteipolitik zu kopieren vom Bund auf das Land, sondern um die Unterstützung der Beschäftigten im Interesse der Patientinnen und Patienten.
Weiterhin könnte man den Eindruck haben, wenn man Herrn Schubert zugehört hat, wir würden an jedem Krankenhaus 200 medizinische Pflegerinnen und Pfleger mehr haben wollen. Also wenn Sie unseren Antrag gelesen haben, steht da dergleichen überhaupt nicht. Hier steht etwas von Personalvorgaben. Wir wollen schon eine entsprechende Regelung. Und dann ist in unserem Antrag die Rede von ausreichender personeller Besetzung. Patientengerechte, aufgabengerechte personelle Ausstattung, das ist unser Anliegen, darum geht es. Darum geht es, das in den Blick zu nehmen.
Und wenn es um einen Personalschlüssel geht, Herr Barlen hatte darauf hingewiesen, dass da natürlich immer zu schauen ist von Krankenhaus zu Krankenhaus, wie sind die Rahmenbedingungen, wie sind die entsprechenden Grundlagen, auf denen gearbeitet wird. Ein Personalschlüssel kann durchaus fest sein – das steht hier aber nicht –, er kann durchaus auch ein Korridor sein, um diesen besonderen Ansprüchen, um der besonderen Situation jeweils gerecht zu werden.
Frau Ministerin hat darauf hingewiesen, dass die Fallzahl steigt und die Zahl der Pflegekräfte noch höher gestiegen ist in den letzten Jahren. Die Zahlen, und Sie berufen sich ja auf Zahlen, völlig korrekt, sprechen das aus. Wir haben allein etwa 800 Pflegekräfte mehr in MecklenburgVorpommern als im Jahr 2000. Zwischen 2000 und 2007 ist abgebaut worden, dann gab es wieder einen Aufwuchs, auch durch entsprechende Programme begleitet.
Der Punkt ist aber nicht, allein diese beiden Zahlen zu vergleichen, denn der Schweregrad von Erkrankungen hat sich verändert – auch aufgrund des demografischen Wandels, auch aufgrund der Tatsache, dass Patientinnen und Patienten, die in die Krankenhäuser kommen, oftmals an mehreren Erkrankungen gleichzeitig leiden –, also die zu behandelnden Fälle sind schwerer. Und sie werden – auch eine solche Tabelle muss man danebenlegen –, die zu behandelnden Fälle werden in kürzerer Frist behandelt, das heißt, die Arbeitsintensität steigt viel mehr. Das führt eben dazu, dass trotz einer höheren Zahl von Pflegekräften an dieser Stelle die Ausbeutung, sage ich mal, viel höher ist.
Dann wurde gesagt, wir könnten das nicht im Land verankern oder ein solches Postulat erstellen, weil dann Forderungen von den Krankenhäusern auf uns zukommen, und zwar auf die Landesschatulle direkt. Das kann ich nicht erkennen. Vielleicht können Sie das noch mal darlegen. Also wir haben an der Stelle keine Konnexität, an der Stelle nicht. Wir haben sie, wenn es faktisch um gesetzliche Regelungen auf kommunaler Ebene geht, das haben wir in der Landesverfassung festgeschrieben, aber an dieser Stelle nicht.
Nordrhein-Westfalen zum Beispiel geht ganz klar – Herr Foerster hat es gesagt – damit um und hat es zumindest für den Intensivbereich, für den sensibelsten Bereich festgelegt. Im Krankenhausplan haben die klar die ärztlichen Stellen, die Stellenplätze in der Pflege festgelegt: acht bis zwölf Betten, sieben Ärzte in der Intensivmedizin, zwei Behandlungsfälle je Pflegekraft. Bis zum Reinigungspersonal haben die das runtergebrochen. Das heißt, es geht, wenn man will, wenn es den politischen Willen dafür gibt, und den wollen wir mit unserem Antrag herbeiführen.
Personalbemessung, sehr geehrte Damen und Herren, ist in deutschen Akutkrankenhäusern nichts Neues. Bis zum Jahr 1995 galt die Regelung über Maßstäbe und Grundsätze für den Personalbedarf in der stationären Krankenpflege. Sie wurde für die Berechnung des Personalbedarfs aufgrund des Drucks der Krankenhausträger abgeschafft. Seitdem gibt es für die Personalausstattung keine gesetzlichen Forderungen. Akutkrankenhäuser unterscheiden sich in dieser Beziehung also von Pflege- und von Kindereinrichtungen, für die diese Landesregierung sehr wohl Personalschlüssel bestimmt hat. Im Landeskrankenhausplan fordert sie zwar die Sicherstellung einer medizinisch leistungsfähigen Patientenversorgung, sie betont aber auch, dass die betriebliche Organisation in den Häusern verbessert werden muss, damit die Betriebskosten sinken und damit langfristig das Ziel einer Absenkung der Kosten des Gesundheitswesens erreicht werden kann.
Frau Gajek, Sie hatten vorhin Bezug genommen auf die Enquetekommission und dass da noch einiges ins Haus steht. Wir haben heute verabredet, das finde ich ganz toll, dass wir feststellen und als Handlungsempfehlung
herausgeben wollen, der Personalbesatz in der medizinischen Pflege ist zu verbessern. Das ist Konsens unter den demokratischen Fraktionen. Ich finde, das ist eine ganz tolle Sache.
Sinkende Betriebskosten haben viele Krankenhausleitungen in der Vergangenheit durch die Personalpolitik erzielt. Ich sage nicht, dass massenhaft Mitarbeiter/innen entlassen wurden. Das Gegenteil ist ja der Fall, dass wir da sogar einen Aufwuchs haben. Es wurden und werden nur deutlich weniger Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigt, als notwendig sind. Das ist der Maßstab. Wie viele sind notwendig? Wie viel ist patientengerecht und aufgabengerecht? Das gilt insbesondere für Mecklenburg-Vorpommern und insbesondere für das nicht ärztliche Personal. Hier bleiben die Patienten im Durchschnitt sieben Tage im Krankenhaus. Im Bundesdurchschnitt ist es ein halber Tag mehr und im Jahr 2000 waren es noch acht beziehungsweise neun Tage. Heute folgt auf jeden Patienten de facto unmittelbar der nächste. Die Krankenhausbetten sind im Durchschnitt zu 80 Prozent und mehr ausgelastet, bei weitgehend gleicher Zahl der Betten. Das fordert insbesondere das nicht ärztliche Personal permanent. Die Folgen für Personal und Patienten hat mein Kollege Henning Foerster bereits verdeutlicht.
Um die Belastung in den Krankenhäusern MecklenburgVorpommerns einzuschätzen, sollte man wissen, dass von 1996 bis 2006 rund 450 Vollzeitstellen in der Pflege abgebaut wurden, ich sagte es. Sie wurden abgebaut, obwohl damals allgemein ein Pflegenotstand konstatiert wurde. Bundesweit fehlten damals nach der Personalberechnung etwa 51.000 Vollzeitkräfte in der Krankenpflege. Seit 2007, wie gesagt, gibt es diesen Stellenzuwachs. Das verdeutlicht unter anderem die RN4Cast-Studie. Nach ihr werden die Patienten überall in Europa durch mehr Pflegepersonal versorgt als in Deutschland. Während deutsche Krankenhäuser für die Versorgung von hundert Patientinnen und Patienten 12,3 Pflegekräfte einsetzen, stehen in Belgien 17,8 Pflegekräfte zur Verfügung, in Großbritannien sind es 22,5, in Holland – davon hat sich der Sozialausschuss, glaube ich, jüngst ein Bild machen können – 29,8 und in Norwegen 42,9.
Nach der Stellungnahme von Professor Dr. Michael Simon von der Hochschule Hannover zum Krankenhausstrukturgesetz, also ganz aktuell, fehlen zurzeit rund 100.000 Vollzeitstellen in der Pflege in deutschen Krankenhäusern. Die Studie, das möchte ich betonen, sagt, es fehlen also noch mehr Kräfte, als ver.di das benennt. Die Studie fußt ja auf Zahlen und Fakten, die belastbar sind. Dieses Defizit wird von den auf der Bundesebene geplanten Maßnahmen nur gemildert.
Der in der vergangenen Woche auf den Bund-LänderBeratungen zum Krankenhausstrukturgesetz beschlossene Pflegezuschlag von jährlich 500 Millionen Euro und die zugesagten Tariflohnsteigerungen der Krankenkassen in Höhe von 125 Millionen Euro reichen rechnerisch lediglich für etwa drei zusätzliche Stellen pro Krankenhaus. Da diese Zuschläge nach dem Anteil des Pflegepersonalbudgets an den gesamten Personalkosten verteilt werden, ist zu befürchten, dass die Einrichtungen in Mecklenburg-Vorpommern davon nicht besonders parti
zipieren, denn der Anteil des nicht ärztlichen Personals am gesamten Krankenhauspersonal entspricht in unserem Land nur etwa dem Bundesdurchschnitt. Wenn es bei dieser Regelung bleibt, werden aus den Bundesmitteln vor allem die Krankenhäuser unterstützt, die kein oder nur wenig Pflegepersonal abgebaut haben. Die Bundesmittel werden den Pflegemangel in den Krankenhäusern von Mecklenburg-Vorpommern, das ist unsere Überzeugung, kaum beheben. Zudem wird es sie erst ab 2017 geben.
Mecklenburg-Vorpommern muss auch eigene Anstrengungen tätigen, meinen wir. Die Einführung von Personalvorgaben in der Krankenhausplanung würde keinen großen zusätzlichen Aufwand verursachen. Die Krankenhäuser arbeiten meines Wissens auch in Mecklenburg-Vorpommern immer noch nach den Messzahlen dieses Personalschlüssels, der bis 1996 galt. Das heißt also – Achtung, Achtung! –, einerseits gibt es die Regelung nicht mehr, aber alle Kalkulationen der Krankenhäuser fußen auf diesen Schlüsseln, sie rechnen also damit. Sie nutzen zur Kostenerfassung und für ihre Datenlieferung an das InEK, das Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus, eben diese Schlüssel. Deshalb wäre eine Anwendung für die Personalbemessung in den Häusern relativ leicht möglich. Der vorliegende Antrag ließe sich also ohne großen Aufwand verwirklichen.
Deutlich schwieriger für die Häuser wäre jedoch die Personalrekrutierung, das hat hier bereits eine Rolle gespielt, auch das will ich nicht verschweigen. Fast alle Experten schätzen ein, dass der Fachkräftemangel in der Pflege die nächsten Jahre anhalten wird, wenn es nicht gelingt, den Beruf attraktiver zu machen. Dazu gehören nach einer Analyse des Bundesinstituts für Berufsbildung bessere Arbeitsbedingungen – und dann schließt sich der Kreis wieder.
Es gibt in diesem Bereich keine einfachen Lösungen. Auch das, was wir vorschlagen, wäre nur eine Teillösung für den gesamten Komplex. Diese hochkomplexe Lage sollte jedoch nicht zur Untätigkeit verleiten, weil hier mehrere Rednerinnen und Redner schon sagten, wir müssen erst warten, bis dieses oder jenes geschieht. Wenn wir eine bessere pflegerische Versorgung in den Krankenhäusern von Mecklenburg-Vorpommern haben wollen, muss die Landesregierung die wenigen Möglichkeiten, die sie hat, nutzen, wie die Vorgaben für die Personalbemessung in den Krankenhäusern.