Protocol of the Session on October 22, 2015

Sechster Punkt, durch verbesserte Hilfeangebote, insbesondere die Förderung von Ehrenamtsstrukturen, soziale Teilhabe auszubauen und zu erhalten.

Ein siebter Punkt, die sozialen Unterstützungsinfrastrukturen bedarfsgerecht auszubauen, etwa durch verbesserte aufsuchende Hilfen.

Last, but not least, die Kommunen, vor allem im ländlichsten Raum in der Überwindung von Armutslagen zu unterstützen.

Das sind die Empfehlungen. Für uns, sehr geehrte Damen und Herren, ist es wichtig zu erfahren, welche Konsequenzen die Landesregierung aus diesen Empfehlungen zieht – deshalb unser Antrag –, welche Empfehlungen sie sich zu eigen macht, welche gegebenenfalls nicht, wie sie damit umzugehen gedenkt, in welcher Schrittfolge und, weil man nicht alles zugleich und wie beim Schalterumlegen sofort machen kann, auch die Frage, in welchem Zeithorizont.

Ich komme zum Schluss. Wie die Landesregierung damit umgeht – darauf Antworten zu bekommen, darauf hat die AWO ein Anrecht, hat der Landtag ein Anrecht, aber vor allen Dingen haben die Betroffenen ein Anrecht darauf zu erfahren, wie die Landesregierung mit diesem Forschungsbericht umgeht. – Vielen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE und Rudolf Borchert, SPD)

Im Ältestenrat ist vereinbart worden, eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vorzusehen. Ich sehe und höre dazu kei

nen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Ums Wort gebeten hat die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales Frau Hesse.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete! Der vorliegende Antrag – das hat Herr Koplin deutlich gemacht – bezieht sich auf einen Bericht der AWO, der es schafft, die vorhandenen Zahlen und Statistiken zum Thema „Armut in Mecklenburg-Vorpommern“ wirklich gut aufzubereiten und auch einzuordnen. Dafür vielen herzlichen Dank an die AWO und das ist an dieser Stelle für mich auch die Gelegenheit, die entsprechende Würdigung in diesem Rahmen vorzunehmen. Vielen herzlichen Dank!

Das ist ein Forschungsbericht, mit dem man gut arbeiten kann, auch wenn er – und das ist für diesen Antrag nicht ganz unwesentlich – keinerlei neue Daten enthält.

(Heiterkeit und Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Deshalb ist das mit dem Konsequenzenziehen auch so eine Sache. Schließlich ist uns, der Landesregierung, die Situation der Menschen im Land und auch, wie sich Wohlstand und Einkommen unter ihnen verteilen können, bekannt. Die Konsequenzen ziehen wir deshalb schon eine ganze Weile daraus und das auch mit viel Erfolg.

Ich habe es vor Ihnen schon mehrfach betont, die beste Strategie gegen Armut heißt Arbeit, vor allem gute Arbeit, also Arbeit, deren Einkommen auskömmlich ist. Unser Ziel ist es deshalb, mehr Menschen in Arbeit zu bringen und diese Arbeit auch fair zu bezahlen. An beiden Punkten kommen wir voran und ich finde, das darf auch nicht negiert werden. Wir konnten die Arbeitslosigkeit seit 2006 halbieren

(Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

und die Jugendarbeitslosigkeit, auch mit dem Blick nach hinten, in dieser Zeit um etwa 40 Prozent senken. Die Anzahl der Bedarfsgemeinschaften ist kleiner geworden,

(Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE: Die Armut leider nicht.)

ebenso die der erwerbsfähigen Leistungsberechtigten, übrigens auch die der Alleinerziehenden. Wir konnten die Familienarbeitslosigkeit reduzieren und den Anteil der von Armut betroffener Kinder.

(Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

Das sind positive Entwicklungen, genau wie die der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisse. Auch da zeigt der Trend nach oben – eine wichtige Statistik, die im AWO-Bericht leider genauso fehlt wie eben dieser Schwerpunkt Arbeit.

Wir kommen gegen Armut und ein hohes Armutsrisiko nur an, wenn wir Unternehmen im Land haben, die einstellen, die fair entlohnen und die in Mecklenburg-Vor- pommern ihre Zukunft sehen. Denn es ist ja weiterhin nicht wegzudiskutieren, dass Mecklenburg-Vorpommern beim Lohnniveau und auch bei der Armutsgefährdungsquote im Bundesvergleich schlecht abschneidet. Immerhin greift aber seit diesem Jahr der flächendeckende

Mindestlohn. Es zeigt sich, dass diese Neuerung die Lebenssituation vieler Menschen spürbar verbessert. Zudem erkennen immer mehr Unternehmen, dass Geld ein entscheidendes Argument ist, um Arbeitskräfte zu gewinnen und auch halten zu können. Billige Löhne können den einen oder anderen Arbeitgeber im Wettbewerb um Arbeitskräfte teuer zu stehen kommen.

Meine Damen und Herren, Arbeitslosigkeit, Langzeitarbeitslosigkeit und Langzeitleistungsbezug sind Herausforderungen, denen sich die Landesregierung schon längst stellt, und dieses Handeln bringt mich auch gleich auf die Handlungsempfehlungen, die die Wissenschaftler aus Rostock, Greifswald und Neubrandenburg in dem Bericht abgeben. Eine davon haben wir vor einigen Monaten auch im Plenum behandelt: eine eigene Sozial- und Armutsberichterstattung des Landes. Deshalb fasse ich mich hier kurz. Die Zahlen und Statistiken, die wir als Grundlage für unsere Politik brauchen, gibt es, etwa durch den Mikrozensus und durch einschlägige Studien. Wir setzen unsere Energie also besser dafür ein, die Dinge anzupacken, statt sie in unnötiger Redundanz aufzuschreiben.

(Heiterkeit bei Barbara Borchardt, DIE LINKE: Unnötige Redundanz!)

Zur Verbesserung der Einkommenssituation – eine weitere Forderung des Berichts – habe ich eingangs bereits etwas gesagt. Ich sehe die Einführung des Mindestlohns als echte Zäsur, zumal es, allen Unkenrufen zum Trotz, keine Anzeichen dafür gibt, dass dieser Mindestlohn Arbeitsplätze kostet. Der Mindestlohn wirkt und er wirkt gut. Uns allen ist klar, dass der Mindestlohn dennoch kein Allheilmittel ist. Es gibt Gruppen, die brauchen mehr Unterstützung als durch dieses Gesetz. Und genau diese Unterstützung fordert der Forschungsbericht ein, sei es nun für Geringqualifizierte, Alleinerziehende oder Langzeitleistungsbezieher.

Unser Ansatz lautet individuelle Unterstützung. Dabei – Sie wissen es aus vielen vorangegangenen Debatten – setzen wir vor allem auf diverse Integrationsprojekte. Die prominentesten sind AQuA und der Familiencoach, ich habe schon mehrfach an dieser Stelle darüber berichtet. Für diese Art der Unterstützung nehmen wir in der aktuellen ESF-Förderperiode immerhin 17 Millionen Euro in die Hand.

Was hingegen nicht passieren wird, und auch das habe ich bereits mehrfach klargestellt, ist, dass wir einen eigenen öffentlich geförderten Beschäftigungssektor in Mecklenburg-Vorpommern aufbauen. Das ist Bundesaufgabe, und zwar sowohl die Ausrichtung solcher Beschäftigungsprogramme als auch deren Finanzierung. Ich möchte an dieser Stelle noch mal betonen, dass ich dazu stehe und es auch einfordere und den Bund in der Pflicht sehe, insbesondere im Rechtskreis des SGB II eine Reform vorzunehmen bezogen auf die Instrumente und die auskömmliche Finanzierung.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, wem es materiell schlecht geht, dem droht auch oft, sozial zu verarmen, denn häufig kostet die Teilhabe am gesellschaftlichen und kulturellen Leben Geld. In Mecklenburg-Vorpom- mern gibt es glücklicherweise ein sehr lebendiges Ehrenamt. Dieses verbreitete bürgerschaftliche Engagement sorgt dafür, dass es niederschwellige Angebote für alle gibt, dass Menschen miteinander in Kontakt kommen,

dass sie teilhaben und teilnehmen können. Das wollen wir weiter stärken und haben deshalb auch die MitMachZentralen ins Leben gerufen, unterstützen die Ausbildung von Ehrenamtskoordinatoren in der freien Wohlfahrtspflege und sind auf den Ehrenamtmessen präsent. Die Handlungsempfehlungen im Forschungsbericht der AWO kann ich im Großen und Ganzen also nur als eins sehen, nämlich als eine Bestätigung unserer Politik.

(Gelächter vonseiten der Fraktion DIE LINKE – Zuruf aus dem Plenum: Was gibt es denn da zu lachen?)

Diese Landesregierung handelt schon selbst,

(Heiterkeit und Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

diese Landesregierung handelt sehr eindrucksvoll, wir haben es gestern vom Ministerpräsidenten gehört. Und es wundert mich einfach überhaupt nicht, dass wir an dieser Stelle unterschiedliche Auffassungen haben. Soll ich Ihnen sagen, warum? Weil wir dieses Land nicht schlechtreden. – Herzlichen Dank.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Peter Ritter, DIE LINKE: Sie müssen mal überlegen, was Sie da von sich geben! – Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

Danke, Frau Ministerin.

Das Wort hat jetzt für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Heydorn.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren Abgeordnete! Was soll ich sagen?

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der SPD – David Petereit, NPD: Gar nichts!)

Also ich habe nicht den Eindruck, dass es der Fraktion DIE LINKE mit der Einbringung des Antrages in den Landtag darum geht, hier eine sachliche Debatte zu führen, sondern es wird letztendlich politisch instrumentalisiert, um aufzuzeigen, wie prekär die Lebensverhältnisse für große Teile der Bevölkerung in Mecklenburg-Vor- pommern sind. Und das sind sie nicht.

(Regine Lück, DIE LINKE: 23 Prozent, haben wir gesagt.)

Das sind sie nicht.

Ja, wobei, es werden immer diese 23 Prozent Armutsquote berücksichtigt. Da muss man eins wissen: Das Thema „Definition von Armut“ erfolgt anhand des Einkommens,

(Zuruf von Jacqueline Bernhardt, DIE LINKE)

das heißt, wer 60 Prozent des Medianeinkommens nicht erreicht, der gilt als armutsgefährdet.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Nee, der gilt als arm!)

Derjenige, der unter 50 Prozent liegt, …

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Aber genau!)

… der unter 50 Prozent liegt, der gilt als arm.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Gucken Sie sich das mal an!)

Sie müssen sich das genau ansehen, Frau Borchardt, dann können Sie auch mitreden und die Sache nicht so raushauen!