Protocol of the Session on October 21, 2015

Einer solchen ideologisch verbrämten Betrachtungsweise werden sich meine Fraktion und ich ebenfalls nicht anschließen.

Meine kritischen Worte in Ihre Richtung bedeuten aber nicht, dass für meine Fraktion und für mich alles bestens mit der Agrarstruktur in diesem Lande ist. Trotzdem unterstützen wir die Politik der Landesregierung, keine Landesflächen zu veräußern und langfristige Pachtverträge mit Landwirtschaftsbetrieben abzuschließen, die sich an klaren Kriterien ausrichten, nämlich die Stärkung der Veredlungswirtschaft, die Schaffung und Sicherung von Arbeitsplätzen sowie die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der Betriebe. Ebenso müssen die Betriebe einen Mindestviehbesatz von 0,4 Großvieheinheiten pro Hektar nachweisen und mindestens zehn Prozent der Fläche mit Intensivkulturen, wie Gemüse, Kartoffeln, Zuckerrüben oder Sonder- und Dauerkulturen, bestellen. Das ist der bessere Weg gegenüber einer Kündigung aller Pachtverträge zugunsten kleinerer Betriebe ohne weitere Vorgaben.

Wer tatsächlich politisch auf die Ausrichtung der Landwirtschaft in Mecklenburg-Vorpommern Einfluss nehmen will, kann genau über diesen Weg seine Ziele durchsetzen. Sie, liebe Kolleginnen und Kollegen von den GRÜNEN, haben das ja mit einem Antrag zu den Verpachtungskriterien des Landes im Jahre 2012 versucht, Sie haben es auch erst angesprochen, Frau Karlowski.

Natürlich könnten sich meine Fraktion und ich auch andere, bessere, vielleicht neue Kriterien für die Verpachtung vorstellen, die zu einer weiteren Ökologisierung der Landwirtschaft und zu noch mehr Tierwohl in Mecklenburg-Vorpommern führen. Aber so etwas kann und darf nicht – das will ich ganz klar sagen – gegen die Landwirte in unserem Lande geschehen. So etwas geht nur gemeinsam mit unseren Bäuerinnen und Bauern.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: So macht Sachsen-Anhalt das auch.)

Auch deshalb rufe ich auf, weiter am Masterplan für die Land- und Ernährungswirtschaft mitzuarbeiten.

Ebenso wie Sie, meine Damen und Herren, kritisieren wir seit Langem die Politik der BVVG und damit der Bundesregierung. Zukünftiges Wachstum und Wirtschaften ist direkt abhängig vom Eigentum am Boden, der eine nicht vermehrbare natürliche Ressource ist. Boden ist aber auch Kapital und leider zunehmend eine Kapitalanlage. Wir erleben derzeit eine regelrechte Explosion der Boden- und Pachtpreise. Dazu war schon gesprochen worden.

Die BVVG gilt dabei als einer der stärksten Preistreiber. „Kaufen Spekulanten den Osten auf?“ fragte „Der Tagesspiegel“ im Jahre 2013 und brachte die Befürchtungen auf den Punkt. Als LINKE haben wir das Problem schon weit vor 2013 thematisiert. Im Zentrum steht die Kritik an der bundeseigenen Bodenverwertungs- und -verwal- tungs GmbH, der BVVG. Sie verwaltet und privatisiert im

Auftrag der Bundesregierung die Flächen der ehemaligen volkseigenen Güter – die Anzahl war von Minister Backhaus für unser Land genannt worden –,

(Udo Pastörs, NPD: Volkseigene Güter!)

die kostenfrei in Bundesvermögen übergegangen sind.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Bis 2014 hat die BVVG 800.000 Hektar Landwirtschafts- und knapp 600.000 Hektar Forstflächen privatisiert, insbesondere seit 2007 mit fatalen Folgen. Das sagen übrigens nicht nur wir, Minister Backhaus bezeichnete einst die Privatisierung – er hat das heute noch einmal getan, dafür bin ich ihm sehr dankbar – von Grund und Boden als einen Kardinalfehler der deutschen Einheit. Besser wäre eine treuhänderische Übernahme eines Teils der Flächen durch das Land gewesen, um sie an Agrarbetriebe weiterzuverpachten. Besser kann ich es auch nicht ausdrücken. Das wäre genau die richtige Strukturpolitik gewesen.

Ich zitiere jetzt meine geschätzte Bundestagskollegin Dr. Kirsten Tackmann zur BVVG-Politik. Beginn des Zitats: „Zwischen 2007 und 2013 stiegen die Bodenpreise in Ostdeutschland um 154 Prozent. Dies geschah sehr zur Freude des Finanzministers, der jährlich etwa 500 Millionen Euro von der BVVG überwiesen bekommt, für ostdeutsche Äcker, die er kostenfrei übernommen hat, und auf Kosten der ortsansässigen Landwirtschaftsbetriebe,“

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

„die ihre Produktionsgrundlage, den Boden, zu Wucherpreisen kaufen müssen. Ich finde das unanständig, erst recht, weil das Geld für gute Löhne und mehr Tierwohl fehlt.“ Ende des Zitats. Auch dies hätte ich nicht besser ausdrücken können. Im Übrigen habe ich in den letzten Jahren bereits mehrfach darauf hingewiesen. Immer häufiger kauft landwirtschaftsfremdes Kapital die Äcker, Wiesen und gleich ganze Betriebe oder es werden Anteile an Genossenschaften übernommen.

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Richtig.)

Aber auch davor hat DIE LINKE lange vergeblich gewarnt.

Anfang des Jahres hat eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe geschätzt, dass zwischen 20 und 35 Prozent der Flächen an Nichtlandwirte gehen. Die Zahl war auch von Minister Backhaus genannt worden.

(Zuruf von Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Verlierer sind die ortsansässigen Betriebe, egal ob es kleine Familienbetriebe oder große Familienbetriebe sind, Genossenschaften oder GmbHs. Gerade für kapitalschwache Junglandwirte und -wirtinnen ist die Preissteigerung eine enorme Hürde. Es herrscht ein harter Konkurrenzkampf um frei werdende Flächen oder den Einstieg in die Betriebsnachfolge. Wer den dicksten Geldbeutel hat, gewinnt. Das ist ein beunruhigender Trend und sollte von uns nicht hingenommen werden.

(Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Das ist Kapitalismus.)

Kann man etwas dagegen tun, oder sind wir in Bund und Land hilflos?

Ende Januar 2015 legte der Bundesverband der gemeinnützigen Landgesellschaften ein Gutachten vor. Ergebnis: Entgegen bisheriger Behauptungen kann der Erwerb von Anteilen an landwirtschaftlichen Gesellschaften durch Än- derungen am Grundstückverkehrsgesetz eingeschränkt werden. Durch die Einführung einer Genehmigungspflicht können unerwünschte Konzentrationsprozesse verhindert werden. Dafür seien eindeutige politische Zielvorgaben notwendig. Ein klarer Rahmen sei dahin gehend zu setzen, dass Bund und Länder genaue Aussagen zu den Zielen ihrer Agrarstrukturpolitik treffen müssen. Das sei für eine restriktive Auslegung der Rechtsprechung notwendig. Darüber hinaus wurde ein Paradigmenwechsel bei der BVVG-Flächenprivatisierung gefordert. Wenn wir tatsächlich weg wollen vom derzeitigen Wachse-oder-weichePrinzip, dann müssen wir da ran. Wir müssen für Mecklenburg-Vorpommern klären, welche Agrarstruktur wir wollen.

Hierbei unterstützen wir LINKEN das Konzept des Wissenschaftlichen Beirates des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft für eine veränderte Wachstumsstrategie, dem jeweiligen Standort angepasste Produktionssysteme zu entwickeln und breit in die Praxis einzuführen. Deshalb bin ich froh über die derzeit stattfindende Entwicklung des Masterplans der Land- und Ernährungswirtschaft in der Perspektivkommission „Mensch und Land“. Aus voller Überzeugung fordere ich heute noch einmal alle Interessierten auf, sich aktiv in diesen Prozess einzubringen. Wir tun das. Aber wir fordern die Landesregierung auch auf, ein eigenes Agrarstrukturfördergesetz auf den Weg zu bringen,

(Dr. Ursula Karlowski, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Genau.)

um die Zukunft des Lebens und Wirtschaftens im ländlichen Raum von Mecklenburg-Vorpommern zu sichern.

Wir brauchen eine Agrarpolitik, die den Betrieben, egal ob groß oder klein, egal welcher Rechtsform, gleich ob konventioneller oder ökologischer Landbau, eine Perspektive jenseits vom Dogma des „Wachse oder weiche“ ermöglicht. Die Weiterentwicklung einer nachhaltigen Landwirtschaft muss auf wissenschaftlicher Grundlage erfolgen. Deshalb muss auf die Fragen, die der exportorientierte, liberale und ruinöse Weltagrarmarkt stellt, nach anderen als den bisherigen Antworten gesucht werden.

Unsere Vorstellungen lassen sich verkürzt und einfach folgendermaßen zusammenfassen: Wir wollen regionale Märkte, statt sich einseitig auf Weltmärkten zu orientieren. Und – auch das muss dazugesagt werden – notwendige Agrarexporte sind immer im Zusammenhang mit Agrarimporten zu beurteilen. Da stimme ich meiner Kollegin Frau Professor Dr. Erika Czwing voll zu. Wir wollen langfristig möglicherweise dem Boden wieder den Charakter einer Allmende zuweisen.

(Udo Pastörs, NPD: Das ist sehr germanisch, was Sie da fordern.)

Wir wollen eine Landwirtschaft, die gute Arbeit zu guten Löhnen ermöglicht. Wir wollen, dass der Landwirt von seiner Hände Arbeit leben kann. Wir wollen die Erhaltung der Kulturlandschaft durch Nutzung nach den Prinzipien der guten fachlichen Praxis. Wir wollen eine sichere

Zukunft für die Land- und Ernährungswirtschaft in unserem Lande Mecklenburg-Vorpommern. – Danke schön.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Professor Dr. Tack.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Herr Köster für die Fraktion der NPD.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Wie beziehungsweise warum hat sich die Agrarstruktur hier in Mecklenburg-Vorpommern so entwickelt, wie sie sich jetzt darstellt? Wir haben es in MecklenburgVorpommern im Vergleich zu anderen Flächenländern weitgehend mit Großbetrieben zu tun. Der „Spiegel“ berichtete im Jahre 1995 im Heft 24 am 12. Juni 1995 unter dem Titel „Bauernland in Bonzenhand – Die neuen alten Herren im Osten – ,Belogen und betrogenʻ“.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist doch Lügenpresse.)

Ich zitiere einige Passagen aus dieser Ausgabe.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Das ist doch Lügenpresse, Herr Köster.)

Manchmal schreiben auch die Zeitungen richtige Sachen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Ach, zitieren Sie nicht immer die Lügenzeitung! Sie müssen sich schon mal entscheiden. – Zuruf von Heinz Müller, SPD)

Wenn es natürlich gegen Ihre kommunistischen Vorväter geht, dann wollen Sie es immer als Lüge betiteln.

(Unruhe vonseiten der Fraktion der SPD – Peter Ritter, DIE LINKE: Sie müssen sich schon mal entscheiden, ist es Lügenpresse oder keine Lügenpresse?!)

Zitat, Herr Ritter: „Geld verschwindet nicht, das weiß jeder Kaufmann – es wechselt den Besitzer. Dieter Tanneberger, Präsident der Bauernorganisation Deutscher Landbund, weiß, wohin es geflossen ist: Überall hätten LPGChefs ‚mit flächendeckenden Bilanzfälschungen‘ die Produktionsgenossenschaften arm gerechnet“

(Thomas Krüger, SPD: Das ist eine Unterstellung.)

„und Millionenbeträge in ihre Nachfolgebetriebe geschleust.“

Das ist ein Zitat, Herr Krüger.

(Thomas Krüger, SPD: Trotzdem eine Unterstellung. – Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Das ist deswegen trotzdem eine Unterstellung.)

„Kaum waren die Bauern billig abgefunden, entwickelten sich die verarmten LPG auf wundersame Weise zu hochprofitablen Agrarfirmen – geleitet von den ehemaligen LPG-Vorsitzenden. Sie und ihre Partner in den neuen Betrieben profitieren nun vom Aufschwung der ostdeutschen Landwirtschaft, die Bauern sind die Dummen.“

Es heißt weiter in dem Artikel: „Mit der Wiedervereinigung gingen riesige Ländereien in Bundeseigentum über: die Äcker, Wälder und Wiesen der ehemaligen Großgrundbesitzer. Diese Gutsherren, häufig Junker und andere Landadlige, waren zwischen 1945 und 1949 von den Sowjets enteignet worden, ihre Güter gehören seit dem 3. Oktober 1990 der Bundesrepublik Deutschland. Doch nicht einmal ein Fünftel dieses ‚Junker-Landes‘ wurde an ‚ortsansässige Wiedereinrichter‘ verpachtet, wie die ehemaligen LPG-Bauern im Behördendeutsch heißen … Statt dessen gehören fast 60 Prozent der staatseigenen Äcker, wie die Statistik ausweist, ‚juristischen Personen‘: Das sind die Firmen, die von den ehemaligen LPG-Chefs aufgemacht wurden.“

(Udo Pastörs, NPD: GmbHs.)