Protocol of the Session on September 25, 2015

Ich muss das Lob ein bisschen zurückweisen. Das, was wir mit dem Deutschen und dem Europäischen Qualifikationsrahmen machen – viele werden das wahrscheinlich gar nicht kennen –, ist zu erheblichen Teilen eine Riesenkopfgeburt. Wir versuchen, nicht nur die entsprechenden Abschlüsse innerhalb Deutschlands irgendwie vergleichbar zu machen, sondern innerhalb Europas. Da sich aber die Abschlüsse innerhalb Europas völlig unterscheiden, ist es zwar in der Tabelle so, dass das alles vergleichbar ist, aber was sich dahinter verbirgt, ist mitnichten vergleichbar.

Gehen wir das doch mal durch. Jetzt ist die Frage: Was heißt vergleichbar? Macht die Unterscheidung, die Sie gemacht haben, zwischen Gleichwertigkeit und vergleichbar, überhaupt Sinn? Vergleichbar ist alles mit allem. Ich kann eine Gurke mit einem Flugzeug vergleichen, es kommt bloß nicht viel dabei heraus.

(Zuruf vonseiten der Fraktion der SPD: Doch.)

Ich kann eine Gurke mit einer Zucchini vergleichen, dabei kommt schon mehr raus. Das heißt, natürlich macht auch Vergleichbarkeit nur dann Sinn, in dem Sinne, wie Sie das meinen, wenn es eine gewisse Gleichwertigkeit gibt. Sachen miteinander zu vergleichen, die nichts miteinander zu tun haben, ergibt eben erkenntnismäßig keinen Sinn. Das heißt, das, was Sie als Vergleichbarkeit benannt haben, ist genau dasselbe, was die Kolleginnen und Kollegen von der Koalition als Gleichwertigkeit bezeichnet haben. Das ist eine reine Begriffsdebatte, die uns gar nicht weiterbringt. Die spannende Frage ist, ob denn diese Gleichwertigkeit, die Sie als Vergleichbarkeit bezeichnen – da gibt es semantisch keinen Unterschied in der Verwendung der Wörter –, gegeben ist.

Ich sage Ihnen mal, wie es in der Kultusministerkonferenz ist. Wir sind, im Unterschied zu Ihnen, auf den Deutschen Qualifikationsrahmen nicht stolz,

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Ich finde den gut.)

weil wir von der europäischen Ebene gezwungen werden, das Abitur auf derselben Ebene einzuordnen wie die Berufsausbildung und den Meister auf derselben Ebene wie den Hochschulabschluss des Bachelor.

Ich habe einen ganz einfachen Test gemacht. Ich habe zwei meiner Schulkollegen gefragt, die große Mühe hatten, das Abitur zu bestehen, die haben gekämpft ohne Ende, die haben danach eine Ausbildung gemacht und einer von denen ist Meister geworden, ich habe die einfach gefragt, ist eure Berufsausbildung so anspruchsvoll wie ein Abitur gewesen. Da haben die sich halb schlapp gelacht. Die haben ihre Berufsausbildung mit Einsen und Zweien abgeschlossen, sind aber fast durchs Abitur gekracht. Dann habe ich einen von den beiden gefragt: Aber du hast ja den Meister gemacht, ist der denn so schwer gewesen wie ein Abitur? Da hat er noch mal laut gelacht. In diesem Deutschen Qualifikationsrahmen erreicht der Meister aber das Niveau eines Universitätsabschlusses, eines Bachelor, und wenn dann die Leute, die das selber machen und beides gemacht haben, sagen, das ist nie und nimmer gleichwertig, dann haben wir ein Riesenproblem.

Man muss, glaube ich, die Debatte in der richtigen Weise führen. Es gibt zwei Gleichwertigkeiten. Die eine ist die Frage, ob das eine so schwierig ist wie das andere – im Sinne des Denkens. Das ist es auf keinen Fall! Die andere Frage ist, ob der eine Mensch deshalb mehr wert ist als der andere oder ob das, was er tut, deshalb mehr wert ist als das, was der andere macht. Ich sage mal so: Wenn wir keine Klempner hätten, hätten wir ein richtiges Problem.

(Jochen Schulte, SPD: Das wär Scheiße.)

Da kann mir keiner sagen, dass ein Klempner weniger wichtig ist als ein Literaturwissenschaftler.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Man muss aber diesen Unterschied machen. Es sind zwei unterschiedliche Wertigkeiten.

Der letzte Punkt. Ich glaube, um diese Debatte geht es, um die Wertschätzung gegenüber auch handwerklicher Tätigkeit oder jeder anderen Tätigkeit, die für uns als Gesellschaft notwendig ist, und das erzeuge ich nicht über einen künstlichen Qualifikationsrahmen, zumal …

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Auch nicht über so einen Antrag.)

Doch, diese Debatte ist wichtig, Frau Oldenburg! Es ist wichtig, dass wir den Menschen sagen, den jungen Menschen, ihr habt Riesenchancen im Handwerk, ihr habt Riesenchancen in der Ausbildung

(Simone Oldenburg, DIE LINKE: Sie hören auch alle, was im Landtag geredet wird.)

und ihr werdet, wenn ihr Fächer studiert, die schon heute überlaufen sind, wo wir bereits heute die Absolventen nicht unterbringen können, in diesen Bereichen nicht arbeiten können und vielleicht auch sehr wenig Geld verdienen. Diese Botschaft muss die Politik schon aus

sprechen, damit der Fachkräftemangel in der Wirtschaft nicht noch weiter zunimmt!

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Insofern, meine Damen und Herren, ist das, glaube ich, ein richtiger Antrag, den wir gemeinsam unterstützen müssen. Man sollte aber – letztes Wort – den Deutschen Qualifikationsrahmen nicht überschätzen, denn wie Sie wissen, folgt daraus rechtlich überhaupt nichts. Er wird keine Folgen für die Anerkennung im öffentlichen Dienst, für die Entlohnung oder sonst etwas haben. Es ist nur ein Stück Papier, bei dem wir uns eine Gleichwertigkeit im inhaltlichen Sinne vorgaukeln, die es in Wahrheit nicht gibt. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der SPD und CDU)

Vielen Dank, Herr Minister.

Das Wort hat jetzt die Abgeordnete Frau Berger für die Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Als ich die Überschrift Ihres Antrags las, „Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung sichern“, dachte ich: Mutig! Mutig allein deshalb, wenn wir uns an die Diskussion über die Ausfinanzierung von Hochschulen erinnern und an die Konsequenz, die daraus folgte, dass sowohl der medizinische als auch der nicht medizinische Bereich unterdurchschnittlich finanziert sind, dass die Grundfinanzierung der Hochschulen bei uns im Land nur dadurch erreicht werden kann, dass wir die 19,2 BAföG-Millionen, die der Bund uns überweist, dafür nutzen,

(Vincent Kokert, CDU: Die zusätzlich dazukommen.)

dass wir einen Ausfinanzierungsgrad, nur die Grundfinanzierung der Universitäten, erreichen. In anderen Bundesländern ist es ein Bonbon obendrauf,

(Andreas Butzki, SPD: Wo haben Sie denn die Geldpresse? Wo haben Sie denn die Geldpresse?)

ist es ein Bonbon obendrauf. Bei uns im Land sind die Hochschulen unterfinanziert

(Andreas Butzki, SPD: Alles unterfinanziert.)

und Sie reden von Gleichwertigkeit von beruflicher und akademischer Bildung.

(Beifall vonseiten der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)

Ich will auch gar nicht unbedingt diese Grundsatzdiskussion zu der Hochschulfinanzierung führen, sondern ich möchte nur an die Anhörung letzte Woche im Bildungsausschuss erinnern. Einige Vertreter aus dem Finanzausschuss waren ja auch da. Es ging um das Studierendenwerksgesetz. Jetzt sind die Studierendenwerke verantwortlich für die wirtschaftliche und soziale Hochschulinfrastruktur. Auch da müssen wir feststellen, dass der Landesregierung daran gelegen ist,

die Autonomie dieser Studierendenwerke einzuschränken. Die Kreditobergrenze wird vonseiten der Landesregierung so weit runtergesetzt, dass eine Kreditaufnahme kaum noch oder nahezu unmöglich ist. Das haben im Übrigen, das habe ich in einer Anhörung noch nie erlebt, unisono alle Anzuhörenden gesagt.

(Zuruf von Egbert Liskow, CDU)

Alle Anzuhörenden, egal, von wem sie benannt wurden, haben sich kritisch zu diesem Studierendenwerksgesetz geäußert.

(Torsten Renz, CDU: Zum Thema, Frau Berger!)

Wenn die Kreditaufnahme nahezu unmöglich ist, bedeutet das, dass ein sozialer Wohnungsbau, den die Studierendenwerke durchaus übernehmen,

(Torsten Renz, CDU: Zum Thema, Frau Berger!)

tatsächlich nicht mehr möglich ist an den Hochschulen.

(Torsten Renz, CDU: Jetzt geht es noch weiter weg vom Thema.)

Nein, es geht darum,

(Torsten Renz, CDU: Ich hatte gesagt, Sie sollen jetzt näher an das Thema rankommen!)

auf welchem Niveau Sie sich mit Ihrem Antrag bewegen, Herr Renz, wenn wir von Gleichwertigkeit der akademischen Ausbildung reden, also der beruflichen und der akademischen Ausbildung reden.

(Zurufe von Andreas Butzki, SPD, und Egbert Liskow, CDU)

Und Ihr Antrag,

(Torsten Renz, CDU: Vergleichen Sie jetzt gerade Burgen mit Flugzeugen, oder was?)

und Ihr Antrag ist auch mutig, denn er legt die Schlussfolgerung zugrunde, dass der Mangel an Auszubildenden ausschließlich an der Präferenz für die akademische Ausbildung liegt.

(Torsten Renz, CDU: Sagt wer?)

Das halte ich für eine mutige Schlussfolgerung,

(Torsten Renz, CDU: Sagt wer?)