Protocol of the Session on September 24, 2015

(Peter Ritter, DIE LINKE: Dummes Gerede da vorne!)

der sich im Gegensatz zu Ihnen hier vernünftig aufführt.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ich sag nur Karl Martell.)

Insofern muss ich Ihnen sagen,

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Ich sag nur Karl Martell.)

das große Problem ist, dass immer weniger Arbeitnehmer, speziell auch hier in Mecklenburg und Vorpommern,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Udo, der Welterklärer.)

überhaupt gar nicht arbeitskampftechnisch, gewerkschaftlich organisiert sind und damit auch überhaupt keine Schutzfunktion genießen, sondern als Einzelkämpfer oft versuchen müssen, gegenüber dem Arbeitgeber zurechtzukommen.

Insofern werden wir Ihrem Antrag nicht zustimmen, wir werden ihn auch nicht ablehnen, sondern

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sondern sowohl als auch.)

wir werden uns in dem Fall der Stimme enthalten. – Ich bedanke mich sehr für Ihre Aufmerksamkeit, meine Damen und Herren.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das Wort hat jetzt noch einmal für die Fraktion DIE LINKE der Abgeordnete Herr Foerster.

Einen Moment, Herr Foerster! Ich wende mich noch mal an die Herren der CDU-Fraktion: Wenn ich nicht wüsste, dass ich hier vorne sitze, würde ich glauben, das Plenum ist auf der anderen Seite.

(Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU)

Ich bitte doch, wenn Sie Gespräche zu führen haben, sie dort in der Nische zu führen oder sich ansonsten in Blickrichtung Präsidium aufzustellen. Ansonsten, wie gesagt, führen Sie Ihre Gespräche woanders!

So, jetzt können Sie anfangen, Herr Foerster.

Frau Präsidentin! Werte Kolleginnen und Kollegen!

Es gibt natürlich ein gewisses Unbehagen in der Bevölkerung, was die Auswirkungen von Streiks im Bereich der Daseinsvorsorge angeht, Herr Renz. Das ist auch nachvollziehbar, denn der Ausfall von Bahn, Bus oder Flugzeug oder der streikbedingte Wegfall der Kinderbetreuung bedeuten letztlich für die Betroffenen immer einen erhöhten zusätzlichen organisatorischen oder mitunter auch finanziellen Mehraufwand. Die Besonderheit von Streiks im Bereich der Daseinsvorsorge besteht regelmäßig darin, dass die Arbeitskämpfe nicht nur die bestreikten Unternehmen selbst, sondern eben auch eine Vielzahl von Dritten betreffen können.

Sie haben immer die Bahn angesprochen. Nehmen wir als Beispiel die Bahnstreiks. Dann ist natürlich nicht nur die DB AG betroffen, sondern genauso Tausende, womöglich auch Zehntausende Kunden. Allerdings, Herr Renz, ist die Frage, ob bei der Bahn gestreikt werden darf oder nicht, 1994 entschieden worden, nämlich mit der Zusammenlegung von Deutscher Reichsbahn und Deutscher Bundesbahn zur Deutschen Bahn AG. Das müsste sich auch bis zu Ihnen durchgeschwiegen haben.

Es stellt sich aber die Frage, ob allein die Tatsache, dass entsprechend viele Menschen, sogenannte Dritte, betroffen sind, an sich schon eine Legitimation dafür darstellt, das Streikrecht einzuschränken. Bei der Frage erleichtert ein Blick auf entsprechende Urteile der letzten Jahre die Rechtsfindung. So hat das Landesarbeitsgericht Hessen im Herbst vergangenen Jahres beispielsweise wie folgt geurteilt, ich darf das mal zitieren: „Allerdings entspricht es mittlerweile gefestigter Rechtsprechung, dass auch ein Streik in einem Unternehmen der Daseinsvorsorge nicht von vornherein unzulässig sein kann.“ Zitatende.

Wenn ich das für mich mal übersetze – und falls ich da falschliege, mögen mich die Juristen im Saal korrigieren –, bedeutet das zum einen,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Als Jurist.)

die Tatsache, dass ein Streik auch die Interessen und Rechte anderer – zum Beispiel bei der Bahn ist es der Bahnnutzer – tangiert, ist im Regelfall erst mal hinzunehmen. Zum anderen bedeutet es wohl, dass erst dann, wenn eine schwere Beeinträchtigung der Rechte Dritter eintritt, im konkreten Einzelfall und unter Umständen eine Einschränkung des Streikrechts gerechtfertigt werden kann.

Nun sagen die Befürworter einer gesetzlichen Einschränkung, na ja, eine Einzelfallentscheidung ist blöd, weil dann ja eine gewisse Rechtsunsicherheit bleibt. Das stimmt natürlich insofern, als dass vorher nicht klar ist, was ein Arbeitsgericht im konkreten Einzelfall entscheidet. Allerdings sehen zahlreiche Juristen eben auch die Notwendigkeit zu differenzieren. Ich will mal versuchen, das an Beispielen deutlich zu machen.

Frau Professor Dr. Ulrike Wendeling-Schröder hat dies im Rahmen eines Vortrages auf einer Fachtagung der Rosa-Luxemburg-Stiftung in Erfurt im April dieses Jahres wie folgt illustriert, Zitat: „Beim Bahnstreik ergaben sich die Schärfe und die Länge der Auseinandersetzungen aus der kategorischen Weigerung der DB AG, mit der GDL auch über die Arbeitsbedingungen der Zugbegleiter

zu verhandeln, weil sie keine Tarifpluralität wollte. Wenn man dies rechtlich würdigt“, sagt sie, „ist allein dieser Fakt berücksichtigungsfähig und führt vor Gericht zur Einschätzung: Auf einen groben Klotz gehört ein grober Keil.“

Zu einer anderen Einschätzung könnten aber Gerichte beispielsweise kommen, wenn im Bereich der Blutspende gestreikt würde und just zu dem Zeitpunkt keine oder kaum noch Blutreserven bestünden, weil dann die Betroffenheit Dritter – in dem Fall der auf das Blut angewiesenen Patienten – so hoch ist, dass eine Gefahr für Leib und Leben besteht. Ich denke, das kann jeder nachvollziehen und deshalb sollte diese gelebte Praxis auch fortgeführt werden. Dagegen ist eine generelle und gesetzlich normierte Einschränkung des Streikrechts im Bereich der Daseinsvorsorge, insbesondere unter den von der CSU in besagtem Bundesratsantrag benannten Prämissen, als verfassungsrechtlich bedenklich einzustufen und daher abzulehnen.

Das geht übrigens schon damit los, dass Daseinsvorsorge kein rechtssicher abgegrenzter Bereich ist. Was dazugehört, wird je nach der Ebene des staatlichen Handelns und je nach der unterschiedlichen gesellschaftlichen Situation unterschiedlich bestimmt. Man versteht unter Daseinsvorsorge in diesem Sinne häufig Energie- sowie Wasser- und Abwasserversorgung, Gesundheitsversorgung, Mobilität, Kommunikation, Bildung und Erziehung. Der CSU-Text ergänzt Daseinsvorsorge jetzt noch um den Begriff der „kritischen Infrastruktur“ und nennt Informationstechnik, Telekommunikation, Energie, Transport und Verkehr. Aber Juristen sagen, selbst eine solche Aufzählung der Branchen reicht nicht, denn jede einzelne ist viel zu groß und auch viel zu unterschiedlich, um rechtlich einheitlich fassbar zu sein.

Auch mit Blick auf die einzelnen Vorschläge, die die CSU in ihrem Entschließungsantrag auf den Tisch gelegt hat, sind die meisten Juristen – jedenfalls dort, wo ich recherchieren konnte – der Auffassung, die ich hier in der Einbringung dargelegt habe. Sie sagen zum Beispiel, die obligatorische Schlichtung macht die Androhung eines Streiks ineffektiv. Der Arbeitgeber weiß, dass lange Verhandlungen anstehen, und begleitende Warnstreiks gibt es nicht mehr. Das würde die Arbeitgeberseite einseitig begünstigen, was wiederum Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz widerspricht. Die zwingende Ankündigungsfrist von vier Tagen ist schon deshalb infrage zu stellen, weil sehr oft allein die Ankündigung von Streiks dazu führt, dass festgefahrene Verhandlungen wieder in Gang kommen. Genauso überflüssig sind verpflichtende gesetzliche Regelungen zur Notdienstvereinbarung zur Vorlage eines detaillierten Streikfahrplans vor jedem Arbeitskampf.

Und, Herr Renz, jetzt hören Sie bitte zu: Seit 1974 sind die Grundlagen dafür in den Arbeitskampfrichtlinien des DGB definiert. Da steht nämlich schwarz auf weiß, und auch das möchte ich noch mal zitieren: „Bei Arbeitskämpfen in Bereichen der Versorgung der Bevölkerung mit lebensnotwendigen Gütern“ und Dienstleistungen „ist dafür Sorge zu tragen“, dass „eine Notversorgung“ angeboten wird. Zitatende. Und natürlich sind sich die Gewerkschaften an dieser Stelle ihrer Verantwortung auch vollkommen bewusst, sodass es im Übrigen auch kaum Rechtsstreitigkeiten zu diesem Thema in der Vergangenheit gegeben hat.

Zum Streikfahrplan habe ich etwas gesagt. Das Überraschungsmoment wird damit verhindert. Aber es stellt sich

natürlich auch noch die Frage, was jetzt rein praktisch passiert, wenn der Streikfahrplan nicht zum gewünschten Ergebnis führt, weil am Ende ja eigentlich ein verbessertes Angebot stehen soll. Was sind denn nach Ihrer Auffassung die Rechtsfolgen, zum Beispiel Ende des Streiks wegen Zeitüberschreitung?

Zusammengefasst kann man also sagen, dass diese Bundesratsentschließung ein ziemlicher Murks ist. Aus Bayern mögen viele Exportschlager kommen – schöne Autos, erfolgreiche Fußballer, gutes Weißbier, möglicher- weise auch Politiker,

(Peter Ritter, DIE LINKE: Lewandowski kommt auch nicht aus Bayern, aber er spielt zumindest da.)

Ihr Kollege Waldmüller kommt ja auch aus Bayern, das müssen Sie beurteilen –, aber das heute diskutierte Papier gehört nun ganz sicher nicht dazu.

Mich hätte auch interessiert, wie Mecklenburg-Vorpom- mern sich jetzt in den einzelnen Fachausschüssen des Bundesrates positioniert hat.

(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ja, ne?!)

Nichtsdestotrotz habe ich zur Kenntnis genommen, dass zumindest das zuständige Ministerium hier im Land – SPDgeführt – eine klare Haltung zum Ausdruck gebracht hat,

(Zuruf von Torsten Renz, CDU)

nämlich dass weitere Einschränkungen des Streikrechts aus Sicht der Sozialministerin nicht notwendig sind. Das ist ja immerhin etwas.

Wir haben das Thema heute noch mal aufgerufen und ich denke, wir haben deutlich gemacht, warum schon das Tarifeinheitsgesetz kritisch zu sehen ist. Ich sage Ihnen voraus, das wird in Karlsruhe kassiert. Deswegen ist es gut, dass dieser Unsinn aus Bayern gar nicht erst großartig weiterverfolgt wird. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall vonseiten der Fraktion DIE LINKE)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

Wir kommen zur Abstimmung über den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/4451. Wer dem zuzustimmen wünscht, den bitte ich um ein Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/4451 mit den Stimmen der Fraktionen von SPD und CDU, bei Zustimmung der Fraktionen DIE LINKE und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN und Stimmenthaltung der Fraktion der NPD abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 27: Beratung des Antrages der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN – Direkte Demokratie in den Kommunen stärken, Drucksache 6/4459.

Antrag der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Direkte Demokratie in den Kommunen stärken – Drucksache 6/4459 –

Das Wort zur Begründung hat für die Fraktion BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN der Abgeordnete Herr Saalfeld.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Im Juli dieses Jahres – vielleicht können Sie sich erinnern, es ist noch nicht so lange zurück – legte der Landesverband des Vereins Mehr Demokratie e. V., der sich im Übrigen erst vor Kurzem gegründet hat und jetzt schon so aktiv arbeitet, den ersten Bürgerbegehrensbericht für Mecklenburg-Vorpommern vor, und dieser Bericht lässt aufhorchen. Demnach wird in unserem Bundesland statistisch gesehen nur alle 132 Jahre ein Bürgerbegehren in einer Gemeinde eingeleitet. Im Vergleich zu Hamburg – das ist dann dort auf die Bezirksebene runtergebrochen – findet bei uns im statistischen Mittel für jeden Bürger ungefähr alle 132 Jahre ein Bürgerentscheid oder ein Bürgerbegehren statt.

(Zuruf von Burkhard Lenz, CDU)

Und weiter heißt es in diesem Bürgerbegehrensbericht, dass von 86 zwischen 1994 und 2014 in MecklenburgVorpommern eingeleiteten Bürgerbegehren 47 für unzulässig erklärt worden sind. Das sind 55 Prozent. 55 Prozent aller Bürgerbegehren wurden in unserem Land in den letzten 20 Jahren für unzulässig erklärt. Das ist der zweithöchste Wert in Deutschland. Ganz so das rote Schlusslicht sind wir nicht, aber ich glaube, auch mit dem zweitletzten Platz von hinten kann man sich nicht zufriedengeben.