Protocol of the Session on September 24, 2015

Das Mikro ist an.

(Peter Ritter, DIE LINKE, und Dr. Mignon Schwenke, DIE LINKE: Das müssen Sie ganz ausmachen!)

Der Dringlichkeitsantrag lautet:

„Der Landtag möge beschließen:

Die Landesregierung wird aufgefordert, dem Uni-Klinikum Greifswald die Zustimmung zur Schließung der Anklamer Kinderklinik zu verwehren und mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln auf das Uni-Klinikum einzuwirken, damit dieses die Kinderklinik weiter betreibt.“

Die Dringlichkeit begründe ich folgendermaßen: Sie liegt in der Möglichkeit, dass der „Nordkurier“ hier ausnahmsweise nicht gelogen und die Wahrheit geschrieben hat, als er Folgendes brachte, und zwar, dass das Uniklinikum Greifswald beschlossen hat, bereits zum 1. Oktober die Kinderklinik Anklam zu schließen. Daraus ergibt sich die Dringlichkeit, weil die nächste Landtagssitzung viel weiter danach stattfindet. Und es ergibt sich weiter eine Dringlichkeit daraus, dass vor Anfang Oktober schon ein Treffen zwischen Verantwortlichen des Uniklinikums und des Sozialministeriums stattfinden soll – in wenigen Tagen quasi. In diesem Treffen hätte das Sozialministerium die Möglichkeit, Druck auszuüben, damit das Uniklinikum diese Entscheidung womöglich zurücknimmt.

(Beifall vonseiten der Fraktion der NPD)

Das Wort zur Gegenrede wird gewünscht.

Herr Müller, bitte. Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Wir wissen, dass in der Tat der Wunsch des Universitätsklinikums Greifswald vorliegt, die Kinderklinik in Anklam zu schließen. Wir wissen aber auch, dass das Sozialministerium sowohl mit dem Universitätsklinikum als auch mit den kommunalen Körperschaften, als auch mit AMEOS als Betreiber als auch mit der Kassenärztlichen Vereinigung, als auch mit anderen am Prozess Beteiligten intensive Gespräche führt,

(Udo Pastörs, NPD: Bla, bla, bla!)

um hier für diese Situation eine Lösung herbeizuführen.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Das Ziel ist dabei eindeutig, die ärztliche Versorgung der Kinder auch in der Zukunft in hoher Qualität sicherzustellen. Eine Unterversorgung der Kinder ist ausgeschlossen. Es geht um das Wie-dies-geschehen-Soll.

(Michael Andrejewski, NPD: Ja.)

Ihr Antrag ist deshalb in keiner Weise dringlich

(Zuruf von Stefan Köster, NPD)

und wir werden die Dringlichkeit ablehnen.

(Beifall vonseiten der Fraktion der SPD – Tino Müller, NPD: Volksfeind!)

Ich lasse jetzt abstimmen über die Erweiterung der Tagesordnung. Wer stimmt der Erweiterung der Tagesordnung um diese Vorlage zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? –

(Tino Müller, NPD: Das sind die sieben Prozent.)

Die Erweiterung der Tagesordnung ist damit abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 25: Beratung des Antrages der Fraktionen der CDU und SPD – Verschwendung von Lebensmitteln wirksam eindämmen, Drucksache 6/4477. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 6/4517 vor.

Antrag der Fraktionen der CDU und SPD Verschwendung von Lebensmitteln wirksam eindämmen – Drucksache 6/4477 –

Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE – Drucksache 6/4517 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Schütt von der Fraktion der CDU.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen geht davon aus, dass weltweit rund ein Drittel der für den menschlichen Verbrauch produzierten Lebensmittel verlorengehen oder weggeworfen werden. Dies entspricht einer Menge von circa 1,3 Milliarden Tonnen, wovon 11 Millionen Tonnen auf Deutschland entfallen. Jeder Bundesbürger wirft jährlich circa 82 Kilogramm Lebensmittel weg.

Aufgrund der Tatsache, dass circa 925 Millionen Menschen auf der Welt an Hunger und Unterernährung leiden, ist dieser Umgang mit Lebensmitteln weder aus ethischen, sozialen, wirtschaftlichen noch umweltpolitischen Gründen vertretbar. Gerade im Umgang mit Lebensmitteln geht die Schere zwischen Wohlstand und Armut, zwischen Überfluss und Unterernährung sowie zwischen Industrie- und Entwicklungsländern deutlich auseinander.

Ein Ei aus der Bodenhaltung für 9 Cent, 250 Gramm Butter für 79 Cent und ein Liter Vollmilch für 55 Cent, das sind die Preise für Grundnahrungsmittel in Deutschland. Und ich könnte mit der Aufzählung weiter fortfahren. Das Wegwerfen von Lebensmitteln ist aber nicht nur eine Kostenfrage. In jedem Lebensmittel steckt Energie, welche für Produktion, Transport, Lagerung und Vermarktung des Produktes verbraucht wurde.

Die Auswirkungen der Lebensmittelproduktion und -ver- marktung sind vielfältig. Zum einen wirken sie sich direkt auf die finanzielle Situation eines jeden Einzelnen aus, zum anderen wirken sie sich auf Klima und Umwelt sowie weitere Ressourcenverfügbarkeit und nicht zuletzt auf Hunger und Unterernährung in Entwicklungsländern aus. Umso unverständlicher ist es, dass ein Teil der Lebensmittel aufgrund von nicht normgerechter Qualität auf dem Feld verbleibt oder von den Supermärkten vor Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums entsorgt oder an Tiere verfüttert wird.

Ein wesentlicher Grund für diese Entwicklung ist meines Erachtens der geringe Bezug der Bevölkerung zur Landwirtschaft, zur Tierhaltung und zum Wert von Lebensmitteln an sich. Während im Jahre 1925 noch 50 Prozent der Verbraucherinnen und Verbraucher ihre Einkommen für Lebensmittel ausgaben, so waren es 2009 lediglich 11,9 Prozent. Allein diese Entwicklung verdeutlicht, dass der materielle Wert der Lebensmittel in den zurückliegenden 90 Jahren drastisch gesunken ist. Hinzu kommt, dass heute lediglich 2 Prozent der Deutschen in der Landwirtschaft arbeiten. Anfang der 50er-Jahre waren es noch 25 Prozent.

Meine Damen und Herren, um dem Problem der Lebensmittelverschwendung entgegenzutreten, ist es nach Ansicht meiner Fraktion notwendig, alle Akteure – die Lebensmittelindustrie, Handel, Großverbraucher und Endverbraucher – einzubinden. Auch Kirchen und Organisationen aus dem Umwelt-, Bildungs- und Sozialbereich können ihren Beitrag leisten, um die Lebensmittelverschwendung in Deutschland einzudämmen. Hierbei sollten bestmögliche Lösungen aus der Lebensmittelket- te so der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden, dass auch andere Akteure von den bereits erfolgreich umgesetzten Maßnahmen profitieren.

Die Initiative des Bundeslandwirtschaftsministeriums „Zu gut für die Tonne“ ist meines Erachtens ein geeignetes Beispiel. Gleichzeitig ist es notwendig, die Verschwendung von Lebensmitteln in den Bereichen der Erzeugung, der Verarbeitung, des Handels und der Gastronomie in der Schul- und Berufsausbildung zu thematisieren. Nur wer den Wert der Lebensmittel zu schätzen weiß, der wird auch in Zukunft mit Lebensmitteln verantwortungsbewusster umgehen.

Meine Damen und Herren, wir in Deutschland und in Mecklenburg-Vorpommern haben das große Glück, je

den Tag eine Vielzahl qualitativ hochwertiger Lebensmittel zur Verfügung zu haben. Für die meisten von uns ist diese Vielfalt an Lebensmitteln eine Selbstverständlichkeit. Wenigen ist bewusst, wie wertvoll Lebensmittel tatsächlich sind und wie hoch der Aufwand für ihre Herstellung ist. Um die Wertschätzung von Lebensmitteln zu erhöhen und die Verschwendung einzudämmen, sollte ein Wettbewerb zur Vermeidung von Lebensmittelverschwendung des Landes ausgeschrieben werden.

So kann man dem Beispiel des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft folgen und eine Sensibilisierung in der Gesellschaft erreichen. Jeder Einzelne von uns kann und muss dazu beitragen, die Lebensmittelverschwendung einzudämmen. Hierzu gilt es, den Einkauf vorausschauend zu planen, die Haltbarkeit zu prüfen, die entsprechenden Mengen einzukaufen, Vorräte richtig zu lagern und nicht zuletzt die Reste kreativ zu verwenden.

Es ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und eine Herausforderung für die Politik, das Bewusstsein für den Wert unserer Nahrung zu stärken und die Menschen für die Problematik der Lebensmittelverschwendung zu sensibilisieren. Gerade unser Land trägt als Agrarland und als bedeutender Standort der Ernährungsindustrie eine besondere Verantwortung. Deshalb fordere ich Sie auf, dem vorliegenden Antrag zuzustimmen. Dem Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE würden wir nach Absprache mit unserem Koalitionspartner so zustimmen und ihn mitnehmen. – Danke.

(Beifall vonseiten der Fraktionen der CDU und DIE LINKE – Zuruf von Wolf-Dieter Ringguth, CDU – Heiterkeit vonseiten der Fraktion der CDU)

Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.

Das Wort hat der Minister für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz Herr Dr. Backhaus.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Herr Schütt, erst mal herzlichen Dank, dass Sie den Antrag eingebracht haben. Ich glaube, dass das auch ein sehr ernstes Thema ist, denn wenn man sich überlegt – Sie haben es eben angedeutet –, es war das Ziel, bis zum Jahr 2015 das Ernährungsproblem auf der Erde zu lösen. Das Ziel wird nicht erreicht. Es gibt zwar leichte Fortschritte, aber Sie haben es ja selbst angedeutet, in Deutschland landen 50 Prozent der Lebensmittel, die wir produzieren, gar nicht beim Verbraucher. 50 Prozent werden vorher schon aussortiert, weil entweder zu groß oder zu klein, Gebinde nicht in Ordnung oder was auch immer. Jede Sekunde werden in Deutschland 350 Kilogramm hochwertige Lebensmittel weggeworfen.

Ich glaube, man darf an dieser Stelle auch mal sagen, die MeLa hat wieder eindrucksvoll gezeigt, wie der Stand der Land- und Ernährungswirtschaft sich in MecklenburgVorpommern darstellt. Ich meine schon, dass wieder sehr schön gezeigt worden ist – im Übrigen gerade auch durch unser Haus – mit der Ausstellung, welchen großen Wert wir im Umgang mit Lebensmitteln versuchen für die Allgemeinheit darzustellen.

Ja, Lebensmittel haben einen besonderen Wert. Wir kennen keinen Hunger mehr, das ist so. Alles ist im Überfluss vorhanden und jeder geht mit dem Lebensmittel fast wie eine Ware um. Leider ist das so. Und deswegen ist es so, dass die Entstehung von Lebensmittelabfällen entlang der gesamten Wertschöpfungskette aus ethischer, aus ökologischer, aus sozialer Sicht, aber auch aus ökonomischer Sicht problematisch ist und dem Nachhaltigkeitsgedanken widerstrebt, denn was da an Arbeit, an Wertschöpfung oder an Ressourcenverbrauch, an Energie, an Ressourcen bis hin zum Klimaschutz, zum Umweltschutz an Themen im Lebensmittelbereich dargestellt werden kann, ist einmalig. Besonders vor dem Hintergrund einer wachsenden Weltbevölkerung, knapper werdender Ressourcen, der steigenden Anzahl von an Hunger leidenden Menschen stellen die Lebensmittelvernichtung und die Verluste ein reales ethisches Problem dar. Studien zur Ernährung der Weltbevölkerung identifizieren die Reduzierung der Lebensmittelverluste und die Vernichtung als eine der wesentlichen Stellschrauben zur Ernährungssicherheit.

Und es ist so, Herr Schütt, Sie haben das angedeutet, wenn man sich überlegt, 1,3 Milliarden Tonnen an Lebensmitteln werden jährlich auf dieser Erde vernichtet. Damit wäre das Problem der gesamten Weltbevölkerung und deren Ernährung zu lösen. 3.000 Kalorien pro Einwohner wären damit für diese Weltbevölkerung möglich. Das würde im Übrigen auch die Flucht von Menschen ein Stückchen mit eindämmen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Das ist ein Skandal, das ist eine Katastrophe aus meiner Sicht. Ja, es ist so, dass – dies ist ganz aktuell, das sind die neuesten Zahlen – 795 Millionen Menschen auf dieser Welt an Hunger leiden und 25.000 Menschen täglich an Hunger sterben, täglich. Die Zahl der Hungernden ist seit 1990 um 216 Millionen zurückgegangen. Ziel war es jedoch, diese Summe auf jeden Fall zu halbieren, um möglichst das Ernährungsproblem zu lösen.

In seiner Roadmap für ein ressourcenschonendes Europa hat die Europäische Kommission beschlossen, der Lebensmittelverschwendung in Europa Einhalt zu gebieten. Ich begrüße das ausdrücklich. Aktuell plant Europa, die Mitgliedsstaaten im Rahmen der Novellierung der europäischen Abfallrichtlinie dazu zu verpflichten, ihre Lebensmittelabfälle bis zum Jahr 2025 um mindestens 35 Prozent zu reduzieren. Das entspricht immerhin einer Reduktion von geschätzten 90 auf 63 Millionen Tonnen der 27 europäischen Mitgliedsstaaten. Die wichtigsten Hebel werden dabei allgemein in den Bereichen Aufklärung, finanzielle Anreize, Organisation und Recht gesehen.

Bisher wurden in Deutschland überwiegend weiche Maßnahmen, wie Aufklärungskampagnen – dazu gehört „Zu gut für die Tonne“, aber auch unsere eigenen, darauf komme ich gleich noch mal –, aber natürlich auch die Internetplattform umgesetzt. Dabei eignen sich Aktivitäten, unterstützt durch das Land Mecklenburg-Vorpommern – insbesondere auch die 2012 vom Bund initiierte, mit den Ländern zusammen, „Zu gut für die Tonne“ –, auf vielfältige Weise. Wir haben das ja auf der MeLa ausdrücklich wieder dargestellt.

Auch in der letzten Woche habe ich mit der Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig zum neuen Schuljahr die