Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 11: Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Landesregierung – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und des Kommunalsozialverbandsgesetzes, Drucksache 6/4468.
Gesetzentwurf der Landesregierung Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und des Kommunalsozialverbandsgesetzes (Erste Lesung) – Drucksache 6/4468 –
Das Wort zur Einbringung hat in Vertretung für die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur Herr Brodkorb.
(Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Ja, wo ist er denn? – Peter Ritter, DIE LINKE: Auszeit! – Silke Gajek, BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN: Nicht schon wieder!)
(Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Das nächste Mal machen wir. – Heiterkeit vonseiten der Fraktionen der SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich eröffne die unterbrochene Sitzung und rufe nochmals auf den Tagesordnungspunkt 11:
Erste Lesung des Gesetzentwurfes der Landesregierung – Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch und des Kommunalsozialverbandsgesetzes, Drucksache 6/4468.
Das Wort zur Einbringung hat in Vertretung für die Ministerin für Arbeit, Gleichstellung und Soziales der Minister für Bildung, Wissenschaft und Kultur Herr Brodkorb.
Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Zunächst möchte ich mich natürlich im Namen der Sozialministerin für das Zuspätkommen ihrer Vertretung entschuldigen.
(Jürgen Suhr, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN: Ihr wäre das nicht passiert. – Peter Ritter, DIE LINKE: Bei ihr hätten wir das noch verstanden. – Zuruf von Silke Gajek, BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN)
und möchte diesem Fauxpas dadurch Rechnung tragen, dass ich die Zeit, die ich Ihnen gerade durch mein Zuspätkommen genommen habe,
Also ich möchte mit dem beginnen, was hier unstrittig sein dürfte: Wir brauchen ein neues Gesetz zur Sozialhilfefinanzierung, allein schon, damit die basarähnlichen Zustände aufhören, wenn Jahr für Jahr um die Zuweisung gefeilscht wird.
Sie, meine Damen und Herren Abgeordnete, haben in einer Entschließung des Landtages 2013 richtige und richtungsweisende Hinweise gegeben,
um die Hilfen besser auf Personen und deren Lebensrealität abzustimmen. Dass die Landesregierung jetzt so weit ist, Ihnen diesen Gesetzentwurf vorlegen zu können, freut mich sehr, denn dahinter stehen Jahre harter Verhandlungen. Wie Sie wissen, hat die Sozialministerin einen Teil dieser Verhandlungen als Landrätin auf der kommunalen Seite geführt. Das hat ihr geholfen, eine klare Vorstellung davon zu entwickeln, wohin die Reise mit diesem Gesetz gehen muss.
Aber der Reihe nach: Worum geht es in diesem Gesetz? Technisch ausgedrückt ist die Sozialhilfe nach dem SGB XII die im Verhältnis zu allen anderen Möglichkeiten nachrangige Hilfe. Einfacher ausgedrückt, sie ist das untere Netz der sozialen Sicherung. Die Hilfen können ambulant, teilstationär und stationär gewährt werden. Seit 2002 ist es nun so, dass die ambulanten Leistungen, die sogenannte örtliche Sozialhilfe, von den Landkreisen und kreisfreien Städten finanziert werden. Die ehemals überörtliche Sozialhilfe, also grob gesagt die teilstationären und stationären Leistungen, werden vom Land pauschal nach dem Sozialhilfefinanzierungsgesetz bezahlt.
Seit 2014 übernimmt der Bund die Kosten für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung komplett. Das Sozialhilfefinanzierungsgesetz ist ein reines Konnexitätsausgleichsgesetz, an dem immer wieder Kritik geübt worden ist. Einer der Haupteinwände: Es setze zu wenig Anreize oder die falschen Anreize zur Steuerung. Neben dem zähen Ringen um die Zuweisung wird immer wieder angezweifelt, ob die Regelungen des SGB XII und die der UN-Behindertenrechtskonvention konsequent umgesetzt werden. Was also tun?
Mit dem vorliegenden Gesetzentwurf will die Landesregierung die Zuständigkeiten bündeln, das heißt, die örtliche Trägerschaft und die überörtliche Trägerschaft werden bei den Kommunen zusammengeführt. Damit werden die Landkreise und kreisfreien Städte grundsätzlich dafür zuständig sein, über alle Leistungen zu entscheiden, und zwar unabhängig davon, ob diese ambulant, teilstationär oder stationär erbracht werden sollen. Und weil es auch bei acht Sozialhilfeträgern Aufgaben gibt, die sinnvollerweise zentral erledigt werden, wie etwa der Abschluss der Landesrahmenvereinbarung oder das Vertragsmanagement, sollen die Kommunen eine zentrale Stelle bestimmen, die sie genau in diesen Bereichen vertreten wird.
Um die partnerschaftliche Zusammenarbeit zwischen Sozialhilfeträgern, Sozialministerium, den Verbänden der Leistungserbringer und den Vereinigungen der Leistungsberechtigten zu begleiten und zu unterstützen, soll auch der Landesbeirat für Sozialhilfe gesetzlich verankert werden, der ja bislang nur durch einen Kabinettsbeschluss legitimiert ist. Der Gesetzentwurf sieht die Einrichtung einer kooperativen Fachaufsicht im Sozialministerium vor, das heißt, die Kommunen werden ihre Aufgaben im übertragenen Wirkungskreis wahrnehmen, was sie aber nicht in ihrer Verantwortung beschneiden wird.
Meine sehr verehrten Damen und Herren Abgeordnete, kommen wir zum Geld, dem Kernstück des Gesetzes. Künftig sollen anders als bisher die Kosten für die örtliche und überörtliche Sozialhilfe zusammen betrachtet werden. Basis für die Kostenerstattung sollen dann die sogenannten trägerbezogenen Jahresnettoaufwendungen sein, also die jeweiligen Istkosten eines Jahres, ohne die Leistungen des Bundes und des Flüchtlingsaufnahmegesetzes. Der Betrag, den das Land rückerstattet, wird sich in einer Quote bemessen. Dazu wird je eine Quote für die Landkreise und für die kreisfreien Städte festgeschrieben. Sie soll 72 Prozent für die kreisfreien Städte und 82,5 Prozent für die Kreise betragen.
Die Quotenregelung hat Vorteile für beide Seiten. Sie teilt das finanzielle Risiko, sie sorgt für mehr Planungssicherheit und sie schafft Anreize, die Kosten im Zaum zu halten. Neben den Anreizen zur Steuerung will dieses Ge
setz aber vor allem dies: die Hilfen für Personen an eben diesen Personen ausrichten. Wenn nämlich diese Hilfen unabhängig von bestehenden Leistungsformen gewährt werden, ist das auch ein Beitrag zu mehr Selbstbestimmung, weil sie dann das für sie geeignete Angebot wählen können.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieser Gesetzentwurf hat bereits das Interesse anderer Bundesländer geweckt. Das Sozialministerium hat also offenbar ganz ordentlich gearbeitet. Für diese Arbeit und dieses gute Ergebnis möchte ich den Dank der Sozialministerin ausdrücklich übermitteln: an das zuständige Referat im Sozialministerium, an das Finanzministerium und an das Innenministerium sowie die kommunale Ebene. Dieser Entwurf ist das Ergebnis eines konstruktiven Ringens und, ich betone es gerne noch einmal, dieser Gesetzentwurf hat seinen Ausgangspunkt in einer Entschließung, die dieses Parlament vor zwei Jahren gefasst hat. – Ich danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von bis zu 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Mit der Ratifizierung der UNBehindertenrechtskonvention am 24. Februar 2009 hat sich die Bundesrepublik zur Gestaltung einer inklusiven Gesellschaft verpflichtet. Eine inklusive Gesellschaft zeichnet sich dadurch aus, dass jeder Mensch auf Rahmenbedingungen trifft, in denen er seine Fähigkeiten und Talente entfalten kann, niemand außerhalb der Gesellschaft steht und jede und jeder sich einbringen kann. In diesem Sinne sind sozialrechtliche Regelungen auf den Prüfstand zu stellen, ist zu sichern, dass Sozialgesetze einschließlich ihrer Ausführungsgesetze – und um ein solches handelt es sich ja heute in dieser Debatte – konsequent auch den menschenrechtlichen Prämissen der UN-Behindertenrechtskonvention entsprechen.
also vom Bildungsminister in Vertretung der Sozialministerin eingebrachten Gesetzentwurf sind ausdrücklich drei Ziele verbunden: