Protocol of the Session on July 7, 2010

Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren! Der Innenminister Herr Caffier hat der Presse gegenüber und auch heute hier im Landtag noch einmal darauf hingewiesen, dass wir als Landespolitikerinnen und Landespolitiker und nicht als Kommunalpolitiker hier auftreten sollten, sondern eine landespolitische Entscheidung treffen sollten. Recht hat er, kann ich nur sagen. Dass insbesondere die Frage des Kreissitzes die Gemüter erregt, ist nachvollziehbar, ja, verständlich. Ich habe auch Verständnis dafür, dass die Abgeordneten der betreffenden Wahlkreise für ihre Städte streiten. Sichtbar wird das auch an den unterschiedlichen Änderungsanträgen, und zwar frak tionsübergreifend.

Bevor ich zu einigen inhaltlichen Fragen komme, möchte ich mich an dieser Stelle bei den vielen Bürgerinnen und Bürgern der Region Parchim bedanken, die mit viel Fantasie, viel Engagement, ob Alt, ob Jung, seit anderthalb Jahren für die Kreisstadt Parchim gekämpft haben, und zwar für Parchim und nicht gegen Ludwigslust. Sie haben gezeigt, was sie können, wie sie mit sachlichen Argumenten gemeinsam für ihre Kreisstadt werben können.

Erinnern wir uns: Als im Reformentwurf Ludwigslust als Kreissitz festgeschrieben werden sollte, lehnten sich verständlicherweise die Ludwigsluster zurück. Als dann in der Ersten Lesung der Bürgerentscheid festgeschrie

ben werden sollte, konnten sich, das ist auch verständlich, wiederum die Ludwigsluster zurücklehnen, denn sie hatten bekannterweise mehr Wahlberechtigte. Bereits in dieser Phase haben Bürgerinnen und Bürger, Vereine und Verbände die Initiative in der Stadt Parchim und in der Umgebung ergriffen, um gemeinsam Argumente für ihre Stadt zu suchen und sie öffentlich zu machen. Der Innenausschuss hat sich mehrheitlich für Parchim ausgesprochen.

Meine sehr geehrten Damen und Herren, ich halte diese Entscheidung für richtig, auch mit Blick …

(Detlef Müller, SPD: Da bin ich ja gespannt.)

Warten Sie bitte!

… auf eine gemeinsame Verantwortung für den zukünftigen Kreis und auch, das wissen Sie, ich bin Kreistagsabgeordnete in Parchim, im Hinblick auf die Entwicklung hier bei uns im Land. Ich will das auch begründen: Ich möchte darauf hinweisen, und wenn Sie sich die Kreise angucken, die zukünftig entstehen und damit ihre Mittelzentren, werden Sie auf der einen Seite feststellen, dass wir Wismar, Schwerin und Ludwigslust zukünftig hätten, auf der anderen Seite Neubrandenburg und hochgehend Anklam oder Greifswald, beziehungsweise auf der anderen Seite Rostock und Stralsund. Der gesamte ostmecklenburgische Raum wäre, und das ist der ländliche Raum, vom Prinzip her teilweise ausgeschlossen.

(Jochen Schulte, SPD: Ach!)

Auf der anderen Seite, auch wir reden darüber, dass wir vom Prinzip her nicht nur ein Nord-Süd-Gefälle, sondern auch ein Ost-West-Gefälle haben. Auch darüber, glaube ich, müssen wir ernsthaft nachdenken. Wenn wir die ostmecklenburgische Region nicht stärken, gemeinsam nicht stärken, werden wir auch dafür Sorge tragen, dass sich die Wirtschaft in dieser Region schlechter entwickeln kann, und vieles andere mehr.

Ein anderes Argument spricht für Parchim, auch das will ich an dieser Stelle sagen: Warum sind denn die Bürgerinnen und Bürger, gerade was die Frage der Kreissitze betrifft, so impulsiv und emotional dabei? Natürlich weil sie mit ihrem Kreissitz auch die Schaffung beziehungsweise den Bestand von Arbeitsplätzen verbinden. Das geht den Ludwigslustern genauso wie den Parchimern. Ein Unterschied besteht aber dennoch: Wenn man sich ganz genau die Entwicklung anguckt, dann muss man feststellen, dass im Bereich Ludwigslust, der zur Hamburger Metropole gehört, in erster Linie davon auszugehen ist, wenn dort Arbeitsplätze wegfallen, dann pendeln die aus nach Hamburg.

(Dr. Margret Seemann, SPD: Das ist doch Quatsch!)

Wenn man sich bei uns in Parchim, auch das ist bewiesen, die Arbeitsplatzentwicklung anguckt, dann sieht man ganz deutlich, dass, wenn in Parchim nicht mehr Arbeitsplätze da sind, die Erwerbslosigkeit steigt und die Menschen dann aus dieser Region auswandern. Das müssen wir gemeinsam auch zur Kenntnis nehmen.

Natürlich glaube ich, und das ist uns auch allen bewusst, gerade die Auseinandersetzung beziehungsweise die Entscheidung zwischen Parchim und Ludwigslust ist die schwerwiegendste, was die Abwägung der einzelnen Argumente betrifft. Ich möchte dennoch dafür werben, für die Beschlussempfehlung zu streiten, weil wir auch gemeinsam die Verantwortung haben.

Und auch der Hinweis sei an der Stelle gestattet: Wir haben letztendlich Strukturentscheidungen hier im Landtag, davon ist zum Beispiel die Polizeiinspektion Parchim betroffen. Noch nicht entschieden ist das Amt für Landwirtschaft und Umwelt, auch hiervon wird Parchim mit betroffen sein. Das heißt, wenn wir davon ausgehen, wenn wir Strukturentscheidungen treffen können, dann wird in nächster Zukunft Parchim überproportional betroffen sein, auch unter Berücksichtigung, dass der Sitz des Landkreises noch nicht entschieden ist. Deshalb werbe ich dafür, sich für Ostmecklenburg zu entscheiden, sich für den ländlichen Raum zu entscheiden, also für Parchim. Ich bitte um Zustimmung für die Beschlussempfehlung. – Danke schön.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Danke schön, Frau Borchardt.

Das Wort hat jetzt der Abgeordnete Detlef Müller von der Fraktion der SPD.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Wir sollten heute dem Österreicher Karl Kraus dankbar sein, denn er hat uns bereits vor einigen Jahrzehnten einen Hinweis zur heutigen Debatte gegeben. Ich darf zitieren: „In zweifelhaften Fällen entscheide man sich für das Richtige.“

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Zuruf von Dr. Margret Seemann, SPD)

Also, in zweifelhaften Fällen entscheide man sich für das Richtige. Das ist hier, meine sehr verehrten Damen und Herren, die Frage.

Einige meiner Vorredner haben darauf hingewiesen, dass der heutige Tag, der 7. Juli, ein ganz entscheidender Tag ist in mehrfacher Hinsicht.

(Andreas Bluhm, DIE LINKE: Wegen Fußball.)

Zum Beispiel spielt die DFB-Mannschaft im Halbfinale bei der Weltmeisterschaft in Südafrika um den Einzug in das Finale. Die Stadt Ludwigslust spielt heute bereits im Finale um den Kreissitz.

Meine sehr verehrten Damen! Meine Herren! Wir haben bereits vieles von den Vorrednern gehört zu den Kreissitzen und zu den Kriterien, die aufgestellt worden sind. Insofern möchte ich es mir ersparen, darauf noch einmal einzugehen. Vor uns liegt die Beschlussempfehlung des Innenausschusses, über die wir heute hier zu befinden haben. Ich weiß, wie viel Überlegungen, wie viel Abwägungen in der Regel hinter solchen Empfehlungen eines Ausschusses stehen, denn schließlich bin ich selbst Vorsitzender eines Ausschusses hier im Landtag. Am Ende ist es immer eine Entscheidungsfrage: So oder so? Nicht umsonst haben sich alle Fraktionen heute und hier dazu entschieden, die Abstimmung in Hinblick auf die Kreissitze hier im Plenum freizugeben.

(Helmut Holter, DIE LINKE: Bei uns gibt es keinen Fraktionszwang.)

Das ist, wie ich finde, auch gut so.

Diese Möglichkeit möchte ich nutzen, und ich habe sie genutzt, mit weiteren Abgeordnetenkollegen, mit Frau Dr. Seemann, mit Herrn Dr. Backhaus, Frau Měšťan und Herrn Dr. Jäger, einen Änderungsantrag auf der Drucksache 5/3603 Ihnen hier heute vorzulegen. Mit die

sem Antrag wollen wir erreichen, dass Ludwigslust der Sitz des neuen Landkreises mit der vorläufigen Bezeichnung Südwestmecklenburg wird.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Wir haben diesen Antrag gestellt, weil wir wissen, dass hinter dem Kreissitz Ludwigslust die gesamte Region steht, die Menschen der Region, die Unternehmen, die Vereine und Verbände und auch unsere Nachbarstädte.

Meine Damen und Herren, ich glaube, in den vergangenen Tagen konnte niemand den Landtag betreten, ohne von Ludwigsluster Befürwortern angesprochen

(Helmut Holter, DIE LINKE: Gefüttert zu werden.)

oder gefüttert zu werden. Allein gestern habe ich der Präsidentin des Landtages über 12.000 Unterschriften von Bürgern aus der Region übergeben, die sich für einen Kreissitz Ludwigslust aussprechen. Und auch heute hat Ludwigslust mobil gemacht und ist, das werden Sie gesehen haben, mit dem Flugzeug in die Luft gegangen.

(Irene Müller, DIE LINKE: Und Parchim schippert auf dem See.)

Meine sehr verehrten Damen und Herren, gestatten Sie mir, dass ich den Mitstreitern aus Ludwigslust und der Region die herzlichsten Grüße hier von dieser Stelle übermittle, ich ihnen Dank sage für ihre gezeigten Aktivitäten und für ihre Unterstützung.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Meine Damen, meine Herren, das Herz ist ein zentrales Organ im Körper. Es sitzt nicht umsonst an zentraler Stelle.

(Heinz Müller, SPD, und Andreas Bluhm, DIE LINKE: Und links!)

Von hier aus sind die Wege kurz …

Und links! Vielen Dank für den Hinweis, Herr Kollege Bluhm.

Es sitzt nicht umsonst an zentraler Stelle. Von hier aus sind die Wege kurz in alle Winkel und Ecken, denn das erleichtert dem Herzen die Erfüllung seiner Aufgabe. Es hat die Lebensenergie überall im Körper zu verteilen, ganz nach Bedarf. Und noch eines braucht jeder Körper, das ist eine Seele. Sie verkörpert den Wesenskern und gibt uns die Identität.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, als zukünftiger, ich nehme jetzt bewusst den doch etwas sperrigen Namen aus der Beschlussempfehlung, Südwestmecklenburger bin ich der festen Überzeugung, dass die Stadt Ludwigslust es ist, die dem Landkreis wie keine andere Stadt sowohl Herz als auch Seele ist. Ludwigslust liegt zentral im neuen Landkreis und ist sozusagen das natürliche Herz. Ludwigslust bietet die bessere Erreichbarkeit innerhalb der Region. Die Zahlen sprechen hier für sich. Und noch mehr: Mit der Verbindung nach Hamburg und Berlin steht Ludwigslust für Offenheit und Vernetzung, die wir auch in dem neuen Landkreis brauchen. Ludwigslust bringt noch etwas mit, und das wird für den neu gebildeten Landkreis von Bedeutung sein, nämlich Identi tät und Heimat.

Meine sehr verehrten Damen und Herren, machen wir uns nichts vor, im neuen Südwestmecklenburg werden wir etwas brauchen, was den Menschen einen Anker bietet. Wir brauchen etwas, was uns mit dem neuen Land

kreis verbindet. Das ist Ludwigslust, denn Ludwigslust ist als ehemalige Residenzstadt ein eingeführtes Markenzeichen. Schon der Name, wie ich finde, ist selbsterklärend, verkörpert Freude und Heimat für jeden, der in Mecklenburg zu Hause ist.

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Und Ludwigslust ist es gewohnt abzugeben. Die Stadt lebt schon jetzt mit und für die ganze Region. Daher, meine sehr verehrten Damen und Herren, sage ich: Ludwigslust hat das Zeug dazu, für alle Einwohnerinnen und Einwohner im neu gebildeten Landkreis Heimat zu sein. Dieses Potenzial müssen wir nutzen, wenn wir mit dem neuen Landkreis eine Chance geben wollen.

(Irene Müller, DIE LINKE: Außer für die, die gar nicht herkommen.)

Daher, meine sehr verehrten Damen, werbe ich für unseren Änderungsantrag und bitte um Zustimmung. Ich komme noch einmal auf Herrn Kraus zurück und verweise noch einmal auf sein Zitat: „In zweifelhaften Fällen entscheide man sich für das Richtige.“ – Vielen herzlichen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Danke schön, Herr Müller.