Protocol of the Session on June 9, 2010

Mein Haus ist federführend zuständig für die Integration von Migrantinnen und Migranten. Wir sehen es als

unsere Aufgabe an, Rahmenbedingungen zu gestalten, die ein weltoffenes und von Wertschätzung und Akzeptanz geprägtes gesellschaftliches Klima zwischen zugewanderter und einheimischer Bevölkerung im Land fördern. Wir stellen uns allen damit verbundenen Fragen:

Wie stellt sich aus Sicht von zugewanderter und einheimischer Bevölkerung Integration und interkultureller Austausch dar?

Was können wir zu den Integrationschancen sagen?

Wo stehen wir mit der Integrationspolitik in unserem Land?

Wie müssen wir die Rahmenbedingungen gestalten, damit Integration noch besser gelingt?

Und welche Schwerpunkte müssen wir dabei setzen?

Der Antrag bezieht sich auf die im Jahr 2006 von der Landesregierung beschlossene Konzeption zur Förderung der Integration von Migrantinnen und Migranten in Mecklenburg-Vorpommern. Mit dieser Konzeption, meine Damen und Herren, haben wir eine ganzheitliche Grundlage für die Gestaltung der Integrationsarbeit des Landes geschaffen, darunter auch der interkulturellen Bildung und der Arbeit mit definierten Zielen, Aufgaben und Maßnahmen. Sie ist ein wichtiges Instrument der Umsetzung und Weiterentwicklung integrativer Programme und Maßnahmen und benennt sämtliche Handlungsfelder wie die frühkindliche und schulische Bildung und Erziehung, die Berufsorientierung, Berufsvorbereitung und Berufsausbildung, Eingliederung in den Arbeitsmarkt und berufliche Selbstständigkeit, Seniorenarbeit und Altenhilfe, Wohnen, Gesundheit, Kultur, Sport und Religion. Damit sind die Bereiche abgesteckt, in denen sich Integration vollziehen und interkulturelle Arbeit stattfindet und stattfinden muss.

In allen Feldern ist die interkulturelle Öffnung der Einrichtungen und Dienste ein wichtiges Anliegen. Damit richten wir den Blick auf uns selbst. Wie sind wir als Aufnahmegesellschaft auf Zuwanderung vorbereitet und wie gehen wir mit Vielfalt um?

Leider ist die Akzeptanz von Zuwanderung und Vielfalt in unserem Land immer noch keine Selbstverständlichkeit. Daran müssen wir arbeiten. Aber es geht auch darum: die vielfältigen Aspekte der Integration mit Blick auf die sehr heterogene Gruppe der Migrantinnen und Migranten zu berücksichtigen, den unterschiedlichen individuellen Voraussetzungen und regionalen Gegebenheiten sowie den Belangen aller Altersgruppen gerecht zu werden.

Vor dem Hintergrund des demografischen Wandels wollen wir die Attraktivität unseres Landes als Zuwanderungsland erhöhen. Die Umsetzung der Konzeption ist dabei maßgeblich. Viele Schritte sind erforderlich, um diese Querschnitts- und Daueraufgabe von Landesregierung, Kommunen, einheimischer und zugewanderter Zivilgesellschaft zu stemmen.

Im März 2007 hat der damalige Sozial- und Gesundheitsminister, unser Ministerpräsident Herr Sellering, den Landesbeirat für die Integration von Migrantinnen und Migranten einberufen. In ihm arbeiten 24 Vertreterinnen und Vertreter aus Migrantenorganisationen, den Kommunen, den Ressorts der Landesregierung, maßgeblichen Integrationsprojekten, Verbänden, Vereinen, Kirchen und Religionsgemeinschaften mit, die sich in den Gesamtprozess der Planung, Auswertung und Weiterentwicklung von Integrationsmaßnahmen einbringen.

Der Beirat hat vier Unterarbeitsgruppen für die Handlungsfelder „Kita“, „Schule“, „Übergang Schule-Beruf“ und „Berufliche Integration“ gebildet. Sie begleiten die Umsetzung der Landeskonzeption in den Schwerpunktfeldern, informieren den Beirat über aktuelle fachspezifische Entwicklungen und geben integrationspolitische Empfehlungen ab. Der strukturierte Dialog mit staatlichen und nicht staatlichen Akteuren der Integrationsarbeit sowie mit Experten aus der Wissenschaft trägt entscheidend dazu bei, gute Rahmenbedingungen für alle zu gestalten.

Es freut mich besonders, dass im Mai 2009 das landesweite Netzwerk der Migrantenvertretung MIGRANET-MV gegründet wurde. Die Migrantinnen und Migranten und ihre Organisationen bringen sich damit noch aktiver ein. Ich sehe gespannt auf die vierte landesweite Migrantenkonferenz, die vom 25. bis 27. Juni 2010 hier in Schwerin stattfinden wird.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Sehr richtig.)

Neben Austausch und Information, Vernetzung von Initiativen stehen auch an die Landesregierung gerichtete Empfehlungen zur Integrationsarbeit auf der Tagesordnung der Migrantenvertretung.

Für wichtig halte ich auch: Die Aktivitäten für die Integration im Land konnte n in den letzten Jahren zunehmend auch im Kontext der Bund- und Länderarbeit verankert werden. 2007 hat die Bundesregierung mit dem nationalen Integrationsplan Zeichen für eine intensivere Zusammenarbeit aller Ebenen gesetzt. Die Länder sind in diesem Rahmen Verpflichtungen eingegangen und haben in einem gemeinsamen Umsetzungsbericht vom 30. September 2008 dokumentiert, dass sie eigene Schwerpunkte setzen, die von migrationsspezifischen Einzelprogrammen bis hin zur interkulturellen Öffnung allgemeiner Programme reichen.

Im Jahr 2008 hat die Zusammenarbeit der Länder mit der Einrichtung der Konferenz der für Integration zuständigen Ministerinnen und Minister, Senatorinnen und Senatoren der Länder eine neue Stufe erreicht. Die Integrationsministerkonferenz und die von ihr eingesetzten Länderarbeitsgruppen sorgen für einen regelmäßigen Austausch in grundsätzlichen und länderübergreifenden Angelegenheiten der Integration.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, wenn es um Evaluation geht – und die wird im Antrag der Fraktion DIE LINKE angesprochen –, dann ist es speziell auch diese länderübergreifende Zusammenarbeit, die Chancen bietet, die wir sehr gern nutzen. Wir erarbeiten seit 2008 gemeinsam mit dem Bund, den Ländern und unseren Partnern einen Indikatorenkatalog. Auf der 5. Integrationsministerkonferenz im März 2010 konnten erste Ergebnisse einer Pilotstudie vorgestellt werden. Es ist deutlich geworden, für viele Integrationsindikatoren, auf die sich die Länder im Vorfeld verständigt haben, ist eine Datenbasis vorhanden. Noch im Jahr 2010 wird auch Mecklenburg-Vorpommern in das länderübergreifende Integrationsmonitoring einsteigen. Wir leisten damit einen Beitrag, die Messbarkeit der Integrationsarbeit des Landes zu erhöhen.

Natürlich gibt es auch Schwierigkeiten. Wir müssen damit umgehen, dass manche Dimensionen der Integration, etwa die Akzeptanz kultureller Normen, kaum objektiv erfassbar sind. Dennoch, wo es machbar ist, werden wir daran arbeiten, geeignete Evaluierungsinstrumente zu entwickeln. Im Übrigen sehe ich in dieser Frage für Pessimismus keinen Grund.

Es ist erst wenige Tage her, dass erstmals in Deutschland ein bundesweites Integrationsbarometer der Öffentlichkeit vorgestellt werden konnte. Das Jahresgutachten des Sachverständigenrates Deutscher Stiftung zur Integration und Migration hat, und das ist neu, Erfahrungen und Einstellungen von Menschen mit und ohne Migrationshintergrund für verschiedene Bereiche der Integration gemessen. Die zentrale Aussage lautet: In Deutschland werden der Integration und Integrationspolitik trotz aller Probleme und Baustellen durchaus Erfolge bescheinigt.

Auch in Mecklenburg-Vorpommern haben wir daher allen Grund, die noch vor uns liegenden Aufgaben mit Optimismus anzugehen. Unsere Zuwanderer, überwiegend EU-Bürgerinnen und EU-Bürger, Spätaussiedlerinnen und Spätaussiedler sowie jüdische Zugewanderte, bringen ihre Familien mit und ihre Motivation, hier ihren Lebensmittelpunkt zu finden und ihre spezifischen Potenziale in die Gesellschaft einzubringen. Sie tragen zur Vielfalt bei und stärken ein Land, das Tourismus-, Gesundheits- und Familienland, vor allem aber auch weltoffen sein will.

In der Förderung der Partizipation und Integration von Migrantinnen und Migranten haben wir klare Schwerpunkte gesetzt und formuliert:

1. Stärkung der sprachlichen und beruflichen Integration von Migrantinnen und Migranten

Die Arbeitsmarktintegration hat hohe Priorität. Seit August 2006 werden durch mein Haus drei Integrationsfachdienste zur Verbesserung der beruflichen Integration in den Regionen Westmecklenburg, Mittleres Mecklenburg, Nordvorpommern und der Mecklenburgischen Seenplatte und Vorpommern gefördert. Vor dem Hintergrund des sich abzeichnenden Fachkräftemangels wollen wir alle Maßnahmen und Vorhaben mit Bezügen zum Arbeitsmarkt noch effektiver auf eine deutliche Erhöhung der Beschäftigungsquote und auf die Nutzung aller Potenziale der Migrantinnen und Migranten ausrichten.

Ich habe die feste Überzeugung, dass gerade die Integration in den Arbeitsmarkt Voraussetzung dafür ist, dass Migrantinnen und Migranten eben auch hier wirklich ankommen können, gesellschaftlich akzeptiert werden und sich gesellschaftlich einbringen. Arbeit ist hier eine große soziale Voraussetzung, auch für Teilhabe. Und deshalb sehe ich mit Sorge, dass in den Ankündigungen der Bundesregierung 2 Milliarden Euro auch in der aktiven Arbeitsmarktpolitik gestrichen werden sollen. Ich habe gestern mit einem Mitarbeiter der Arge gesprochen, dass es wahrscheinlich vor allem eben auch Migrantinnen- und Migrantenprogramme treffen kann. Hier werden wir uns dafür einsetzen, dass es nicht passieren wird,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

denn hier wäre es ein Rückschritt für die Integration von Migrantinnen und Migranten. Denn die Integration in den Arbeitsmarkt ist Voraussetzung für die Integration, für die interkulturelle Integration von Migrantinnen und Migranten.

2. Stärkung der migrationsspezifischen Beratung

Auch migrationsspezifische Beratungsangebote haben wir 2007 nach regionalen Gegebenheiten weitgehend bedarfs- und flächengerecht neu strukturiert und dabei kreis- und trägerübergreifende Kooperationsformen angestrebt. Wir fördern Angebote der migrationsspezi

fischen Beratungen in den Regionen Westmecklenburg, Mittleres Mecklenburg, der Mecklenburgischen Seenplatte und Vorpommern und unterstützen damit die von Kommunen, Bund und Trägern anteilig finanzierten Beratungsleistungen, um eine effektive Begleitung in allen Integrationsphasen zu ermöglichen.

3. Stärkung der Partizipation von Migrantinnen und Migranten

Wir unterstützen ein aus Mitteln des Europäischen Integrationsfonds gefördertes Partizipationsprojekt zur Förderung der landesweiten Vernetzung der Migrantenvereine und -organisationen unter dem Dach von MIGRANET-MV. Wir wollen damit die Initiativen, das bürgerschaftliche Engagement und die aktive Partizipation von Migrantinnen und Migranten stärken. Die Projektträger arbeiten in kommunalen beziehungsweise regionalen Netzwerken der Integration mit und stimmen sich mit anderen Akteuren vor Ort hinsichtlich ihrer Ziele und Maßnahmen ab. Damit werden Impulse für eine noch engere Zusammenarbeit der unterschiedlichen Partner vermittelt. Alle Integrationsangebote, die wir fördern, tragen zur interkulturellen Öffnung der Regeldienste im Land bei.

Sehr geehrte Damen und Herren Abgeordnete, in dem Antrag der Fraktion DIE LINKE kommt der interkulturellen Bildung und Kultur ein hoher Stellenwert zu. Ich unterstütze das. Ich hoffe, ich habe Ihnen verdeutlicht, dass unsere Integrationspolitik diesen Aspekt gebührend berücksichtigt. Ich habe natürlich diesen Antrag genutzt, auch mal breit darzustellen, wie unser Land in verschiedenen Bereichen engagiert ist in der Integrationspolitik. Allerdings sehe ich die Notwendigkeit für eine neue Berichtspflicht, die sich auf Teilaspekte der Integration bezieht, nicht. Wir haben zusammen mit den Vertretern der Kommunen, den Ressorts der Landesregierung, dem landesweiten Netzwerk der Migrantenorganisation MIGRANET-MV und anderen Partnern unsere umfassende Konzeption im Rahmen des Machbaren umgesetzt. Und dort, wo es notwendig ist, werden wir uns weiter engagieren oder gegebenenfalls auch den Kurs korrigieren.

In den vergangenen Monaten haben wir sehr intensiv daran gearbeitet, den bisherigen Umsetzungsprozess zu analysieren und die erforderlichen integrationspolitischen Schlussfolgerungen daraus abzuleiten. Wir stellen uns damit der Aufgabe aus der Landeskonzeption, deren Wirksamkeit zu überprüfen und sie im Dialog mit den Praktikern, den Betroffenen darauf aufbauend fortzuschreiben. Mein Haus wird die Fortschreibung der Konzeption noch in diesem Jahr dem Kabinett zur Beschlussfassung und zur Übermittlung an den Landtag vorlegen.

Ich denke, das dürfte ausreichen für die Berichtspflicht und auch für die notwendige Diskussion. Selbstverständlich freue ich mich, wenn diese Themen immer wieder in den Ausschüssen aufgerufen werden, und auch hier stehen wir gerne zur Diskussion und zu Berichten zur Verfügung. Darüber hinausgehende Berichtspflichten, Notwendigkeiten dafür sehe ich nicht. – Ich danke Ihnen ganz herzlich für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Danke, Frau Ministerin. Sie haben Ihre Redezeit um drei Minuten überzogen. Diese Zeit steht natürlich der Opposition zur Verfügung.

Meine Damen und Herren, es hat jetzt das Wort der Abgeordnete Herr Stein von der Fraktion der CDU.

Herr Präsident! Meine lieben Kolleginnen und Kollegen! Integration ist das Zauberwort. Ich denke, gemessen an der Zahl der hier lebenden Migrantinnen und Migranten tut Mecklenburg-Vorpommern sicherlich nicht zu wenig, wenn ich das mal so relativ in den Vergleich stelle. Im bundesweiten Ranking, wo man sich immer gerne mit Benchmarks befasst, da, glaube ich, sind wir ganz gut aufgestellt. Die Ministerin hat ja auch einiges dazu gesagt.

Ich möchte mich an dieser Stelle ganz herzlich bedanken für die andere Seite, also für die Organisation der Migrantinnen und Migranten, die sich von ihrer Seite auch sehr stark hier im Land von sich aus einbringen, auf die deutschen Interessen, wenn ich mal so sagen darf, auch zugehen und hier zu gemeinsamen Projekten, zu gemeinsamen kulturellen Arbeiten kommen. Hier ist wirklich Herausragendes gelungen. Wenn ich mir angucke, ich nenne nur einen Namen, Frau Kollatz, die ja nun wirklich stellvertretend für das stehen kann, was Migrantinnen und Migranten mit ihren Organisationen leisten. Einen ganz herzlichen Dank dafür.

Die Landesregierung arbeitet jedoch gegenwärtig bereits an der Fortschreibung der Konzeption zur Förderung der Integration. Ich will es ein bisschen kurzfassen und das eine oder andere daraus zitieren. Vorweg der integrationspolitische Ansatz der Landesregierung: Das ist, wie gesagt, alles noch in der Ressortanhörung. Ein paar Zitate daraus: „Mecklenburg-Vorpommern ist mit 1,7 Millionen Einwohnern ein dünn besiedeltes Flächenland. Durch die niedrige Geburtenrate und auch den Wegzug der letzten Jahre verliert das Land kontinuierlich an Bevölkerung.“ Das ist uns allen bekannt.

Ich habe vor einiger Zeit einen sehr interessanten Vortrag von einem Professor, stammend aus Düsseldorf, jetzt dozierend in Jena, gehört zu dem Thema „Demografie und Migration“. Er hat mal ein paar Zahlen in Vergleich gestellt, das fand ich eigentlich sehr bemerkenswert, ohne dass ich die jetzt im Detail überprüft habe. Es ist tatsächlich so, dass die Bundesrepublik Deutschland heute zwei Millionen mehr Einwohner hat als zur Wendezeit, also 1990.

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Und wenn man mal herausrechnet, was davon als Anteil am Bevölkerungswachstum entstanden ist aus den Bereichen, die dem Bereich der Migration zuzuordnen sind, sind es sogar vier Millionen mehr. Auf der anderen Seite hat er mal in den Raum gestellt und zurückgerechnet, was gewesen wäre, wenn wir 30 Jahre lang keine Wanderungsbewegungen innerhalb von Deutschland oder auch von außen zu uns herein gehabt hätten.

(Michael Andrejewski, NPD: Wir hätten keine Arbeitslosen. – Raimund Frank Borrmann, NPD: Wir hätten mehr Kinder. – Peter Ritter, DIE LINKE: Deutsche Kinder! Deutsche Kinder! Deutsche Bananen!)

Dann hätten wir in Ostdeutschland 20 Millionen Einwohner

(Zuruf von Harry Glawe, CDU)

und in Westdeutschland 42 Millionen. Das macht zusammen 62 Millionen. Die Mehrheitsverhältnisse zwischen Ost und West wären auf den Kopf gestellt.

(Udo Pastörs, NPD: Das wäre ökologisch vernünftiger.)

Das heißt im Umkehrschluss, man kann es mal so überspitzen, ich zitiere hier nicht ganz wörtlich den Professor: Westdeutschland ist ein Zuwanderungsweltmeister.