Protocol of the Session on April 30, 2010

Ich sage es noch mal, Sie werden die Verwaltungs- und Funktionalreform durchführen, umsetzen. Das Ehrenamt ist dann mehr als gefragt. Wie bekommen wir denn eigentlich noch die Menschen dahin, wenn sie zum Beispiel als ehrenamtliche Bürgermeister kein Geld mehr zur Verfügung haben? Was können wir denn da noch tun? Oder ist es ausreichend mit dem Reisekosten gesetz, mit den wenigen Mitteln, die wir da haben? Oder wir sagen, Hartz-IV-Empfängerinnen und -Empfänger sollen sich mehr ehrenamtlich betätigen. Wie lösen wir denn diesen Widerspruch auf mit der Arge, dass sie zur Verfügung stehen müssen für die Arbeit und auf der anderen Seite ihnen aber vorgeworfen wird, die arbeiten mehr als drei Stunden und sind deshalb nicht mehr verfügbar? Oder die Aufwandsentschädigungen werden abgezogen vom Geld. Alles das sind doch Fragen, die in diesem Zusammenhang beantwortet werden sollten.

Ich finde auch, dass man deutlich machen könnte in solchen Überlegungen, wo sind denn die Grenzen des Ehrenamtes. Und dass sich der Staat immer mehr aus seiner Verantwortung zieht, das, glaube ich, ist ein offenes Geheimnis. Und dass Menschen, weil sie sich verantwortlich fühlen für das Ergehen oder für die Probleme von anderen, bereit sind, ins Ehrenamt einzusteigen, das, glaube ich, liegt auf der Hand.

Und Ihre Denkweise, immer gleich auf das Geld zu gucken – tut mir leid, es geht nicht immer darum, dass bestimmte Projekte neu erfunden werden müssen.

(Heinz Müller, SPD: Wo haben Sie denn gerade hingeguckt beim Bürgermeister? Auch aufs Geld. Also tun Sie doch nicht so scheinheilig!)

Das, was ich eben gesagt habe, ist, erst mal eine Analyse zu machen darüber, welche Rahmenbedingungen wir haben und wo wir letztendlich auch Handlungs bedarf haben. Und das hat erst mal nichts mit Geld zu tun. Ich habe gesagt, wo gibt es Handlungsbedarf, das ist zu

analysieren. Wie wir weiter damit umgehen, ist eine ganz andere Geschichte. Wir haben nicht beantragt, so, wie Ihre Kollegin es gesagt hat, dass neue Projekte installiert werden müssen, dass Geld in die Hand genommen wird. Das steht in unserem Antrag nicht drin, sondern die Frage, wie werden wir inhaltlich das Europäische Jahr für Freiwilligenarbeit ausfüllen und was können wir hier im Parlament machen.

Die gleiche Frage ist: Wie können wir zum Beispiel uns über Erfahrungen informieren, was das Ehrenamt und die Handlungsweisen in anderen Ländern betrifft? Warum wollen wir uns denn der Sache nicht stellen? Gibt es da vielleicht Erfahrungen, die für uns wertvoll sind? Und wenn ich mal auf das Europäische Jahr gegen Armut und Ausgrenzung gucke, inwieweit sind wir denn vom Prinzip her involviert, inwieweit haben wir das denn als unser Europäisches Jahr in Anspruch genommen, wir als Abgeordnete des Landtages, da, glaube ich, haben wir noch ganz schön Nachholbedarf. Aber Sie sind ja die Europäerinnen und Europäer und Sie brauchen das alles nicht. Und das finde ich auch gegenüber den Ehrenamtlichen nicht gerade hilfreich.

(Marc Reinhardt, CDU: Dann hätten wir das auch geklärt.)

Bitte schön.

Frau Abgeordnete, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Specht?

Bitte.

Frau Kollegin Borchardt, Sie wiesen jetzt in Ihrem Redebeitrag mehrfach darauf hin, dass Sie die Beteiligung des Parlaments im Rahmen Ihres Antrages einfordern. Das habe ich noch nirgendwo gelesen. Sie fordern letztendlich die Landesregierung lediglich auf, sich einzubringen und im März 2012 einen Abschlussbericht vorzulegen.

Bitte die Frage stellen.

Deswegen meine Frage: Wo finde ich Ihre Behauptung, dass Sie mit Ihrem Antrag die Beteiligung des Parlaments einfordern?

Ich glaube, Sie haben vorhin, als ich eingebracht habe, nicht zugehört. Ich habe gesagt, dass der Antrag in die Fachausschüsse mit überwiesen werden soll, und damit wäre er im parlamentarischen Verfahren. Wir hätten uns dann in den Fachausschüssen zu den einzelnen Vorstellungen verständigen können, dann auch mit einbringen können und auf der Basis des Konzeptes der Landesregierung auch gemeinsam gucken können, wie wir weiter damit umgehen. Und in den Punkten 1 und 2, glaube ich, ist es auch deutlich benannt, dass der Landtag hier gefragt ist. Nicht nur den Punkt 3 lesen, auch die anderen beiden Punkte.

Kann ich kurz nachfragen?

Gestatten Sie noch eine Nachfrage, Frau Borchardt?

Nein, ich denke, ich habe die eindeutig beantwortet.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE – Heinz Müller, SPD: Sehr mutig.)

Danke schön.

(Unruhe bei Heinz Müller, SPD, und Barbara Borchardt, DIE LINKE)

Weitere Wortmeldungen liegen mir nicht vor. Ich schließe die Aussprache.

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Ja, ein Spatz in der Hand ist manchmal besser als die Taube auf dem Dach.)

Im Rahmen der Debatte ist beantragt worden, den Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/3391 zur federführenden Beratung an den Europa- und Rechts ausschuss sowie zur Mitberatung an den Innenausschuss, an den Finanzausschuss, an den Wirtschaftsausschuss, an den Agrarausschuss, an den Bildungsausschuss, an den Verkehrsausschuss sowie an den Sozialausschuss zu überweisen. Wer diesem Überweisungsvorschlag zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Überweisungsvorschlag bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE, der Fraktion der FDP und der Fraktion der NPD und Gegenstimmen der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU abgelehnt.

Ich lasse jetzt in der Sache abstimmen. Wer dem Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/3391 zuzustimmen wünscht, den bitte ich jetzt um das Handzeichen. – Danke. Gegenstimmen? – Danke. Stimmenthaltungen? – Damit ist der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/3391 bei Zustimmung der Fraktion DIE LINKE, der Fraktion der FDP, der Fraktion der NPD und Gegenstimmen der Fraktion der SPD und der Fraktion der CDU abgelehnt.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 35: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Keine Veränderungen im Justizbereich zulasten der Gerichte und der Bürgerinnen und Bürger, Drucksache 5/3392.

Antrag der Fraktion DIE LINKE: Keine Veränderungen im Justizbereich zulasten der Gerichte und der Bürgerinnen und Bürger – Drucksache 5/3392 –

Das Wort zur Begründung hat die Abgeordnete Frau Borchardt von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Forderung meiner Fraktion nach einer starken und unabhängigen Justiz, wie sie vom Grundgesetz vorgesehen wird, war und ist richtig, gerade wenn ich mir die in unserem Antrag angesprochenen Bundesratsinitiativen vom Februar und März dieses Jahres anschaue. Nach den geplanten Gesetzesvorhaben sollen immer weitere Bereiche aus dem Justizbereich auf Beliehene ausgelagert werden beziehungsweise soll der Zugang zu den Gerichten erschwert werden.

(Dr. Marianne Linke, DIE LINKE: Ja.)

Laut Presseartikel war auch Mecklenburg-Vorpommern an der Einbringung des Gesetzentwurfes zur Reform des Gerichtsvollzieherwesens im Bundesrat beteiligt gewesen. Da frage ich mich doch: Warum das Ganze? Warum sollen Gerichtsvollzieher künftig auf eigene Kosten arbeiten? Warum sollen Aufgaben der Rechtspfleger auf Notare übertragen werden? Warum soll der Zugang zu den Gerichten erschwert werden? Haben wir zu wenig Personal im Justizbereich für die zu erledigenden Aufga

ben? Ist die Gründung einer neuen Landesbehörde hier in Mecklenburg-Vorpommern, für welche weitere Personalstellen eingeplant werden müssen, die aber faktisch noch nicht da sind, der Grund? Ich finde keine Antwort.

Doch nun zu den einzelnen Bereichen:

In Punkt 1 geht es uns um die Reform des Gerichtsvollzieherwesens. Diese sollen zukünftig als Beliehene tätig werden, die Vollstreckungshandlungen auf eigene Rechnung vornehmen. Anstatt zu überlegen, wie im bisherigen System eine gerechte Kostendeckung im Bürobetrieb sowie eine gerechte Vergütung und Entlastung für die Gerichtsvollzieherinnen und -vollzieher erreicht werden kann, geht man den einfachen Weg und entledigt sich dieser Aufgabe. Dies geht mit einer Schwächung der Justiz einher, deren Folgen letztendlich alle Beteiligten zu tragen haben, wenn die leistungsabhängig vergüteten Unternehmerinnen und Unternehmer um eine erfolgreiche Vollziehung wetteifern müssen.

Eine Folge dieser Reform des Gerichtsvollzieher wesens ist beispielsweise, dass sich die Gebühren verdrei fachen. In der Antwort auf meine Kleine Anfrage zu dieser Problematik gab es die Ausführung, dass ein Schuldner durch höhere Gebühren eher versuchen wird, Zitat, „die zusätzlichen Kosten der Zwangsvollstreckung zu vermeiden“, Zitatende, da das Hinauszögern der eventuell noch ratenweisen Zahlungen unwirtschaftlicher werde.

Aber geht das nicht an der Wirklichkeit vorbei? Wenn jetzt schon ein Schuldner nicht zahlt, weil er beispielsweise keine finanziellen Mittel hat, wie soll er dies in Zukunft bewerkstelligen können, wenn sich die Gebühren noch verdreifachen? Und wenn der Schuldner die Schulden nicht bezahlt, wer bleibt letztendlich auf den erhöhten Kosten der Zwangsvollstreckung sitzen? Der Gläubiger. Er hat dann neben den bereits angefallenen Gerichtskosten auch noch die Vollstreckungskosten zu tragen.

Eine weitere Folge ist die Umsetzung einer neuartigen Erfolgsgebühr, die nun anfällt, soweit der Gläubiger tatsächlich befriedigt wird. Wozu das? Um die Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher im Sinne einer effektiven Zwangsvollstreckung zu motivieren? Ich denke, fehlende Motivation ist das Letzte, was man den Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollziehern hier in Mecklenburg-Vorpommern vorwerfen kann.

Dritte Folge wäre, dass künftig Beliehene mit weitgehenden Rechten ausgestattet werden. So hätten sie die Legitimation, unmittelbaren Zwang anzuwenden, Wohnungen zu betreten und zu durchsuchen. Dies war bisher nur Vertreterinnen und Vertretern hoheitlicher Stellen vorbehalten. Und da müssen doch bei den Rechtspolitikern in diesem Haus die Alarmglocken läuten. Wenn erfolgsabhängig vergütete Beliehene, die dann wie Unternehmer tätig sind, um eine erfolgreiche Vollziehung auf Kosten von Grundrechten wetteifern müssen, ist das zum Schaden aller.

Ebenfalls zu einer Schwächung der Justiz führt der Entwurf eines Gesetzes zur Übertragung von Aufgaben im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf Notare. Ziel dieses Gesetzentwurfes ist es, die Gerichte nachhaltig durch die Übertragung von verschiedenen bislang den Gerichten zugewiesenen Aufgaben aus dem Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf Notare zu entlasten. Doch tatsächlich findet keine Entlastung, sondern eine Schwächung der Gerichte statt, denn gerade die freiwillige Gerichtsbarkeit gehört zu den Kernkompetenzen

der deutschen Justiz und muss daher als solche bei den Gerichten verbleiben. Nur die Zuordnung dieser Rechtssachen zu den unabhängigen Gerichten gewährleistet auch weiterhin, dass das deutsche Justizsystem „im internationalen Vergleich eine herausragende Position“ einnimmt, so, wie es in der Gesetzesbegründung zu diesem Gesetz auf der Bundesratsdrucksache 45/1/10 bescheinigt wird.

Und weiterhin wurde immer wieder an uns herangetragen, dass gerade dieser Bereich es sei, dem es gelänge, kostendeckend und sogar gewinnbringend zu arbeiten. Wieso soll er dann ausgelagert werden?

Hier muss ich mal eine Kritik loswerden: „Erkenntnisse zur Höhe der Einnahmen und Ausgaben in Nachlasssachen bei den Amtsgerichten in Mecklenburg-Vorpommern liegen nicht vollständig vor“, so lautet die Antwort auf meine Kleine Anfrage. Übrigens ist dies nicht das erste Mal. Auch in dem Jahresbericht des Landesrechnungshofes 2009 wurde deutlich, dass Zuwendungen für die freiwillige Straffälligenhilfe nicht evaluiert wurden. Auch das Pilotprojekt „Gerichtliche Mediation“ ist laut dem Bericht weder in ausreichendem Maße vorbereitet und begleitet noch ausgewertet worden.

Ich bitte das Justizministerium, bevor es neue Projekte in Angriff nimmt, sich dieses Problems anzunehmen. Wie will man sonst die Projekte und auch Justizbereiche – auch aus Kostengründen, oftmals übrigens leider die entscheidenden – bewerten? Und so muss auch hier auf Erfahrungen aus anderen Bundesländern zurück gegriffen werden. Danach ist davon auszugehen, dass ein positiver Saldo im Bereich der Nachlasssachen vorliegt. Wie soll man die Notwendigkeit einer Verlagerung von solchen Bereichen bewerten, wenn wichtige Gesichtspunkte wie eben die finanziellen fehlen?

Und noch kurz zum Punkt 3, zum Prozesskostenhilfebegrenzungsgesetz. Ziel des Gesetzentwurfes ist es, den Ausgabenanstieg für die Prozesskostenhilfe schnell und dauerhaft zu begrenzen. Vor diesem Hintergrund wurden folgende Maßnahmen vorgeschlagen:

1. stärkere finanzielle Beteiligung der bedürftigen Parteien

2. Verschärfung der gesetzlichen Bewilligungsvoraussetzungen

3. intensive Überprüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse der bedürftigen Partei

4. faktische Übertragung der Überprüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf die Rechtspfleger

Die vergangenen Jahre haben gezeigt, dass die Kosten für die Prozesskostenhilfe in Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2006 ihren Höhepunkt hatten und seitdem stetig sinken. Lediglich im Bereich der Sozialgerichtsbarkeit haben sich die Kosten für die Prozesskostenhilfe seit dem Jahr 2002 versechsfacht.

Vor diesem Hintergrund zieht der Gesetzentwurf des Bundesrates die falschen Schlussfolgerungen. Anstatt bei den Ursachen für die stetig ansteigenden Kosten gerade in der Sozialgerichtsbarkeit und der fehlenden Überwachung der Rückflüsse aus Prozesskostenhilfeverfahren mit Ratenzahlung anzusetzen, wird auf Kosten der rechtsuchenden und hilfebedürftigen Bürger versucht, deren verfassungsrechtlich garantierten Justizgewährungsanspruch einzuschränken.

Hinsichtlich der Ursachenforschung für die Rückflüsse sind für mich Fragen wie die folgenden wichtig: Wie lassen sich die Einnahmen im Rahmen der Prozesskostenhilfe optimieren? Bedarf es dazu gegebenenfalls einer zusätzlichen Einstellung von Rechtspflegern? Was hat die Landesregierung konkret zur Fortbildung der Justizangestellten und Beamten unternommen und was wird sie weiterhin unternehmen? Alle diese Fragen wollen wir in diesem Zusammenhang klären. Wir bitten um Überweisung in den Rechtsausschuss.