Protocol of the Session on April 29, 2010

Gesetzentwurf der Landesregierung: Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung des Kindertagesförderungsgesetzes (3. ÄndG KiföG M-V) (Erste Lesung) – Drucksache 5/3381 –

Das Wort zur Einbringung hat die Ministerin für Soziales und Gesundheit Frau Schwesig.

Sehr geehrte Frau Präsidentin! Meine sehr geehrten Damen und Herren Abgeordnete! Heute ist ein guter Tag für die Kinder in Mecklenburg-Vorpommern, heute ist ein guter Tag für das Kinderland Mecklenburg-Vorpommern.

(Udo Pastörs, NPD: Immer dieselben Formulierungen.)

Wir legen Ihnen die Novellierung des Kindertagesförderungsgesetzes vor, kurz KiföG, mit dem wir alleine zum KiföG 2004 35 Millionen Euro als gesetzliche Standards festlegen. 15 Millionen Euro zusätzlich on top und die 20 Millionen Euro, die bisher in Richtlinien verankert waren, die aber immer wieder auslaufen, wären zusätzlich gesetzliche Standards. Damit wird sich diese Landesregierung verpflichten, zukünftig 35 Millionen Euro gesetzliche Standards auszufinanzieren, und das in Zeiten von finanziellen Rahmenbedingungen, wo wir uns darauf einstellen müssen, dass Mecklenburg-Vorpommern bis 2019 alleine 1 Milliarde Euro – 1 Milliarde Euro! – einsparen muss, weil wir diese nicht mehr aus Solidarpaktmitteln erhalten werden. In Zeiten von finanziellen Rahmenbedingungen, wo Wirtschafts- und Finanzkrise und Steuerentlastung zu sinkenden Steuereinnahmen im Land und in Kommunen führen, in diesen Zeiten packen wir drauf. In diesen Zeiten hält diese Landesregierung Wort, wir tun mehr für unsere Kinder.

Ich danke ganz herzlich den Regierungsfraktionen, dass sie mit dem Haushalt die Grundlage dafür geschaffen haben. Ich danke auch den Ressortkollegen, die für diese Schwerpunkte – 15 Millionen on top Kita, 15 Millionen on top Schule –

(Udo Pastörs, NPD: Was ist „on top”?)

auf viele Wünsche verzichtet haben, die auch in ihren Ressorts berechtigt waren. Und deshalb ist es wichtig, dass wir anerkennen, dass diese Landesregierung gemeinsam, alle Ministerinnen und Minister hinter diesem Gesetz stehen und dafür stehen, dass wir bereit sind, woanders zu verzichten, um für unsere Kinder zu investieren. Und das ist unsere Botschaft, die wir mit

diesem Gesetzentwurf senden wollen. Die Kinder in unserem Land sind uns wichtig.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)

Warum investieren wir weiterhin so massiv in unsere Kindertagesbetreuung? Warum ist sie uns so wichtig? Es gibt drei Punkte, die in diesem Zusammenhang mit Kitas so wichtig sind in unserem Land. Natürlich sind Kindertagesstätten, aber auch die Plätze bei Tagesmüttern, zuallererst wichtig für die Kinder und für die Eltern in unserem Land vor dem Hintergrund Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Viele Eltern wollen zusammen arbeiten und viele Familien müssen es in unserem Land, denn sonst könnten sie ihre Familie nicht ernähren. Und wir wissen, dass es trotzdem viele Eltern nicht einmal schaffen, obwohl sie arbeiten gehen.

(Udo Pastörs, NPD: Woran das wohl liegt?!)

Deswegen brauchen wir dieses Angebot für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie.

(Michael Roolf, FDP: Von Familie und Beruf!)

Der zweite Punkt: Die Kindertagesstätten sind neben den Eltern die erste Bildungseinrichtung, die Kinder besuchen. Bildung fängt nicht erst in der Schule an. Die Werte, die Grundkompetenzen wie Motorik und Sprache werden eben nicht erst in der Schule gelernt, sondern die werden frühzeitig festgelegt. Und deswegen ist es so wichtig, dass die Kinder in unseren Kitas nicht nur aufbewahrt werden, so, wie es Herr Roolf mal gesagt hat, sondern dass sie eine gute Bildung bekommen. Und die bekommen sie. Dafür wollen wir mit diesem Gesetz auch mehr tun.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr richtig, Frau Ministerin.)

Und der dritte Punkt: Wenn denn so viele Kinder in unsere Einrichtungen oder zu Tagesmüttern gehen und wenn die Eltern dort morgens sind und auch nachmittags oder am Abend, wenn die Kinder abgeholt werden, dann erfahren oft Erzieherinnen und Erzieher, was los ist in den Familien, wo der Schuh drückt, wo Probleme sind. Über diese Kitas kommen wir an Familien heran, die wir manchmal sonst nicht erreichen. Deswegen ist es uns auch so wichtig, diese Kitas zu begreifen als Angebot nicht nur für Kinder, sondern auch für Eltern, gemeinsam die Kinder zu stärken, aber eben auch die Familien. Das ist ganz entscheidend, denn die besten Kitas und die besten Schulen ersetzen nicht die Elternhäuser. Deswegen wollen wir mit unseren Kitas auch die Eltern er reichen, die wir sonst manchmal nicht erreichen, und hier für die Familien mehr tun, und das kommt am Ende den Kindern zugute.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Dass die Kitas und die Tagesplätze in unserem Land beliebt sind und angenommen werden, zeigen die Be legungszahlen. Allein 50 Prozent der Kinder unter drei Jahren, also Krippenkinder, gehen in unsere Einrichtungen. Das sind eigentlich im Alter von zwei und drei Jahren sogar noch mehr, die Statistik geht über drei Jahre. Und viele nutzen natürlich die Elternzeit, deswegen ist die Belegung bei Kindern von einem Jahr nicht so stark. Aber wenn man es selbst zusammenrechnet,

kommen wir auf 50 Prozent. Deutschlandweit wird versucht, eine 35-Prozentquote durchzusetzen, insbesondere in den westdeutschen Ländern. Die haben wir weit überholt.

Unsere Kitas sind nicht nur von 8.00 Uhr bis 14.00 Uhr auf, sondern von morgens bis abends. Wir haben die ersten 24-Stunden-Kitas, die ersten Kitas, die Randzeiten bis 20.00 Uhr abdecken. Und das ist notwendig. Die Kinder sollen nicht 24 Stunden rund um die Uhr in Kitas sein, aber Eltern, die Schichtdienste ableisten müssen, die vielen Alleinerziehenden – wenn Sie allein an die Verkäuferin denken, die Samstag bis 20.00 Uhr arbeiten muss – brauchen diese Angebote. Die stellen wir im Land zur Verfügung.

Das zeigt auch die extrem hohe Belegungsquote bei über Dreijährigen. Hier besuchen 98 Prozent der Kinder unsere Einrichtungen. Und sie besuchen sie freiwillig. Das ist ein Zeichen, ich glaube, wir müssen in unserem Land da keinen mehr überzeugen, an alle Erzkonservativen, die diese Betreuung ablehnen. Die Kinder und Eltern wollen diese Angebote, deswegen halten wir sie vor und deswegen bauen wir sie aus.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Und von diesen tollen Angeboten profitieren fast 93.000 Kinder in unserem Land. 9.000 Fachkräfte, Erzieherinnen und Erzieher engagieren sich in diesen Einrichtungen. 1.600 Tagespflegepersonen kommen dazu. Und die Erzieher sind nicht mehr die Tanten, die einfach nur Musik machen,

(Udo Pastörs, NPD: Was heißt hier: „einfach nur Musik machen“? Das ist doch sehr wichtig.)

die einfach nur aufbewahren.

(Irene Müller, DIE LINKE: Da gab es keine Tanten. – Udo Pastörs, NPD: Diskriminierung der arbeitenden Frauen.)

Und die Tagesmütter sind auch nicht die Muttis im Kittel, die ein bisschen die Kinder betreuen, so, wie es ge legentlich gesehen wird.

(Irene Müller, DIE LINKE: Aber nicht deshalb, weil es Tanten waren.)

Frau Müller, was ich hier gerade zitiere, sind die Bedenken, die mir Erzieherinnen und Tagesmütter in Gesprächen vorgetragen haben, dass sie so noch von Leuten gesehen werden. Dass Sie das nicht so sehen, das glaube ich Ihnen, das zeigt ja auch das KiföG von 2004. Aber es ist diesen Fachkräften wichtig,

(Irene Müller, DIE LINKE: Auch in der DDR gab es keine Tanten.)

dass wir es noch mal in den letzten Kopf setzen, dass es bei der frühkindlichen Bildung bei Erzieherinnen und Erziehern und Tagesmüttern eben nicht nur um Betreuung geht, sondern um Bildung, und dass es die Personen sind, die den Lebensweg von Kindern begleiten und unterstützen, dass sie Anerkennung brauchen, gesellschaftliche Anerkennung. Und die geben wir Ihnen mit diesem Gesetzentwurf. Die Erzieherinnen und Tagesmütter in unserem Land sind uns viel Wert.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Und an dieser Stelle sagt die Landesregierung danke für diese geleistete Arbeit. Denn wir müssen darüber diskutieren, dass wir eine bessere Ausbildung bekommen, eine bessere Bezahlung. Aber diese gesellschaftliche Anerkennung ist so wichtig und dieser Dank ist uns wichtig ihnen zu geben, um unsere Erzieherinnen und Fachkräfte zu motivieren.

Wenn ich von Erzieherinnen spreche, möchte ich sagen, wir haben auch Erzieher, wir haben auch männliche Tagespflegepersonen, aber der überwiegende Anteil sind immer noch Frauen. Bitte, liebe Fachkräfte, liebe Männer, sehen Sie es mir an dieser Stelle nach.

Was wollen wir mit dem KiföG? Warum wollen wir das KiföG von 2004 novellieren? Das KiföG soll den aktuellen Erfordernissen angepasst werden. Unser Ziel ist, dass wir die Kinder- und Familienpolitik im Land nach haltig verbessern, selbst an so einem Punkt, wo wir schon so stolz auf das sein können, was in den letzten Jahren geleistet worden ist.

Unsere Ziele sind:

Wir wollen mehr Chancengerechtigkeit für Kinder durch gezielte individuelle Förderung.

Wir wollen Bildung von Anfang an für alle Kinder.

Wir wollen die Elternbeiträge stabilisieren.

Wir wollen die partnerschaftliche Elternarbeit stärken.

Wir wollen natürlich die demografische Entwicklung, die auch unser Land betrifft, berücksichtigen.

Ausgangspunkt für diese KiföG-Novellierung war für uns deswegen eine intensive Bestandsanalyse. Wie sieht’s aus? Wie stehen wir mit dem KiföG 2004 da? Ich habe es angesprochen, seit 2004 sind die Belegungszahlen enorm gestiegen. Wir hatten 2004 noch ungefähr 77.000 Kinder in den Einrichtungen und jetzt über 92.000. Das heißt, seit 2004 besuchen 15.000 Kinder mehr unsere Einrichtungen. Auch das zeigt, wie beliebt sie sind.

Wie haben sich die Landesmittel entwickelt? Wir hatten das Problem, dass das Gesetz 2004 nur eine Dynamisierung der Landesmittel – die auch schon 2004 sehr stattlich war mit 79 Millionen Euro – von zwei Prozent vorsah und keine Extrabeteiligung an diesen 15.000 Kindern mehr. Und das hat vor Ort zu Mehrbelastungen in Kommunen, aber auch vor allem zu Mehrbelastungen bei Eltern geführt, denn obwohl die Landesmittel jedes Jahr um zwei Prozent gestiegen sind, hat es natürlich nicht ausgereicht, um diese Mehrkinder zu berücksichtigen und die Kosten für diese Mehrplätze abzufedern. Und deswegen ist es wichtig, dass wir hier zu einer Korrektur kommen.

Nachdem 2004 im Rahmen der letzten Novellierung des Gesetzes die Mittel des Landes 79 Millionen Euro betrugen, sind für 2010 92,5 Millionen Euro vorgesehen und daneben stehen weitere Aufwendungen in diesem Politikfeld für die Elternentlastung bei den Elternbeiträgen und für das kostenfreie Mittagessen. Insgesamt wird sich das finanzielle Engagement des Landes im Jahr 2011 auf rund 124 Millionen Euro erhöhen. Daneben leisten natürlich die Kommunen einen wichtigen Beitrag. Und wenn man sich alleine die Investition, die die Große Koalition in diesem Bereich gemacht hat, anschaut, haben wir den Bereich um 25 Prozent erhöht. Ich glaube, das kann sich

sehen lassen. Wenn man in Zeiten von finanziellen Krisen so einen Bereich in den letzten Jahren um 25 Prozent anhebt, zeigt es, dass diese Koalition es ernst meint mit „Kinderland Mecklenburg-Vorpommern“.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU)

Unser Ministerpräsident hat dafür gesorgt, dass 2009 die erste große Summe neben den steigenden Landes mitteln in das Kita-System kam, einmal 7,5 Millionen Euro für das kostenfreie Mittagessen finanziell schwacher Familien. Ein großer sozialpolitischer Erfolg. Denn wir wollten es uns nicht mehr anschauen, dass Kinder mittags aus der Kita abgemeldet werden, weil Eltern das Essen nicht bezahlen können. Und dazu kommen 7,5 Millionen Euro für die Elternentlastung im letzten Kindergartenjahr. Alleine diese 15 Millionen Euro hat die Koalition auf den Weg gebracht.

(Zuruf von Dr. Ulrich Born, CDU)

Ich freue mich, dass wir diese Standards, die bisher nur in Richtlinien waren, jetzt im Gesetz verankern und sie damit dauerhaft als gesetzlichen Standard absichern. Die Kinder können sich sicher sein, dass es weiter dieses kostenfreie Mittagessen gibt, und die Eltern können sich sicher sein, dass es die Elternentlastung weiter im letzten Kindergartenjahr gibt.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der SPD – Zuruf von Michael Andrejewski, NPD)