Protocol of the Session on March 10, 2010

Ich sehe und höre keinen Widerspruch, dann ist es so beschlossen.

Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 9: Beratung des Antrages der Fraktion DIE LINKE – Bundeswehr

aus Afghanistan schnellstmöglich abziehen, Drucksache 5/3275.

Antrag der Fraktion DIE LINKE: Bundeswehr aus Afghanistan schnellstmöglich abziehen – Drucksache 5/3275 –

Das Wort zur Begründung hat der Abgeordnete Herr Ritter von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Gestatten Sie mir auch bei diesem Antrag zwei Vorbemerkungen:

Erstens. Wir fallen mit unserem Antrag den Soldatinnen und Soldaten genauso wenig in den Rücken, wie es der Beschluss des SPD-Landesvorstandes getan hat. Wir fallen mit unserem Antrag einer falschen Politik in die Arme, einer Politik, die von der Mehrheit der Menschen in diesem Land kritisch bis ablehnend betrachtet wird.

(Gino Leonhard, FDP: Das sehen die LINKEN im Bundestag aber anders.)

Zweitens. Dieser Antrag …

Herr Leonhard, meine Kollegen im Bundestag sehen das nicht anders.

Zweitens. Dieser Antrag ist kein fauler Geschäftsordnungstrick,

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

wie der Vorsitzende der SPD-Landtagsfraktion meint.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Das ist er sehr wohl, Herr Ritter, und das wissen Sie sehr genau.)

Sehr wohl, lieber Kollege Nieszery,

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

sehr wohl geht es in diesem Antrag um Glaubwürdigkeit, um Glaubwürdigkeit. Um der Glaubwürdigkeit willen möchte ich auch nicht die gegenseitigen Attacken der Koalitionäre bemühen – offensichtlich ist dieses Thema für die CDU ohnehin nicht interessant –, sondern ich will viel lieber einen Blick ein paar Monate zurückwerfen.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, am 1. September 2009, dem Weltfriedenstag und mitten im Bundestagswahlkampf, hatte das Anklamer Friedenszentrum Kandidatinnen und Kandidaten zur Bundestagswahl eingeladen, um deren friedenspolitische Standpunkte kennenzulernen. Neben der parteilosen Bewerberin Susanne Wiest saßen für die SPD Katharina Feike, für die Grünen Anne Klatt, für die FDP – Herr Leonhard, das wird Sie dann nachher noch mehr interessieren – deren Landesvorsitzender Christian Ahrendt und für DIE LINKE meine Wenigkeit auf dem Podium. Die in Vorpommern starke Volkspartei CDU konnte niemanden für dieses Forum begeistern.

(Gino Leonhard, FDP: Das ist schlimm genug.)

In der Lokalpresse liest man über dieses Forum, ich zitiere: „Beim eigentlichen Schwerpunkt der Debatte, dem Bundeswehreinsatz in Afghanistan, waren sich die fünf sogar weitgehend einig, dass von der Politik ein Rückzugsszenario für die Bundeswehr aus dem Land am Hindukusch erarbeitet werden müsse.“ Zitatende.

Also, liebe Kolleginnen und Kollegen, Rückzug, nicht etwa Verlängerung des Mandats oder gar Aufstockung

des Kontingents. Aber wir wissen, Anklam ist nicht der Bundestag und der Wahlkampf ist nicht die alltägliche Politik.

Aber was ist mit der Glaubwürdigkeit von Politik? Der Sozialdemokratin Feike und der Grünen Klatt – beide nicht in den Bundestag gewählt – glaube ich ihre Haltung. Meine ist bekannt. Und, Herr Leonhard, wie Herr Ahrendt abgestimmt hat in der letzten Woche, wissen wir auch.

(Gino Leonhard, FDP: Ja.)

Allerdings hat er auf dem Forum in Anklam etwas ganz anderes von sich gegeben.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Auch dass die CDU,

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

auch dass die CDU den Soldatinnen und Soldaten nicht in den Rücken fallen will und deshalb vorsorglich gar nicht erst zu solchen Foren kommt, ist ebenso bekannt. Glaubwürdig wird Politik dadurch nicht, auch nicht dadurch, dass man als Regierungspartei Soldatinnen und Soldaten ins Ausland schickt und dann, wenn man auf der Oppositionsbank sitzt, dieses Mandat plötzlich infrage stellt. Aber Lernfähigkeit sollte jedem zugestanden werden. Und deshalb, liebe Kolleginnen und Kollegen, findet der Beschluss des Landesvorstandes der SPD Mecklenburg-Vorpommern meine vollste Unterstützung.

(Zuruf von Udo Pastörs, NPD)

Und, lieber Kollege Nieszery, Sie haben recht: Die Deutschen sollten das Recht haben, darüber zu entscheiden, ob sie ihre Soldaten in den Krieg schicken oder nicht.

(Raimund Frank Borrmann, NPD: Nein, das können sie doch nicht.)

Und die Bürgerinnen und Bürger der Bundesrepublik lehnen diesen Einsatz mehrheitlich ab. Wenige Tage vor der Beschlussfassung im Bundestag legte das Sozialwissenschaftliche Institut der Bundeswehr eine Umfrage vor, in der sich 60 Prozent der Befragten gegen den Afghanistaneinsatz aussprachen und 63 Prozent eine Aufstockung der Truppen ablehnten.

Die SPD in Mecklenburg-Vorpommern sieht das, folgt man dem Beschluss des Landesvorstandes, offenbar ähnlich. Und nun, lieber Kollege Nieszery, werden Sie nachher begründen, warum Sie diese Auffassung genauso vertreten

(Udo Pastörs, NPD: Der kann doch gar nichts begründen.)

und warum Sie dennoch unserem Antrag nicht zustimmen können. Sie werden auf den Koalitionsvertrag verweisen –

(Udo Pastörs, NPD: Der kann Kaugummi kauen.)

eine Ausrede, wie ich meine.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Denn ich will Sie an Folgendes erinnern, lieber Kollege Nieszery: In der vorangegangenen Wahlperiode legte die CDU, damals Oppositionsfraktion und immer das Ziel vor sich hertragend, einen Keil zwischen SPD und PDS treiben zu wollen, einen Antrag vor, der die Stationierung der Eurofighterstaffel in Laage begrüßte – für meine

Fraktion damals wie heute unannehmbar, Frau Finanzministerin. Die SPD, damals unser Koalitionspartner, sah den Antrag der CDU als durchaus unterstützenswert.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Heute immer noch.)

Wir beide, lieber Kollege Nieszery, wir beide haben damals ausgehandelt, dass meine Fraktion den CDUAntrag ablehnt und die SPD-Abgeordneten dem Antrag der CDU-Fraktion zustimmen können. Die Koalition ist deshalb nicht zerbrochen, beide Koalitionspartner haben aber ihre Glaubwürdigkeit bewahrt. Das sollte heute nicht gehen?

(Udo Pastörs, NPD: Wer lacht da?)

Das sollte heute nicht gehen? – Ein Armutszeugnis für diese Koalition, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion DIE LINKE)

Und ein bitterer Beigeschmack bei den Wählerinnen und Wählern, denn wie glaubwürdig ist Politik?

„Wir sehen mit großer Sorge, dass die deutschen Soldaten in Afghanistan immer mehr in kriegerische Handlungen verwickelt werden“, so der Beschluss des SPDLandesvorstandes.

(Zuruf von Dr. Norbert Nieszery, SPD)

Die SPD in Mecklenburg-Vorpommern ist damit auf dem Weg zurück zu Willy Brandt, der Krieg als „Ultima Irratio“ ablehnte.