Die Mitglieder des Landtages der Fraktionen der SPD, CDU, DIE LINKE und FDP haben gemäß Paragraf 72 Absatz 4 unserer Geschäftsordnung die heutige Dringlichkeitssitzung verlangt. Ich stelle fest, dass der Landtag ordnungsgemäß einberufen wurde und beschlussfähig ist. Die Sitzung ist eröffnet.
Die vorläufige geänderte Tagesordnung mit Stand vom 16. Februar 2010 der 89. Sitzung liegt Ihnen vor. Wird der Tagesordnung widersprochen? – Das ist nicht der Fall. Damit gilt die Tagesordnung der 89. Sitzung des Landtages gemäß Paragraf 73 Absatz 3 unserer Geschäftsordnung als festgestellt.
Die Fraktion der NPD hat einen Dringlichkeitsantrag auf Drucksache 5/3266 zum Thema „Keine Vermietung von Mitgliedern der Landesregierung“ vorgelegt. Wir werden diese Vorlage, um die die Tagesordnung erweitert werden soll, nach dem Tagesordnungspunkt 1 aufrufen, das Wort zur Begründung dieses Dringlichkeitsantrages erteilen sowie die Abstimmung über dessen Aufsetzung durchführen.
Ich rufe auf den Tagesordnungspunkt 1: Zweite Lesung und Schlussabstimmung des Gesetzentwurfes der Fraktionen der SPD und CDU – Entwurf eines Gesetzes zur Bereinigung des Landesnaturschutzrechts, auf Drucksache 5/3026, hierzu die Beschlussempfehlung und den Bericht des Agrarausschusses auf Drucksache 5/3260. Hierzu liegt Ihnen ein Änderungsantrag der Fraktion DIE LINKE auf Drucksache 5/3267 vor.
Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und CDU: Entwurf eines Gesetzes zur Bereinigung des Landesnaturschutzrechts (Zweite Lesung und Schlussabstimmung) – Drucksache 5/3026 –
Das Wort zur Berichterstattung hat der Vorsitzende des Agrarausschusses, der Abgeordnete Herr Udo Timm.
Frau Präsidentin! Meine Damen und Herren! Die Fahrt von Rügen in die Landeshauptstadt habe ich trotz der herrschenden Witterungsbedingungen zum Gedankenspiel über die Bedeutung des Begriffs „Kraftakt“ genutzt.
Fürwahr, die beiden Gesetzgebungsverfahren, die mit der heutigen Sondersitzung des Landtages ihren Abschluss finden sollen, stellen einen einmaligen Kraftakt dar, der seinesgleichen sucht.
und solange es das Land Mecklenburg-Vorpommern gibt, hat kein Parlament in Eigenregie zwei umfassende Politikbereiche – den Naturschutz und das Wasserrecht – gleichzeitig neu geregelt. Damit gehört Mecklenburg-Vorpommern zu den ersten Bundesländern, die das neue Bundesrecht in ein Landesrecht umsetzen. Diese Aktion hat den Agrarausschuss viel Kraft gekostet, aber ihn auch seine eigene Kraft spüren lassen. Ich möchte an dieser Stelle allen Beteiligten, angefangen bei den Ausschussmitgliedern über die Sachverständigen, die wir angehört haben, bis hin zu den Fachleuten des Ministeriums, meinen Dank dafür aussprechen.
Der Ausschuss war sich während des gesamten Verfahrens der besonderen Verantwortung bewusst, die sich aus der Beratung eines von Fraktionen eingebrachten Gesetzentwurfes ergibt. Darum ist es vielleicht sinnvoll, auf die Vorgeschichte dieses Gesetzgebungsverfahrens einzugehen.
Bereits während der 72. Landtagssitzung am 17. Juni 2009 hat die Landesregierung den Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Landesnaturschutzgesetzes auf Drucksache 5/2607 in den Landtag eingebracht. Fast zeitgleich, am 29. Juli 2009, hatte der Bundesgesetzgeber das neue Bundesnaturschutzgesetz verabschiedet, das nun am 1. März 2010 in Kraft treten wird. Die Folge: Die Vorlage 5/2607 bezog sich auf das alte Bundesnaturschutzgesetz und nicht auf die Neuregelung.
Lange Zeit bestand die Auffassung, die erforderlichen Anpassungen in den Ausschussberatungen vornehmen zu können. Glücklicherweise haben uns die Sachverständigen während der Anhörung am 8. Oktober 2009 von der Realisierung dieser kaum zu überschauenden Aufgabe abgebracht. In den darauffolgenden Wochen ist dann mit Hochdruck daran gearbeitet worden, einen Gesetzentwurf der Koalitionsfraktionen auf den Weg zu bringen, der die notwendigen Rechtsanpassungen vornimmt und gleichzeitig landesspezifische Regelungsbedarfe berücksichtigt.
Der Haken bestand nun darin, das Gesetzgebungsverfahren so zu forcieren, dass das neue Landesrecht zeitgleich mit dem Bundesrecht am 1. März 2010 in Kraft treten kann. Andernfalls würde das Bundesrecht unmittelbar gelten und Landesspezifika wären außen vor.
Dem eingangs erwähnten Kraftakt folgte am 4. Februar dann der Marathon, in dessen Ergebnis die auf Drucksache 5/3260 vorliegende Beschlussempfehlung einvernehmlich angenommen worden ist.
Dem aufmerksamen Zuhörer wird sich die Frage aufdrängen, was nun aus dem Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Landesnaturschutzgesetzes geworden ist, welches gewissermaßen der Initialzünder für unsere heutige Beschlussempfehlung gewesen ist. Während der Ausschusssitzung am 4. Februar 2010 hat das Ministerium für Landwirtschaft, Umwelt und Verbraucherschutz zugesagt, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Vorlage 5/2607 von der Landesregierung zurückgezogen wird. Die Begründung dafür liegt auf der Hand. Mit dem heutigen Landtagsbeschluss wird neues Recht geschaffen, welches die Regelungstatbestände des Regierungsentwurfes berücksichtigt, sodass es des Entwurfes nicht mehr bedarf. Bis dahin haben wir uns immer noch im Vorfeld des eigentlichen Beratungsverfahrens bewegt.
Lassen Sie uns nun zu einigen wenigen Einzelheiten kommen. Zwei Dinge scheinen mir charakteristisch für dieses Gesetzgebungsverfahren zu sein.
Der erste Sachverhalt: Eine Vielzahl redaktioneller und rechtsförmlicher Verbesserungen war vorzunehmen und diese sind auch einstimmig beschlossen worden. Anders war es dann schon bei den Inhalten. Es haben nur die – wie sollte es anders sein – beantragten Bestimmungen Rechtskraft erlangt, für die es Mehrheiten gegeben hat. Hier will ich den Redebeiträgen der Fraktionen nicht vorgreifen.
Dessen ungeachtet sind aber zahlreiche Anregungen aus der Anhörung aufgegriffen worden. Das ist der zweite Sachverhalt. Darin ist auch der Grund zu sehen, warum in meinem schriftlichen Bericht die Darstellung der Anhörungsergebnisse einen sehr breiten Raum eingenommen hat. Ich denke, es steht einem Parlament gut zu Gesicht, wenn sich unterschiedliche Interessengruppen in einem Gesetzeswerk wiederfinden. Das bietet die Gewähr für eine möglichst breite Akzeptanz in der Öffentlichkeit bei den Bürgerinnen und Bürgern unseres Landes.
Vielleicht nun zum Schluss noch einen Blick in die Zukunft. Auf dem Deckblatt des Gesetzentwurfes auf Drucksache 5/3026 ist unter dem Buchstaben „C. Alternativen“ zu lesen: „Die Rechtsbereinigung des Landesrechts könnte in einem Schritt zeitgleich mit der Novellierung des Landesnaturschutzgesetzes erfolgen. Dadurch würde aber die für den Gesetzesvollzug vordringliche gesetzliche Klarstellung des nach dem 1. März 2010 geltenden Landesrechts unangemessen verzögert.“
Der Konjunktiv bringt es an den Tag. Mit dem heutigen Landtagsbeschluss ist die große Novelle des Landesnaturschutzgesetzes Mecklenburg-Vorpommern nicht vom Tisch. Diese sollte mit allen erforderlichen Vorarbeiten durch die Landesregierung und ohne zeitlichen Druck in Angriff genommen werden. Deshalb ist auch der Antrag der Fraktion DIE LINKE auf Befristung der Geltungsdauer des Naturschutzausführungsgesetzes abgelehnt worden.
Meine Damen und Herren, lassen Sie uns zunächst Erfahrungen mit dem neuen Bundes- und Landesrecht sammeln, bevor wir zu einem größeren Wurf ausholen. Auch das, denke ich, gehört zur Weisheit eines Gesetzgebers. Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und bitte Sie um Ihre Zustimmung zu der Beschlussempfehlung des Agrarausschusses. – Danke schön.
Es ist eine Aussprache mit einer Dauer von 90 Minuten vereinbart worden. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Sehr geehrte Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! In der Landesagenda „Nachhaltige Entwicklung in MecklenburgVorpommern“ wird unter anderem das Ziel formuliert:
Der Charakter des Landes ist geprägt durch die hohe Qualität seiner Naturgüter, die artenreiche Tier- und Pflanzenwelt und seine besonderen Landschaftsformen, wie Küsten, Bodden und Seenlandschaft, die es zu nutzen und zu bewahren gilt.“
Die Aufgabe, diese Nutzung und Bewahrung zu regeln, soll nun der heute hier vorliegende und im Agrar- und Umweltausschuss zu beratende Gesetzentwurf übernehmen.
„Gute Gesetze brauchen Zeit“, so einer der anzuhörenden Sachverständigen in der Anhörung des Agrarausschusses am 14. Januar 2010. Ausreichend Zeit hatten weder die Abgeordneten im Agrarausschuss noch die an der Anhörung beteiligten Sachverständigen, die auch die Feiertage zu Weihnachten und die Jahreswende nutzen mussten, um die vorgelegten Dokumente zu bearbeiten, um so zu einer fachlich belastbaren Einschätzung zu kommen.
Auch der Landesregierung, die diesen Gesetzentwurf über die Fraktionen der Koalition eingebracht hat, fehlte es offensichtlich an der Zeit für einen ausgewogenen Entwurf.
So wurden uns im Ergebnis der Anhörung und der Feinarbeit des Ministeriums allein über 70 rechtsförmliche und redaktionelle Änderungen in der abschließenden Beratung des Agrar- und Umweltausschusses am 4. Februar 2010 durch die Koalitionsfraktionen vorgelegt.
Meine Fraktion hat diesem zeitlich kompakten Verfahren in diesem Gesetz nur zugestimmt, weil wir die Notwendigkeit der Anpassung des Landesrechtes an das neue Bundesgesetz als Folgegesetz auf dem Gebiet des Naturschutzes erkennen und unterstützen. In dieser Frage konnten wir auch bei den anzuhörenden Sachverständigen eine hohe Übereinstimmung feststellen. Insbesondere ging und geht es uns um die Beibehaltung von Regelungen, die die Besonderheiten des Naturschutzes in unserem Land ausmachen und unserem Land sogar internationale Anerkennung und Hochachtung für beispielgebenden modernen Umweltschutz eingebracht haben. Ich nenne hier den Alleenschutz, er ist Bestandteil der Landesverfassung, oder das Klagerecht der anerkannten Naturschutzverbände.
Hinsichtlich des Alleenschutzes ist es gut und richtig, dass in der Beschlussempfehlung in Paragraf 19 Absatz 2 die alte Formulierung des Paragrafen 27 des derzeitigen Landesnaturschutzgesetzes übernommen und die Befreiung von Verboten an die Verkehrssicherheit geprüft wurde. Aber warum sollen die Umweltverbände bei geplanten Straßenbaumaßnahmen der Straßenbauämter keine Stellungnahmen mehr abgeben? Das sind doch Profis auf diesem Fachgebiet, wenn sie sich dabei nicht in Überspitzungen verirren.
Nicht einzusehen ist auch, dass zukünftig Alleen und Baumreihen in historischen Garten- und Parkanlagen nicht mehr geschützt sein sollen. Das war uns bei dem D-Zug-Tempo im Ausschuss durchgerutscht. Alleenschutz, aber auch der Schutz der in diesen alten Baumbeständen lebenden Tierarten, ist für unsere Begriffe von hoher Wichtigkeit.
Eingangs führte ich die Landesagenda und den damit verbundenen Schutz unserer hervorragenden Naturausstattung an. Dem widerspricht aber im krassen Maße die in Paragraf 29 vorgenommene Änderung der Ufer- und
Küstenschutzstreifen. Als Land der Seen hat Mecklenburg-Vorpommern gerade die Verpflichtung, von dem schwachen Vorgehen des Bundesnaturschutzrechtes abzuweichen und die alte Schutzregelung beizubehalten. Es geht um eine ökologisch zu verbessernde Qualität unserer Gewässer. Dieser Änderung konnten wir weder im Ausschuss zustimmen, noch werden wir es heute tun.
Trotz der Übereinstimmung zur zeitlichen Notwendigkeit des vorliegenden Entwurfs weisen die Stellungnahmen der Sachverständigen auf weitere zu klärende und definierende Fragen hin, die auch aus unserer Sicht Gegenstand der Erarbeitung eines neuen, vollkommenen Gesetzentwurfs sein müssen. So nahm ein Großteil der Beratung die Einführung der Ökokontierung, ihre Definition, die Handelbarkeit, die Verwaltung der Konten, die Katasterführung und die zeitnahe Bewertung der Ausgleichsvorhaben ein, eine Thematik, die uns deutlich machte, dass erste positive beziehungsweise negative Erfahrungen bei der Gesetzesumsetzung in den folgenden Jahren verallgemeinert werden müssen.
Der Herr Vorsitzende hat es auch angesprochen, es soll kein Ende der Novellierung sein, damit sie in einer umfassenden Novelle nachhaltig geregelt werden können. Deshalb möchte ich im Namen meiner Fraktion begründen, warum wir im Ausschuss einen Antrag einbrachten, die Laufzeit des Gesetzes auf ein Jahr zu befristen, heute aber von diesem Antrag Abstand nehmen:
Im Gesetzentwurf ist die Rede davon, dass es sich um ein zweistufiges Gesetzgebungsverfahren handeln soll, in dem zunächst ein reines Rechtsbereinigungsgesetz unter vorläufiger Beibehaltung der bisherigen landesrechtlichen Umweltstandards möglichst bis zum 1. März dieses Jahres erlassen werden soll. Die Anhörung hat in den verschiedenen Facetten gezeigt, dass das so nicht gelungen ist. So lautet die Stellungnahme des Rechtsexperten des BUND sinngemäß, dass der vorliegende Entwurf teilweise weiter geht, als es das beschriebene Ziel beinhaltet, aber zum Teil auch bewährte Regelungen des noch bestehenden Landesnaturschutzrechtes nicht oder nicht vollständig übernommen werden. Zwei Beispiele hatte ich angeführt.
An dieser Stelle, Herr Vorsitzender, muss ich einschieben, dass ich Ihrer Darstellung im Bericht nicht in allen Details folgen kann. So geben Sie auf Seite 83 die kritische Position des BUND wieder. In den nachfolgenden Zeilen stellen Sie auch richtig dar, dass der BUND der Ansicht ist, dass dieses Gesetz über eine bloße Rechtsanpassung hinausgehe. Für nicht richtig halte ich aber den folgenden Halbsatz, in dem gefolgert wird, dass der BUND damit eine weitere Umweltrechtsänderung als nicht erforderlich ansieht.
Daraus könnte man schlussfolgern, dass der BUND auf die vorgesehene umfassende Novellierung in spe verzichten wolle. Ich habe den Beitrag des BUND an der Stelle so wahrgenommen, dass auf eine Novellierung verzichtet werden könne, wenn die über die Rechtsbereinigung hinaus begonnene Erneuerung konsequent weitergeführt worden wäre. Das ist doch ein wichtiger Unterschied, meine ich.
Erst in einem zweiten Schritt, so der Gesetzestext, soll das Landesnaturschutzrecht nach dem gebotenen Abstimmungsprozess über die zukünftigen landesnaturschutzpolitischen Zielsetzungen novelliert werden. Das sollte aber aus unserer Sicht und mit Blick auf den hohen Stellenwert des Naturschutzes in diesem Lande