Protocol of the Session on January 28, 2010

dass zum Beispiel Kindergeldzahlung grundsätzlich nicht als Einkommen bei Leistungsempfängern zur Anrechnung kommen sollte,

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und DIE LINKE)

sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, ist ja hinreichend bekannt und man kann diese Forderung letztendlich nur so lange wiederholen, bis tatsächlich Veränderungen eintreten.

Nur zwei Sätze dazu noch, weil ich in diesen Tagen in einer Pressemitteilung sinngemäß gelesen habe, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

die SPD solle doch jetzt nicht so tun, sie habe die Regelung selbst geschaffen:

Erstens, ja, die SPD hat diese Regelung mitgeschaffen.

Und zweitens, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, schon Konrad Adenauer hat sinngemäß erklärt, dass jeder das Recht habe, weiser zu werden, und, sehr geehrte Kollegen von der Linkspartei, das Recht nehme ich dann natürlich nicht nur für Sie in Anspruch, sondern für mich persönlich auch, und meinen Kolleginnen und Kollegen in der SPD wird das ähnlich gehen.

(Sebastian Ratjen, FDP: Zar und Zimmermann.)

Im Übrigen gehe ich davon aus, dass das Bundesverfassungsgericht auch die Höhe der Regelsätze für Erwachsene in seiner Entscheidung zumindest kritisch hinterfragen wird.

(Zuruf von Sebastian Ratjen, FDP)

Und, meine Damen und Herren, wenn wir schon mal beim Geld sind, dann lassen Sie mich doch zum Schluss nur zwei, drei Fragen in den Raum stellen, die dann jeder für sich beantworten mag.

Erstens zum Punkt Erhöhung von Schonvermögen für Leistungsempfänger.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, es ist zugegebenermaßen hart, wenn man vielleicht 30 Jahre schwer gearbeitet hat, dann arbeitslos wird und Vermögen, das man angespart hat, zunächst für die eigene Existenzsicherung aufbrauchen soll.

(Sebastian Ratjen, FDP: Aber nicht alles.)

Lassen Sie mich doch ausreden!

Nur bevor man in diesem Zusammenhang das grobe Schwert der sozialen Ungerechtigkeit hervorholt, so, wie das ja auch immer wieder geschieht, sollte man vielleicht mal einen Moment innehalten und sich eines bewusst machen: Bereits heute sind solche Ersparnisse, die das Schonvermögen überschreiten, das ja dank der schwarzgelben Koalition gerade in bemerkenswerter Weise erhöht worden ist, aber für die Alterssicherung erforderlich sind, im Rahmen von Härtefallregelungen nicht zwingend zum aufzuzehrenden Eigenvermögen hinzuzurechnen. Dieses, da sind wir dann wahrscheinlich …

(Irene Müller, DIE LINKE: Nicht zwingend.)

Hören Sie mir zu, Frau Müller!

Dieses – und dann sind wir sicherlich wieder einer …

(Irene Müller, DIE LINKE: Nicht zwingend.)

Hören Sie mir doch einfach mal zu, dann brauchen Sie sich nicht aufzuregen!

(Irene Müller, DIE LINKE: Ich rege mich gar nicht auf.)

Dieses dann vielleicht auch deutlich gesetzlicher zu regeln, dass das nämlich nicht der Fall sein soll, solche Vermögensteile in das Eigenvermögen einzurechnen, das sollte man dann tatsächlich gesetzlich regeln.

In dieser Richtung hat sich ja – und dann könnte man sich eigentlich auch die eine oder andere Äußerung ersparen – schon dieser Tage der SPD-Parteivorsitzende Sigmar Gabriel geäußert und damit ist deutlich gemacht worden, in welche Richtung zumindest die SPD ihren Denkprozess und hoffentlich dann auch das entsprechende Handeln weiter fortsetzen will.

Aber, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, man soll auch bitte nicht gleich ins umgekehrte Extrem verfallen. Gehen Sie mal auf die Straße, sprechen Sie mit den Menschen und fragen Sie sie, was sie davon halten, wenn sie mit ihren niedrigen Einkünften hier im Land und den darauf zu zahlenden Steuern jemanden in Köln, Essen oder Düsseldorf – ich nenne die Städte jetzt nur, weil da gerade Landtagswahlkampf ist –, der jahrelang ein Vielfaches von dem Einkommen eines Beschäftigten in Mecklenburg-Vorpommern verdient hat, nun aus ihren Steuern unterstützen sollen, nur damit dieser dann bedauerlicherweise arbeitslos gewordene Kollege oder Bürger in dem Bundesland nicht auf seine Ersparnisse zurückgreifen muss, obwohl er diese gerade nicht für seine Altervorsorge braucht.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Das habe ich jetzt nicht verstanden.)

Das ist ganz einfach, Frau Müller.

(Irene Müller, DIE LINKE: Ich war das gar nicht.)

Oder Frau Borchardt, Entschuldigung!

ALG II wird aus Steuermitteln bezahlt und auch diejenigen in diesem Bundesland, die ohnehin weniger verdienen als viele Beschäftige in anderen Bundesländern, zahlen mit ihren Steuermitteln diese Leistung. Das ist richtig so. Das ist das Sozialstaatsprinzip einer Gesellschaft.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Richtig.)

Aber Sozialstaat geht immer von zwei Richtungen aus. Das ist nämlich Gegenseitigkeit.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Richtig.)

Und jemand, der über Jahre ein wesentlich höheres Einkommen gehabt hat und nur aufgrund dieses Umstandes dann auch in der Lage war, Ersparnisse anzusammeln, und diese Ersparnisse nicht für seine Altervorsorge braucht, dem muss man auch zumuten können, dass er sich solidarisch mit den Menschen erklärt, die hier in der Situation sind, dass sie wesentlich weniger verdienen und deswegen nicht noch höher steuerlich belastet werden müssen, damit dort eine Entlastung eintritt. Auch das ist Solidarität. Und denken Sie mal gerade vor dem Hintergrund der Einkommen in diesem Land auch an das hohe zukünftige Alter in unserem Land und wie wir mit diesem Problem umgehen wollen. Das ist alles im Konnex zu sehen.

Und der zweite Punkt, auf den ich Sie hinweisen …

(Zurufe von Barbara Borchardt, DIE LINKE, und Irene Müller, DIE LINKE)

Frau Borchardt, ich habe kein Problem damit, wenn die Erbschaftsteuerregelung anders gesetzlich gefordert oder formuliert wird, bloß, darüber müssen wir uns im Klaren sein,

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Und das gehört dazu.)

das ist jetzt geschehen und wir beide werden es in dieser Wahlperiode des Bundestages leider nicht ändern können.

(Barbara Borchardt, DIE LINKE: Nee, in dieser Debatte zumindest nicht.)

Aber lassen Sie mich auf die Hinzuverdienstgrenzen kommen.

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, das ist der zweite Punkt, den ich hier noch anreißen möchte. Höhere Hinzuverdienstgrenzen bedeuten erst mal eins: Noch mehr Menschen, die einen Sozialversicherungsjob haben, werden als sogenannte Aufstocker Hartz-IVEmpfänger. Das ist der erste Schritt, denn das wird der größte Teil der Personen sein, die davon betroffen sind.

Da kann man sich natürlich hinstellen: Ist doch egal, Hauptsache, mehr Geld in der Tasche! Das ist vielleicht eine menschliche Herangehensweise, aber, meine Damen und Herren, das ist letztendlich ein Fehlschuss. Bereits heute wird doch durch den Arbeitgeber der durch die öffentliche Hand gezahlte Aufstockungsbetrag als Verrechnungsgröße mit in die Lohnkalkulation einbezogen. Und wenn dann zum Beispiel der Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt den Anteil des mit Hartz-IV-Leistungen zu verrechnenden Einkommens erhöhen will, dann kann ja jetzt mal jeder von Ihnen überlegen, vor welchem Hintergrund diese Überlegung stattfindet. Und dann kann man auch mal überlegen, wie vor diesem Hintergrund die Äußerung des FDP-Sozialexperten Kolb, dass sich Arbeit wieder lohnen müsse, nicht möglicherweise eine ganz neue Bedeutung bekommt. Dann fragt man sich nämlich, für wen sich die Arbeit lohnen muss.

(Irene Müller, DIE LINKE: 40 Stunden sind keine Aufstockung, das ist eine ganz einfache Formel.)

Aber auch bei diesem Problem gibt es dann wahrscheinlich wieder einen Konsens zwischen Ihnen und mir. Dieses Problem, sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, kriegen Sie wahrscheinlich nur dann gelöst, wenn Sie parallel zu einer …

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Lassen Sie mich doch ausreden!

… Erhöhung der Hinzuverdienstgrenzen tatsächlich auch Mindestlöhne einführen. Aber das Thema auszubreiten – darüber haben wir uns ja gestern schon verständigt –, überlasse ich an dieser Stelle dem Kollegen Holter.

(Zuruf von Irene Müller, DIE LINKE)

Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, was wir brauchen, ist eine sozial gerechte Sicherung von Kindern und Jugendlichen, eine transparentere Regelsatzsystematik, da gibt es überhaupt kein Vertun, und – ich komme zum Ende – auch die finanzielle Absicherung von Langzeitarbeitslosen und deren Familien an einer sozialen Teilhabe. Was wir nicht brauchen, ist eine Stigmatisierung von Langzeitarbeitslosen.