Protocol of the Session on January 28, 2010

(Beifall bei Abgeordneten der Fraktionen der SPD und CDU – Zurufe von Dr. Norbert Nieszery, SPD, und Helmut Holter, DIE LINKE)

Danke schön, Herr Ministerpräsident.

Es hat jetzt das Wort für die Fraktion der SPD der Abgeordnete Herr Müller. Bitte, Herr Abgeordneter.

Herr Präsident! Meine sehr verehrten Damen und Herren! Ich habe heute Vormittag einen Antrag der Fraktion der LINKEN, der das meines Erachtens verdient hatte, als Klamauk, als heiße Luft und als Schaufensterantrag bezeichnet.

(Vincent Kokert, CDU: Der ist auch nicht besser jetzt.)

Ich möchte das bei dem jetzt vorliegenden Antrag nicht tun, meine Damen und Herren, weil dieser Antrag – und Sie können das ja im Text nachvollziehen – in der Tat ein Argument, einen Vorschlag aufgreift, der in der Anhörung, die der Innenausschuss durchgeführt hat, von einer Reihe von Anzuhörenden vorgetragen worden ist.

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Es war nicht die überwiegende Zahl der Anzuhörenden, da unterscheiden wir uns schon in der Wahrnehmung, Kollege Ritter, aber das ist vielleicht nicht das entscheidende Argument.

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

Entscheidend ist, der Vorschlag verschiebt das ganze Ding doch auf 2014. Und ich glaube, dieser Vorschlag, der in der kommunalen Ebene diskutiert wird, verdient es, dass man sich argumentativ mit ihm auseinandersetzt. Insofern ist es schon ein Unterschied zu dem, was wir heute Morgen hier hatten, Herr Holter. Also lassen Sie uns mal schauen, wie denn für eine solche Verschiebung argumentiert wird.

Es gibt im Grunde genommen – und das spiegelt sich auch in dem Antrag der Fraktion DIE LINKE wider, das hat sich aber auch in der Anhörung gespiegelt – vier Argumentationslinien, warum man denn eine solche Verschiebung für sinnvoll hält:

1. Das bestehende Gesetzesvorhaben verstoße gegen das vom Land mit beschlossene Leitbild.

2. Der Beratungsgang im Landtag sei zu gedrängt.

3. Der Umsetzungsprozess sei zu kurz.

4. Es käme zu einer zusätzlichen Wahl im Jahr 2011.

Ich will mich mit diesen Argumenten gern auseinandersetzen, meine Damen und Herren. Ich will aber einleitend sagen, dass nach meinen Erfahrungen sehr viele, gerade auch Kommunalpolitiker, die solchen Argumenten zunächst anhängen, in einem Diskussionsprozess sehr schnell davon runterkommen und sehr schnell einer Linie folgen, die der Ministerpräsident eben in seinen Worten deutlich gemacht hat, dass es nämlich vielen Kommunalpolitikern auch reicht, über ein Reformvorhaben jetzt fast ein Jahrzehnt – es werden in diesem Jahr acht Jahre – zu diskutieren und dann die Perspektive geboten zu bekommen, na lasst uns mal noch zwei, drei Jahre darüber diskutieren, bevor wir etwas machen.

(Gino Leonhard, FDP: Die SPD diskutiert. Die SPD diskutiert da vier Jahre drüber. – Zuruf von Hans Kreher, FDP)

Das, meine Damen und Herren, stinkt – ich darf das mal so deutlich sagen –, stinkt vielen Beteiligten auch.

(Toralf Schnur, FDP: Ja, bloß wer ist denn daran schuld?)

Sie sagen, also jetzt lasst uns endlich einmal etwas machen und lasst uns endlich einmal etwas umsetzen und uns nicht darauf verständigen, noch mal fünf Jahre zu diskutieren.

(Hans Kreher, FDP: Aber das haben Sie gemacht.)

Das, meine Damen und Herren, halten viele auch für eine Horrorvision.

(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das sind ja eigenartige Interpretationen der Anhörung.)

Aber lassen Sie uns auf die Argumente im Einzelnen eingehen, zunächst auf das Argument eins, die vorliegenden Gesetze seien nicht leitbildgerecht:

Herr Ritter, das finde ich in der Tat bemerkenswert, dass wir im Innenausschuss eine Anhörung machen, im Innenausschuss noch nicht einmal mit der Auswertung dieser Anhörung beginnen und uns noch nicht einmal mit den vorgetragenen Argumenten, die ja teilweise diametral entgegengesetzt waren und sehr weit auseinandergingen, uns noch nicht einmal mit der Auswertung der Argumente begonnen haben auseinanderzusetzen, was uns dort vorgetragen worden ist, Ihr Ergebnis aber bereits feststeht.

(Torsten Koplin, DIE LINKE: Sie haben doch eine eigene Wahrnehmung. – Zuruf von Peter Ritter, DIE LINKE)

Diese Gesetzentwürfe verstoßen gegen das Leitbild. Das haben eine Reihe der Anzuhörenden vorgetragen,

(Zurufe von Torsten Renz, CDU, und Peter Ritter, DIE LINKE)

aber ich möchte mir schon die Mühe machen, mich mit der Begründetheit dieser Argumentation mal auseinanderzusetzen.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Genau. – Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

Und ich glaube, wenn wir sehr genau hinschauen, dann wird sich ein großer Teil der hier vorgetragenen Bedenken in Luft auflösen.

(Zuruf von Gino Leonhard, FDP)

Ich will das an einem Beispiel mal sehr deutlich machen. Herr Ritter, Sie haben auch in Ihrem Beitrag wiederholt auf die Zahl von 200 Stellen bei der Aufgabenübertragung abgehoben.

(Peter Ritter, DIE LINKE: 201! – Zuruf von Torsten Koplin, DIE LINKE)

Und Sie haben gesagt, das kann doch gar nicht sein, das ist doch viel zu wenig, dass wir hier 200 oder 201 Stellen übertragen. Das ist doch ein Verstoß gegen das Leitbild. Nein, meine Damen und Herren, bitte schauen Sie in das Leitbild und schauen Sie bitte darauf, dass wir – übrigens nicht nur die Koalition, an dem Punkt hat ja sogar die FDP mitgestimmt – das Leitbild eingebettet haben in einen Gesamtrahmen für eine Verwaltungsreform.

(Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Richtig.)

In diesem Gesamtrahmen haben wir zum Thema Aufgabenwahrnehmung eine sehr klare und, wie ich finde, sehr vernünftige Festlegung getroffen. Wir haben nämlich nicht gesagt, Land ist gut und kommunal ist schlecht. Wir haben auch nicht umgekehrt gesagt, kommunal ist gut und Land ist schlecht, sondern wir haben sehr deutlich gesagt, die Aufgabenerfüllung soll auf der Ebene erfolgen, wo die Aufgabenerfüllung optimal ist. Und wir haben optimal untersetzt. Was heißt denn optimal? Rechtssicher, in hoher fachlicher Qualität, bürger- und wirtschaftsnah und effizient und wirtschaftlich.

Und deswegen, meine Damen und Herren, müssen wir nicht, Herr Ritter, einem Fetisch hinterherrennen und sagen, och, es sind ja nur 200 Stellen, sondern wir müssen gucken, ob diese Aufgabenzuordnung, so, wie wir sie vornehmen, eigentlich diese Vorgabe, dass wir eine möglichst optimale Aufgabenerfüllung erreichen, erfüllt. Und ich glaube, wenn wir so wertend herangehen, dann ist der Gesetzentwurf mit der Veränderung, die wir vorhaben, ein guter Gesetzentwurf.

(Dr. Norbert Nieszery, SPD: Sehr richtig. – Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Wir sind wohl 2005 einem Fetisch nachgejagt, ja?)

Also, meine Damen und Herren, das, was bei einer Viererkommunalstruktur oder – dank der damaligen PDS – Fünferkommunalstruktur galt, das sieht bei einer Achterkommunalstruktur schon ganz anders aus. Also das Thema Leitbildgerechtigkeit ist eines, das man im Detail untersuchen muss. Ich glaube aber, dass diese Gesetzentwürfe in den wesentlichen Zügen leitbildgerecht sind.

Zu zweitens, der Beratungsgang ist zu sehr gepresst:

Meine Damen und Herren, ich glaube, wir werden in den nächsten Monaten im Innenausschuss sehr viel Arbeit haben. Da macht sich, glaube ich, kein Innenausschussmitglied eine Illusion. Aber ich halte es für sehr wohl machbar, dass wir, ohne gegen unsere Sorgfaltspflicht zu verstoßen, diese Gesetzentwürfe im Innenausschuss sorgfältig beraten und – und diesen Satz möchte ich dick unterstreichen – auch die notwendigen Veränderungen an diesen Gesetzen vornehmen.

(Peter Ritter, DIE LINKE: Na, da bin ich ja gespannt.)

Da sehe ich nämlich in der Tat sehr wohl den Bedarf, diese Gesetze an einigen Stellen zu verändern und diese Gesetze dann vernünftig im Sommer hier zur Zweiten Lesung vorzulegen. Das Argument Beratungsgang zieht nicht.

Zum dritten Argument, dem Prozess der Umsetzung:

Also wissen Sie, Herr Ritter, es gibt in der Sozialwissenschaft so etwas wie die Selffulfilling Prophecy, also die Prophezeiung, die dadurch, dass man sie in die Welt setzt, sich selbst erfüllt. Das gibt es manchmal. Und daran scheinen Sie auch zu glauben

(Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)

und darauf scheinen Sie zu hoffen, dass man hier so etwas macht. Man redet so lange darüber, dass das Ding ja nicht kommt,

(Gino Leonhard, FDP: Wir haben acht Jahre darüber gesprochen. Hört doch auf! Hört doch auf!)

dass alle Beteiligten sagen, ach, na ja, warten wir doch mal ab und tun nichts. Das scheint doch Ihre Strategie zu sein,

(Gino Leonhard, FDP: Herr Kollege, acht Jahre!)