Und, liebe Kolleginnen und Kollegen, was ist bei der vorliegenden Verwaltungsreform schon noch normal?
Die Koalition und allen voran der CDU-Innenminister Lorenz Caffier stützen sich auf ein Leitbild, welches die
Enquetekommission mit Mehrheit von SPD und CDU ohne Diskussion gefasst hat. Auf diese Eigenart hat DIE LINKE bereits ausführlich in ihrem Sondervotum zum Zwischenbericht der Enquetekommission hingewiesen. Wir hatten dann den Entwurf der Landesregierung eines Kreisstrukturgesetzes, welcher bereits vor Verabschiedung des Leitbildes durch den Landtag im Wesentlichen feststand und infolge dessen unverändert in den Landtag eingebracht wurde.
Im Ergebnis verstößt der Gesetzentwurf in vielen Punkten gegen Leitbild und Leitlinien, die von Ihnen beschlossen worden sind, Herr Kollege Nieszery.
Ausnahmen werden zur Regel. Dieser Umstand wurde in der Anhörung mehrfach kritisiert. Und weil ich dabei war, lieber Kollege Nieszery, müssten wir eigentlich alle unsere Schlussfolgerungen gezogen haben aus dem ersten gescheiterten Versuch. Das tun Sie nicht, indem Sie wissentlich gegen das von Ihnen verabschiedete Leitbild verstoßen.
Es ist also kein Wunder, liebe Kolleginnen und Kollegen, dass die Ablehnungsfront dieser Reform parteiübergreifend kaum massiver sein kann und größer ist als beim ersten gescheiterten Reformversuch. SPD und CDU juckt das aber wenig. Ich meine, normal ist das nicht.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, dieses gesamte Verfahren, da bin ich mir sicher, wird verfassungsrechtlich noch von anderer Stelle zu bewerten sein. Heute ist eine politische Botschaft des Landtages angezeigt. Die Frage ist: Haben wir aus den Erfahrungen des letzten gescheiterten Reformversuchs gelernt und vor allem Ergebnisse der öffentlichen Anhörungen ernst genommen?
Das haben wir dann, nämlich die Ergebnisse der Anhörung ernst genommen, wenn zumindest der Landtag den im Leitbild gesetzten Orientierungsrahmen ernst nimmt. Und das tun Sie nicht. Lesen Sie noch einmal die Stellungnahmen der Anhörung!
Wenn nach Aussage der Anzuhörenden eine öffentlich angekündigte Reform im Dialog nicht stattfindet und nicht stattgefunden hat, dann muss dieser Landtag diesen Umstand heilen und eine ergebnisoffene Prüfung vornehmen, und nicht nur dem Munde, sondern dem eigenen Handeln nach. Das schließt die Abwägung struktureller Alternativen nicht aus.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, eigentlich ist all das eine Selbstverständlichkeit, erst recht nach den Hinweisen, die wir aus Greifswald erhalten haben, aber eben nur eigentlich. Stattdessen höre ich von den Koalitionären unentwegt, dass an 6+2 nicht gerüttelt wird. Alternativen werden ausdrücklich nicht ernsthaft erwogen. Lediglich an dem verunfallten Aufgabenzuordnungsgesetz soll noch ein wenig verschlimmbessert werden. Schließlich gilt doch der schöne Satz: Kein Gesetz verlässt den Landtag so, wie es hereingekommen ist.
Nun gut, dann die 201 Stellen, die Sie jetzt vereinbart haben. Die sind nicht einmal der Rede wert. Allein aus diesen Gründen halte ich die Aussage in unserem ersten Punkt für erforderlich. Eine Modernisierung der Verwaltung, eine umfassende Aufgabenübertragung, eine Stärkung der kommunalen Selbstverwaltung, der Abbau von Doppelstrukturen und Verantwortlichkeiten finden nicht statt.
Wie sich doch die Zeiten ändern, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist noch nicht lange her, da hat die SPD einen Gesetzentwurf mit eingebracht, der eine umfassende Aufgabenverlagerung und den Abbau von Doppelstrukturen, eine Modernisierung der Verwaltung des Landes vorsah.
Es ist noch gar nicht so lange her, dass selbst der CDU diese Aufgabenübertragung nicht ganz unsympathisch war, allerdings ganz ohne Kreisgebietsreform. Die CDU damals: Gebt der kommunalen Ebene eure Landesaufgaben, lasst aber die Strukturen. Wir sind in der Lage, das alles so zu bewältigen.
(Helmut Holter, DIE LINKE: Das ist die Wahrheit. – Vincent Kokert, CDU: Das habe ich gar nicht gesagt. – Zuruf von Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE)
Ach, Herr Kokert, Sie haben wirklich eine ziemlich große Vergessensrate. Ich kann Ihnen die Zitate von Herrn Dr. Jäger dann noch zeigen.
Die CDU heute: Ziehen wir neue Kreisgrenzen, aber schweigen wir zu einer umfassenden Aufgabenzuordnung.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, in der Öffentlichkeit aber wird zunehmend der Punkt 2 unseres Antrages debattiert. Darin formulieren wir, dass die neuen Kreisstrukturen erst 2014 und nicht 2011 in Kraft treten sollen. Spätestens seit den in den öffentlichen Anhörungen geäußerten Positionen müsste jedem klar sein, dass dies die übergroße Anzahl der Anzuhörenden auch so möchte, und zwar parteiübergreifend. Nun gut, nur die Landräte aus Nordvorpommern und Mecklenburg-Strelitz sehen das nicht so. Die finden die Reform plötzlich sowieso total klasse. Purer Zufall kann dabei nur sein, dass im einen Landkreis der CDU-Fraktionsvorsitzende und im anderen Landkreis der CDU-Innenminister und der Generalsekretär seiner Partei seinen Wahlkreis hat.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, die vorgebrachten Argumente gegen ein Verschieben sind nicht belastbar. Die Gründe aber dafür liegen auf der Hand. So wird dagegen argumentiert, dass wir uns weitere drei Jahre des Wartens nicht leisten könnten, das Land würde Einspar
potenziale verschenken und am Ende könnten gar ein neuer Landtag und eine neue Landesregierung das Vorhaben nach 2011 stoppen. Ja, haben Sie denn kein Vertrauen in Ihre eigene Zukunft, liebe Kolleginnen und Kollegen? Da werden schon schwere Geschütze aufgefahren. Als ernst zu nehmende Kritikpunkte können Sie jedoch aus folgenden Gründen nicht überzeugen:
Zunächst, liebe Kolleginnen und Kollegen, ist jedes Jahr, das das Land auf eine schlechte Reform wartet, ein gutes, ein gewonnenes Jahr. Insofern hätten wir lieber ein Verschieben auf den Sankt-Nimmerleins-Tag beantragen sollen.
(Heinz Müller, SPD: Aha! – Torsten Renz, CDU: War das jetzt ein Änderungsantrag? Abgelehnt. – Zuruf von Vincent Kokert, CDU)
Aber selbst dann, wenn man die wahnwitzige Auffassung vertritt, diese Reform sei gut für MecklenburgVorpommern,
dann ist überhaupt nicht klar, ob und geschweige denn in welcher Höhe finanzielle Einsparungen zu erwarten sind. Was geht denn dem Land konkret verloren, Herr Renz? Diese Fragen können Sie alle nicht beantworten. Die Modellrechnungen selbst sind höchst umstritten. Niemand konnte in den Anhörungen mit belastbaren Zahlen aufwarten.
Und was das mögliche Kassieren der Reform in der nächsten Wahlperiode betrifft, da kann ich nur sagen: Das ist ein Argument der Handelsklasse 3. Dieser Landtag kann doch bereits Vorkehrungen treffen und das Inkrafttreten dieses Gesetzes beschließen. Und die Gefahr beziehungsweise die Hoffnung des Zurücknehmens von Reformen besteht immer, vor allen Dingen bei schlecht gemachten Reformen.
Also was sollen wir mit den Argumenten anfangen? Wahrscheinlich gar nichts, sondern nur hinnehmen wie die Gesetzentwürfe der Regierung selbst. Bloß nicht daran rütteln, bloß nicht die Bedenken der Anzuhörenden ernst nehmen, die schlüssig darlegen, dass 2011 viel zu kurz sei! Neben der aufwendigen Umstellung auf die Doppik sollen ganze Kreise samt Personal fusioniert werden. Und wenn sie dann Pech haben, kommt das Zerschneiden noch hinzu. Bloß nicht die Befürchtungen der ehrenamtlich Engagierten zur Kenntnis nehmen, die besorgt fragen, wie oft sie denn noch für Kommunalparlamente innerhalb weniger Jahre kandidieren sollen! Erst 2009, dann 2011 und schließlich bereits wieder 2014.
(Torsten Renz, CDU: Wie viele sind davon zusätzlich? – Wolf-Dieter Ringguth, CDU: Keiner. Keiner ist zusätzlich.)
Und bloß nicht an die Wählerinnen und Wähler denken! Wahlmüdigkeit in Kauf nehmen, kein Problem. Warum auch, liebe Kolleginnen und Kollegen, die guten Erfahrungen des letzten Reformversuches mit Aufbaustäben nutzen, die das Zusammenwachsen der Kreise befördern könnten?! Sie wollen es nicht. Auch dass sich die neuen Kreistage bereits drei Wochen,
bereits drei Wochen, Herr Kokert, nach dem Wahlsonntag konstituieren sollen, ist ein Unding, weil praxisuntauglich. Kritiken von Personalvertretern, Gleichstel
lungsbeauftragten und Behindertenvertretungen bleiben ungehört. Die Devise der Koalition lautet: Augen zu und durch! 6+2 steht, 2011 steht und die NullachtfünfzehnArgumente für diese Reform stehen auch.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, ob auch das Aufgabenzuordnungsgesetz 2014 in Kraft treten soll, lässt der Antrag ausdrücklich unbeantwortet. Dafür gibt es zwei gute Gründe: Zum einen haben die Anzuhörenden ausdrücklich ein Verschieben des Inkrafttretens der neuen Kreisstrukturen gefordert
und zum anderen ist diese Frage bei diesem Funktionalreförmchen überhaupt nachrangig. Sie stellt sich erst dann ernsthaft, wenn wir auch über eine wirkliche Funktionalreform, über eine wirkliche Aufgabenverteilung und über eine wirkliche Auflösung von Doppelstrukturen des Landes reden. Aber selbst die Koalitionäre sagen, dass das jetzige Reförmchen mit den 201 Stellen – welche heldenhafte Leistung – auch erst ab 2011 beginnen soll. Wie konkret das aussieht, wissen Sie wahrscheinlich selbst noch nicht.