Nicht dass die DDR-Ökonomie 1989 zusammenbrach, weil sie auf Mangel und Improvisation begründet war, war bemerkenswert, sondern das Wunder, dass sie überhaupt so lange den vielen Widrigkeiten standhielt. Denn eigentlich war diese Republik ein amputierter Staat, ähnlich wie Österreich nach dem Ersten Weltkrieg. Wäre Stalin in dieser Sache ein wenig weitsichtiger gewesen, dann hätte er dem dritten deutschen Staat seine Ostgebiete,
(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Und der dritte deutsche Staat?! Haben Sie Österreich immer noch annektiert?)
die preußischen Provinzen mit ihren pommerschen Kornkammern und das an Steinkohle reiche oberschlesische Industrierevier belassen. Doch weil seine Geburtsstunde unter einem denkbar schlechten Stern stand, wurden Pfandsystem und Sekundärrohstoffverwertung ebenso wie die Mauer zum Lebensalltag der DDR, denn die auf Weltrevolution erpichte Stalin-Clique hat im Grunde genommen den Zweiten Weltkrieg verloren. Von einzelnen Ergebnissen abgesehen, etwa dem Ölpreisschock 1973, sahen die meisten DDR-Bürger in der Wegwerfgesellschaft etwas, um dessen Willen man die eigene Mangelwirtschaft wegwerfen sollte.
Und das taten sie dann auch 1989 in kürzester Frist. So leben wir nun, die paar Millionen armer Volksgeschwister einmal ausgeblendet, in einer scheinbar am materiellen Überfluss geradezu erstickenden Turboökonomie, die vor Kraft derart zu strotzen scheint, dass sie sich jedes Jahr Exportweltmeister nennen und hämisch auf die verblichenen Konkurrenten in der DDR zurückblicken darf.
In Deutschland kostet es 3,50 Euro, einen alten Röhrenmonitor zu entsorgen. Für nur 1,50 Euro kann man ihn per Container nach Übersee schicken. Doch das ist eigentlich gar nicht möglich. Die 1989 beschlossene und von 172 Staaten unterzeichnete Baseler Konvention verbietet es zum Beispiel den reichen Ländern, ihren Computermüll ohne Genehmigung in der Dritten Welt abzukippen. Allerdings haben drei dieser Staaten, die man getrost Umweltschurkenstaaten nennen kann, den Vertrag nie in Kraft gesetzt: Haiti, Afghanistan und die USA. Allein in den USA werden jährlich 40 Millionen Computer außer Dienst gestellt und wandern auf seltsame Plätze.
Die Europäische Union hat auf der Grundlage der Baseler Konvention die beiden Richtlinien WEEE und RoHS erlassen, die auch perfektioniert mit deutscher Gründlichkeit in deutschen Gesetzen wiederzufinden sind. Sie sollen die strengsten der Welt sein. Wer Computerschrott aus Deutschland nach Nigeria, Vietnam, China, Indien, die Philippinen oder Ghana verschifft, kann im Gefängnis landen, meinen viele Gutgläubige. Wirklich?
Die Wahrscheinlichkeit, in Deutschland zwölf Jahre für den Römischen Gruß oder den Zweifel an Auschwitz ins Kittchen zu gehen, sind um ein Vielfaches höher als für das Verursachen eines Computerholocaust mit deutschen Elektrogeräten in sogenannten Entwicklungsländern. Experten schätzen, dass allein aus Deutschland 100.000 Tonnen dieser elektronischen Giftware geschafft werden. Wie ist das möglich? In der BRD sind doch extra Sammelstellen für elektronische Geräte eingerichtet, damit die mit Schwermetallen behafteten Geräte nicht die empfindliche Umwelt belasten.
Sogenannte Remarketing Firmen sammeln Unmengen alter Geräte frei nach Aschenputtel ein, die guten ins Töpfchen, die schlechten ins Kröpfchen: Funktionierende Geräte dürfen wiederverkauft werden, defekte müssen recycelt werden. Gebrauchte Rechner dürfen exportiert werden, Schrott nicht.
Ein paar dutzend Wasserschutzpolizisten und Zöllner, beispielsweise in Hamburg, sollen das prüfen und die illegalen Schrottexporteure stoppen. Aber wenn die Zöllner, die meist ähnliche Computerkenntnisse haben wie ein Landtagsabgeordneter der etablierten Parteien, einen Container mit PCs öffnen, landet der Fall vor Gericht.
(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Da müssen Sie ja selber drüber lachen. – Zuruf von Reinhard Dankert, SPD)
Sind kaputte Rechner, die sich vielleicht durch Komponententausch flicken lassen, Müll oder ein zehn Jahre
alter Rechner, auf dem nur noch Windows 95 ohne Weltnetzanschluss läuft? Im Zweifel bekommen die Exporteure recht und die Dino-Rechner wandern außer Landes.
„Der Spiegel“ beschreibt in „Die Kinder von Sodom“ eindrucksvoll die diabolische Welt, die auch die weltoffene von der Würde des Menschen geleitete BRDÖkonomie anderenorts entstehen lässt.
„Schwarz auch und dick wie Altöl schiebt das Wasser eines Flusses direkt daneben die Gehäuse ausgeschlachteter Computer Richtung Meer. Auf dem großen Platz am anderen Ufer lodern Feuer aus Plastiksplittern und Schaumstoff, ihre Flammen verzehren jeden Kunststoff um Kabel, Stecker und Platinen. … Tiefe Atemzüge lassen die Lunge schmerzen, und manchmal sind die Menschen an den Feuern nur wie Schemen im Nebel“ erkennbar. Zitatende.
Bismarck aus Accra, der Hauptstadt Ghanas, wird nie erfahren, was Zyklon B als Insektizid bewirken kann. Er weiß nur, dass alle Computer stinken, wenn sie auf den Müllbergen von Sodom verbrennen, egal wie alt sie sind. Sie werden dort zuhauf in Kilotonnagen verbrannt, um an Metalle zu kommen, die die Kinder in dieser offenen Gaskammer einsammeln müssen, um sich ein paar Nahrungsmittel kaufen zu können. Dem 40-jährigen Bismarck schmerzen Kopf und Hals. Die umherfliegende klebrige Asche setzt sich in den Poren ab, entzündet die Haut und lässt im ungünstigsten Falle Krebs wuchern.
Computerschrott aus Deutschland qualmt auf vielen Plätzen der Welt. Kinder werden zu Tausenden begast, ohne dass jemand in Haft genommen wird. Es wäre sinnvoller, ein Pfand einzusetzen, in dem die Kosten einer Aufarbeitung enthalten wären. Doch die etablierten Parteien werden dieses Ansinnen ablehnen. Die Betriebsgewinne der Gift-PC-Händler sprudeln.
(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Sie wissen doch, dass das verboten ist, Herr Borrmann, ne?! Wissen Sie, dass das verboten ist? – Peter Ritter, DIE LINKE: Der weiß nichts.)
Es ist nicht ungefährlich, ihre Pfade zu kreuzen. Und was geht Politiker eines etablierten weltoffenen Systems ein Pochen auf den Primat einer raumorientierten Volkswirtschaft an, dem sich die Unternehmen weitgehend unterzuordnen haben? Der Erfolg gibt dem System doch recht.
Doch der Erfolg muss nicht ewig währen. Die GrilloWerke im Ruhrgebiet stellen seit 150 Jahren Zink für Autorreifen und Dachrinnen her. Ihr gleichnamiger Firmenchef leitet den Rohstoffausschuss beim Bundesverband der Deutschen Industrie, kann also über den Tellerrand seines eigenen Unternehmens hinausschauen. Wenn die Krise weitgehend überwunden ist, so schätzt er, und es zu einem Aufschwung kommt, müssen viele deutsche Industrieunternehmen um die Grundlage ihres Geschäftes fürchten – Rohstoffe.
Moderne Sonnenkollektoren brauchen Gallium und Molybdän, Brennstoffzellen das teure Platin. Für hoch brechende Kameralinsen ist Lanthan erforderlich. Auch auf Palladium kann die hochmoderne Industrie nicht verzichten. Diese sogenannten seltenen Erd- und Edelmetalle werden immer knapper. Es mangelt an Kobalt. Doch das ist nicht alles, auch bei den Allerweltsmetallen wie Blei und Kupfer droht eine Verknappung. Sie kosten bereits heute schon wieder so viel wie beim Allzeithoch zwischen 2006 und 2008. Es ist daher dringend nötig, mit den knapper werdenden Rohstoffen schonend umzugehen. Die Einführung einer Pfandabgabe auf wertstoffhaltige Industriegüter kann hier Abhilfe schaffen. Christian Hagelüken, strategischer Leiter der Recyclingabteilung von Umicore im hessischen Hanau, teilt die Auffassung der NPD. Um Rohstoffe für Hochtechnologieprodukte aus Industriegütern zurückzugewinnen und gleichzeitig eine Umweltvergiftung durch Schmalspurverwerter – hier liegt die Rückgewinnung bei nur 20 Prozent, statt der heutigen möglichen 95 – auszuschließen, müsse nach Hagelüken festgelegt werden, was Müll und was Gebrauchtware ist. Große Wirkung verspricht sich der Wirtschaftsstratege von einer Pfandabgabe auf Hochtechnologiegeräte. Zitat: „Die Erfahrung zeigt, wenn die alten Sachen Geld bringen, schafft sie immer einer zu den Sammelstellen.“ Zitatende. So begründet der Umicore-Manager Hagelüken seine Idee.
Dem können wir Nationaldemokraten aus der Erfahrung der DDR zustimmen. Die Etablierten werden ablehnen, doch die Zeit wird uns recht geben, rascher, als Sie denken. Ich beantrage namentliche Abstimmung.
(Beifall bei Abgeordneten der Fraktion der NPD – Reinhard Dankert, SPD: Die Sonne haben Sie noch vergessen.)
Im Ältestenrat wurde eine Aussprache mit einer Dauer von 60 Minuten vereinbart. Ich sehe und höre dazu keinen Widerspruch, dann ist das so beschlossen. Ich eröffne die Aussprache.
Auf ein Neues, Frau Präsidentin! Auch wenn man es in dem verträumten und sprachlosen Landtag von Mecklenburg-Vorpommern vielleicht noch nicht erkannt hat, in der Welt hat ein Kampf um Rohstoffe und damit um die Arbeitsplätze ungeahnten Ausmaßes begonnen.
Zentrale Rolle in diesem Überlebenskampf um die Ausgangsstoffe industrieller Produktion spielen die Schwellenländer.
Zitat: „Staaten mit den größten Vorkommen wie China und Russland wollen mithilfe ihrer Bodenschätze den Sprung vom Erzlieferanten zum Produzenten hochwertiger Industriegüter schaffen“, erklärt Joachim Rotering, Spezialist für die Rohstoffbranche der Unternehmensberatung Booz. China verfügt über bis zu 97 Prozent aller heute bekannten abbaubaren Vorkommen an seltenen Erden. Doch die Chinesen sichern sich auch die Vorkommen von Erdöl im Sudan oder Lithium, Hauptbestandteil für Akkus und Funktelefone und Elektroautos.
Gerade haben sie sich nach einem Bericht der „Wirtschaftswoche“ die Vorkommen in Bolivien gesichert, die nach den eigenen chinesischen zu den größten der Welt zählen. Die Regierung in Peking gewährt Bolivien Kredite für Industriegüter und Waffen. US-Dollars haben die Chinesen durch ihre Exportüberschüsse ja genug. Auch auf dem Gebiet des Kupfers ist China dabei, wie die „Wirtschaftswoche“ es nennt, sich zu einem Kraken zu entwickeln. Die Chinesen erheben 15 Prozent Exportsteuer auf halbwertiges Kupfer, das verteuert die Ausfuhr, 10 Prozent Ausfuhrsteuer auf raffiniertes Kupfer, auch dies verteuert die Ausfuhr, erstattet die Umsatzsteuer auf Kupferprodukte aus chinesischer Produktion, dies verschafft den Produkten einen Preisvorteil gegen ausländische Anbieter, erhebt 15 Prozent Exportsteuer auf fertige Kupferprodukte, dies hält durch verteuerte Ausfuhren Kupfer im Land.
(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Das würden Sie wahrscheinlich auch so machen, wenn Sie Chinese wären.)
Auf Importe werden 15 Prozent Einfuhrsteuer erhoben, auf jene Kupfererzeugnisse, die nicht im Land gefertigt werden. Auch dies hält den Rohstoff Kupfer im Land, schließt die ausländischen Konkurrenten vom chinesischen Markt aus, der von Kupfer aus billig produzierenden chinesischen Raffinerien profitiert. Zugleich beschränkt die Zentralregierung die Ausfuhr von Kupfer nach der Raffination und Vorverarbeitung in China. Auch dies hält das Material im Land und behindert die ausländische Konkurrenz.
China ist dabei, mit seiner verschlossenen Wirtschaftspolitik und seiner ökonomischen Kraft, dem Westen das Wasser abzugraben. Sein Erfolg wird schon in wenigen Jahren in Deutschland Millionen Arbeitsplätze vernichten – höchste Zeit, über Alternativen nachzudenken und in die Geschichte zu schauen.
Die Frage nach einer bürgerlichen selbstreproduktiven Ökonomie in Deutschland, ihres Scheiterns oder ihrer Alternative zu einer hauptsächlich auf den Weltmarkt ausgerichteten feudalisierten Netzwirtschaft ist nicht erst seit dem Untergang der DDR gestellt. Und sie ist keineswegs abschließend beantwortet. Schon das Deutsche Reich in Gestalt der in Weimar verfassungsrechtlich gegründeten Republik, ebenso in seiner Ausprägung des Nationalsozialismus, litt nach dem Diktat von Versailles wegen der überbordenden Reparationen des Ersten Weltkrieges,
und einer Embargopolitik, die dazu führte, dass das LZ „Hindenburg“, das Luftschiff, in Flammen aufging, weil kein Helium nach Deutschland exportiert werden durfte.
(Dr. Wolfgang Methling, DIE LINKE: Ich glaube, jetzt haben Sie sich im Müll verirrt hier. – Heiterkeit bei Abgeordneten der Fraktion der SPD)